Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 1631/19

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Juni 2019 - 11 K xxx - geändert, soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (11 K xxx) gegen die Ziffern 1 und 5 der Verfügung des Antragsgegners vom 5. Februar 2018 wiederhergestellt hat.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (11 K xxx) gegen die Ziffern 1 und 5 der Verfügung des Antragsgegners vom 5. Februar 2018 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Der Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen und Rechtsanwältin xxx xxx, xxx x, xxx xx-xxx, beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Juni 2019 - 11 K xxx - ist zulässig und begründet. Der Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers war auch abzulehnen, soweit er sich auf die vom Regierungspräsidium Stuttgart gegen den Antragsteller verfügte Ausweisung und Meldeauflage bezieht.
I.
Der im Jahr 1974 in der Türkei geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist in der Türkei aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und sich anschließend erfolglos bemüht, ein Hochschulstudium zu absolvieren. Im Jahr 1992 hat der Antragsteller die Türkei verlassen, ist nach Österreich eingereist und hat dort einen Asylantrag gestellt. Seit dem Jahr 1994 ist er in Österreich als Asylberechtigter anerkannt. Ebenfalls seit dem Jahr 1994 engagiert sich der Antragsteller in der sogenannten europäischen „Rückfront“ der in Deutschland seit dem Jahr 2000 bestandskräftig verbotenen Revolutionären Volksbefreiungspartei - Front (türkisch: Devrimici Halk Kurtulus Partısı - Cephesi; nachfolgend: DHKP-C). Jedenfalls im Zeitraum von 2001 bis 2013 hat der Antragsteller auf der mittleren Führungsebene dieser Vereinigung durchgängig Organisations-, Finanzierungs-, Rekrutierungs- und Propagandaaufgaben wahrgenommen. Dieses Engagement hat er vor allem in Deutschland, aber auch in den Niederlanden, in Österreich und anderen europäischen Ländern entfaltet. Einer Berufstätigkeit ist der Antragsteller in dieser Zeit nicht nachgegangen. Im Juni 2013 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen Haftbefehl gegen den Antragsteller erlassen. Der Antragsteller wurde wenig später in Wien verhaftet und in Auslieferungshaft genommen. Im September 2013 erfolgte die Auslieferung des Antragstellers nach Deutschland. Hier wurde der Antragsteller in Untersuchungshaft genommen und einige Zeit später vor dem Oberlandesgericht Stuttgart unter Anklage gestellt. Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 28. Juli 2015 (xxx) verurteilte des Oberlandesgericht den Antragsteller wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Diese Strafe hat der Antragsteller inzwischen vollständig in baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten verbüßt. Im Verlauf der Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Antragsteller zu seinem Vorhaben angehört, den Antragsteller auszuweisen. Mit Bescheid vom 5. Februar 2018 hat das Regierungspräsidium den Antragsteller aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1) und ihm die Abschiebung in die Türkei oder nach Österreich angedroht (Ziffern 2 und 3). Außerdem hat es das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf zehn Jahre ab Ausreise oder Abschiebung befristet (Ziffer 4). Des Weiteren hat es dem Antragsteller aufgegeben, sich einmal wöchentlich, jeweils montags, bei einem näher bestimmten Polizeirevier in Stuttgart zu melden und dabei ein amtliches Identifikationspapier vorzulegen (Ziffer 5). Gegen den Bescheid vom 2. Februar 2018 hat der Antragsteller im selben Monat beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben (11 K xxx); die Klage ist beim Verwaltungsgericht noch anhängig. Mit weiterem Bescheid vom 24. Mai 2019 hat das Regierungspräsidium Stuttgart die Ziffern 2 und 3 seines Bescheides vom 5. Februar 2018 geändert und dem Antragsteller nun nicht mehr die Abschiebung in die Türkei angedroht. Außerdem hat es die sofortige Vollziehung der Ausweisung des Antragstellers (Ziffer 1) und der gegen den Antragsteller erlassenen Meldeauflage (Ziffer 5) angeordnet. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Ende Mai 2019 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben (11 K xxx) und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Bescheide vom 5. Februar 2018 und 24. Mai 2019 gestellt (11 K xxx). Im Eilrechtsschutzverfahren 11 K xxx hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 5. Juni 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ziffern 1 und 5 des Bescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 (11 K xxx) wiederhergestellt. Im Übrigen hat es den Eilrechtsschutzantrag abgelehnt. Zur Begründung der Teilstattgabe hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid an einem Verfahrensmangel leide. Denn der Antragsgegner habe zu Unrecht davon abgesehen, vor Erlass des Bescheides das nach Art. 25 Abs. 2 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (SDÜ) vorgeschriebene Konsultationsverfahren gegenüber Österreich durchzuführen. Wenig später, am 6. Juni 2019, hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Blick auf das bevorstehende Ende der Inhaftierung des Antragstellers beschlossen, diesen für die Dauer von fünf Jahren unter Führungsaufsicht (§ 68 StGB) zu stellen und ihm in diesem Rahmen mehrere Weisungen (§ 68b StGB) zu erteilen (xxx). Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Juni 2019 (11 K xxx) hat der Antragsgegner am 18. Juni 2019 Beschwerde eingelegt, soweit das Verwaltungsgericht dem Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers stattgegeben hat. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten und hat zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren beantragt. Bereits am 14. Juni 2019 ist der Antragsteller aus der Haft entlassen worden. Mitte Juli 2019 ist er mit Wissen und in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart nach Österreich ausgereist.
