Beschluss vom Verwaltungsgericht Trier (8. Kammer) - 8 L 111/20.TR

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag, mit dem der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin begehrt, mit dem ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs aufgegeben wurde, dass das Bellen der Hunde zu gewissen Uhrzeiten zu unterbleiben hat beziehungsweise auf ein Höchstmaß zu begrenzen ist, ist zulässig, aber unbegründet.

2

Durch Verfügung vom 10. Januar 2020 wurde dem Antragsteller unter Ziffer I aufgegeben, die in seinem Eigentum bzw. Besitz befindlichen Hunde auf seinem Grundstück in ... so zu halten, dass in den Ruhezeiten von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des darauffolgenden Tages sowie zwischen 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr Hundegebell vollständig zu unterbinden ist (Nr. 1) und in der Zeit zwischen 6:00 Uhr bis 13:00 Uhr und von 15:00 Uhr bis 22:00 Uhr geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Hundegebell auf ein Höchstmaß von täglich insgesamt maximal 60 Minuten zu begrenzen. Das Höchstmaß bezieht sich nicht auf jegliches Hundegebell, sondern nur auf belästigendes, andauerndes oder häufiges Bellen (Nr. 2). Unter Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet. Unter Ziffer III wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 € angedroht. Der Antrag des Antragstellers bezieht sich wörtlich darauf, die gemäß Ziffer II angeordnete sofortige Vollziehung aufzuheben. Jedoch nimmt der Antragsteller Bezug auf den gesamten Bescheid und sieht sich durch diesen formell und materiell in seinen Rechten verletzt.

A.

3

Der Antrag des Antragstellers, die angeordnete sofortige Vollziehung einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufzuheben, ist auszulegen, §§ 122 Abs. 1,88 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Statthaft ist vorliegend ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 2 VwGO, da die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde. Der so verstandene Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig. Zudem erklärt der Prozessbevollmächtigte, dass sich der Antragsteller durch den gesamten Bescheid in seinen Rechten verletzt sehe. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Antragsteller auch gegen die Androhung des Zwangsgeldes nach Ziffer III richtet. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung entfällt die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Landesgesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO -, weshalb diesbezüglich ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft und zulässig ist.

B.

4

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

I.

5

Zunächst hat die Antragsgegnerin in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Zur Begründung wird auf die Gefährdung der Nachbarschaft durch das Hundegebell abgestellt. Die Gefahr von schwerwiegenden Krankheiten sei gegeben, weshalb dringender Handlungsbedarf bestehe. Die Antragsgegnerin hat damit eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses vorgenommen. Es handelt sich nicht um eine lediglich formelhafte Begründung oder die Wiedergabe des Wortlautes der Ermächtigungsgrundlage (vgl. zur Begründung der Vollziehungsanordnung etwa: W.-R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 84 ff. m.w.N.).

II.

6

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

7

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht.

8

Nach diesen Grundsätzen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids vom 10. Januar 2020 das private Interesse des Antragstellers, diesem bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen.

9

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtene Anordnung offensichtlich rechtmäßig ist und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft bzw. Rechtskraft abzuwarten ist.

10

1. Als Rechtsgrundlage für den Erlass der hier gegenständlichen Verfügung kommen sowohl § 14 i.V.m. § 10 Landesimmissionsschutzgesetz - LImSchG - als auch § 9 Abs. 1 S. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz - POG - in Betracht. Nach § 14 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen treffen. Nach § 10 LImSchG sind Tiere so zu halten, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, erheblich belästigt wird. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 POG kann die allgemeine Ordnungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Die Normen des Landesimmissionsschutzgesetzes sind zwar für verhaltensbezogenen Lärm und für Tierlärm die spezielleren Vorschriften. Letztendlich kann hier im Verfahren offenbleiben, welche Ermächtigungsgrundlage greift. Es handelt sich bei beiden Vorschriften um Normen, die in ihren Rechtsfolgen gleichlaufen. Die vorzunehmenden Ermessenserwägungen gehen in die gleiche Richtung. Es handelt sich um Schutznormen, die die öffentliche Sicherheit gewähren sollen. Die allgemeine Norm des § 9 Abs. 1 S. 1 POG trägt dabei auch die Erwägungen der spezielleren Norm in sich, sodass keine Wesensänderung der Entscheidung ersichtlich ist.

