Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 8 S 1528/13

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juli 2013 - 11 K 1561/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nutzung mit Wirkung zum 1. Juni 2014 zu untersagen ist.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren jeweils selbst.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden (§§ 146 f. VwGO) sind nicht begründet. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass (II.) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist es allerdings geboten, die Antragsgegnerin zum - umgehenden - Erlass einer erst ab dem 01.06.2014 wirksamen Nutzungsuntersagung zu verpflichten (III.).
I.
Der Senat kann trotz des Antrags der Antragsgegnerin vom 08.04.2014, zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits einen Erörterungstermin vor dem Berichterstatter durchzuführen (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO), und ihrer Anregung, die Beteiligten auch gegen den Willen der Antragsteller an den Güterichter zu verweisen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 ZPO), über die Beschwerde entscheiden, insbesondere ohne zuvor und gesondert über diese Anträge und Anregungen zu entscheiden. Der Senat hält einen Verweis der Beteiligten an den Güterichter für eine Güteverhandlung sowie weitere Güteversuche darüber hinaus für nicht angebracht.
1. Der Antrag auf Durchführung eines Erörterungstermins ist rechtlich gesehen eine bloße Anregung an das Gericht, über die nicht förmlich entschieden werden muss (vgl. BFH, Beschluss vom 30.10.1997 - X B 12/97 - BFH/NV 1998, 599). Ebenso sind Anträge auf einen Verweis an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung allein solche Anregungen (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auf. 2013, § 278 Rn. 17), über die nicht förmlich zu entscheiden ist.
2. Auch wenn der Verweis der Beteiligten an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung rechtlich wohl nicht das Einverständnis aller Beteiligter erfordern dürfte (Sächsisches OVG, Beschluss vom 28.01.2014 - 1 A 257/10 - juris Rn. 1), erscheint ein solcher Verweis hier ebenso wenig sinnvoll wie die Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter. Denn die Antragsteller haben ausdrücklich erklärt, an der vorgeschlagenen Mediation kein Interesse mehr zu haben. Angesichts der insgesamt langen Dauer des Beschwerdeverfahrens (zu den Gründen unten unter III.) geriete ein Verweis an den Güterichter gegen den Willen der Antragsteller mit der aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsenden Verpflichtung des Senats, effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2012 - 2 BvR 610/12 - BVerfGK 19, 407 (412)), in Konflikt.
II.
Die mit den Beschwerden vorgebrachten Rügen gebieten keine Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist mit dem Bauantrag des Beigeladenen zu 1 vom 11.06.2012 nicht allein die Aufstockung einer Wohnheimkapazität von 51 auf 68 Plätze zur Genehmigung gestellt und am 21.09.2012 von der Antragsgegnerin genehmigt worden. Vielmehr umfassen Bauantrag und Baugenehmigung die Änderung der Nutzung des ganzen Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Daher erfasst die vom Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/13 - angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und zwischenzeitlich der ihm nachgefolgten Klage diesen gesamten Genehmigungsumfang.