II.
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Die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Juni 2019 - 11 K xxx - hat Erfolg.
1. Die nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO statthafte Beschwerde ist zulässig. Der Antragsgegner hat die Beschwerde fristgerecht (§ 147 Abs. 1 VwGO) erhoben und gemäß den gesetzlichen Anforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO) begründet.
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Es besteht auch ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens. Denn solange &#252;ber eine Ausweisung nicht unanfechtbar entschieden wurde, ist Eilrechtsschutz im Verfahren nach § 80 VwGO zu gewähren (BVerwG, Beschluss vom 13. September 2005 - 1 VR 5.05 u.a. -, juris Rn. 2; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 26.01.2010 - 11 S 2482/09 -, juris Rn. 15 f., und vom 09.01.2017 - 11 S 2050/16 -). Das gleiche gilt für Meldeauflagen, mit denen die Ausländerbehörde die gesetzliche Meldepflicht eines ausgewiesenen Ausländers nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG konkretisiert hat. Außerdem steht den Beteiligten bis zum Eintritt der Bestandskraft dieser Verfügungen der Beschwerdeweg gegen Eilrechtsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts offen. Für den betroffenen Ausländer folgt dies aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Dem korrespondiert ein berechtigtes Interesse des Trägers der zuständigen Ausländerbehörde in seiner Funktion als Antragsgegner, stattgebende Eilrechtsschutzentscheidungen des Verwaltungsgerichts einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterziehen zu lassen.
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Danach steht der Umstand, dass der Antragsteller das Bundesgebiet unter dem Eindruck der angefochtenen Verfügung bereits verlassen hat, dem Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Ebenso wenig fehlt es am Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners, weil der Antragsteller vor seiner Ausreise unabhängig von der verfügten Ausweisung bereits kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig war (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Weiter lässt sich gegen das Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners nicht einwenden, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot, dem der Antragsteller gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt, von der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart unberührt bleibt (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG; vgl. hierzu OVG Nieders., Beschluss vom 20.03.2012 – 8 ME 204/11 -, juris Rn. 4; OVG Bremen, Beschluss vom 20.06.2005 – 1 B 128/05 u.a. -, juris Rn. 11; Samel, in: Bergmann/Dienelt, 12. Aufl. 2018, § 84 AufenthG Rn. 22).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner vertritt zu Recht die Auffassung, dass die angefochtene Ausweisung des Antragstellers nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 25 Abs. 2 SDÜ rechtswidrig ist (hierzu nachfolgend a)). Der Senat teilt zudem die Einschätzung des Antragsgegners, dass nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nach Aktenlage auch aus sonstigen Gründen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung bestehen (nachfolgend b)). Solche Bedenken bestehen auch nicht gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Meldeauflage (nachfolgend c)). Die im Eilrechtsschutzverfahren vorzunehmende Abwägung des Vollzugsinteresses der Allgemeinheit mit dem Aussetzungsinteresse des Rechtsschutz Suchenden führt im vorliegenden Verfahren bei der gebotenen Orientierung an den Erfolgsaussichten des Rechtsschutzanliegens im Hauptsacheverfahren zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses der Allgemeinheit. Da mit Blick auf § 80 Abs. 3 VwGO auch keine Zweifel an der formalen Ordnungsmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24. Mai 2019 bestehen, wird der Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers nun vollständig abgelehnt.