11

2. Die Verfügung ist formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt aus § 15 Abs. 2 Nr. 2 LImSchG beziehungsweise aus §§ 88 Abs. 1 Nr. 1, 89 Abs. 1, 91 Abs. 1 S.1, 2 Nr. 1, 90 Abs. 1 POG i.V.m. § 1 Ordnungsbehördenzuständigkeitsverordnung - OrdnungsbehördenZuVO -. Der Antragsteller wurde jedoch vor Erlass der hier gegenständlichen Verfügung nicht ordnungsgemäß nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - angehört. Die Anhörung im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (Bl. ... ff. VA) genügt nicht als Anhörung für den Erlass der ordnungsbehördlichen Verfügung. Bei der Anhörung im Rahmen des § 28 Abs. 1 VwVfG kommt es darauf an, dass die jeweils zuständige Behörde den Betroffenen zur konkret beabsichtigten Maßnahme anhört (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. Februar 2013 - 6 C 824/11.T -, juris, Rn. 46). Eine Anhörung bedarf der aktiven Handlung der Verwaltung, den Betroffenen auf die relevanten Umstände hinzuweisen, die als Voraussetzungen für eine Maßnahme gegeben sind, und ihn mit der beabsichtigten Maßnahme zu konfrontieren (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, a.a.O., Rn. 47). Erforderlich ist bei der Anhörung die Individualisierung des Adressaten sowie die Konkretisierung der beabsichtigten Maßnahme, ohne die der mit der Anhörung verfolgte Zweck ins Leere geht, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16/11 -, juris, Rn. 12, so auch: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 19a; Herrmann, in: BeckOK VwVfG, 45. Edition, 1. Oktober 2019, § 28 Rn. 15). Im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde der Antragsteller nicht bezüglich einer ordnungsbehördlichen Verfügung angehört. Der Zweck der Anhörung, die aus Sicht des Antragstellers erheblichen Tatsachen zu äußern, konnte damit nicht erfüllt werden. Dem Antragsteller war es beispielsweise nicht möglich vorzutragen, wie er gedenkt, das Bellen abzustellen oder welche Maßnahmen er treffen könnte.

12

Es liegt auch kein Fall eines möglichen Absehens von der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles etwa wegen Gefahr im Verzug nach § 28 Abs. 2 VwVfG vor. Der Verfahrensfehler kann jedoch nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt werden. Nach § 45 Abs. 2 VwVfG kann u. a. eine unterbliebene Anhörung bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Dies lässt sowohl eine Heilung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch eine solche im Gerichtsverfahren zu. Entscheidend ist, dass die nachgeholte Anhörung die ihr zukommende Funktion im Rahmen des behördlichen Entscheidungsprozesses erfüllen kann. Hierzu ist es nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält. Die Heilung kann vielmehr auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt (Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 - 15 A 48/12 -, juris, Rn. 11, m.w.N.). Ein Anhörungsmangel, der bis zu seiner Heilung die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsakts nach sich zieht, führt dementsprechend im Fall der Nachholung der Anhörung nicht zur Aufhebung des Verwaltungsakts. Da die Anhörung behördlich ohne größeren Aufwand nachträglich so durchgeführt werden kann, dass ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde erreicht wird, ist es gerechtfertigt, im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO innerhalb des Zeitraums von § 45 Abs. 2 VwVfG bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache einzubeziehen, ob bzw. dass ihre noch nicht vollzogene Nachholung wahrscheinlich ist (Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 20 B 1408/15 -, juris, Rn. 7). Vorliegend hat der Antragsteller bereits Widerspruch gegen die ordnungsbehördliche Verfügung eingelegt, sodass das Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO in Gang gesetzt wurde. Das Widerspruchsverfahren dient einerseits der Wahrung der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Vorb § 68 Rn. 1) und zugleich der Selbstkontrolle der Verwaltung (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 - NVwZ 2009, 459, 461 Rn. 21; Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung 37. EL Juli 2019, Vorbemerkung § 68 Rn. 1, m.w.N.). Die Behörde hat die gleichen Prüfung- und Entscheidungsbefugnisse wie die Ausgangsbehörde. Sie ist daher zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheides einschließlich seiner Begründung und aller Ermessenserwägungen befugt. Ausgangsverfahren und Widerspruchsverfahren sind eine Einheit (BayVGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 25 CS 03.897 - juris, Rn. 16). Die Widerspruchsbehörde kann dabei Ermessenserwägungen und auch die Rechtsvorschriften, die die Entscheidung tragen, ändern. Mit einem solchen „Nachschieben von Gründen" überschreitet die Widerspruchsbehörde nicht ihre Befugnisse (BVerwG, Beschluss vom 18. September 1991 - 1 B 107.91 - juris, Rn. 5). Unter diesen Gesichtspunkten ist es der Behörde möglich, den ursprünglichen Bescheid zu modifizieren. Daher kann dem oben dargestellten Sinn und Zweck der Anhörung auch noch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens genügt werden. In diesem Rahmen hat der Antragsteller die Gelegenheit, die aus seiner Sicht maßgeblichen Tatsachen vorzutragen, sodass diese im Rahmen des Verwaltungsverfahrens noch berücksichtigt werden können. Die Nachholung der Anhörung des Antragstellers im Widerspruchsverfahren ist auch hinreichend wahrscheinlich, da dies dem Verfahrensablauf entspricht. Die Behörde wird dann das Vorbringen im Rahmen der Entscheidungsfindung auch zu berücksichtigen haben, sodass im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO die zunächst unterbliebene Anhörung nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führt. Nichts anderes ist im vorliegenden Einzelfall zu erwarten.

13

3. Die ordnungsbehördliche Verfügung ist auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind gegeben (dazu a.) und die Verfügung ist auch verhältnismäßig (dazu b.).

14

a. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind gegeben. Es liegt ein Verstoß gegen § 10 LImSchG vor. Dies begründet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Durch das Bellen der Hunde wird die Ruhemöglichkeit der Nachbarn erheblich beeinträchtigt, was auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Die Kammer nimmt diesbezüglich ausdrücklich Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid, macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 117 Abs. 5 VwGO.

15

Ergänzend führt die Kammer aus:

16

Eine Gefahr ist gegeben, wenn aus der ex-ante-Sicht eines besonnenen Sachwalters aufgrund von Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass bei Fortgang des Geschehens eine Rechtsgutbeeinträchtigung eintreten wird.

17

Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählen das gesamte geschriebene Recht, sowie individuelle Rechte und Rechtsgüter und der Bestand und die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen.

18

Durch das Bellen der Hunde wird fortlaufend gegen die Vorschrift des § 10 LImSchG verstoßen. Nach § 10 LImSchG sind Tiere so zu halten, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, erheblich belästigt wird. Die Gefahr im Sinne des Ordnungsrechts wird durch § 10 LImSchG konkretisiert. Erfasst werden durch die Vorschrift vor allem Lärm und Gerüche, wobei der Begriff der erheblichen Belästigung an § 3 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - angelehnt ist (Stollenwerk, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Band K 5 RhPf - Landes-Immissionsschutzgesetz, § 10, Erläuterungen Nr. 1 und 4, Oktober 2012). Belästigungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG sind Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens des Menschen (BT-Drs. 7/179, 29), ohne dass darin bereits eine erhebliche Beeinträchtigung des Rechtsguts der Gesundheit liegt und damit ein Gesundheitsschaden besteht (Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 3 Rn. 32).

19

Lautes Hundegebell ist eine (Geräusch-)Immission im Sinne dieser Vorschrift, da es sich um „Lärm" handelt und auf einen normal lärmempfindlichen Menschen belästigend wirkt. Lautes Hundegebell ist bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche und seelische Wohlbefinden eines Durchschnittsmenschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission sowie deren Ortsüblichkeit (vgl. VG Frankfurt (Oder) zur entsprechenden landesrechtlichen Norm, Beschluss vom 16. November 2010 - 5 L 130/10 -, juris, Rn. 21 m.w.N.). Dementsprechend haben Anwohner gelegentliches Hundegebell einzelner Hunde hinzunehmen, soweit die Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten wird. Etwas Anderes gilt aber, wenn Hunde, die auf einem Nachbargrundstück gehalten werden, regelmäßig zu den Ruhe- und Nachtzeiten bellen. Das Interesse des Hundehalters kann dann gegenüber dem gesetzlich geschützten Bedürfnis der Anwohner auf Wohn- und Nachtruhe zurücktreten, weil die Belästigungen in der Regel erheblich sind (vgl. zur Nachtruhe: VG Neustadt, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 5 L 1573/18.NW -, juris, Rn. 18).