a) Das Beschwerdevorbringen des Beigeladenen zu 1, das Baugenehmigungsverfahren sei wegen der zusätzlich erhöhten Nutzung von 51 auf 68 Unterbringungsplätze durchgeführt worden, liegt, wenn man es mit der Antragsgegnerin dahingehend verstehen will, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 ausschließlich wegen der geplanten Erhöhung der Unterbringungskapazität bei gleichbleibender Nutzung als Wohnheim beantragt worden sei (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 31.01.2014) und sie sich also nur auf 17 weitere Wohnheimplätze beziehe, offensichtlich neben der Sache. Denn der Beigeladene zu 1, dem als Bauherrn die inhaltliche Umschreibung und Umgrenzung des Vorhabens obliegt, dessen Durchführung begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 04.07.1980 - 4 C 99.77 - NJW 1981, 776 (zu § 29 BauGB); Senatsbeschluss vom 11.05.2011 - 8 S 93/11 - NVwZ-RR 2011, 754 (756) (zu § 49 LBO); Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 29 Rn. 6), hat mit seinem Bauantrag von 11.06.2012 ausdrücklich die „Umnutzung bestehendes Wohn- und Bürogebäude mit Lagerräumen und Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (Asylbewerber)“, also nicht etwa allein die Erhöhung der Anzahl von Wohnheimplätzen beantragt. Dem entsprechend wurde ihm durch die Antragsgegnerin - sprachlich aber nicht inhaltlich abweichend - eine Nutzungsänderung „Wohnheim mit Werkstatt und Schulungsräumen in Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowie Büros mit Lagerräumen“ genehmigt. Dass der Beigeladene zu 1 die beabsichtigte vollständig neue Nutzung seines Gebäudes zur Genehmigung gestellt hat, ergibt sich auch aus seinem Schriftsatz an die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren vom 15.07.2013. Darin hat er eine Befreiung „ausdrücklich beantragt und zwar für die 68 Unterkünfte, hilfsweise für die 51 bereits bestehenden Unterkünfte“. Daher irrt der Beigeladene zu 1, wenn er behauptet, der Senatsbeschluss vom 14.03.2013 besage nichts zur zulässigen Nutzung mit 51 untergebrachten Asylsuchenden.
bb) Die entsprechende Rüge der Antragsgegnerin aus ihrem Schriftsatz vom 31.01.2014 ist überdies deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung von einem Monat nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) erhoben worden ist, ohne dass zuvor vorgebracht worden wäre, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 sich nur auf eine Kapazitätserhöhung bezogen hätte. Die Begründungsfrist war bereits mit Ablauf des 08.08.2013 abgelaufen, nachdem der erstinstanzliche Beschluss am 08.07.2013 zugestellt worden war.
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die dem Beigeladenen zu 1 erteilten Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 dem Anspruch der Antragsteller auf die beantragten Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO deshalb nicht entgegenstehen, weil sie die genehmigte und aufgenommene Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht abdecken. Diese Nutzung ist also nicht - bezogen auf 51 Plätze - doppelt genehmigt. Denn die neue, aufgenommene Nutzung verlässt die Variationsbreite der ursprünglich genehmigten Nutzung und stellt sich damit als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne sowohl des Bauordnungsrechts (§ 49, 2 Abs. 12, 50 Abs. 2 LBO) als auch des Bauplanungsrechts (§ 29 Abs. 1 BauGB) dar. Die Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 legalisieren die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber daher nicht, und zwar auch nicht teilweise.
10 
a) Eine Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn der Anlage - wenigstens teilweise - eine neue, d. h. andere Zweckbestimmung gegeben wird (Sauter, LBO, Stand: März 2010, § 2 Rn. 129). Der bauplanungsrechtliche Begriff der Nutzungsänderung hingegen erweist sich als enger, weil er bodenrechtlichen Bezug hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 - NVwZ-RR 2012, 919 (920 f.)). Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt mithin vor, wenn die Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (BVerwG, Urteile vom 18.05.1990 - 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 und vom 18.11.2010 - 4 C 10.09 - NVwZ 2011, 269 ff.; Beschlüsse vom 14.04.2000 - 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 07.11.2002 - 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70; Senatsbeschluss vom 25.10.2012 - 8 S 869/12 - ZfBR 2013, 60). Die Variationsbreite einer genehmigten Nutzung wird überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum erweitert wird (BVerwG, Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). Bodenrechtliche Belange können berührt sein, wenn der neuen Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten eine andere Qualität zukommt (BVerwG, Beschluss vom 14.04.2000, a.a.O.), für die neue Nutzung weitergehende bodenrechtliche Vorschriften gelten als für die alte oder wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung zwar nach derselben bodenrechtlichen Vorschrift bestimmt, nach dieser Vorschrift aber anders zu beurteilen sein kann als die frühere Nutzung (BVerwG, Urteil vom 14.01.1993 - 4 C 19.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155), oder wenn die geänderte Nutzung für die Nachbarschaft erhöhte Belastungen mit sich bringt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.11.2002, a.a.O.). Keine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB ist die bloße Intensivierung der Nutzung durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ohne Einfluss des Bauherrn (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9.97 - NVwZ 1999, 417 und Beschluss vom 11.07.2001 - 4 B 36.01 - BRS 64 Nr. 73).