a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts leidet die angefochtene Ausweisungsverfügung nicht deshalb an einem Verfahrensfehler, weil die in Art. 25 Abs. 2 SDÜ vorgesehene Konsultation der zuständigen österreichischen Behörden unterblieben ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Art. 25 Abs. 2 SDÜ im Januar 2019 außer Kraft getreten ist und folglich nach der - hier maßgeblichen - Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keinen Einfluss auf die formelle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung haben kann. Die Streichung von Art. 25 Abs. 2 aus dem Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen erfolgte durch Art. 64 der Verordnung (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der Grenzkontrollen, zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 (ABl. L 312 vom 07.12.2018, S. 14, 52; nachfolgend: SIS-Verordnung). Diese Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen ist am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (7. Dezember 2018) in Kraft getreten (Art. 66 Abs. 1 SIS-VO). Eine Übergangsregelung, aus der sich ergibt, dass Art. 25 Abs. 2 SDÜ in laufenden Verfahren noch zu beachten ist, hat der Europäische Normsetzer nicht getroffen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers lassen sich auch dem mit der SISVerordnung eingeführten neuen Verordnungsrecht keine verfahrensrechtlichen Vorgaben für die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung ableiten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der inzwischen einschlägigen Vorschriften. Die bisherige Regelung in Art. 25 Abs. 2 SDÜ betreffend die Konsultation anderer Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Erlass von Einreise- und Aufenthaltsverboten gegenüber Drittstaatsangehörigen hat mit den Art. 28 und 29 SIS-Verordnung (jeweils in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 SIS-Verordnung) Nachfolgeregelungen gefunden. Mit dem hier interessierenden Fall, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union gegen einen Drittstaatsangehörigen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlässt, während der Drittstaatsangehörige über einen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaats für einen längerfristigen Aufenthalt besitzt, befasst sich nun Art. 28 SIS-Verordnung. Danach ist unter zwei Voraussetzungen eine wechselseitige Konsultation der betroffenen Mitgliedstaaten im Wege des Austauschs von Zusatzinformationen (Art. 3 Nr. 2 SIS-Verordnung) vorgeschrieben: Zum einen wird vorausgesetzt, dass ein Mitgliedstaat eine Entscheidung nach Art. 24 Abs. 1 SIS-Verordnung „getroffen hat“; zum anderen besteht eine Konsultationspflicht erst dann, wenn dieser Mitgliedstaat „erwägt“, den betroffenen Drittstaatsangehörigen im Schengener Informationssystem (SIS) auszuschreiben. Die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung wird man zwar ohne Weiteres als Entscheidung nach Art. 24 Abs. 1 Buchstaben a und b SIS-Verordnung einstufen können. Aus der Formulierung „getroffen hat“ folgt aber, dass eine Konsultationspflicht nach Art. 28 SIS-Verordnung frühestens mit dem Erlass der Entscheidung nach Art. 24 Abs. 1 SIS-Verordnung entstehen kann. Die Beachtung dieser Pflicht ist damit keine verfahrensrechtliche Voraussetzung für den Erlass der Entscheidung nach Art. 24 Abs. 1 SIS-Verordnung. Die Missachtung der Pflicht kann im Gegenzug nicht die formelle Rechtswidrigkeit der Entscheidung nach sich ziehen. Vielmehr dient die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach Art. 28 SIS-Verordnung allein der Vorbereitung der Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaates, ob in das Schengener Informationssystem in Bezug auf den betroffenen Drittstaatsangehörigen eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung eingegeben wird. Nichts Anderes folgt aus dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2018 (C-240/17) zur Auslegung der aufgehobenen Bestimmung des Art. 25 Abs. 2 SDÜ. Der Gerichtshof hat zwar bestätigt, dass der betroffene Drittstaatsangehörige berechtigt ist, sich vor dem nationalen Richter auf das in Art. 25 Abs. 2 SDÜ vorgesehene Konsultationsverfahren zu berufen. Gegenstand dieses subjektiv-öffentlichen Rechtes des Ausländers kann es aber nur sein, seine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im Schengener Informationssystem abzuwenden oder eine bereits erfolgte Ausschreibung zu beseitigen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59). Der Anspruch auf Durchführung des Konsultationsverfahrens gibt dem Ausländer aber keine Handhabe, seiner Ausweisung entgegenzutreten.
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Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 24, 28 und 29 SIS-Verordnung nur Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung betreffen, die sich auf den gesamten Schengen-Raum beziehen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenspiel der genannten Vorschriften mit Art. 2 Abs. 1 SIS-Verordnung. Denn nach Art. 2 Abs. 1 SIS-Verordnung werden in der Verordnung die Voraussetzungen und Verfahren für die Eingabe von Ausschreibungen von Drittstaatsangehörigen in das Schengener Informationssystem zum Zwecke der Verweigerung der Einreise „in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten“ und „den dortigen Aufenthalt“ festgelegt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erwägungsgründe 26 und 28 zur Verordnung). Von dieser Konzeption ist - bezogen auf Art. 25 Abs. 2 SDÜ - auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 16. Januar 2018 (C-240/17) ausgegangen (vgl. dort Rn. 1, 39, 59).
