Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (9. Kammer) - 9 K 13585/17.TR

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur Errichtung und zum Betrieb zweier Windenergieanlagen auf der Gemarkung Waldweiler in der Nähe des Segelfluggeländes Kell am See. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Klägerin beantragte am 20. September 2016 die Erteilung eines Vorbescheides nach § 9 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen (WEA 2 und WEA 3) auf der Gemarkung Waldweiler, Flur 12, Flurstück 1/14. Die Anlagenstandorte befinden sich in einer Entfernung von ca. 2-2,5 km zum Segelflugplatz Kell am See und innerhalb der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück.

3

Am 29. September 2016 beteiligte der Beklagte den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) sowie das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr und bat um Stellungnahme zu diesem Antrag.

4

Am 3. März 2017 versagte der LBM auf der Grundlage einer Stellungnahme der Deutschen Flugsicherung vom 2. März 2017 die Erteilung der luftrechtlichen Zustimmung gemäß § 14 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz - LuftVG -. Mit Schreiben vom 15. März 2017 teilte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr mit, dass aus flugsicherungstechnischer, liegenschaftsmäßiger, infrastruktureller und schutzbereichsmäßiger Sicht keine Bedenken gegen das streitgegenständliche Vorhaben bestünden.

5

Bereits mit Bescheid vom 9. März 2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides ab. Zur Begründung führte der Beklagte in Übereinstimmung mit den Ausführungen des LBM aus, dass sich das geplante Vorhaben innerhalb der oberen Übergangsfläche des Segelfluggeländes Kell am See befände. In diese sollten keine Bauwerke hineinragen, die nach den örtlichen Verhältnissen die sichere Durchführung des Flugbetriebs gefährden könnten. Durch die Windenenergieanlagen wäre der Flugbetrieb erheblich beeinträchtigt und die sichere Durchführung des Betriebes gefährdet. Darüber hinaus befänden sich die Standorte innerhalb der Mindestabstandsfläche der tatsächlich geflogenen Platzrunde am Segelfluggelände Kell am See. So weise die WEA 2 lediglich einen Abstand von 80 m zum Kurventeil und die WEA 3 einen Abstand von 160 m zum Gegenanflug der geflogenen Platzrunde auf. Außerdem befänden sich die geplanten Anlagen innerhalb des von der FH Aachen in einem Gutachten vom Dezember 2015 festgestellten notwendigen Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Flugbetriebsräumen.

6

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 4. April 2017 Widerspruch ein. Begründet wurde dieser damit, dass dem geplanten Vorhaben keine luftverkehrsrechtlichen Belange entgegenstünden. So bestünde insbesondere keine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs am Segelflugplatz Kell am See. Die geplanten Windenergieanlagen lägen nicht innerhalb der Hindernisfreiflächen des Segelflugplatzes. Denn für den reinen Segelflugbetrieb sei eine obere Übergangsfläche überhaupt nicht vorgesehen. Eine rechtswirksame Betriebserweiterung des Segelflugplatzes für den Motorflug läge noch nicht vor. Auch unterschritten die geplanten Anlagen nicht die Mindestabstandsfläche zur vermeintlichen Platzrunde, nachdem für den Segelflugplatz Kell am See keine solche verbindliche Platzrunde existiere. Eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs ergäbe sich auch nicht wegen der Unterschreitung der Abstandsempfehlungen aus dem Gutachten der FH Aachen vom Dezember 2015. Denn dabei handele es sich lediglich um eine einzelne Studie, die keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen könne.

7

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 wurde der Widerspruch durch den Kreisrechtsausschuss des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die geplanten Windenergieanlagen den genehmigten Flugbetrieb des Segelflugplatzes Kell am See in Form des Windenschleppbetriebes aufgrund der Höhe der Anlagen und durch diese erzeugte aerodynamische Effekte erheblich einschränkten und konkret gefährdet würden, bis hin zur Gefahr eines Absturzes.

8

Am 17. November 2017 erhob die Klägerin Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017. Zur Begründung wiederholt die Klägerin zunächst ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie ist der Auffassung, dass die Versagung der Zustimmung durch den Beigeladenen rechtswidrig sei, da von den streitgegenständlichen Windenergieanlagen keine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs am Segelflugplatz Kell am See ausgehe.

9

Ergänzend zum bisherigen Vorbringen führt die Klägerin aus, dass eine etwaige Beeinträchtigung der Thermiksuche am Flugplatz kein zulässiges Kriterium für die Bejahung einer konkreten Gefahr im Sinne des § 14 Abs. 1 LuftVG darstelle. Denn entscheidend sei insoweit eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs.

10

Auch wenn § 14 Abs. 1 LuftVG die Leichtigkeit des Flugverkehrs ebenfalls schütze komme dennoch der Sicherheit des Luftverkehrs das maßgebliche Gewicht zu.

11

Ferner könne die Erteilung des begehrten Vorbescheides auch nicht mit dem Argument verwehrt werden, dass aufgrund der Verursachung von Turbulenzen bei einer Realisierung der Windenergieanlagen eine konkrete Gefahr für den Bestandsbetrieb des Segelflugplatzes anzunehmen sei. Denn insoweit stütze sich die Einschätzung des LBM lediglich auf eine Studie der FH Aachen aus dem Dezember 2015. Diese könne jedoch weder eine Allgemeingültigkeit noch eine Rechtsverbindlichkeit für sich beanspruchen. Auch sei die Studie in der Fachwelt auf deutliche Kritik gestoßen. Ferner sei im Hinblick auf einen aktuellen Erlass des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 25. April 2018 festzuhalten, dass Windenergieanlagen keine nachteiligen Einflüsse auf den Flugbetrieb haben, soweit die aktuell geltenden Abstandserfordernisse eingehalten werden.

12

Die Erteilung eines Vorbescheides scheitere auch nicht daran, dass das Plangebiet von den dortigen Segelflugpiloten bevorzugt zur Thermiksuche eingesetzt werde und bei einer Realisierung von Windenergieanlagen in diesem Gebiet ein erhöhtes Kollisionsrisiko bestünde bzw. von derartigen Anlagen gefährliche Luftverwirbelungen erzeugt würden. Denn es sei nicht zu erwarten, dass infolge der Errichtung der Windenergieanlagen verbindlich vorgeschriebene Fluglinien unmittelbar berührt würden oder so beeinflusst werden, dass sie nicht mehr mit dem notwendigen Sicherheitsmindestabstand abgeflogen werden könnten. Vielmehr sei der Gesamtbereich der Standorte der geplanten Anlagen bereits ohne die Errichtung der streitgegenständlichen Windenergieanlagen nicht für den Aufstieg von Luftfahrzeugen nach dem Ausklinken geeignet, da die Bewuchsoberkante und auch der bereits vorhandene Antennenmast ein Einhalten der erforderlichen Flugsicherheitsmindesthöhen und -abstände nicht ermöglichten. Außerdem fehle es an nachvollziehbaren Darlegungen für die Behauptung einer besonderen thermischen Aktivität. Die Betriebsmöglichkeit des Fluggeländes sei daher infolge einer Windenergienutzung weder faktisch noch tatsächlich ausgeschlossen.

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Dem beantragten Vorbescheid stünde auch nicht die Änderung des Landesentwicklungsprogramms vom 4. Juli 2017, wonach die Errichtung von Windenergieanlagen in Kernzonen von Naturparks ausgeschlossen werde, entgegen. Zwar befände sich der Standort der geplanten Anlagen derzeit noch in einer derartigen Kernzone. So sei es beispielsweise aber möglich, ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen. Außerdem liefe derzeit ein Verfahren zur Ausgliederung der Vorhabenfläche aus der betroffenen Naturparkkernzone. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, durch einen Bebauungsplan den räumlichen Geltungsbereich des Naturparks nachträglich dergestalt zu beschränken, dass das streitgegenständliche Vorhaben nicht mehr innerhalb des Naturparks liege. Damit stünden dem streitgegenständlichen Vorhaben keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse entgegen.

14

Die Klägerin beantragt:

15

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. März 2017 (Az.: ...) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017 (Az.: ...) verpflichtet, entsprechend dem Antrag vom 20. September 2016 den Vorbescheid für die Errichtung und den Betrieb zweier Windenergieanlagen in der Gemarkung Waldweiler, Flur 12, Flurst. 1/14, zu erteilen.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er nimmt zunächst Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides, ferner auf eine ergänzende Stellungnahme des LBM vom 10. August 2017 (S. 51 ff. der Verwaltungsakte). Danach könne die Zustimmung nach § 14 LuftVG verweigert werden, da schon der gegenwärtig genehmigte Segelflugbetrieb durch die Errichtung der geplanten Windenergieanlagen derart gefährdet wäre, dass eine Zustimmung nicht erteilt werden dürfe. Die grundsätzliche Problematik ergäbe sich dabei vorliegend insbesondere aus der Beschaffenheit des Geländes. Der Segelflugplatz befände sich auf einer Höhe von 553 m über NN. Die geplanten Windenergieanlagen sollten in einer Höhe von ca. 700 m über dem Meeresspiegel errichtet werden. Am Segelflugplatz Kell böte sich indes der Höhenzug, auf dem die Windenergieanlagen geplant seien, bei entsprechender Wetterlage an, nach Thermik zu suchen. Dabei suche der Pilot verstärkt nach Aufwinden. Nach dem Ausklinken aus der Winde, die die Flugzeuge in die Luft befördere, betrage die Flughöhe ca. 900 m über dem Meeresspiegel. Damit befände sich der Segelflieger nur noch in geringem Abstand zum Niveau der geplanten Rotorflügel, wodurch die Gefahr einer Kollision steige. Auch bestünde die Gefahr, in einen von den Rotoren verursachten Luftwirbel zu geraten. Dadurch könne es zu einem Strömungsabriss an den Tragflächen des Segelflugzeugs mit der Folge eines Absturzes kommen.

19

Ergänzend ist der Beklagte der Auffassung, dass aufgrund der Dritten Änderung des Landesentwicklungsprogramms vom 4. Juli 2017 die Errichtung von Windkraftanlagen unter anderem in Kernzonen von Naturparks ausgeschlossen sei. Das Vorhaben der Klägerin widerspräche damit den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung und komme für eine Genehmigung nicht mehr in Betracht. Eine etwaige Änderung der Gebietskulisse der Kernzonen der Naturparks sei derzeit jedenfalls noch nicht abgeschlossen.

20

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Deutsche Flugsicherung habe eine Gefährdung des Luftverkehrs durch den Bau der geplanten Windenergieanlagen gesehen. Vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Flugsicherung habe der Beigeladene die Zustimmung zum streitgegenständlichen Vorhaben auch dahingehend versagt, dass bereits im Hinblick auf den genehmigten, bestandskräftigen Luftverkehr mit Windenstarts eine erhebliche Gefahr vorliege. Konkret betroffen sei der Abflug von Segelflugzeugen, die mittels Winde in die Luft gezogen werden. Die Ausklinkhöhe befinde sich etwa auf der Höhe der Rotoren der geplanten Windenergieanlagen. Da sich diese Anlagen nahe am Flugplatz befänden, würden sich die durch die Drehung der Rotoren verursachten Luftverwirbelungen unmittelbar auf die gestarteten Segelflugzeuge auswirken. Konkret führten die Verwirbelungen zu einem Strömungsabriss an den Tragflächen und damit unmittelbar zu einem Absturz des Luftfahrzeugs. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass am Segelflugplatz Kell am See eine Wetterlage vorherrsche, die starke Luftverwirbelungen in Richtung des Flugplatzes, sogar bis auf die Start- und Landebahn, begünstige.

23

Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten sei bereits deshalb nicht zu verwerten, da der Gutachter ... nicht vor Ort gewesen sei. Im Übrigen zeigten die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, dass tatsächlich der Bereich des Höhenzuges, auf dem die streitgegenständlichen Anlagen geplant seien, thermisch aktiver als die übrigen Gebiete rund um den Segelflugplatz sei, so dass dieses Gebiet angeflogen werden müsse. Besonders sei ferner bei der Gefahrenabwägung zu beachten, dass die streitgegenständlichen Windenergieanlagen kein starres, sondern ein bewegliches Hindernis darstellten. Auch die Tatsache, dass in großer Zahl ungeübte Flugschüler den Segelflugplatz nutzten, führe zu einer besonderen Gefährdung des Luftverkehrs.

24

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die vorliegenden Verwaltungs- und Widerspruchsakte verwiesen. Die jeweiligen Akten wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Ferner wird auf das diesbezügliche Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet.

26

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 12. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da diese keinen Anspruch auf den Erlass des beantragten positiven Vorbescheids hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

27

Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids nach § 9 Abs. 1 BImSchG fehlen gemäß § 9 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die erforderlichen Voraussetzungen. Die Vorbescheidserteilung ist wegen der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens an den geplanten Standorten zu versagen. Denn das streitgegenständliche Vorhaben widerspricht Zielen der Raumordnung.

28

Auf Antrag soll gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage verbindlich entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht. Die Vorschriften der §§ 6 und 21 BImSchG gelten sinngemäß (§ 9 Abs. 3 BImSchG). Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und den aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).

29

Soweit der Vorbescheid über das Vorliegen bestimmter Genehmigungsvoraussetzungen entscheidet, bindet er als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Genehmigung die Genehmigungsbehörde für das weitere Genehmigungsverfahren und nimmt insoweit die Entscheidung vorweg. Die festgestellten Genehmigungsvoraussetzungen müssen schon bei der Bescheidung des Antrags auf Erteilung eines Vorbescheids abschließend geprüft werden. Erforderlichenfalls ist die Bindungswirkung des Vorbescheids - um keine rechtswidrige Genehmigung in Aussicht zu stellen - durch Vorbehalte, insbesondere durch eine Angabe von Nebenbestimmungen zu der späteren Genehmigung einzuschränken.

30

Ein Vorbescheid kann zu jeder für die Genehmigung relevanten Frage ergehen, die im Vorgriff auf sie rechtlich und tatsächlich auch geklärt werden kann. Dies schließt umgekehrt für den Antragsteller auch das Recht ein, einzelne für die Genehmigung relevante Fragen aus der Prüfung auszuklammern (vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, DVBl. 2010, 719).

31

Voraussetzung für die Erteilung des Vorbescheids ist, dass die "Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können". Aufgrund einer vorläufigen Prüfung anhand der vollständigen und insoweit endgültigen Pläne muss feststehen, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort genehmigungsfähig ist (sog. vorläufige positive Gesamtbeurteilung). Die in diesem Zusammenhang geläufige Formulierung, dass dem Gesamtvorhaben "keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse" entgegenstehen dürften (vgl. § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG), darf allerdings nicht dahin missverstanden werden, dass das vorläufige positive Gesamturteil erst dann fehlt, wenn die Verwirklichung des Vorhabens bei kursorischer Prüfung mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Eine positive Gesamtbeurteilung setzt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage voraus (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 8 Rn. 12, m. w. N.).

32

Bei der abschließenden Genehmigung des Gesamtvorhabens dürfen sich damit nur noch solche Probleme stellen, die der Vorhabenträger durch Modifikationen des Vorhabens oder ggf. die Genehmigungsbehörde durch Beifügung von Nebenbestimmungen bewältigen kann und voraussichtlich bewältigen wird (vgl. insgesamt Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, Rn. 35 ff., 41, juris). Ist die Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage nur bei substanziellen Änderungen des Vorhabens zu bejahen, muss die vorläufige Gesamtbeurteilung negativ ausfallen und aus diesem Grund der Antrag abgelehnt werden (Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Oktober 2017, §9, Rn. 18).

33

Maßgeblich für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vergleiche z.B. Urt. vom 23. Juli 2015, - 7 C 10/13 -, GewArch 2016, 43, 46) dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

34

Dies vorweggeschickt zeigt sich im Rahmen der vorläufigen Gesamtbeurteilung, dass das streitgegenständliche Vorhaben gegen die die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verstößt, da die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht gegeben ist (dazu 1.). Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände vermögen nicht durchzugreifen (dazu 2.). Die mangelnde bauplanungsrechtliche Zulässigkeit kann auch nicht mittels Modifikationen oder durch die Beifügung von Nebenbestimmungen überwunden werden (dazu 3.).

1.

35

Nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 Baugesetzbuch - BauGB - dürfen raumbedeutsame Vorhaben den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, die den Zielen der Raumordnung gegenüber raumbedeutsamen Vorhaben im Außenbereich eine eher restriktive Wirkung auch im Sinne einer nachvollziehenden Abwägung zugestand, geht nunmehr das Bundesverwaltungsgericht von einer weitergehenden Wirkung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 BauGB aus. Mit der Festsetzung eines Ziels der Raumordnung wird danach bewirkt, dass der Bau eines raumbedeutsamen Vorhabens, das im Widerspruch zu diesem Ziel steht, unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. April 2015 - 4 CN 6/14 - NVwZ 2015, 1540, 1541). Eine „nachvollziehende Abwägung" scheidet aus.

36

Maßgeblich für diese Rechtswirkungen von Zielen der Raumordnung gegenüber Vorhaben nach § 35 BauGB ist der jeweilige Inhalt der Ziele, die unter Anwendung des § 7 Abs. 2 S. 1 Raumordnungsgesetz - ROG - (Abwägung auch privater Belange) festgelegt worden sind (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 126 EL, August 2017, § 35 Rn. 118).

37

Vorliegend wurde das Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) aufgrund der Dritten Änderung des Landesentwicklungsprogramms vom 4. Juli 2017 (GVBl. 2017, 162 ff.) geändert. Dabei wurden auch die Ziele der Raumordnung neu gefasst, unter anderem dahingehend, dass die Errichtung von Windkraftanlagen in Kernzonen von Naturparks ausgeschlossen ist (Z 163 d).

38

Der Standort der geplanten Windenergieanlagen befindet sich in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück. Bei der Errichtung der zwei geplanten Windenergieanlagen handelt es sich auch um ein raumbedeutsames Vorhaben. Vor dem Hintergrund der Dritten Änderung des Landesentwicklungsprogramms und der soeben dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen Anlage an den geplanten Standorten als bauplanungsrechtlich unzulässig anzusehen. Aufgrund der fehlenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Anlagen, so dass ein von vornherein unüberwindliches Hindernis vorliegt, welches einer Vorbescheidserteilung nach § 9 BImSchG entgegensteht.

2.

39

Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen stehen diesem Ergebnis nicht entgegen und vermögen insbesondere eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht zu begründen.

a)

40

So vermag zunächst das von der Klägerin angesprochene vermeintlich aktuell laufende Verfahren einer Ausgliederung der Vorhabenfläche aus der Naturparkkernzone Saar-Hunsrück eine andere Ansicht der Kammer nicht zu rechtfertigen. Bei dem von der Klägerin vorgelegten Schriftwechsel zwischen dem Innen- und dem Umweltministerium Rheinland-Pfalz samt der dazugehörigen Stellungnahme der SGD Nord (S. 78 ff. der Gerichtsakte) handelte es sich zunächst um einen rein informatorischen Gedankenaustausch auf politischer bzw. interministerieller Ebene ohne rechtliche Bindungswirkung. Diesbezüglich unterstreicht jedoch nicht nur der vom Beklagten vorgelegte Email- Verkehr (S. 122 ff. der Gerichtsakte), dass die Frage, ob im vorliegenden Einzelfall eine Verlagerung der Kernzone durchgeführt wird, ungewiss ist. Vielmehr zeigt das weitere, vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte, Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz an die Ortsgemeinde Waldweiler vom 1. Juni 2018, dass eine Veränderung der Kernzone im Naturpark Saar-Hunsrück nicht erfolgen wird. So heißt es dort explizit:

41

„Aus diesem Grund wird es unter den gegenwärtigen Umständen nicht zu einer Veränderung der Kernzonen kommen können".

42

Selbst wenn die diesem Schreiben zugrunde liegende Einschätzung der beteiligten Ministerien künftig einem Wandel unterliegen sollte, ändert dies nichts daran, dass sich die streitgegenständlichen Standorte zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung innerhalb der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück befinden.

b)

43

Auch der klägerische Hinweis auf eine mögliche künftige Überplanung des streitgegenständlichen Gebietes mittels eines Bebauungsplanes verfängt nicht. Zwar sieht die Landesverordnung über den Naturpark Saar-Hunsrück vom 14. Februar 1980 (GVBl 1980, 53) in § 1 Abs. 2 vor:

44

„Die Flächen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines bestehenden oder künftig zu erlassenden Bebauungsplans mit baulicher Nutzung [...] sind nicht Bestandteil des Naturparks".

45

Vorliegend ist das streitgegenständliche Vorhabengebiet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung allerdings nicht mittels eines Bebauungsplanes überplant. Die bloße Möglichkeit einer künftigen Bebauungsplanung kann die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens nicht herstellen. Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin, wonach jeder künftig zu erlassende Bebauungsplan eine Fläche aus einem Naturpark gewissermaßen „herauslöse", vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn folgte man der Ansicht der Klägerin wäre die Landesverordnung über den Naturpark Saar-Hunsrück obsolet, nachdem theoretisch jede denkbare Fläche „künftig" mittels eine Bebauungsplanes überplant werden könnte. Selbst wenn - wie vorliegend - für einen künftigen Bebauungsplan bereits ein Aufstellungsbeschluss gefasst ist, vermag dies ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen, da völlig ungewiss ist, ob und mit welcher konkreten Ausgestaltung es tatsächlich zur Beschlussfassung über einen Bebauungsplan kommen wird.

46

Das Zustandekommen eines dem klägerischen Begehren förderlichen Bebauungsplanes erscheint der Kammer auch im Hinblick auf das Entwicklungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB unwahrscheinlich. Denn im vorliegenden Fall wäre diesbezüglich der Flächennutzungsplan 2015 mit integriertem

47

Landschaftsplan der Verbandsgemeinde Kell am See zu beachten. Dort ist auf Seite 131 der Erläuterungen unter anderem folgendes festgehalten:

48

„Vor diesem Hintergrund, aber auch aufgrund wachsender Bedenken in den Ortsgemeinderäten wurde über die Fläche am Dreikopf hinaus auf die Darstellung sonstiger Flächen für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan verzichtet.

49

[…]

50

Nach dem Beschluss der regionalen Planungsgemeinschaft (02.07.2002) sollen nun außerhalb der in der laufenden Teilvorschreibung 'Windenergie' des Regionalen Raumordnungsplanes auszuweisenden Vorranggebiete zukünftig keine Flächen für den Bau und den Betrieb raumbedeutsamer Windkraftanlagen über die Bauleitplanung dargestellt bzw. festgesetzt werden können.

51

Der Verbandsgemeinderat hat daher beschlossen, den Bereich 'Windkraft' vorerst aus der Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplans herauszunehmen [...]“.

52

Nach - insoweit unbestrittener - Information des Beklagten (S. 117 der Gerichtsakte) wird die Fortschreibung dieses Flächennutzungsplans, wodurch die Ausweisung von Konzentrationszonen am streitigen Standort vorgesehen werden könnte, seit geraumer Zeit nicht mehr betrieben.

53

Vor diesem Hintergrund ist eine Änderung des Flächennutzungsplans und damit der Vorgaben, welchen die Bauleitplanung Rechnung zu tragen hat, nicht absehbar.

54

Auch der für das streitgegenständliche Gebiet gültige Regionale Raumordnungsplan Region Trier - Teilfortschreibung Kapitel Energieversorgung/Teilbereich Windenergie - vermag das klägerische Bauvorhaben nicht zu stützen. Denn dieser sieht für die Verbandsgemeinde Kell am See im Hinblick auf die Nutzung von Windenergie lediglich das „Vorranggebiet Lampaden Paschel“ (vgl. S. 111.5 des Regionalen Raumordnungsplanes in Verbindung mit der zugeordneten Karte) vor. Die streitgegenständlichen Windenergieanlagen befinden sich nicht innerhalb dieses Gebietes. Sofern die Klägerin darauf hinweist, dass bereits seit dem Jahr 2014 ein neuer Entwurf für einen Regionalplan vorliege, welcher keine außergebietliche Ausschlusswirkung mehr vorsehe, ist dies ebenfalls als unerheblich zurückzuweisen, da zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weiterhin der erwähnte Regionale Raumordnungsplan Gültigkeit beansprucht. Danach ist die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen außerhalb der festgelegten Vorranggebiete ausgeschlossen (vgl. S. I/II.1 des Regionalen Raumordnungsplanes).

c)

55

Ferner führt die - von der Klägerin vorgebrachte - Möglichkeit eines Zielabweichungsverfahrens gem. § 6 ROG i.V.m. § 10 Abs. 6 Landesplanungsgesetz - LPlG - bzw. eines Dispensverfahrens gem. § 67 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG - zu keiner anderen Einschätzung. Denn ein derartiges Verfahren ist - soweit ersichtlich - bislang weder eingeleitet noch erfolgreich abgeschlossen. Allein die theoretische Möglichkeit eines Zielabweichungsverfahrens vermag die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens nicht herzustellen.

3.

56

Die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes, insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss der Windenergienutzung in den Naturpark-Kernzonen, können von der Klägerin mithin nicht überwunden werden. Auch sind keine Auflagen, Bedingungen oder Vorbehalte ersichtlich, mit deren Einhaltung die Klägerin die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens herstellen könnte.

4.

57

Es ist ferner - auch unter Berücksichtigung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit - nicht angezeigt, im Hinblick auf die fehlende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit lediglich Vorbehalte hinsichtlich der Reichweite der vorläufigen positiven Gesamtprognose zu formulieren, wie dies die Klägerin fordert. Vielmehr ist die Erteilung des beantragten Vorbescheides im Gesamten zu versagen. Auch die Erteilung eines Vorbescheides betreffend sonstiger, mit dem Vorbescheidsantrag abgefragter Genehmigungsvoraussetzungen kommt nicht in Betracht (vgl. dazu auch BayVGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - 22 BV 15.2169 -, Rn. 39, juris)

58

Die Klägerin kann auch nicht beanspruchen, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts über den Vorbescheidsantrag entscheidet (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Denn einer Vorbescheidserteilung stehen zwingende Rechtsgründe entgegen; deren Ablehnung ist daher nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO sind somit nicht gegeben (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, aaO, Rn. 40).

59

Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene die luftverkehrsrechtliche Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG zu Unrecht versagt hat.

5.

60

Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Im Hinblick auf die Förderung des Verfahrens durch den Beigeladene erscheint es angemessen, dass die Klägerin als unterlegene Partei auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO)

6.

61

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

62

Die Berufung war durch die Kammer nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat noch ein Fall der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt.

63

Beschluss

64

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 428.500,- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG, vgl. OVG RP, Beschluss vom 16. Januar 2017 - 8 E 10117/17.OVG - ).

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