11 
Der Regelungsumfang einer Baugenehmigung hinsichtlich der mit ihr zugelassenen Art der Nutzung einschließlich ihrer Variationsbreite bzw. ihrer Zweckbestimmung richtet sich nach der Bezeichnung des Vorhabens in der Genehmigung sowie den weiteren Regelungen im Genehmigungsbescheid, den Bauvorlagen und sonstigen in Bezug genommenen Unterlagen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2002 - 5 S 1706/01 - juris Rn. 65; Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.09.2013 - 14 ZB 12.1899 - BauR 2014, 233). Er kann damit wesentlich auch durch den Bauantrag mitbestimmt werden, insbesondere wenn der Bauherr selbst nur einen engen Rahmen zulässiger Nutzungen zur Genehmigung stellt und damit das Vorhaben eingrenzt.
12 
b) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowohl im bauordnungsrechtlichen wie auch im bauplanungsrechtlichen Sinne als eine Änderung der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“ und ist diese deshalb auch genehmigungsbedürftig.
13 
aa) Die Variationsbreite der bisherigen, bestandskräftig genehmigten Nutzung wird mit der Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber überschritten. Es handelt sich um eine Nutzungsänderung im Sinne der Landesbauordnung, weil dem Gebäude eine relevante neue Zweckbestimmung gegeben wird. Denn es wird nicht mehr als das mit den Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 genehmigte „Lehrlingswohnheim“ genutzt. Der Bereich der vom Bauherrn mit seinen Genehmigungsanträgen selbst vorgegebenen, bisherigen Zweckbestimmung wird verlassen. Den Baugenehmigungen ist nicht zu entnehmen, dass die Eingrenzung “internatsmäßiges Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 06.11.1975) bzw. „Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 18.05.1992) lediglich die damals konkret beabsichtigte Nutzung beschreiben, die zur Genehmigung gestellte Nutzungsart aber eine darüber hinausgehende Variationsbreite sonstiger Nutzungen umfassen sollte.
14 
bb) Es liegt auch eine Nutzungsänderung im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB vor. Denn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der bisherigen Nutzung ist möglicherweise abweichend von der nunmehr zur Genehmigung gestellten Nutzung zu beurteilen, weil sie bodenrechtliche Belange neu berühren kann.
15 
(1) Ausgehend von der dem Beigeladenen zu 1 am 06.11.1974 erteilten Baugenehmigung ergibt sich die mögliche Berührung bodenrechtlicher Belange bereits daraus, dass das Vorhaben „Einrichtung einer Berufsfördermaßnahme durch den Caritas-Verband für Württemberg - Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims“ „unter Befreiung von § 30 BBauG i.V. mit § 8 BauNVO“ genehmigt worden ist. Denn eine - teilweise - neue Zweckbestimmung des Vorhabens, wie sie hier getroffen worden ist (siehe I. 2. b) aa)), ist immer geeignet, für die Ausübung des Befreiungsermessens aus § 31 Abs. 2 BauGB neue wesentliche Umstände aufzuwerfen. Dabei ist es ohne Belang, ob für das neue Vorhaben ein anderer Befreiungstatbestand (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB) eingreift. Denn die von der Behörde geforderte Ermessensentscheidung unterscheidet sich deutlich von dem zu prüfenden Tatbestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.2008 - 4 B 16.08 - BRS 73 (208) Nr. 69 Rn. 7). Ebenso ist es unerheblich, ob die Rechtmäßigkeit einer Befreiung, die der Senat hinsichtlich der geplanten Nutzungsänderung sehr kritisch sieht (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13), tatsächlich anders zu beantworten ist als bei der 1975 erteilten Befreiung. Denn eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt bereits dann vor, wenn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit möglicherweise abweichend zu beurteilen ist.
16 
(2) Aber auch unbeschadet der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur zulässigen Nutzungsart unterscheidet sich die jetzt zur Genehmigung gestellte Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber bauplanungsrechtlich erheblich von der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“.
17 
Für die Beurteilung, ob eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 - um eine solche handelt es sich bei der 1975 genehmigten Einrichtung einer Berufsförderungsmaßnahme durch den Caritas-Verband mit dem Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims mit Werkstattgebäude - mit der allgemeinen Zweckbestimmung und der konkreten Eigenart des Gewerbegebiets vereinbar ist, kommt es darauf an, ob die Anlage eine Funktion im Zusammenhang mit oder für eine zulässige Hauptnutzungsart erfüllt (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2013, § 8 BauNVO Rn. 44). Dies ist bei einem Lehrlingswohnheim mit angeschlossener Werkstätte im Gewerbegebiet zu bejahen. Der erstrebte Zweck des Wohnens am Ort der Ausbildungswerkstätte führt zu einer engen funktionalen Verklammerung der wohnähnlichen Nutzung mit der typischen, allgemein im Gewerbegebiet zulässigen gewerblichen Hauptnutzung (vgl. § 8 Abs. 2 BauNVO). Hingegen fehlt eine solche Ausrichtung bei einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber - deren Einordnung als Anlage für soziale Zwecke einmal unterstellt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 - NVwZ 1998, 173 und Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384) - offensichtlich. Daraus ergibt sich, dass die ursprünglichen Baugenehmigungen die Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht legalisieren, sondern vielmehr mit der veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt sein können, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt.
18 
(3) Soweit der Beigeladene zu 1 geltend macht, dass die „Lehrlinge aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten“, diese daher am Wochenende von der Möglichkeit, ihre Familien zu besuchen, nur eingeschränkt Gebrauch gemacht hätten und damit während der gesamten Ausbildungszeit grundsätzlich rund um die Uhr in dem Wohnheim untergebracht gewesen seien, vermag dies an der obigen Einschätzung nichts zu ändern. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass für die meisten der einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesenen Asylbewerber die Unterkunft faktisch für den gesamten Tag zum Lebensmittelpunkt wird, während bei der bislang genehmigten Nutzung werktäglich ein Bewohnen der Zimmer durch die Auszubildenden während der Arbeits- und Schulzeiten faktisch nachgerade ausgeschlossen gewesen ist. Unerheblich ist dabei, ob die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit tatsächlich abweichend zu beurteilen ist oder ob die ursprüngliche Genehmigung - die unter Befreiung von § 8 BauNVO erteilt worden ist - rechtmäßig ergangen ist. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne kommt es nur auf den Umstand an, dass die bodenrechtlichen Fragen neu aufgeworfen sind. Die vom Beigeladenen zu 1 diskutierte Frage des Aufenthalts an den Wochenenden ist daher unerheblich. Ebenfalls unerheblich sind insoweit die im Zuge der Nutzungsänderung vorgenommenen baulichen Veränderungen und deren Genehmigungsbedürftigkeit.
19 
(4) Das dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 entsprechende Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin ist aus den gleichen Gründen ebenfalls erfolglos. Soweit sie darüber hinaus rügt, dass sich die neue, umstrittene Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Wohnheimnutzung bewege, weil der Zweck, nämlich die wohnähnliche Nutzung, sowie der Umfang, nämlich entsprechend einer Mitteilung des Beigeladenen zu 2 51 Personen, vollständig gewahrt bleibe, gebietet auch dies keine andere rechtliche Beurteilung. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung - sowohl im bauplanungsrechtlichen wie auch bauordnungsrechtlichen Sinne - kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die bisherige und die beabsichtigte Nutzung unterschiedlichen Nutzungskategorien aus den Katalogen der Baunutzungsverordnung unterfallen (Lechner/Busse, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2012, Art. 57 Rn. 413).