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Eine auf den gesamten Schengen-Raum bezogene Ausschreibung des Antragstellers zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im Schengener Informationssystem wird vom Antragsgegner derzeit aber nicht erwogen. Dies läge auch fern. Denn mit den Bescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 und 24. Mai 2019 ist keine Regelung geschaffen worden, die darauf zielt, den Aufenthalt des Antragstellers im Schengen-Raum zu beenden sowie eine Rückkehr des Antragstellers in den Schengen-Raum zu unterbinden. Vielmehr ging es dem Antragsgegner darum, den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zu beenden, die Rückkehr des Antragstellers nach Österreich - also in einen anderen Teil des Schengen-Raums - herbeizuführen und den Antragsteller davon abzuhalten, erneut in das Bundesgebiet einzureisen. Eine Ausschreibung zur Schengen-weiten Einreise- und Aufenthaltsverweigerung wäre mit diesem Vorhaben nicht zu vereinbaren.
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Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Mitgliedstaaten Deutschland und Österreich in Bezug auf den Antragsteller zwischenzeitlich Konsultationen durchgeführt haben und ob diese den Anforderungen des Art. 28 SIS-Verordnung genügen.
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b) Die mit Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 verfügte Ausweisung des Antragstellers aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist voraussichtlich rechtmäßig und dürfte damit nicht zu einer Verletzung von Rechten des Antragstellers führen.
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aa) Die Ausweisung des Antragstellers findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Maßstäbe, die der rechtlichen Beurteilung einer Ausweisungsverfügung zugrunde zu legen sind, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2017 geklärt (BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, BVerwGE 157, 325 Rn. 20 ff.) und in nachfolgenden Entscheidungen bestätigt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25.07.2017 - 1 C 12.16 -, juris Rn. 15 ff., und vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, Rn. 13).
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bb) Der Antragsteller erfüllt besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen (nachfolgend (1)) und gefährdet dadurch in Deutschland die öffentliche Sicherheit und Ordnung (nachfolgend (2)).
1660;
(1) Bei dem Antragsteller liegt zum einen ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von &#167; 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Denn er ist mit Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2015 (xxx) rechtskräftig wegen der vorsätzlichen Straftat der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.
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Zum anderen besteht in Bezug auf den Antragsteller ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Aus der rechtskräftigen Verurteilung des Antragstellers durch das Oberlandesgericht Stuttgart wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland lässt sich gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG schließen, dass der Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet.
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Der Senat teilt die Einschätzung des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass es sich bei der DHKP-C um eine terroristische Vereinigung handelt. Die DHKP-C zählt damit auch zu den in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angesprochenen Vereinigungen, die den Terrorismus unterstützen. Der Senat verweist insofern auf sein Urteil vom 14. Mai 2014 (11 S 2224/13, juris Rn. 46 ff.) und nimmt im Übrigen auf die Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 (dort Seiten 18 ff.) Bezug. Der Umstand, dass der letzte bekannt gewordene Anschlag, der von Anhängern der DHKP-C begangen worden ist, bereits mehr als zwei Jahre zurückliegt, steht der Einordnung der DHKP-C als Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, nicht entgegen. Denn es deuten keine Anhaltspunkte darauf hin, dass sich die DHKP-C zwischenzeitlich aufgelöst oder ihre programmatische Ausrichtung geändert hat.
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Als Mitglied dieser Vereinigung hat der Antragsteller zahlreiche Aktivitäten entfaltet, um die DHKP-C zu unterstützen. Auch insofern nimmt der Senat auf den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 5. Februar 2018 (dort Seiten 7 bis 13 sowie 34 ff.) Bezug. Für den Senat unterliegt es auch keinem Zweifel, dass der Antragsteller seit Langem über das Programm und die Ziele der DHKP-C sowie deren terroristische Ausrichtung informiert ist.
20 
Das Bestehen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre danach nur zu verneinen, wenn der Antragsteller erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hätte. Dafür ist aber nichts ersichtlich. Eine erkennbare und glaubhafte Distanzierung des Antragstellers von der DHKP-C oder von seinem früheren Engagement für diese Organisation hat nicht stattgefunden. Sie wird vom Antragsteller im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren auch nicht behauptet. Dies liegt auf einer Linie mit den Einlassungen des Antragstellers anlässlich seiner Anhörung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart im Vorfeld der Anordnung von Führungsaufsicht. In seinem Beschluss vom 6. Juni 2019 (xxx) hat das Oberlandesgericht Stuttgart hierzu u.a. Folgendes ausgeführt:
21 
Der Senat stellt fest, dass gemäß § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintreten wird; die Voraussetzungen für ein Entfallen der Maßregel nach § 68f Abs. 2 StGB liegen nicht vor. (…) … ist vorliegend für eine Anordnung nach § 68f Abs. 2 StGB kein Raum. Dem Verurteilten kann die hierfür notwendige günstige Prognose nicht gestellt werden. Zwar war das Verhalten des Verurteilten in der Vollzugsanstalt durchweg beanstandungsfrei. xxx xxx hat sich jedoch mit seinen Taten bislang nicht erkennbar auseinandergesetzt. Zuletzt hat er im Rahmen seiner Anhörung am 16. Mai 2019 gegenüber dem Senat erklärt, zu seiner Verurteilung nichts sagen zu wollen. Auch in anderem Zusammenhang haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verurteilte von der Ideologie der DHKP-C bzw. dem von dieser Organisation in der Türkei geführten bewaffneten Kampf und den zugehörigen Aktivitäten in der „Rückfront“ (nachvollziehbar) Abstand genommen hat. Diese Haltung legt nahe, dass xxx xxx die Zielsetzung der DHKP-C weiter gutheißt und auch die andauernde Gewaltanwendung dieser terroristischen Organisation befürwortet. Durch den von ihr propagierten und geführten bewaffneten Kampf beeinträchtigt die DHKP-C bis heute die innere Sicherheit in der Türkei u.a. durch Attentate, Sprengstoffanschläge und Geiselnahmen nachhaltig. Bei dieser Sachlage ist nach Einschätzung des Senats zu befürchten, dass der - langjährig als Führungsfunktionär der DHKP-C tätig gewesene - Verurteilte nach wie vor dazu bereit ist, sich in einer die öffentliche Sicherheit im In- und Ausland bedrohenden Weise in die „Rückfront“ der DHKP-C und deren Aktivitäten in Europa einbinden zu lassen.
22 
Deutlich gegen eine relevante Distanzierung des Antragstellers von seinem bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln sprechen zudem die Einlassungen des Antragstellers im Klageverfahren 11 K xxx. Zu diesem Verfahren hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers für diesen mit Schriftsatz vom 4. Juli 2018 vorgetragen:
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23 
Er hat keine Straftat begangen, die die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Im Gegenteil, er hat sich stets für die Freundschaft und den Frieden der Völker eingesetzt. Es möge über den Weg durchaus gestritten werden, jedoch sei das Fernziel, den Frieden auf der Welt zu errichten, indem jeder Staat souverän und in Frieden mit seinen Nachbarn unter Gleichbehandlung aller Bürger und gerechter Verteilung der Ressourcen des Staates leben können. (…) Der Kläger wurde für Taten verurteilt, die allein für sich gesehen allesamt im Rahmen von demokratischen Grundrechten durchgef52;hrt sind. Hierzu geh46;ren Pressemitteilungen, Veranstaltung von Konzerten, Teilnahme an Demonstrationen, etc. Dies waren allesamt polizeilich erlaubte Veranstaltungen.
24 
nr="24"/>Diese Ausführungen unterstreichen die Einschätzung des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass beim Antragsteller noch keine kritische Auseinandersetzung mit seiner langjährigen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung stattgefunden hat. Bei dieser Sachlage hat der Senat unter Berücksichtigung der Einlassungen des Antragstellers im vorliegenden Beschwerdeverfahren keinen Zweifel, dass in Bezug auf den Antragsteller auch aktuell ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist.
25 
(2) Es besteht ferner kein Zweifel, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit in Deutschland im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG gefährdet. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass sich Antragsteller während des Vollzugs der ihm auferlegten Freiheitsstrafe beanstandungsfrei verhalten und dass er bislang wohl auch nicht selbst und unmittelbar an terroristischen Gewalttaten mitgewirkt hat. Im vorliegenden Zusammenhang kann sogar offenbleiben, ob aktuell noch eine tatsächliche, erhebliche Gefahr besteht, dass der Antragsteller die DHKP-C auch künftig aktiv unterstützt. Denn die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Deutschland durch den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet ergibt sich zum einen mit Blick auf das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aus generalpräventiven Erwägungen (nachfolgend (a)). Zum anderen lässt sie sich unmittelbar aus dem Bestehen des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ableiten (nachfolgend (b)).</td>
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(a) Vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG ausgehen, wenn von der Person des Ausländers zwar keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, Rn. 17). Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt hierin kein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachbestrafung wegen derselben Tat (Art. 103 Abs. 3 GG). Denn bei der Ausweisung eines Ausländers handelt es sich nicht um eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, sondern um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Das in Bezug auf den Antragsteller bestehende, generalpräventive Ausweisungsinteresse ist auch noch hinreichend aktuell. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Tilgungsfristen des § 46 BZRG eine absolute Obergrenze für die Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen bilden (BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, Rn. 19). Für die vom Antragsteller begangene Straftat nach § 129b Abs. 1 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG eine Tilgungsfrist von 15 Jahren, die erst im Juni 2019 mit der vollständigen Erledigung der Vollstreckung der gegen den Antragsteller verhängten Freiheitsstrafe in Gang gesetzt worden ist (§ 47 Abs. 2 BZRG). Ein hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Verurteilung des Antragstellers und seiner Ausweisung ist damit aktuell noch gegeben. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Dauerstraftat des § 129b Abs. 1 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB über einen langen Zeitraum begangen hat und dass aufgrund der Art des Delikts ein hohes 46;ffentliches Interesse an der Verhinderung vergleichbarer Straftaten besteht (vgl. mit Blick auf § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 2 StGB BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, Rn. 23).
27 
(b) Eine unmittelbar von der Person des Antragstellers ausgehende relevante Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass der Antragsteller einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, dass er diese Vereinigung aktiv unterstützt hat und dass er bislang nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln abgerückt ist. Bei dieser Sachlage ist nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vom Bestehen einer relevanten Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen.
28 
cc) Dem Antragsteller kommt auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG zu. Er ist in Deutschland nicht als Asylberechtigter anerkannt. Er genießt im Bundesgebiet auch nicht die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings. Eine Aufnahme des Antragstellers in Deutschland in seiner Eigenschaft als (von Österreich anerkannter) Asylberechtigter ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Sie lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der letzte Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet auf ein Auslieferungsersuchen der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen ist. Denn diese Maßnahme diente nicht der Aufnahme des Antragstellers als Asylberechtigter oder Flüchtling, sondern Zwecken der Strafverfolgung. Auch von den sonstigen Tatbeständen des § 53 Abs. 3 AufenthG ist im vorliegenden Fall keiner einschlägig.
29 
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst dann, wenn im vorliegenden Fall die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG vorlägen, die Voraussetzungen dieser Norm für die Ausweisung des Antragstellers erfüllt sein dürften.
30 
dd) Die dem öffentlichen Ausweisungsinteresse entgegenstehenden Bleibeinteressen des Antragstellers lassen sich nach den bisherigen Erkenntnissen und dem Vortrag des Antragstellers im Klage- und Eilrechtsschutzverfahren wie folgt einstufen:
31 
Beim Antragsteller bestehen weder besonders schwerwiegende noch schwerwiegende Bleibeinteressen nach § 55 AufenthG.
32 
Als relevantes, auf die wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) und Art. 8 Abs. 1 EMRK (Schutz des Privatlebens) gestütztes Bleibeinteresse des Antragstellers lässt sich derzeit allein der Umstand würdigen, dass in Deutschland mehrere Verwandte des Antragstellers leben, zu denen er in den vergangenen Jahren auch Kontakt gepflegt hat. Es handelt sich um eine Schwester, einen Onkel, einen Cousin, sowie Nichten und Neffen. Insofern ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Antragsteller 45 Jahre alt und auf Betreuungsleistungen seiner in Deutschland lebenden Familienangehörigen nicht angewiesen ist. Ebenso wenig deuten die Umstände darauf hin, dass in Deutschland lebende Mitglieder der Familie des Antragstellers von dessen Betreuungsleistungen abhängen. Ein über einen längeren Zeitraum verfestigtes gemeinsames Wohnen des Antragstellers mit Mitgliedern seiner Familie hat in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden. Auch hat der Antragsteller nichts dazu ausgeführt, dass zwischen ihm und einzelnen, in Deutschland lebenden Mitgliedern seiner Familie ein außergewöhnlich starkes emotionales Band besteht, dem mit Telefonaten, Online-Kontakten und Besuchsaufenthalten der Verwandten in Österreich nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte.
33 
Soweit der Antragsteller ein Bleibeinteresse aus seinem Wunsch abgeleitet hat, sich in Deutschland mit seiner Mutter und seinem Bruder zu treffen, hat sich dieses Anliegen im Laufe des Beschwerdeverfahrens erledigt. Denn das seit längerer Zeit geplante Treffen zwischen dem Antragsteller und den genannten Verwandten hat bereits stattgefunden. Diese sind zwischenzeitlich in die Türkei zurückgekehrt.
34 
Ebenso wenig ergibt sich ein relevantes Bleibeinteresse aus den Überlegungen des Antragstellers, an einer deutschen Universität oder Hochschule ein Studium aufzunehmen. In ihrem Schriftsatz vom 21.06.2019 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im vorliegenden Beschwerdeverfahren hierzu ausgeführt:
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Der Beschwerdeführer wollte ursprünglich tatsächlich Informatik in Deutschland studieren. Zu diesem Zweck hat er aus der Haft heraus seine Unterlagen zusammen gesammelt und mit der Sozialarbeiterin der JVA Freiburg, wo er zuletzt seine Haftstrafe verbüßt hat, die Universitäten angeschrieben und um Informationen bezüglich des Immatrikulationsverfahrens, auch in Anbetracht der Tatsache, dass er eine Vorstrafe hat, gebeten. Er wollte sich somit eine wirtschaftliche Perspektive in Deutschland eröffnen.
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Diese Ausführungen lassen nicht darauf schließen, dass der Antragsteller mit seinem Studienvorhaben bereits über das Stadium hinausgekommen ist, Informationen über die Möglichkeiten eines Studiums in Deutschland einzuholen. Völlig offen ist zudem, ob der Antragsteller nach seiner zwischenzeitlich erfolgten Rückkehr nach Österreich an diesem Vorhaben überhaupt noch festhält.
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Schließlich lässt sich auch kein relevantes Bleibeinteresse des Antragstellers aus seiner im Beschwerdeverfahren geäußerten Befürchtung ableiten, im Falle seiner R&#252;ckkehr nach 14;sterreich dort aufgrund einer sogenannten „Red Notice“ im System von INTERPOL verhaftet zu werden. Denn ein Interesse, sich im Zuständigkeitsbereich von INTERPOL polizeilichen Ermittlungen oder Strafverfolgungsmaßnahmen zu entziehen, hat im Ausweisungsverfahren keine Relevanz.
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ee) Bei dieser Ausgangslage steht es für den Senat außer Frage, dass die nach § 53 Abs. 1 AufenthG gebotene Gesamtabwägung des öffentlichen Interesses an der Ausweisung des Antragstellers mit dem Interesse des Antragstellers an einem Verbleib in beziehungsweise einer alsbaldigen Rückkehr nach Deutschland im Ergebnis auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu einem deutlichen Überwiegen des erstgenannten Interesses führt. Im Übrigen nimmt der Senat auf die Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 (dort Seiten 44 ff.) Bezug.
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ff) Die vorgenommene Befristung des mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) auf zehn Jahre dürfte aus Sicht des Senats ebenfalls nicht zu beanstanden sein. Der Antragsteller hat weder im Klageverfahren 11 K xxx noch im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren Umstände vorgetragen, die Anlass zu Zweifeln an der richtigen zeitlichen Bemessung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots begründen. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat hierzu im Klageverfahren 11 K xxx nur folgendes vorgetragen (Schriftsatz vom 4. Juli 2018):
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Bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist anzuführen, dass diese ebenfalls zu Unrecht ausgesprochen wurde. Er hat, wie bereits dargestellt, Familie und Freunde in der BRD. Für den Fall einer Heirat oder Todesfall, oder sonstigen wichtigen Ereignissen möchte er die Möglichkeit haben, in die BRD einzureisen, ohne dass dies mit aufwändigen Erlaubnissen verbunden ist.
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Mit diesem Vorbringen wendet sich der Antragsteller allein gegen das kraft Gesetzes mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot. Das Gesetz verweist aber ausgewiesene Ausländer auf das Verfahren nach § 11 Abs. 8 AufenthG, wenn zwingende Gründe für eine Rückkehr ins Bundesgebiet bestehen, solange das Einreise- und Aufenthaltsverbot noch Wirkungen entfaltet. Im Übrigen nimmt der Senat auf die Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 (dort Seiten 59 ff.) Bezug.
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c) Auch die mit Ziffer 5 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 5. Februar 2018 verfügte Meldeauflage dürfte dem geltenden Recht entsprechen und den Antragsteller daher nicht in eigenen Rechten verletzen.
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Die vom Regierungspräsidium Stuttgart verfügte Meldeauflage ergänzt und konkretisiert die kraft Gesetzes mit der erfolgten Ausweisung eingetretene Meldepflicht des Antragstellers nach § 56 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die gesetzliche Ermächtigung der Behörde zu einer solchen Ergänzung und Konkretisierung ergibt sich unmittelbar aus § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach hat sich der von der Ausweisung betroffene Ausländer mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, „soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt“. Diese Ermächtigung, etwas anderes zu bestimmen, umfasst auch die Befugnis der Ausl28;nderbehörde, in Ausübung behördlichen Ermessens und im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dem Ausländer einen bestimmten Wochentag für die wöchentliche Meldung vorzuschreiben und ihm aufzugeben, sich bei einer anderen als der für seinen Aufenthaltsort zuständigen Polizeidienststelle zu melden.
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Der Senat sieht keine Umstände, die Anlass geben, in Bezug auf die hier interessierende Meldeauflage die behördliche Ermessensausübung zu beanstanden (§ 114 VwGO). Das Regierungspräsidium Stuttgart hat den ihm eröffneten Ermessensspielraum erkannt. Es dürfte sein Ermessen zudem unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens und in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben. Insbesondere hat der Senat keinen Zweifel, dass die streitgegenständliche Meldeauflage im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Verpflichtung des Antragstellers aus der Meldeauflage ruht, solange er sich nicht im Bundesgebiet aufhält. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 AufenthG. Sie dient der Gefahrenabwehr und soll die Gefahr eindämmen, dass ein nach § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesener Ausländer sein sicherheitsgefährdendes Handeln im Bundesgebiet fortführt. An einer legalen Rückkehr in das Bundesgebiet wird der Antragsteller für die Dauer von zehn Jahren durch das ihn betreffende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gehindert. Während dieser Zeit treffen den Antragsteller die belastenden Wirkungen der streitgegenständlichen Meldeauflage nur dann, wenn er mit einer behördlichen Erlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG einreist oder illegal in das Bundesgebiet zurückkehrt. Im erstgenannten Fall hat er die Möglichkeit, zugleich mit der Erteilung der Erlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG eine Anpassung der Meldeauflage auf seinen jeweiligen Aufenthaltszweck zu beantragen. Auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass die bestehende Meldeauflage mit Blick auf den angestrebten Zweck des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet keine für den Antragsteller unzumutbaren Wirkungen entfaltet. Im Falle einer unerlaubten Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet wäre schon kein anerkennenswerter Zweck des Aufenthalts gegeben, dessen Verfolgung durch die Meldeauflage in unangemessener Weise behindert werden könnte. Schließlich folgt auch nicht aus dem Fehlen einer Befristung der Meldeauflage deren Unvereinbarkeit mit dem Gesetz oder mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Anders als das mit einer Ausweisung automatisch verbundene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist die gesetzliche Verpflichtung des Ausländers nach &#167; 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, sich wöchentlich bei einer Polizeidienststelle zu melden, nicht von Amts wegen zu befristen. Entsprechendes gilt für Verwaltungsakte, mit denen die Ausländerbehörde den Zweck verfolgt, die gesetzliche Meldepflicht des Ausländers gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG inhaltlich zu ergänzen und zu konkretisieren. Diese Konstruktion ermöglicht es dem betroffenen Ausländer, einen Anspruch auf Aufhebung oder nachträgliche Befristung seiner Meldepflicht geltend zu machen, wenn sich diese aufgrund einer veränderten Sach- oder Rechtslage als für ihn unzumutbar erweist. Hieran wird insbesondere dann zu denken sein, wenn das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Fristablauf keine Wirkungen mehr entfaltet. Im vorliegenden Fall sind allerdings keine Umstände ersichtlich, die darauf hindeuten, dass dem Antragsteller derzeit bereits ein solcher Anspruch zustehen könnte.
45 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46 
4. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG.
47 
Der Streitwert eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, mit dem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Ausweisung begehrt wird, ist gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG einheitlich auf 5.000,- EUR festzusetzen. Es besteht keine Veranlassung, diesen auch für die Anfechtungsklage geltenden Wert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.07.2019 - 11 S 45/19 -) im Eilrechtsschutzverfahren zu halbieren. Ebenso wenig besteht Veranlassung, die mit einer Ausweisung verbundene Meldeauflage streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
48 
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach bei Ausweisungen für die Bemessung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG und die aufenthaltsrechtliche Position des Ausländers abzustellen ist, die durch die Ausweisung erlischt (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 09.08.2016 - 11 S 1296/16 -, juris Rn. 15, und vom 25.05.2016 - 11 S 2480/15 -, juris Rn. 3 ff.). Diese Anpassung der Rechtsprechung des Senats erfolgt im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung mit Blick auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausweisungsrecht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 - und vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, www.bverwg.de).
49 
5. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, da es der Antragsteller unterlassen hat, dem Gericht die nach § 166 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 ZPO und der Prozesskostenhilfeformularverordnung erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Der Senat hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf dieses Erfordernis mit Schreiben vom 24. Juni 2019 ausdrücklich hingewiesen.
50 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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