20

So liegt es hier. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin haben die Hunde über mehrere Monate nahezu die gesamte Tageszeit, auch in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen, gebellt. Dies wird durch verschiedene Lärmprotokolle der Nachbarn (vgl. Bl. ... ff. VA), Lärmprotokolle der Antragsgegnerin (Bl. ... f. VA) und diverse Aktenvermerke im Zusammenhang mit telefonischen Beschwerden der Nachbarn (Bl. ... ff VA), wobei im Rahmen der Telefonate z.T. das Gebell der Hunde zu hören gewesen ist (vgl. etwa Aktenvermerk Bl. ... f. VA), belegt. Auch durch polizeiliche Einsatzberichte (vgl. nur Bl. ... ff. VA) wurde das lautstarke Hundegebell bestätigt. Hierauf stellt die Antragsgegnerin zu Recht ab. Aufzeichnungen der belästigten Nachbarn - wie sie hier in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin vorliegen - wären auch in einem gerichtlichen Klageverfahren als Beweismittel ausreichend (VG Neustadt, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 5 L 1573/18.NW -, juris, Rn. 19, m.w.N.). Aufgrund der vorgelegten Aufzeichnungen, der Vielzahl der Beschwerden und Lagepläne ist es auch der Kammer möglich, sich ein Bild der Lage zu machen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedürfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1991 - 7 B 165/91 - juris, Rn. 2), die im Eilverfahren auch nicht angezeigt sind. Vielmehr ist auf präsente Beweismittel abzustellen, wie Lärmprotokolle, Polizeiberichte und die darin festgestellten Umstände. Polizeiliche Einsatzberichte stellen zudem öffentliche Urkunden im Sinne von §§ 415 Abs. 1 und 418 Abs. 1 ZPO dar. In ihnen werden diejenigen polizeilich relevanten Vorgänge aktenkundig gemacht, die den zuständigen Polizeibehörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zur Kenntnis gelangen und die Anlass zu polizeilichen Maßnahmen geben, deren Art, Verlauf und Ergebnis wiederum in Kurzform beschrieben werden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. März 2004 - 11 LA 380/03 -, juris, Rn. 4). Polizeiberichte sind daher in besonderem Maße geeignet, die Überzeugungsbildung des Gerichts zu unterstützen.

21

Weder den Lärmprotokollen der Nachbarn, den Aufzeichnungen der Antragsgegnerin noch den polizeilichen Berichten ist der Antragsteller substantiiert entgegengetreten. Sachlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der von den Nachbarn gefertigten Aufzeichnungen sind nicht ersichtlich. Die Belästigungen sind auch für das vorliegende Eilverfahren als erheblich und nicht mehr als geringfügig zu bewerten, da sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach den konkreten Zeitpunkten der Lärmimmissionen kann nicht mehr von einer Ortsüblichkeit ausgegangen werden. Auch wenn man berücksichtigt, dass sich das Grundstück des Antragstellers im Außenbereich befindet, so muss doch gesehen werden, dass es - wie sich aus den Bildern in der Verwaltungsakte und den dort vorhandenen Lageplänen ergibt - direkt an die Wohnbebauung angrenzt. So muss die Ortsüblichkeit auch diese räumlichen Besonderheiten berücksichtigen, zumal in § 10 LImSchG allgemein von erheblichen Belästigungen die Rede ist, die sich auf die Umwelt auswirken. Insoweit kommt es auf die Frage, ob das Grundstück im Außenbereich liegt und daher dort andere Maßstäbe gelten als etwa in einem Wohngebiet, nicht an. Zwar gehört die Haltung von Hunden in einem üblichen Rahmen grundsätzlich zu einer auch wohngebietstypischen Freizeitnutzung und gelegentliches Hundegebell einzelner Hunde haben Anwohner hinzunehmen (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26. September 2013 - 5 K 705/11 -, juris Rn. 38). Im Gegensatz dazu stellt das grundlose Gebell von Hunden gerade während der Nacht oder in den Ruhezeiten eine nicht notwendige und damit vermeidbare Lärmbelästigung dar. Auch wegen seiner Vermeidbarkeit kann eine Duldung des Lärms während der Ruhezeiten und der Nacht von den Anwohnern mithin nicht erwartet und verlangt werden. Gerade zur Nachtzeit, in der der übliche und unvermeidbare Alltagslärm weitgehend wegfällt, werden Lärmimmissionen von den Betroffenen verständlicherweise als besonders störend wahrgenommen. Geräuscheinwirkungen während des Schlafens können sich dabei negativ auf die Schlaftiefe - gegebenenfalls mit und ohne Aufwachen - auswirken sowie zu Erschwerungen und Verzögerungen des Einschlafens oder Wiedereinschlafens, Verkürzungen der Tiefschlafzeit, vegetativen Reaktionen oder Minderungen der empfundenen Schlafqualität führen (VG Neustadt, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 5 L 1573/18.NW -, juris, Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. September 2014 - 8 K 3784/13 -, juris, Rn. 24, 30; VG Würzburg, Urteil vom 24. April 2014 - W 5 K 12.659 -, juris, Rn. 40). Aufgrund vieler Beschwerden und den Hinweisen der Nachbarn, dass sie aufgrund des Hundegebells nicht mehr schlafen können, zeigt sich, dass sich diese Gefahren bereits realisiert haben.

22

Die Kammer hat daher keine Zweifel daran, dass die Hunde des Antragstellers in erheblichem Maße über längere Zeiträume hinweg gebellt haben. Sie konnte sich aufgrund der Vielzahl der wiederholten Nachbarbeschwerden, der Berichte der Antragsgegnerin nebst eigenen Lärmprotokollen und den Polizeiberichten jedenfalls bei summarischer Prüfung eine Überzeugung dazu bilden, dass durch das langandauernde Bellen erhebliche Belästigungen der Nachbarn durch stundenlanges Bellen, auch während der Ruhe- und Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen eingetreten sind.

23

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Grenzwerte einschlägiger Lärmschutzregelungen eingehalten werden. Bei Hundegebell handelt es sich um ein Geräusch, das wegen seiner Eigenart ganz besonders die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ob sich Hundegebell innerhalb des Rahmens verhält, der durch die TA-Lärm oder einschlägigen VDI-Richtlinien vorgegeben wird, spielt in diesem Zusammenhang daher keine entscheidungserhebliche Rolle. Eine erhebliche Belästigung von Nachbarn ist auch bei deutlich geringeren als dort vorgegebenen Grenzwerten möglich (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Juli 2017 - 3 B 87/17 -, juris, Rn. 19, m.w.N.).

24

b. Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hält die streitgegenständliche Anordnung zu Recht für erforderlich, um weitere erhebliche Belästigungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Hundegebell zu unterbinden bzw. zu verhüten.

25

Legitimes Ziel der Anordnung ist es, die Ruhezeiten und insbesondere die Nachtruhe der Nachbarn zu schützen, um die Gesundheit der Nachbarn nicht zu gefährden, Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 Grundgesetz - GG -.

26

Die Anordnung, das Hundegebell in den Ruhezeiten vollständig zu unterbinden und in den sonstigen Zeiten auf ein Höchstmaß von maximal 60 Minuten zu begrenzen, ist geeignet, die Ruhezeiten und insbesondere die Nachtruhe der Nachbarn zu sichern.

27

Die Anordnung ist auch erforderlich. Ein gleichgeeignetes, milderes Mittel ist nicht vorhanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das gewählte Mittel dem Antragsteller einen weiten Handlungsspielraum einräumt, wie er dem Hundegebell effektiv begegnen möchte, ohne dass ihm eine konkrete Handlung unmittelbar auferlegt wird. So kann der Antragsteller frei entscheiden, wie er das Hundegebell zu unterbinden gedenkt. Die Eingriffsintensität ist dadurch auf ein Minimum reduziert. Als milderes Mittel kommen auch nicht die schwebenden Ordnungswidrigkeitenverfahren in Betracht. Durch diese hat sich das Bellen und die damit einhergehenden Gefahren für die Nachbarn nicht verbessert. Die Antragsgegnerin war auch nicht aufgrund der Ordnungswidrigkeitenverfahren gehindert, die streitgegenständliche Verfügung zu erlassen. Ordnungswidrigkeitenverfahren werden unabhängig von ordnungsbehördlichen Verfahren geführt. Mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolgt die Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen mit erheblich vermindertem Unrechtsgehalt (Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, Vorb. Rn. 1). Es handelt sich mithin um ein repressives Verfahren zur Ahndung vergangener Taten. Die ordnungsbehördliche Verfügung ist hingegen präventiv ausgerichtet und soll künftigen Gefahren begegnen. Die Annahme des Antragstellers, das noch laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren würde dem Erlass einer ordnungsbehördlichen Verfügung entgegenstehen, geht somit fehl.

28

Die Anordnung ist auch angemessen. Auf der einen Seite stehen die Schutzgüter der Nachbarschaft, insbesondere die körperliche Unversehrtheit durch den Schutz der Nachtruhe und vor übermäßiger Lärmbelästigung, Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 GG. Auf der anderen Seite steht die Berufsausübung des Antragstellers, Art. 12 Abs. 1 GG. Die Hunde dienen dem Antragsteller bei seiner beruflichen Tätigkeit im ... Gewerbe. Durch die Verfügung ist es dem Antragsteller nach eigenem Vortrag nicht mehr möglich, die Hunde kostengünstig in seinem Nahbereich zu halten. Dennoch zeigt der Umstand, dass der Antragsteller die Hunde zeitnah an einem anderen Ort unterbringen konnte, dass er der Verfügung ohne größere Probleme nachkommen konnte. Zudem lässt die ordnungsbehördliche Verfügung offen, wie die Lärmimmissionen verringert werden. Der Antragsteller kann daher frei entscheiden, wie er der Verfügung nachkommt und kann so die für sich günstigste Möglichkeit der Umsetzung wählen. Auf der anderen Seite stehen die gesundheitlichen Interessen der Nachbarn. Wie sich aus den Lärmprotokollen und den zahlreichen telefonischen Beschwerden bei der Antragsgegnerin ergibt, war für die Nachbarn oft keine Ruhe mehr zu finden. Dies beeinträchtigt auf Dauer das körperliche Wohlbefinden massiv und kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Die Nachbarn können sich dem Lärm auch nicht ohne weiteres entziehen. Auch der Umstand, dass der Antragsteller eine Gewerbeerlaubnis besitzt und die Hunde im Rahmen seiner Gewerbeausübung einsetzt, ändert am Ergebnis nichts. Auch die Ausübung eines Gewerbes entbindet nicht von der Pflicht zur Einhaltung einschlägiger ordnungspolizeilicher Bestimmungen. Die Normen des Landesimmissionsschutzgesetzes und des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes gelten unabhängig davon, ob ein Gewerbe ausgeübt wird. Sie sind Ausdruck der Regelungen, die für ein gedeihliches Miteinander erforderlich sind und fordern eine gegenseitige Rücksichtnahme. Zudem hat der Antragsteller sich auch in der Vergangenheit wenig kooperationsbereit gezeigt. Ein Gespräch hinsichtlich der Beschwerden mit der Polizei hat der Antragsteller abgelehnt (vgl. Polizeibericht Bl. ... ff. VA). Auch die eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren, die ein missbilligtes Verhalten von geringerem sozialethischen Gewicht zum Gegenstand haben (Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Auflage 2018, § 1 Rn. 4 m.w.N.), haben den Antragsteller nicht zu einer Verhaltensänderung veranlasst. Das gewählte Einschreiten der Antragsgegnerin nach Monaten des erfolglosen Zuwartens und letztlich unergiebiger Bemühungen um Verbesserungen erscheint nach alledem als angemessen und ermessensgerecht. Auf eine „freiwillige“ Beseitigung der Zustände durch den Antragsteller konnte und musste die Antragsgegnerin mit Blick auf das Verhalten des Antragstellers - auch in der Vergangenheit - nicht mehr warten (so auch VG Neustadt, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 5 L 1573/18.NW -, juris, Rn. 26).

29

4. Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der behördlichen Entscheidung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Ein sofortiges Unterbinden der durch das Hundegebell hervorgerufenen regelmäßigen und nicht nur kurzfristigen erheblichen Lärmbelästigungen, durch die mehrere Nachbarn erheblich belästigt werden und die deren Gesundheit gefährden, ist angezeigt, um weiteren Schaden von den Nachbarn abzuwenden. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin mehrere Jahre nicht eingeschritten sei. Daraus kann weder eine „Hinnahme" der Umstände angenommen werden, noch kann daraus ein Vertrauen dergestalt erwachsen, dass auch zukünftig nicht mit einem ordnungsbehördlichen Einschreiten zu rechnen sei.

III.

30

Die Androhung des Zwangsgeldes begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat daher keinen Erfolg. Die Kammer nimmt zunächst nach § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf den Bescheid. Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf §§ 2 Nr. 3, 61 Abs. 1, 62 Abs. 1 Nr. 2, 64, 66 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - und ist rechtmäßig, da die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bewegt sich mit 1.000 € auch im unteren Rahmen der möglichen Beträge, § 64 Abs. 2 S. 2 LVwVG.

C.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz - GKG -, Ziffern 35.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei die Kammer im Eilverfahren den hälftigen Regelstreitwert von 2.500 € zugrunde legt.

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