20 
(5) Auch soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die etwaige unterschiedliche funktionale Ausrichtung des Lehrlingswohnheims einerseits und des Asylbewerberwohnheims andererseits rechtfertige schon deshalb keine unterschiedliche Behandlung, weil eine Anlage für soziale Zwecke, in der auch gewohnt werde, nur dann nicht im Widerspruch zur allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets stehe, wenn es sich um keine auf Dauer angelegte Unterbringung handele, so dass das Lehrlingswohnheim und das Asylbewerberwohnheim jedenfalls rechtlich gleich zu behandeln seien, vermag dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn selbst wenn die genehmigte Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als „Lehrlingswohnheim“ materiell rechtswidrig (gewesen) sein sollte, weil jegliches Wohnheim in Gewerbegebieten unzulässig sein sollte (vgl. BVerwG. Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213), könnte der funktionale Zusammenhang der Nutzung des Wohnheims mit der in unmittelbarer Nähe untergebrachten Ausbildungswerkstatt unter Umständen eine andere Bewertung der Zulässigkeit einer Befreiung nahelegen, was die (Nicht-)Berührung der Grundzüge der Planung (§ 31 Abs. 2 BauGB) angeht. Denn jedenfalls die ausdrücklich gewollte räumliche Verbindung von Wohnen und theoretischem sowie praktischem Unterricht, wie sie sich aus Seite 8 der Baugenehmigung vom 06.11.1975 ergibt, könnte dazu führen, dass diese Nutzungsform in Gestalt einer Anlage für soziale Zwecke allein in einem Gewerbegebiet realisiert werden könnte.
21 
3. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres eine Sicherungsmaßnahme rechtfertigt, ohne dass es hierfür auf eine Interessenabwägung ankommt.
22 
a) Soweit die Beschwerden geltend machen, dass die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO für eine Nutzungsuntersagung schon tatbestandlich nicht vorlägen, aber jedenfalls keine Ermessensreduzierung zugunsten der Antragsteller eingetreten sei, kann sie damit den erstinstanzlichen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel ziehen. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Erlass einer Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO erfüllt sind. Denn § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist eine eigenständige verfahrensrechtliche Grundlage zum Schutz und zur realen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung (Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 80a Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40; Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2013, § 80a Rn. 27; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80a Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80a Rn. 14). Diese Regelungsmöglichkeit tritt gleichberechtigt neben die rechtsgebietsspezifischen behördlichen Anordnungsbefugnisse (BVerwG, Urteil vom 28.01.1992 - 7 C 22.91 - BVerwGE 89, 357 (362); vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 09.02.2012 - 9 VR 2.12 - NVwZ 2012, 570 Rn. 6).
23 
b) Die Rügen der Beschwerden, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend die Erfolgsaussichten der Klagen der Antragsteller bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht in den Blick genommen, vermögen ebenfalls nicht zu verfangen. Denn diese sind im Verfahren zur Sicherung der Rechte der Antragsteller aus der von ihnen gerichtlich erstrittenen aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung ohne Belang.
24 
aa) § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO vermittelt einen von der materiell-rechtlichen Rechtslage unabhängigen verfahrensrechtlichen Schutz. Es steht hier die Durchsetzung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, also die Sicherstellung der Effektivität des gewährten Rechtsschutzes, nicht aber die Realisierung eines materiellen verwaltungsrechtlichen Anspruchs inmitten. Einstweilige Sicherungsmaßnahmen gegenüber der Missachtung der aufschiebenden Wirkung dienen der Wahrung des mit Widerspruch bzw. Anfechtungsklage verfolgten Abwehrrechts z. B. gegen die erteilte Genehmigung, nicht jedoch der Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Anspruch auf behördliches Einschreiten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40). Der gegenteiligen Auffassung, die Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache für gerechtfertigt sieht (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.08.1995 - 3 S 1078/95 - ESVGH 46, 29 und vom 22.10.2007 - 6 S 2237/07 - nicht veröffentlicht; OVG Berlin, Beschluss vom 26.02.1993 - 2 S 1/93 - NVwZ-RR 1993, 458; Thüringer OVG, Beschluss vom 28.07.1993 - 1 EO 1/93 - LKV 1994, 110 (113)), vermag sich der Senat jedenfalls für den Fall nicht anzuschließen, dass bereits eine gerichtliche Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ergangen ist. Sie übersieht, dass hier die Rechte des Dritten zu schützen sind, die bei Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bedroht sind (so auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2000 - 10 B 2060/99 - NVwZ-RR 2001, 297), und dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung per se ein rechtswidriges Verhalten darstellt (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80a Rn. 36). Allein dies rechtfertigt eine auf die Effektuierung der aufschiebenden Wirkung gerichtete gerichtliche Anordnung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.08.2013 - 8 B 829/13 - DÖV 2013, 952; vgl. auch Hessischer VGH, Beschluss vom 03.12.2002 - 8 TG 2177/02 - NVwZ-RR 2003, 345 (346)). Maßnahmen, die gegen eine umfassende gerichtliche Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit (hier nach § 212a Abs. 1 BauGB) verstoßen, sind zur Sicherung der Rechte des Rechtsbehelfsführers auf dessen Antrag hin grundsätzlich zu untersagen, ohne dass es darauf ankommen kann, ob ein gegenläufiges öffentliches Interesse besteht (vgl. Christ, jurisPR-BVerwG, 11/2012 Anm. 5 unter C.). Da die Gerichte bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung eines Nachbarwiderspruch gegen eine Baugenehmigung anzuordnen ist, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, bei der sowohl die öffentlichen als auch die betroffenen privaten Interessen zu berücksichtigen sind und bei der die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs eine wesentliche Rolle spielen, ist es nicht gerechtfertigt, diese Interessenabwägung erneut vorzunehmen, wenn wegen der Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung der Erlass einer einstweiligen Sicherungsmaßnahme anzuordnen ist. Die Änderung von Umständen, die eine abweichende Interessenabwägung zur aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs rechtfertigen könnten, ist nach den Vorgaben des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend zu machen.
25 
bb) Daher kommt es für den Erlass einer Sicherungsmaßnahme nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Regel allein auf die Frage an, ob dem Rechtsbehelf der Antragsteller aufschiebende Wirkung zukommt. Dies ist nach deren Anordnung durch den Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 und der Ablehnung eines u.a mit der im Widerspruchsverfahren erteilten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB begründeten Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) der Fall. Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Die mit den Beschwerden geltend gemachte Unterbringungssituation für Asylbewerber im Gebiet des Beigeladenen zu 2 rechtfertigt keine davon ausnahmsweise abweichende Auslegung und kann allenfalls für die Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahme erheblich sein (vgl. III.).
III.
26 
Da der Senat die Vollziehung des angegriffenen Beschlusses vom 02.07.2013 während des Beschwerdeverfahrens ausgesetzt hat (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), das Beschwerdeverfahren vom 18.09.2013 bis zum 19.12.2013 im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin betriebene Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausgesetzt gewesen ist (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), sodann auf Anregung des Senats bis zum 26.02.2014 zwischen den Beteiligten die Möglichkeit einer gütlichen Einigung, etwa unter Verweisung der Beteiligten an den Güterichter (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO) erörtert worden ist und deshalb seit Ergehen des angegriffenen Beschlusses über neun Monate vergangen sind, ist die den Verwaltungsgerichten durch §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumte Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der Auswahl von Art und Inhalt der Sicherungsmaßnahme durch den Senat zur Sicherstellung ihrer Verhältnismäßigkeit erneut auszuüben.
27 
1. Bei der Auswahl einstweiliger Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO und ihrem konkreten Inhalt steht dem Verwaltungsgericht eine Gestaltungsbefugnis zu (zu § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 ZPO: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1992 - 6 S 2781/91 - FEVS 43, 410 (414); vgl. auch Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 41a und 55 sowie Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 109). Bei ihrer Ausübung sind das Interesse desjenigen, dem die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs zugutekommt, seine prozessuale Rechtsposition durchzusetzen, etwa davon abweichende öffentliche Interessen sowie das private Interesse des durch den - in seiner Vollziehung suspendierten - Verwaltungsakt Begünstigten, entgegen den prozessrechtlichen Vorgaben von dem Verwaltungsakt Gebrauch zu machen, in den Blick zu nehmen.
28 
a) Einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten, dessen Rechtsbehelf entweder aufgrund gesetzlicher (§ 80 Abs. 1 VwGO), behördlicher (§ 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder gerichtlicher Anordnung (§ 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO) aufschiebende Wirkung hat, dienen der faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung in der Lebenswirklichkeit gegenüber dem durch den Verwaltungsakt Begünstigten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 38). Das Verfahren zielt auf die Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.07.1996 - F 2 S 202/96 - juris; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2011, § 168 Rn. 14; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 168 Rn. 2). Unbeschadet der Möglichkeit, im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen, es sei unzumutbar, der gerichtlichen Entscheidung zu folgen, ist grundsätzlich auch bei einer Entscheidung über den Erlass von Sicherungsmaßnahmen eine mögliche Unzumutbarkeit einer solchen Maßnahme gegenüber der Behörde und eine mögliche Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem von dem Verwaltungsakt Begünstigten oder weiteren, nicht am Verfahren beteiligten Grundrechtsberechtigten zu prüfen. Solche Umstände können dem Erlass von Sicherungsmaßnahmen allerdings nur in atypischen Ausnahmefällen entgegenstehen. Denn in aller Regel ist es nicht unzumutbar, die geltende Rechtslage - also hier die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs - zu akzeptieren. Vielmehr ist dies für die an einem Verfahren nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO beteiligte Behörde die aus ihrer Rechts- und Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) resultierende Pflicht. Auch dem gesetzesunterworfenen begünstigten Dritten wird die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidung zugemutet. Die Ausnutzung des ihn begünstigenden Verwaltungsakts vor dessen Bestandskraft erfolgt nämlich in jeder Hinsicht auf sein eigenes Risiko. Hingegen kann es zur Wahrung gegenläufiger öffentlicher Interessen geboten sein, einstweilige Sicherungsmaßnahmen nicht unmittelbar mit Erlass des gerichtlichen Beschlusses wirksam werden zu lassen, insbesondere um Rechte Dritter zu wahren, die am Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht beteiligt sind.
29 
b) Die von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 1 mit ihren Beschwerden geltend gemachte „Unterbringungsnot“ für Asylbewerber im Rems-Murr-Kreis kann - jedenfalls derzeit - keinen atypischen Ausnahmefall begründen, der bereits dem Erlass der begehrten einstweiligen Maßnahme zur Sicherung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Antragsteller entgegenstehen oder die Einräumung einer langen Frist zum Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung rechtfertigen könnte. Daher braucht nicht entschieden zu werden, ob der Beigeladene zu 1 sich auf diese von ihm geltend gemachten öffentlichen Interessen überhaupt berufen kann. Sein wirtschaftliches Interesse an der weiteren Vermietbarkeit seines Gebäudes bis zu einem möglichen Wiedereintritt der Vollziehbarkeit der angegriffenen Baugenehmigung (vgl. § 80b VwGO) ist ersichtlich nicht geeignet, dem Erlass einstweiliger Sicherungsmaßnahmen entgegenzustehen.
30 
aa) Den Beschwerden kann nicht entnommen werden, dass die Möglichkeiten der Unterbringung in Behelfsunterkünften auf Grundstücken im Eigentum des Beigeladenen zu 2 oder kreisangehöriger Gemeinden hinreichend geprüft worden ist. So enthält die vom Beigeladenen zu 2 vorgelegte und von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Übersicht „Unterkünfte für Asylbewerber“ einen Verweis auf einen ablehnenden Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde Plüderhausen hinsichtlich einer Containerunterkunft für 50 - 60 Personen. Damit ist das Fehlen von Unterbringungsmöglichkeiten nicht hinreichend dargetan. Der Beigeladene zu 2 hat als Träger der unteren Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlüAG) vom 19.12.2013 (GBl. S. 493); §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 lit d) LVG) gegen die kreisangehörigen Gemeinden Anspruch auf Mitwirkung bei der Beschaffung geeigneter Grundstücke und Gebäude, wie dies jetzt auch ausdrücklich § 8 Abs. 3 Satz 4 FlüAG mit Wirkung vom 01.01.2014 bestimmt (Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, über die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 19.12.2013 (GBl. S. 493)). Ausgehend davon müsste dargetan werden, weshalb der Anspruch auf Mitwirkung insoweit erfüllt sein soll oder seine Durchsetzung nicht erfolgversprechend erscheint. Weiter ist die allgemeine Aussage „keine Einigung mit Eigentümer wegen überzogener Preisvorstellungen“ hinsichtlich eines Hotels im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ebenfalls ungeeignet, um eine hinreichende Prüfung der Unterbringungsmöglichkeiten darzutun. Denn ein solcher pauschaler Hinweis kann es nicht rechtfertigen, die Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes zu beseitigen, den die Antragsteller mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs erreicht haben. Eine sparsame Haushaltsführung kann nicht zu Lasten der Antragsteller dergestalt gehen, dass die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 Gerichtsentscheidungen, die den Antragstellern vorläufigen Rechtsschutz gewähren, unbeachtet lassen.
31 
bb) Diese Aussagen gelten jedenfalls angesichts des jedenfalls nunmehr als beharrlich zu kennzeichnenden, rechtswidrigen Verhaltens des Beigeladenen zu 1, der die Entscheidung des Senats zur Anordnung der aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage in der Zeit vom 02.04.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12) bis zum 23.10.2013 (Datum der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO - 11 K 2941/13) und dann wieder vom 19.12.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) bis zum heutigen Tage und damit insgesamt mehr als neun Monate ignoriert. Angesichts dieses erheblichen Zeitablaufs wäre es dem Beigeladenen zu 2 und der Antragsgegnerin möglich gewesen, andere Lösungen für die Unterbringung der Asylbewerber zu finden, die den vorläufigen Rechtsschutz der Antragsteller achten. Insbesondere wäre es erforderlich gewesen, nicht allein an die höhere Aufnahmebehörde heranzutreten, sondern auch an das Integrationsministerium als oberste Aufnahmebehörde unter Schilderung des vollständigen Sachverhalts heranzutreten, um nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten für die in dem Gebäude des Beigeladenen zu 1 wohnenden Personen zu suchen und nötigenfalls eine Verteilung - auch - auf andere Land- und Stadtkreise zu erreichen. Nur dann, wenn eine menschenwürdige Unterbringung für die Bewohner des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 in Baden-Württemberg nicht erreichbar sein sollte, könnte vom Erlass einer Sicherungsmaßnahme abgesehen werden. Dies setzte voraus, dass keiner der Bewohner der Unterkunft nach dem 02.04.2013 - mit Ausnahme der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 19.12.2013 - zugewiesen worden ist.
32 
2. Allerdings ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber den Bewohnern des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 erforderlich, dem Beigeladenen zu 2 durch ein zeitlich begrenztes Hinausschieben der zu verfügenden Nutzungsuntersagung noch eine Möglichkeit zu eröffnen, als Träger der unteren Aufnahmebehörde im Zusammenwirken mit der kreisangehörigen Antragsgegnerin und gegebenenfalls mit der höheren und der obersten Aufnahmebehörde anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten für die Bewohner der hier betroffenen Unterkunft zu finden oder zu schaffen. Eine Übergangsfrist bis Ende Mai 2014 ist hier angemessen, um die Rechte der Asylbewerber, um deren Schutz es bei dieser Maßgabe allein geht, zu wahren. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Beteiligten auch weiterhin gehalten sind, die gerichtlich angeordnete aufschiebende Wirkung zu achten und die fortwährende Nutzung des Gebäudes als Asylbewerberunterkunft auch bis zum 31.05.2014 allein wegen der Missachtung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller rechtswidrig bleibt.
IV.
33 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
34 
2. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Streitwert für ein Verfahren gerichtet auf den Erlass von einstweiligen Sicherungsmaßnahmen zur faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen folgt dem Streitwert des Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, so dass hier ein Streitwert von 3.750,-- EUR festzusetzen ist.
35 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen