Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 1112/20

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. März 2020 - 17 K 1226/20 - wird zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. März 2020 - 17 K 1226/20 - geändert, soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Ziffern 4 und 5 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 angeordnet hat. Insoweit wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9. Juli 2020 - 17 K 3521/20 - abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

 
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragstellerin weiterhin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nunmehr ihrer Klage gegen die Versagung eines Aufenthaltstitels und die damit verbundene Abschiebungsandrohung. Die Antragsgegnerin, die ebenfalls Beschwerde eingelegt hat, wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin angeordnet hat.
I.
Die am ... März 1983 geborene Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige. Sie reiste erstmals am 31. März 2003 als Studienbewerberin mit einem Visum zur Geschäfts- und Besuchsreise ins Bundesgebiet ein. Am 16. Juni 2003 erteilte ihr die Stadt ... ... ... eine Aufenthaltsbewilligung zum Studium an der dortigen Universität, Fachrichtung Deutsch als Fremdsprache, für welche die Antragstellerin ab dem 25. April 2003 immatrikuliert war. Im Sommersemester 2004 studierte die Antragstellerin bereits im 2. Fachsemester Volkswirtschaftslehre. Daraufhin wurde die Aufenthaltsbewilligung am 30. März 2004 nunmehr zum Zwecke des Studiums dieser Fachrichtung verlängert. Am 30. März 2006 wurde der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund Ausbildung (§ 16 Abs. 1 AufenthG a.F.) erteilt, die in der Folge regelmäßig - zuletzt bis 30. September 2013 - verlängert wurde bzw. zwischenzeitlich gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG fortgalt. Einen Studienabschluss an der Universität ...-... erlangte die Antragstellerin nicht.
Im Sommersemester 2013 war die Antragstellerin an der Hochschule ... im Fach Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben. Nachdem sie nach ... verzogen war, erteilte ihr die dortige Ausländerbehörde am 1. Oktober 2013 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG a.F. zum Studium an der Hochschule für ... ... ... ... (... ...) im Studiengang Volkswirtschaftslehre, für den die Antragstellerin ab 1. September 2013 immatrikuliert war. Die Aufenthaltserlaubnis wurde in der Folge regelmäßig verlängert, zuletzt bis zum 31. August 2016. Am 30. August 2016 beantragte die Antragstellerin ihre Verlängerung.
Nachdem ihr Mietvertrag im Studentenwohnheim ausgelaufen war und sie zunächst keine alternative Wohnmöglichkeit gefunden hatte, zog die Antragstellerin Anfang Oktober 2016 zu ihrer Schwester nach Wien und später zu ihren Eltern nach Serbien. Im Februar 2017 kehrte sie nach ... zurück.
Bereits mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 war sie von der ... ... exmatrikuliert worden, wogegen sie mit Schreiben vom 7. Dezember 2017 Widerspruch und am 21. November 2019 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart - 10 K 7566/19 - erhob mit dem Antrag, die beklagte Hochschule zu verpflichten, den Exmatrikulationsbescheid aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Nachdem die Antragstellerin zwischenzeitlich ins Gemeindegebiet der Antragsgegnerin verzogen war, stellte ihr diese zunächst am 13. April 2017 eine Fiktionsbescheinigung auf Grundlage des § 81 Abs. 4 AufenthG aus, die in der Folge laufend verlängert wurde, zuletzt bis 30. April 2020. Auf ein Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2017 zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bat die Antragstellerin um Aufschub um sechs Monate. Sie wolle den Rektor der Hochschule davon überzeugen, sie wieder zu immatrikulieren. Für den erfolgreichen Studienabschluss fehle es lediglich an der bereits fertiggestellten Bachelorarbeit sowie an einem Modul. Des Weiteren bestehe die Aussicht auf eine Anstellung, so dass, ggf. nach Durchlaufen des Visumverfahrens, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 AufenthG a.F. i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV in Betracht komme.
Mit Arbeitsvertrag vom 25. September 2018 wurde die Antragstellerin mit Wirkung ab 16. Oktober 2018 bei einer Zweigniederlassung der ... ...-... GmbH mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden als „Service Representative“ angestellt.
Auf ein weiteres Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin bat die Antragstellerin am 11. Juni 2019 unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschriften zu § 16 AufenthG a.F. darum, ihr eine über die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten hinausgehende Beschäftigung zu erlauben. Dies sei zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts und ihrer Rechtsverfolgungskosten notwendig.
Am 13. September 2019 machte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin geltend, dass die Antragstellerin voraussichtlich die Voraussetzungen einer Beschäftigungsduldung nach der Rechtslage ab 1. Januar 2020 erfülle und eine solche bzw. ein entsprechender Aufenthaltstitel angestrebt werde.
10 
Nachdem das Beschäftigungsverhältnis bei der ... ... GmbH zum 31. Oktober 2019 geendet hatte, schloss die Antragstellerin am 11. November 2019 einen Arbeitsvertrag mit der ... GmbH. Dort sollte sie ab 1. Dezember 2019 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden als „Executive Manager“ tätig werden, trat die Stelle in der Folge jedoch nicht an.
11 
Mit Verfügung vom 25. November 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1), forderte die Antragstellerin auf, das Bundesgebiet bis zum 6. Januar 2020 zu verlassen (Ziff. 2), und drohte ihr die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat an, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Übernahme verpflichtet sei (Ziff. 3). Für den Fall einer Abschiebung ordnete die Antragsgegnerin ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziff. 4), befristete es auf zwei Jahre nach erfolgter Abschiebung (Ziff. 5) und setzte eine Gebühr in Höhe von 93,- EUR fest (Ziff. 6). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus: Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 AufenthG a.F. nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin sei an keiner Ausbildungseinrichtung zum Studium zugelassen. Selbst wenn sie an der ... ... wieder immatrikuliert würde, mangele es an einem ordnungsgemäßen Studium. Sie habe 13 Jahre lang Volkswirtschaft studiert, ohne einen Abschluss zu erlangen. Die Regelstudienzeit, die an der Universität ... sechs und an der ... sieben Semester betrage, habe sie um weit mehr als drei Semester überschritten. Zudem sei der Lebensunterhalt nicht gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Hiervon könne auch nicht abgesehen werden; ein atypischer Lebenssachverhalt sei nicht gegeben. Werde das Studium ohne Abschluss beendet, dürfe eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck nur unter den - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen des § 16b Abs. 2 AufenthG a.F. oder des § 17 AufenthG a.F. erteilt werden. Soweit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 AufenthG a.F. i.V.m. § 26 Abs. 4 BeschV beantragt worden sei, mangele es an der Durchführung des Visumverfahrens. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf zwei Jahre sei angemessen. Die Antragstellerin sei im Alter von 20 Jahren eingereist, befinde sich seit nunmehr 16 Jahren in Deutschland, habe mehr als die Hälfte ihres Lebens in Serbien verbracht, wo sie ihre Sozialisation und ihre schulische sowie kulturelle Bildung erfahren habe. Zu familiären Bindungen im Bundesgebiet sei nichts vorgetragen. Das Studium sei bei erheblicher Überschreitung der Regelstudienzeit nicht abgeschlossen. Für die Erteilung einer Ermessensduldung mit Blick auf eine Beschäftigungsduldung ab 1. Januar 2020 sei das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Ungeachtet dessen erfülle die Antragstellerin die Voraussetzungen hierfür nicht.
12 
Hiergegen erhob die Antragstellerin spätestens am 17. Dezember 2019 Widerspruch. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die ab 1. Januar 2020 geltende Regelung des § 60d AufenthG, deren Voraussetzungen sie erfülle. Darüber hinaus stehe ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG zu.
13 
Auf Anweisung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. Januar 2020 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 20. Februar 2020 erstmals eine Duldung aus sonstigen Gründen (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Auf einen Antrag der Antragstellerin vom 20. Januar 2020 hatte ihr das Regierungspräsidium mit Schreiben vom 5. Februar 2020 mitgeteilt, dass ihr die von ihr begehrte Beschäftigungsduldung nicht erteilt werden könne, da sie schon nicht - wie nach § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erforderlich - seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sei.
14 
Am 2. März 2020 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart unter Bezugnahme auf § 123 VwGO einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz - 17 K 1226/20 - gegen die Antragsgegnerin. Mit Beschluss vom selben Tag, der Antragsgegnerin per Fax um 12.43 Uhr und dem Regierungspräsidium Karlsruhe um 13.05 Uhr übermittelt, ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 vorübergehend bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO an. Die Antragstellerin wurde dennoch per Flugzeug von Karlsruhe/Baden-Baden nach Belgrad abgeschoben. Planmäßige Abflugzeit war 12.25 Uhr, planmäßige Landung um 14.05 Uhr.
15 
Mit Schriftsatz vom 23. März 2020 erklärte die Antragstellerin, ihr Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beziehe sich auf § 80 Abs. 5 VwGO und werde im Hinblick auf § 123 VwGO erweitert. Hauptsächlich richte sich ihr Begehren dagegen, dass ihr Antrag auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden sei. Hilfsweise begehre sie die Erteilung einer Beschäftigungsduldung.
16 
Mit Beschluss vom 30. März 2020 - 17 K 1226/20 -, der Antragstellerin zugestellt am 2. April 2020 und der Antragsgegnerin am 6. April 2020, ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 25. November 2019 insoweit an, als er gegen das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffern 4 und 5 des Bescheids gerichtet ist. Im Übrigen lehnte es die Anträge ab. Soweit die Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen Ziffern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids begehre, habe ihr Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Erfolg. Sie habe auf der Grundlage des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG n.F. voraussichtlich keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Der Aufenthaltszweck, nämlich die Durchführung eines Studiums der Volkswirtschaftslehre an der ... ..., dürfte - selbst dann, wenn ihre Klage gegen ihre Exmatrikulation Erfolg habe - angesichts der Studiendauer von etwa 13 Jahren nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum zu erreichen sein. Eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 18a, 18b AufenthG n.F. komme voraussichtlich nicht in Betracht, da die Antragstellerin keine Fachkraft im Sinne des § 18 Abs. 3 AufenthG n.F. sei. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG n.F. i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV scheide mangels Durchführung des Visumverfahrens ebenfalls aus. Schließlich habe die Antragstellerin voraussichtlich auch keinen Anspruch nach § 19d Abs. 1 AufenthG, da sie - ungeachtet der Frage, ob es sich um eine qualifizierte Beschäftigung gehandelt habe - jedenfalls zu keinem Zeitpunkt drei Jahre lang ununterbrochen eine Beschäftigung ausgeübt habe. Hingegen erweise sich die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots voraussichtlich als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe bei Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin von Oktober 2018 bis Oktober 2019 in Vollzeit erwerbstätig gewesen sei und damit eine wesentliche wirtschaftliche Integrationsleistung erbracht habe. Zudem werde im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen sein, dass sie auch ab Dezember 2019 wieder erwerbstätig gewesen sei. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibe der Erfolg wiederum versagt. Soweit die Antragstellerin der Abschiebung entgegentrete und die Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen begehre, sei die Antragsgegnerin nicht passivlegitimiert, da für aufenthaltsbeendende Maßnahmen das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig sei. Sollte der Antrag dahin zu verstehen sein, dass die Antragstellerin begehre, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass die Abschiebung nicht durchgeführt werden dürfe, bleibe er erfolglos. Wie gezeigt, habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Soweit sie sich auf das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Beschäftigungsduldung berufe, sei für die Prüfung der materiellen Umstände das Regierungspräsidium Karlsruhe und nicht die Antragsgegnerin zuständig. Im Übrigen habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da sie sich - entgegen § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - bislang nicht geduldet im Bundesgebiet aufgehalten habe.
17 
Am 16. April 2020 hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 30. März 2020 Beschwerde eingelegt, soweit sie durch ihn beschwert ist. Am selben Tag hat auch die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Ziffern 4 und 5 des Bescheids vom 25. November 2019 angeordnet worden ist.
18 
Die Antragstellerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe rechtswidrig eine analoge Anwendung von §§ 60d, 60a AufenthG verneint. Sie erfülle die darin genannten Voraussetzungen. Insbesondere dürfe sie nicht schlechter gestellt werden als solche Ausländer, die bereits seit längerer Zeit geduldet seien und gar keinen Aufenthaltstitel besäßen. Bis zum Erlöschen der Fiktionswirkung sei ihr Aufenthalt durchgängig legal gewesen. Im Übrigen sei sie wirtschaftlich und persönlich in Deutschland verwurzelt im Sinne des Art. 8 EMRK. Sie habe früh die deutsche Sprache gelernt und ein sehr gutes Abitur abgelegt. Seit 2003 sei ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland. Hier lebten ihr Lebensgefährte und ihre Freunde. Allein an der Universität ... habe sie 41 Prüfungen bestanden. Von Dezember 2010 bis April 2011 habe sie erfolgreich ein Praktikum im Investmentcenter der ... ... absolviert. Im Sommersemester 2013 habe sie an der Hochschule ... zwei Prüfungsleistungen erbracht. Zum Wintersemester 2013/14 sei sie an der ... ... im 4. Fachsemester im Fach Volkswirtschaftslehre zugelassen worden. Im Sommersemester 2014 sei sie direkt ins 6. Semester gewechselt, da ihr ein Praktikum als 5. (Praxis-)Semester anerkannt worden sei. In den von ihr gewählten Fachbereichsvertiefungen habe sie gute Noten für Referate bekommen, aber die schriftliche Prüfung im selben Semester nicht geschafft. Im Sommersemester 2015 habe sie einen freiwilligen Kurs zur eigenen Weiterbildung absolviert und ein Volontariat im International Office der ... ... gemacht. Sie hätte ihr Studium bis Ende 2015 abschließen sollen, aber zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im größeren Umfang neben dem Studium arbeiten müssen. Außerdem habe sie unter Erkältungen und Schwächeanfällen gelitten. Im Sommersemester 2016 habe sie ihre Bachelorarbeit geschrieben, die sie nach ihrer Rückkehr nach ... im Februar 2017 habe abgeben wollen. Erst im Zuge dessen habe sie von ihrer Exmatrikulation erfahren. Im Januar und Februar 2020 habe sie mehrere Kurse der IHK ... und ein Online-Seminar der AOK besucht. Sie sei zur Prüfung zur Wirtschaftsfachwirtin bei der IHK ... zugelassen. Seit 2003 sei sie entweder in Teil- oder Vollzeit beschäftigt gewesen, etwa als Babysitterin, Haushaltshilfe, Bedienung, studentische Aushilfe oder auch im Bereich Vertriebsvertretung und Kundenbetreuung für diverse Firmen auf vielen internationalen Fachmessen. Bei der ... GmbH habe sie als Kundenberaterin im Bereich der Telematik in den ... Lkw fungiert. Das Arbeitsverhältnis sei gekündigt worden, nachdem sie keine Arbeitserlaubnis erhalten habe. Die Stelle bei der ... GmbH habe sie nicht angetreten, da sie nach dem ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin nicht gewusst habe, ob sie dort arbeiten dürfe. Hinsichtlich des vorgelegten Arbeitsvertrags sei ihr Hauptbegehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG gerichtet, hilfsweise auf Erteilung einer Beschäftigungsduldung.
19 
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2020, zugestellt am 10. Juni 2020, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch der Antragstellerin vom 16. Dezember 2019 zurück. Es sei nicht damit zu rechnen, dass sie ihr Studium ordnungsgemäß abschließen werde. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 18, 18a, 18b AufenthG n.F. seien nicht erfüllt. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG n.F. i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV komme nicht in Betracht, da hierfür das Visumverfahren durchzuführen sei. Schließlich scheide auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG n.F. aus. Die Antragstellerin erfülle nicht die Qualifikationsanforderungen nach § 19d Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und halte sich im Übrigen nicht mehr geduldet im Bundesgebiet auf. Ihr könne auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK erteilt werden. Nach ihrer bereits erfolgten Abschiebung sei ihre Ausreise weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Sie habe sich trotz ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht im erforderlichen Maße integrieren können. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Anordnung eines auf zwei Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht zu beanstanden. Zwar habe die Antragsgegnerin in ihre Entscheidung die Beschäftigungszeiten der Antragstellerin nicht einbezogen. Dies sei im Ergebnis jedoch unschädlich. Die Antragstellerin sei zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG n.F. gewesen. Nach § 16b Abs. 3 AufenthG n.F. berechtige eine solche Aufenthaltserlaubnis lediglich zu einer Beschäftigung, die insgesamt 120 Tage oder 240 halbe Tage im Jahr nicht überschreiten dürfe. Mit der Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung habe die Antragstellerin gegen geltendes Recht verstoßen, worin eine positive Integrationsleistung nicht gesehen werden könne. Ihr längerer Aufenthalt im Bundesgebiet, ihre guten Deutschkenntnisse und ihr Interesse für mehrere Qualifizierungsmaßnahmen der AOK bzw. der IHK habe dahingehend Berücksichtigung gefunden, dass die Sperrfrist auf nur zwei Jahre festgesetzt worden sei.
20 
Am 9. Juli 2020 erhob die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Klage - 17 K 3521/20 - gegen die Verfügung der Antragstellerin vom 25. November 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2020, ohne bislang einen konkreten Klageantrag anzukündigen.
21 
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren beantragt sie sinngemäß,
22 
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. März 2020 - 17 K 1226/20 - zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 9. Juli 2020 - 17 K 3521/20 - gegen Ziffern 1 bis 3 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8. Juni 2020 anzuordnen.
23 
Die Antragsgegnerin beantragt,
24 
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
25 
Darüber hinaus beantragt die Antragsgegnerin sinngemäß,
26 
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. März 2020 - 17 K 1226/20 - zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9. Juli 2020 - 17 K 3521/20 - hinsichtlich Ziffern 4 und 5 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8. Juni 2020 abzulehnen.
27 
Die Antragstellerin beantragt,
28 
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
29 
Die Antragsgegnerin macht geltend, die Entscheidung über die Erteilung einer Duldung obliege dem Regierungspräsidium Karlsruhe. Ungeachtet dessen erfülle die Antragstellerin die Voraussetzung des § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, da sie erst ab dem 7. Januar 2020 vollziehbar ausreisepflichtig gewesen und faktisch geduldet worden sei. Auf die Achtung ihres Privatlebens nach Art. 8 EMRK könne sie sich nicht mit Erfolg berufen. Sie habe mehr als die Hälfte ihres Lebens in Serbien verbracht, insbesondere die sehr prägende Zeit der Kindheit, der Jugend und des jungen Erwachsenenalters. Ihre offenbar sehr guten Deutschkenntnisse allein reichten für die Annahme einer gelungenen Integration nicht aus. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei mehrmals durch längere Auslandsaufenthalte unterbrochen gewesen. Diese Aufenthaltszeiten seien von denen im Bundesgebiet abzuziehen. Zudem sei sie während ihres Aufenthalts in Deutschland mehrfach umgezogen, was den Aufbau tiefgreifender sozialer Beziehungen erschwere. Nach Auslaufen ihres Mietvertrags im Oktober 2016 habe sie offenbar - trotz ihres schon 13-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet - nicht vorübergehend bei Freunden oder Bekannten unterkommen können, sondern habe ihr Studium unterbrechen und zu ihrer Schwester nach Wien ziehen müssen. Dies spreche gegen eine tiefgreifende und persönliche Integration. In ihrem Heimatland habe die Antragstellerin noch familiäre Bindungen. Von einer wirtschaftlichen Integration sei ebenso wenig auszugehen. Soweit die Antragstellerin in Vollzeit gearbeitet habe, sei ihr dies nach § 16 Abs. 3 AufenthG a.F. nicht gestattet gewesen. Sie habe sich bewusst rechtswidrig verhalten, auch indem sie mehrfach schriftlich bestätigt habe, ihren Lebensunterhalt ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit (ausgenommen der gestatteten Tage) aufzubringen. Daher sei auch im Rahmen der Ermessensausübung hinsichtlich des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots die Vollzeitbeschäftigung nicht zu berücksichtigen gewesen. Soweit die Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV begehre, könne sie in Serbien ein Visumverfahren betreiben.
30 
Hierauf erwidert die Antragstellerin, dass ihre Vollzeitbeschäftigung, selbst wenn sie nicht rechtmäßig gewesen sein sollte, zumindest als Integrationsleistung faktischer Art angerechnet werden müsse. Soweit die Antragsgegnerin vortrage, die Entscheidung wäre bei Beachtung der Vollzeittätigkeit nicht anders ausgefallen, sei ein Nachschieben von Gründen nicht erlaubt.
II.
31 
1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass der Antragstellerin vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren wäre.
32 
a) Ausweislich ihres Antrags begehrt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde die Abänderung des angegriffenen Beschlusses, soweit es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ihrer - zwischenzeitlich erhobenen und daher nunmehr zugrunde zu legenden - Klage vom 9. Juli 2020 - 17 K 3521/20 - gegen Ziffern 1 bis 3 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8. Juni 2020 anzuordnen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt jedoch nicht die Abänderung des Beschlusses, soweit die Antragstellerin durch diesen beschwert ist. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit zulässig, aber unbegründet ist.
33 
aa) Der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist statthaft und auch sonst zulässig.
34 
(1) Die vorläufige Sicherung des Aufenthaltsrechts während des anhängigen Verwaltungs- und auch Gerichtsverfahrens um die Erteilung eines Aufenthaltstitels hat dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erfolgen, wenn der Antrag auf Erteilung dieses Titels zum Entstehen einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG geführt hat und diese durch die Verbescheidung des Antrags wieder erloschen ist (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 07.07.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 13, und vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin war im Besitz einer bis 31. August 2016 gültigen Aufenthaltserlaubnis und hat vor deren Ablauf, am 30. August 2016, deren Verlängerung beantragt. Dies hat die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst, die mit der Entscheidung der Antragsgegnerin in der angegriffenen Verfügung vom 25. November 2019 erloschen ist.
35 
Die Fiktionswirkung war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht dadurch erloschen, dass die Antragstellerin Anfang Oktober 2016 ausgereist und erst Anfang Februar 2017 wieder eingereist ist. Dies hat nicht zu einem Erlöschen analog § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG geführt. Danach erlischt der Aufenthaltstitel - und damit erst recht die Fiktionswirkung (vgl. Hmb. OVG, Beschluss vom 18.01.1995 - Bs V 262/94 -, juris Rn. 3; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: April 2020, § 51 Rn. 28) - grundsätzlich dann, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist. Ein Auslandsaufenthalt führt nicht zum Erlöschen des Aufenthaltstitels, wenn er nach seinem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt ist und keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland, insbesondere keine Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet, mit sich bringt. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind alle objektiven Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers - insbesondere auf seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland - nicht allein ankommen kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.11.2015 - 11 S 714/15 -, juris Rn. 43; Nds. OVG, Beschluss vom 20.01.2020 - 13 ME 348/19 -, juris Rn. 10; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 51 AufenthG Rn. 12). Nach diesen Maßstäben war der viermonatige Auslandsaufenthalt der Antragstellerin ab Oktober 2016 nur vorübergehender Natur. Gegen eine Aufgabe ihres Lebensmittelpunktes in Deutschland spricht nicht zuletzt, dass sie vor ihrer Ausreise ihr gesamtes Hab und Gut in einer Lagerräumlichkeit des Studentenwerks eingelagert hat und nur zur Überbrückung akuter Wohnungsnot ausgereist ist (vgl. Mietvertrag vom 28. September 2016, Anlage 17 zum Beschwerdeschriftsatz vom 4. Mai 2020).
36 
Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung bzw. Neuerteilung eines Aufenthaltstitels kamen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung zu. Die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung bewirkte zwar nicht, dass die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wieder auflebte. Es bliebe in diesem Fall vielmehr bei der durch den Ablauf der Geltungsdauer (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und das Erlöschen der Fortgeltungsfiktion (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) begründeten Ausreisepflicht des Ausländers (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung führte aber dazu, dass die Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vollziehbar (gewesen) wäre (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 07.07.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 14, vom 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 15, und vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 13; Bay. VGH Beschluss vom 28.10.2014 - 10 C 14.2002 -, juris Rn. 14).
37 
Hinsichtlich der (als einheitlichen Verwaltungsakt zu verstehenden) Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise und der Abschiebungsandrohung (Ziffern 2 und 3 der angegriffenen Verfügung) ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ebenfalls statthaft (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG).
38 
(2) Die Antragstellerin verfügt auch über das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dem steht nicht entgegen, dass sie während des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes am 2. März 2020 nach Serbien abgeschoben worden ist. Dies gilt zumindest solange, wie über die Ablehnung der begehrten Aufenthaltserlaubnis und die damit verbundene Abschiebungsandrohung nicht unanfechtbar entschieden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.09.2005 - 1 VR 5.05 -, juris Rn. 2; Bay. VGH, Beschluss vom 30.07.2018 - 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 -, juris Rn. 20). Denn die Antragstellerin kann auf diesem Wege grundsätzlich auch die Rückgängigmachung des Vollzugs der Abschiebung durch Aufhebung der Vollziehung der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung erreichen, ohne dass ihr in diesem Fall die Sperrwirkung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) der (dann rechtswidrigen) Abschiebung entgegengehalten werden kann (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 05.06.2018 - 11 S 867/18 -, juris Rn. 2, und vom 24.06.2008 - 11 S 1136/07 -, juris Rn. 10; Bay. VGH, Beschluss vom 30.07.2018 - 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 -, juris Rn. 20). Es wäre mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren, wenn das vorläufige Bleiberecht der Antragstellerin, das mit dem streitgegenständlichen Rechtsschutzverfahren (vorläufig) gesichert werden soll, allein deshalb erloschen sein sollte, weil die Abschiebung tatsächlich durchgeführt wurde, bevor effektiver Rechtsschutz gewährt werden konnte (Bay. VGH, Beschluss vom 30.07.2018 - 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 -, juris Rn. 20; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Januar 2019, § 81 Rn. 145). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - viel dafür spricht, dass die Abschiebung rechtswidrig war. Vorliegend hätte die Abschiebung der Antragstellerin voraussichtlich nicht fortgesetzt werden dürfen, nachdem das Verwaltungsgericht mit „Hängebeschluss“ vom 2. März 2020 vorübergehend die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin angeordnet hatte. Der Beschluss ist der Antragsgegnerin um 12.43 Uhr und dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde um 13.05 Uhr per Fax übermittelt worden. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Abschiebung der Antragstellerin noch nicht beendet gewesen sein. Von der Beendigung einer Luftabschiebung kann vor der Landung des Flugzeugs am Zielflughafen nicht ausgegangen werden (OVG NRW, Beschluss vom 15.08.2018 - 17 B 1029/18 -, juris Rn. 17). Vorliegend sollte das Flugzeug nach Aktenlage planmäßig erst um 14.05 Uhr und damit eine Stunde nach Bekanntgabe des der (weiteren) Abschiebung entgegenstehenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts landen. Ob für eine erneute Einreise der Antragstellerin eventuell ein Visum erforderlich ist, führt für sich allein nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. zum Ganzen bereits VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.06.2018 - 11 S 867/18 -, juris Rn. 2; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 15.08.2018 - 17 B 1029/18 -, juris Rn. 35). Im Übrigen sieht § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG vor, dass dem Ausländer vor Ablauf einer etwaigen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erteilt werden kann (vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Beschluss vom 15.08.2018 - 17 B 1029/18 -, juris Rn. 34).
39 
Auch die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 25. November 2019 hat sich nicht infolge der vollzogenen Abschiebung erledigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 - 1 A 3.17 -, juris Rn. 12, zur Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 74).
40 
bb) Der Antrag hat indes in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Ablehnung der Verlängerung bzw. Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin und die Abschiebungsandrohung bei der gebotenen, aber ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig sind und die auf Verlängerung bzw. Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage daher voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse, die Antragstellerin bereits während des Klageverfahrens vom Bundesgebiet fernzuhalten, ihr privates Interesse, sich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens hier aufhalten zu können.
41 
(1) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis aller Voraussicht nach nicht zu. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist insoweit derjenige des vorliegenden Beschlusses (vgl. in diesem Zusammenhang Bay. VGH, Beschluss vom 30.07.2018 - 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 -, juris Rn. 22). Denn für die in der Hauptsache erhobene, in erster Instanz anhängige Verpflichtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 19, und vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, juris Rn. 9 m.w.N.).
42 
(a) Hinsichtlich der begehrten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach - nunmehr - § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der Fassung des zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) kann offenbleiben, ob sie den Aufenthaltszweck des Studienabschlusses eines Bachelor of Science an der ... ... noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen kann. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin den Aufenthalt zu anderen Zwecken nutzen wird als zu Studienzwecken, und damit der Ausschlussgrund des § 19f Abs. 4 Nr. 6 AufenthG verwirklicht ist. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG erfüllt sind.
43 
(aa) Es ist nicht erkennbar, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin gesichert ist, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG gilt der Lebensunterhalt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs verfügt, der nach § 13 und § 13a Abs. 1 BAföG bestimmt wird. Das Bundesministerium des Innern gibt die Mindestbeträge nach § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt. Für das Jahr 2020 ergibt sich ein Betrag von 853,- EUR. Bei Nachweis einer Unterkunft, deren Miet- und Nebenkosten geringer sind als 325,- EUR (Betrag nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG), mindert sich der nachzuweisende Betrag entsprechend (vgl. BAnz AT 17.07.2019 B3).
44 
Aus den bei den Akten befindlichen Nachweisen ergibt sich nicht, dass die Antragstellerin über monatliche Mittel in Höhe von 853,- EUR verfügt. Dass wegen besonders niedriger Miet- und Nebenkosten ein geringerer Betrag anzusetzen wäre, ist nicht nachgewiesen. Ausweislich des vorgelegten Mietvertrags betrug die Kaltmiete zuzüglich Nebenkosten für das von der Antragstellerin zuletzt bewohnte WG-Zimmer in ... 525,- EUR (vgl. Bl. 131 d. Ausländerakte). Den in der Ausländerakte befindlichen Kontoauszügen, die zuletzt den Zeitraum vom 20. März bis 11. Dezember 2019 abdecken, ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass die Antragstellerin über ein Vermögen verfügt, durch welches monatliche Mittel in dem hier erforderlichen Umfang gewährleistet wären. Als die Antragstellerin noch über ein Erwerbseinkommen verfügte, bewegte sich der Kontostand stets etwa zwischen 1.000,- und knapp 2.000,- EUR. Es kann dahinstehen, ob das Erwerbseinkommen aus der Vollzeittätigkeit bei der ...- ... GmbH mit Blick auf § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG a.F. überhaupt berücksichtigungsfähig wäre. Denn dieses Einkommen ist mit Beendigung der Tätigkeit zum 31. Oktober 2019 weggefallen mit der Folge, dass sich der Kontostand fortan nur noch auf Beträge zwischen 250,- und 700,- EUR belief. Dass die Antragstellerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der ... GmbH noch über ein (regelmäßiges) Einkommen in Höhe von 853,- EUR verfügt hätte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Soweit ihre Eltern zuletzt am 20. September 2016 erklärt hatten, ihre Tochter während ihres Studiums und Aufenthalts in Deutschland finanziell zu unterstützen (vgl. Bl. 98 d. Ausländerakte), ist nicht erkennbar, dass sie dieser Verpflichtung nachgekommen wären, zumal die Antragstellerin nach eigenen Angaben zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im größeren Umfang neben dem Studium arbeiten musste. Dass hier ein atypischer Fall vorliegt, aufgrund dessen vom Regelerfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG („in der Regel“) abzusehen sein könnte, ist nicht ersichtlich.
45 
(bb) Zudem spricht viel dafür, dass ein - hier sowohl spezial- als auch generalpräventives - Ausweisungsinteresse besteht, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt - d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen - vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist (BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 15). Gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG besteht ein (schwerwiegendes) Ausweisungsinteresse, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 23.03 -, juris Rn. 21 zu § 46 Nr. 2 AuslG; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 12.11.2018 - 2 M 96/18 -, juris Rn. 15). Ob und ggf. wie der Verstoß geahndet wurde, ist für den Tatbestand unerheblich; auch auf ein Verschulden kommt es grundsätzlich nicht an (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 54 AufenthG Rn. 92, 96). Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG dürften hier erfüllt sein. Die Antragstellerin ist jedenfalls in der Zeit vom 16. Oktober 2018 bis 31. Oktober 2019 in Vollzeit bei der ... GmbH tätig gewesen. Damit hat sie in rechtswidriger Weise gegen § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG a.F. und die gleichlautende Nebenbestimmung in der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis vom 5. Juli 2016 verstoßen. Danach berechtigte die Aufenthaltserlaubnis lediglich zur Ausübung einer Beschäftigung, die insgesamt 120 Tage oder 240 halbe Tage im Jahr nicht überschreiten darf, sowie zur Ausübung studentischer Nebentätigkeiten. Der Antragstellerin war auch bekannt, dass sie nur in diesem Umfang, der in etwa einer Halbtagstätigkeit entspricht (vgl. Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 16b AufenthG Rn. 28), tätig sein durfte. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass sie selbst am 11. Juni 2019 bei der Antragsgegnerin beantragt hat, ihr eine über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehende Beschäftigung zu erlauben. Im Übrigen war das Zusatzblatt zu ihrem Aufenthaltstitel mit einer entsprechenden Nebenbestimmung versehen. Der Verstoß hiergegen, der eine Ordnungswidrigkeit darstellen dürfte (vgl. § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III a.F.), kann im vorliegenden Falle auch kaum als geringfügig angesehen werden. Die Vollzeittätigkeit zog sich über den nicht unbeträchtlichen Zeitraum von über einem Jahr hin. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag im Beschwerdeverfahren auch zuvor schon in Vollzeit tätig gewesen ist, was ggf. im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein wird.
46 
Auch in Bezug auf das Ausweisungsinteresse ist ein atypischer Fall nicht ersichtlich. Eine Atypik ergibt sich voraussichtlich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin am 11. Juni 2019 einen - soweit ersichtlich von der Antragsgegnerin nie beschiedenen - Antrag auf Erlaubnis der Vollzeittätigkeit gestellt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Beschäftigungserlaubnis gehabt hätte. Dies wäre - wenn überhaupt - allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn dadurch die Erreichung des auf das Studium beschränkten Aufenthaltszwecks nicht erschwert oder verzögert worden wäre (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.06.2009 - 18 B 979/08 -, juris Rn. 13; vgl. auch Nrn. 16.3.7 und 16.3.8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26.10.2009). Davon, dass diese Voraussetzungen im Falle der Antragstellerin erfüllt gewesen wären, kann keine Rede sein. Nach ihrem eigenen Vortrag ist das (zumindest vorläufige) Scheitern ihres Studiums maßgeblich darauf zurückzuführen, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts in größerem Umfang habe erwerbstätig sein müssen.
47 
(b) Hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin, ihr (erstmals) eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit zu erteilen, genügt ihre Beschwerdebegründung schon nicht den formellen Darlegungsanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Denn sie setzt sich in keiner Weise mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander und lässt vollständig offen, inwiefern der Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen sein sollte. Ihr Beschwerdevorbringen erschöpft sich in dem Vortrag, sie begehre eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG.
48 
(c) Soweit sie in ihrer Beschwerdebegründung erstmals einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK geltend macht, kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch dadurch zum Verfahrensgegenstand geworden ist, dass das Regierungspräsidium Stuttgart hierzu in seinem Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2020 Ausführungen gemacht hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG erfüllt.
49 
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin aber nicht. Zum einen fehlt es derzeit bereits an einer vollziehbaren Ausreisepflicht der Antragstellerin. Zum anderen wäre - das Bestehen einer solchen Ausreisepflicht unterstellt - die Ausreise der Antragstellerin weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.
50 
Zu denken wäre im vorliegenden Zusammenhang allenfalls an eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise. Ein solche kann sich auch aus dem Schutz des Privatlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt eine den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK auslösende Verbindung mit dem Aufnahmestaat als Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention dann in Betracht, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, er mithin ein „faktischer Inländer“ ist (vgl. EGMR, Urteile vom 15.01.2007 und 16.06.2005 - 60654/00 -, vom 31.01.2006 , und vom 09.10.2003 - 48321/99 -, jeweils zitiert nach hudoc.echr.coe.int). Ob der Ausländer ein Privatleben faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, hängt zum einen von seiner Integration in Deutschland („Verwurzelung“) und zum anderen von der Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland („Entwurzelung“) ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Eine nach Art. 8 EMRK schutzwürdige Verwurzelung im Bundesgebiet kann dabei aber grundsätzlich nur während Zeiten entstehen, in denen der Ausländer sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 - 1 C 18.09 -, juris Rn. 14, und vom 30.04.2009 - 1 C 3.08 -, juris Rn. 20; VGH Bad-Württ., Urteil vom 23.12.2010 - 11 S 2359/10 -, juris Rn. 27; Nds. OVG, Beschluss vom 17.08.2020 - 8 ME 60/20 -, juris Rn. 65 m.w.N.; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.07.2019 - 2 B 222/19 -, juris Rn. 15; BayVGH, Beschluss vom 04.03.2019 - 10 ZB 18.2195 -, juris Rn. 10).
51 
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Antragstellerin voraussichtlich nicht um eine sog. „faktische Inländerin“. Nach Aktenlage kann schon keine hinreichende Integration der Antragstellerin in die hiesigen Verhältnisse festgestellt werden. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sie sich etwa 16 Jahre lang legal im Bundesgebiet aufgehalten hat, offenbar gut Deutsch spricht, bis zu ihrer Abschiebung über einen festen Wohnsitz verfügte und - soweit ersichtlich - nie straffällig geworden ist. Weiter berücksichtigt der Senat, dass während ihres Aufenthalts in Deutschland nach ihrem Vortrag auch persönliche Bindungen entstanden sind, wenngleich ihr diesbezügliches Vorbringen - insbesondere zu dem erstmals im Beschwerdeverfahren erwähnten Lebensgefährten - unsubstantiiert ist. Zu familiären Bindungen im Bundesgebiet hingegen ist nichts vorgetragen. Allerdings ist es der inzwischen 37-jährigen Antragstellerin (jedenfalls vorerst) nicht gelungen, ihr 13 Jahre währendes Studium erfolgreich abzuschließen und damit eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Integration zu schaffen. Soweit sie zuletzt bei der ... GmbH über ein Jahr lang als Vollzeitkraft gearbeitet und auf diese Weise ihren Lebensunterhalt gesichert hat, kann dies aufgrund des voraussichtlich erheblichen Verstoßes gegen § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG a.F. nicht als gelungene und nachhaltige wirtschaftliche Integration gewertet werden. Wie gezeigt, war sie nach Wegfall der Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
52 
Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass sie derart aus ihrem Heimatland „entwurzelt“ ist, dass sie sich dort nicht mehr integrieren kann. Die Antragstellerin hat die ersten 20 Jahre und damit mehr als die Hälfte ihres Lebens in Serbien verbracht. Diese Zeitspanne umfasste die den weiteren Lebensweg maßgeblich prägende Kindheit und Jugend. Sie ist folglich mit den in ihrem Heimatland herrschenden Verhältnissen vertraut und spricht auch die dortige Sprache. Da ihre Eltern noch in Serbien leben, verfügt sie in Serbien zudem über enge familiäre Bindungen.
53 
Nach alledem kann offenbleiben, ob die Antragstellerin in Bezug auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG erfüllt bzw. ob hiervon, sollte dies nicht der Fall sein, nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden könnte.
54 
(2) Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise (Ziffer 2) und zur Abschiebungsandrohung (Ziffer 3) in der streitgegenständlichen Verfügung der Antragsgegnerin zieht die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht in Zweifel. Da ihre Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung bzw. Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, ist auch sonst nicht ersichtlich, dass ihr hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 der streitgegenständlichen Verfügung einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren wäre.
55 
b) Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren an ihrem Begehren auf Erteilung einer Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG festhält, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwieweit ihr diesbezüglicher Vortrag hinsichtlich des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie gegen die Abschiebungsandrohung entscheidungserheblich sein könnte. Da die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ihren Antrag ausdrücklich auf § 80 Abs. 5 Satz VwGO beschränkt und - anders als noch vor dem Verwaltungsgericht - gerade keinen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO gestellt hat, legt der Senat ihr Vorbringen zu einem etwaigen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungsduldung nicht im Sinne eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus. Ein solcher Antrag wäre im Übrigen auch nicht sachdienlich. Es erscheint bereits äußerst fraglich, ob nach der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung der Antragstellerin nach Serbien überhaupt noch Raum für die begehrte Erteilung einer Beschäftigungsduldung bleibt und die Antragstellerin über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verfügt. Denn die Antragstellerin befindet sich infolge ihrer Abschiebung nicht mehr vollziehbar ausreisepflichtig im Bundesgebiet (vgl. § 60d Abs. 1 AufenthG). Im Übrigen mangelt es jedenfalls an der Passivlegitimation der Antragsgegnerin. Für die Erteilung einer Beschäftigungsduldung nach § 60d Abs. 1 AufenthG ist nicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO ist dieses in Bezug auf vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer landesweit zuständig für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG. Dass die Regelung lediglich auf Duldungen nach § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG Bezug nimmt, es sich bei der begehrten Beschäftigungsduldung indes um eine solche nach § 60d AufenthG handelt, steht der landesweiten Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe nicht entgegen. Denn ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 60d Abs. 1 AufenthG handelt es sich bei der Beschäftigungsduldung nicht um eine eigene „Duldungsart“, sondern um eine Duldung „nach § 60a Abs. 2 Satz 3“ AufenthG, für deren Erteilung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig ist.
56 
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hingegen hat Erfolg. Aus den fristgerecht in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs - bzw. nunmehr der Klage - der Antragstellerin gegen die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffern 4 und 5 der streitgegenständlichen Verfügung angeordnet hat. Der diesbezügliche Antrag der Antragstellerin ist zwar zulässig (a), hat aber in der Sache keinen Erfolg (b).
57 
a) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist insoweit statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage der Antragstellerin gegen das auf Grundlage des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG ergangene behördliche Einreise- und Aufenthaltsverbot entfaltet gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung (vgl. ausführlich VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.01.2020 - 11 S 3477/19 - juris Rn. 74, und vom 13.11.2019 - 11 S 2996/19 -, juris Rn. 41).
58 
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig, weshalb die hiergegen gerichtete Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Damit überwiegt das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
59 
Das mit Ziffern 4 und 5 des streitgegenständlichen Bescheids in Anwendung von § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG für den Fall einer Abschiebung angeordnete zweijährige Verbot, in das Bundesgebiet einzureisen, dürfte rechtmäßig sein. Dies gilt insbesondere für die Bemessung seiner Dauer. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verbot in seiner konkreten Ausgestaltung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfte es auch nicht an nach § 114 VwGO relevanten Ermessensfehlern leiden. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die Antragsgegnerin hätte die Vollzeittätigkeit der Antragstellerin in der Zeit zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019 als wirtschaftliche Integrationsleistung würdigen müssen. Zudem werde im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen sein, dass sie auch ab Dezember 2019 wieder erwerbstätig gewesen sei. Der Senat indes vermag hierin einen relevanten Ermessensfehler nicht zu erkennen. Die Berücksichtigung einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin ab Dezember 2019 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie die Stelle bei der ... GmbH nicht angetreten hat. Aber auch ihre Vollzeittätigkeit bei der ... GmbH kann nicht als wirtschaftliche Integrationsleistung gewertet werden, die bei der Bemessung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen wäre. Dem steht entgegen, dass der Antragstellerin diese Tätigkeit, wie oben bereits ausgeführt, nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig gewesen ist. Mangels Schutzwürdigkeit kann sie auch nicht - wie die Antragstellerin geltend macht - als Integrationsleistung „faktischer Art“ gewertet werden. Im Übrigen wäre ein etwaiger Ermessensfehler inzwischen jedenfalls deshalb unbeachtlich, weil das Regierungspräsidium Stuttgart in seinem Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2020 eine etwaige wirtschaftliche Integrationsleistung der Antragstellerin durch Ausübung der in Rede stehenden Vollzeittätigkeit bei der Bemessung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots in seine Erwägungen mit eingestellt hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich hierbei nicht um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen, sondern um die zulässige Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO.
III.
60 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Eine Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verwaltungsgericht der Antragstellerin trotz ihres teilweisen Obsiegens nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt hatte.
61 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 63 Abs. 2 GKG. Eine Reduzierung des Streitwerts auf die Hälfte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt, weil der Antragstellerin aufgrund der in der Vergangenheit erteilten Aufenthaltstitel bereits die Perspektive für einen längerfristigen Aufenthalt eröffnet worden war (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 19.07.2019 - 11 S 1812/19 -, juris Rn. 5 f., und vom 05.02.2019 - 11 S 1646/18 -, juris Rn. 25). Soweit sich die Beschwerden sowohl der Antragstellerin als auch der Antragsgegnerin auf weitere Regelungen im streitgegenständlichen Bescheid beziehen (Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung, Einreise- und Aufenthaltsverbot), führt dies nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens. Wie bereits oben dargelegt geht der Senat nicht davon aus, dass der erstinstanzlich noch verfolgte Antrag nach § 123 VwGO zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht worden ist.
IV.
62 
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, weil der Beschwerde die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht fehlt. Diese ist zwar bereits dann gegeben, wenn der Ausgang des Verfahrens, für dessen Durchführung Prozesskostenhilfe begeht wird, zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife offen ist. Dies ist nach dem oben Gesagten aber nicht der Fall. Vielmehr stand die fehlende Erfolgsaussicht von Anfang an offen zutage.
63 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen