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| Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch insofern Erfolg, als das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen hat (I.); im Ergebnis greift sie jedoch nicht durch, weil die Klage nicht begründet ist (II.). |
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| Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde das gemäß § 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO vorgeschriebene Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Denn der vom Kläger erhobene Widerspruch wahrte die Schriftform. Obendrein hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers als zulässig angesehen und inhaltlich beschieden. |
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| Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach der Widerspruch nicht formgerecht erhoben worden sei. Gemäß der §§ 68, 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der für die Bewertung der Formwirksamkeit des am 04.10.2017 eingelegten Widerspruchs maßgeblichen Fassung vom 19.03.1991 (gültig bis 31.12.2017) war der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben. Der Passus, wonach der Widerspruch auch „in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes“ erhoben werden kann, war zum damaligen Zeitpunkt zwar noch nicht enthalten. Allerdings war § 3a VwVfG auch bereits zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung geltendes Recht, so dass der Widerspruch also sowohl „schriftlich“ als auch in der in § 3a VwVfG vorgesehenen Form eingelegt werden konnte (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26, 28; BVerwG, Urteil vom 07.12.2016 - 6 C 12.15 -, Juris Rn. 18 m.w.N.). |
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| Dem Schriftlichkeitsgebot des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung in der Regel eine Textnachricht, die im Kundenportal des LBV über den persönlichen Account eingegeben und sodann an die Behörde geschickt wird. Dies gilt erst recht für den vorliegenden Fall, in dem ein mit der eigenhändigen Unterschrift des Klägers versehenes Widerspruchsschreiben nach Einscannen in Form einer PDF-Datei als Anhang zu einer Nachricht im Kundenportal an das LBV übersandt wird. |
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| Das Tatbestandsmerkmal „schriftlich“ in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfährt zunächst keine begriffliche Konkretisierung durch § 126 Abs. 1 BGB. Danach muss für den Fall, dass durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Denn diese Bestimmung findet nur auf Schriftformerfordernisse des Privatrechts unmittelbare Anwendung (vgl. Einsele, MüKo BGB, 8. Aufl., § 126 Rn. 3 m.w.N.). Im öffentlichen Dienstrecht kann § 126 BGB hingegen nicht herangezogen werden (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 70 Rn. 4; zur analogen Anwendung: BVerwG, Beschluss vom 19.10.2015 - 5 P 11.14 -, Juris Rn. 16). Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält auch keine Regelung, nach der § 126 BGB entsprechende Anwendung findet. Mithin ist der allgemeine Sprachgebrauch für die Wortlautauslegung des im Vergleich zur privatrechtlichen Schriftform offeneren Begriffs in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO maßgeblich (vgl. Schulz, Die Fortentwicklung der Schriftformäquivalente im Verwaltungsverfahrensrecht, DÖV 2013, 882 [884] m.w.N.). |
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| Zwar erfordert die Schriftform nach herkömmlichem Verständnis grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift (vgl. zu § 81 Abs. 1VwGO: BVerwG, Beschluss vom 05.02.2003 - 1 B 31.03 -, Juris Rn. 1 und Urteil vom 06.12.1988 - 9 C 40.87 -, Juris Rn. 6) und den Eingang eines so unterzeichneten Dokuments bei der Behörde. Damit soll die verlässliche Zurechenbarkeit des Schriftstückes sichergestellt werden. Da aber Formvorschriften nicht Selbstzweck sein dürfen, sind Ausnahmen von dem Grundsatz der eigenhändigen Unterschrift dann anerkannt, wenn (anderweitig) gewährleistet ist, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte (Prozess-)Erklärung vorliegt, ferner, dass die Erklärung von einer bestimmten Person herrührt und diese für den Inhalt die Verantwortung übernimmt (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 31; BVerwG, Beschluss vom 19.12.1994 - 5 B 79.94 -, Juris Rn. 9, Urteile vom 06.12.1988 - 9 C 40.87 -, Juris Rn. 6 m.w.N. und vom 09.06.1982 - 6 C 119.81 -, Juris Rn. 13 m.w.N.; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL, Juli 2020 § 70 Rn. 5 [Fn. 5 m.w.N.]). Auch im Verwaltungsverfahren kann daher ein nicht eigenhändig unterschriebener Schriftsatz beachtlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu geben, ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.02.2003 - 1 B 31.03 -, Juris Rn. 1). |
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| Unter dem Begriff „schriftlich“ in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann daher in einer weiter gefassten Interpretation die Verstetigung einer Gedankenerklärung durch Schriftzeichen verstanden werden. Daher fallen unter den Begriff „schriftlich“ auch Texte, die elektronisch erfasst, übermittelt und gespeichert oder ausgedruckt werden. Ob die Verstetigung in einer Urkunde oder in einem anderen Medium erfolgt, ist mit Blick auf den Wortlaut unerheblich (vgl. zum BPersVG: BVerwG, Beschluss vom 15.12.2016 - 5 P 9.15 -, Juris Rn. 17). Maßgeblich ist allein, dass die dauerhafte Lesbarkeit des Textes gewährleistet ist. |
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| Es müssen mithin nicht immer alle denkbaren Funktionen der Schriftform (Abschlussfunktion, Perpetuierungsfunktion, Identitätsfunktion, Echtheitsfunktion, Verifikationsfunktion, Beweisfunktion und Warnfunktion; vgl. eingehend BVerwG, 15.12.2016 - 5 P 9.15 -, Juris Rn. 20 ff.; OVG NRW, Urteil vom 28.05.2015 - 2 A 95/15 -, Juris Rn. 34) erfüllt sein. Vielmehr ist aus der jeweiligen die Schriftform vorsehenden Regelung selbst zu ermitteln, welche Funktionen mit dem Schriftformerfordernis verwirklicht werden sollen. In Bezug auf § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind wesentliche Gründe für die Schriftform die Identifizierungsfunktion (d.h. derjenige, der als Absender erscheint, ist auch wirklich der geistige Urheber und Absender der Nachricht) sowie die Authentizitätsfunktion (d.h. die Willenserklärung, wie sie den Empfänger erreicht und als vom Absender herrührend erscheint, stammt auch wirklich von diesem und ist bei der Übermittlung nicht verändert worden; vgl. Schulz, DÖV 2013, 882 [884]). Wird diesen Voraussetzungen genüge getan, besteht bei Einhaltung der Wortlautgrenze kein Anlass zu restriktiverer Auslegung. |
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| Gemessen daran hat der über das Kundenportal eingelegte Widerspruch des Klägers die Schriftform gewahrt. Der Kläger war als Widerspruchsführer zweifelsfrei identifizierbar; auch stand die Eigenschaft des Widerspruchsdokuments als bewusste und gewollte Erklärung zur Einleitung eines Widerspruchsverfahrens fest und die Authentizität ist gegeben. |
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| Die Übermittlung des Widerspruchs - hier sogar eines die eigenhändige Unterschrift des Klägers bildlich wiedergebenden Dokuments - über das Kundenportal gewährleistet in der Regel die zweifelsfreie Identifizierbarkeit des Urhebers. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der nachvollziehbaren, in sich widerspruchsfreien Angaben der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.06.2021 anwesenden Informatiker fest. Denn anders als die Accounts eines privaten E-Mail-Providers steht das Kundenportal lediglich den ca. 411.000 Beschäftigten des Landes Baden-Württemberg und nicht der breiten Internetöffentlichkeit zur Verfügung. Im Rahmen der Erstregistrierung wird der - sich in der Regel über seine Dienst-E-Mail-Adresse - Anmeldende erfasst und mit Hilfe von zwei getrennt voneinander und an verschiedenen Tagen per Post verschickten Schreiben identifiziert, die einen Link sowie eine PIN enthalten. Wenn der Zugang - passwortgeschützt - unter Anwendung von Link und PIN freigeschaltet wird, ist der jeweilige Account mit der Personalnummer des Anmeldenden verknüpft, so dass sämtliche dem Dienstherrn vorliegenden Personaldaten über den Accountinhaber gespeichert sind. Aufgrund dieser sicheren Erstregistrierung und der damit verbundenen hohen Sicherheitsvorkehrungen ist die Identifizierbarkeit des Datenübermittlers hinreichend gewährleistet. Es ist daher nach vernünftigem Ermessen ausgeschlossen, dass eine andere Person als der jeweilige Accountinhaber, der allein über das Passwort verfügt, eine Nachricht über das Kundenportal versendet. Die Erfüllung der Sorgfaltspflicht des Beamten, Angestellten oder Richters, die Zugangsdaten zum Kundenportal (insbesondere die persönliche PIN) so zu verwahren, dass nur er Zugang erhält, wird nicht zuletzt aufgrund der arbeits- bzw. dienstrechtlichen Verbundenheit zum Beklagten hinreichend vorausgesetzt. Daher ist zur Überzeugung des Senats die Identifizierungsfunktion bei Nachrichten, die über das Kundenportal des Beklagten versendet werden, in der Regel gewahrt, auch wenn die eigentliche Nachricht, die direkt in das Textfeld eingegeben wird, wohl regelmäßig keine über die maschinenschriftliche Namenswiedergabe hinausgehende Identifikation des Urhebers ermöglicht. |
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| Dies vorausgesetzt, ist die Identitätsfunktion erst recht in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall erfüllt, bei dem das Widerspruchsschreiben eine bildliche Wiedergabe der Unterschrift des Klägers aufwies und dadurch eine eindeutige Identifikation des Urhebers ermöglichte. Es bestehen daher keine vernünftigen Zweifel, dass der Kläger das in Frage stehende Schreiben abgefasst und versandt hat. |
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| Auch die Authentizität des elektronisch übermittelten Datensatzes ist vorliegend gegeben. Der Übertragungsweg birgt - anders als die Versendung einer einfachen E-Mail - nicht das Risiko, dass ein Dritter unter dem Namen des Zugangsberechtigten rechtserhebliche Erklärungen gegenüber dem Beklagten abgibt. Nach den Angaben der Informatiker werden die Nachrichten im Kundenportal verschlüsselt eingegeben und verschlüsselt versandt. Die sichere Transportverschlüsselung wird durch das Übertragungstextprotokoll („https“) bestätigt. Die jeweilige Verschlüsselungstechnik (aktuell: TLS 1.2; 2017: SSL) erfüllt derzeit im Wesentlichen das jeweilige höchstmögliche Sicherheitsniveau bei gleichzeitiger Gewährleistung der Praktikabilität für die Nutzer. |
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| Das gewährleistete hohe Sicherheitsniveau im Rahmen der Erstregistrierung und bei Eingabe und Transfer der Nachricht stellt einen wesentlichen Unterschied zu einem gewöhnlichen E-Mail-Postfach dar, bei dem sich grundsätzlich jeder unter jedem beliebigen Namen anmelden kann, wodurch gerade nicht gewährleistet ist, dass die versandte E-Mail tatsächlich auch vom namentlich Genannten stammt, und der Transfer der Nachricht auch nicht stets verschlüsselt erfolgt. Es handelt sich daher technisch um wesentlich verschiedene Sachverhaltskonstellationen (vgl. zur einfachen E-Mail: BVerwG, Beschluss vom 02.07.2020 - 2 WRB 1.20 -, Juris Rn. 15; OVG NRW 30.03.2015 - 14 A 2435/14 -, Juris Rn. 17). Das Sicherheitsniveau bzw. die verwendete Verschlüsselungstechnik sind beim Kundenportal nach den Angaben der Informatiker vielmehr mit dem eines DE-Mail-Postfachs vergleichbar. Auch im Vergleich zu einem Computerfax, das (ggf. auch nur teilweise) über das Internet versendet wird (sog. Fax over IP) und anerkanntermaßen trotz fehlender eigenhändiger Unterschrift das Schriftlichkeitsgebot erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.04.2017 - 1 BvR 110/07 -, Juris Rn. 14 f.; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 05.04.2000 - GmS-OGB 1/98 -, Juris Rn. 10 ff.), ist im Hinblick auf die Identitäts- und Authentizitätsfunktion kein relevanter Unterschied beim Übertragungsweg feststellbar. Der Verzicht auf eine eigene Unterschrift ist bei Schreiben mittels „Fax over IP“ aufgrund der technischen Besonderheiten zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.04.2017 - 1 BvR 110/07 -, Juris Rn. 14; BVerwG, Beschluss vom 19.12.1994 - 5 B 79.94 -, Juris Rn. 9). Entsprechendes gilt für das hier zur Entscheidung stehende Kundenportal. |
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| Ausgehend hiervon erfüllt in der Regel bereits eine über das Kundenportal des LBV verschlüsselt versandte Nachricht die Anforderungen an die Schriftform. In diesem Fall wird eine Textnachricht in der Eingabemaske des Kundenportals verfasst, die neben dem eigentlichen Inhalt stets den Namen, das Geburtsdatum und die Personalnummer des Urhebers anzeigt. Das sodann automatisch generierte PDF-Dokument enthält die vom Beschäftigten an das LBV gerichtete Nachricht. Sofern keine Anhaltspunkte für Störfälle oder Manipulationen - dergleichen nach Auskunft der Informatiker in der mündlichen Verhandlung bislang noch nie aufgetreten sind - ersichtlich sind, genügt in der Regel diese Nachricht den Schriftformanforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. |
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| Dies gilt erst recht für den vorliegenden Fall: Trotz seiner elektronischen Qualität kann der Widerspruch dem Kläger als Verfasser rechtsverbindlich zugerechnet werden. Eine fremde Urheberschaft kann mit ähnlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, wie dies bei einer eigenhändigen Unterschrift auf einem Papierbrief der Fall wäre. Die Möglichkeit, dass ein Dritter sich die Zugangsdaten des Klägers zu dessen Account beim Kundenportal beschafft und sodann ein Schreiben mit dem Namenszug des Klägers erstellt haben könnte, um Widerspruch zu erheben, liegt derart fern, dass sie vernachlässigt werden kann. Wenn bereits ein als Anhang zu einer gewöhnlichen E-Mail versandtes PDF-Dokument die Schriftform nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Einzelfall wahren kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.2016 - 5 P 9.15 -, Juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 28.05.2015 - 2 A 95/15 -, Juris Rn. 34 ff.), so gilt dies erst recht für ein PDF-Dokument, das die eigenhändige Unterschrift des Klägers bildlich wiedergibt und als Anhang zu einer verschlüsselten Nachricht im Kundenportal übersandt wird. |
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| Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung Ende des Jahres 2017 bereits seit längerem Widersprüche über das elektronische Kundenportal des LBV zugelassen hatte. Auch wenn man darin - insbesondere aufgrund der lokalen Begrenzung auf das Land Baden-Württemberg - noch keine gewohnheitsrechtliche Fortbildung der Formvorschriften des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO erblicken kann (vgl. zur gewohnheitsrechtlichen Fortbildung von Formvorschriften RG, Beschluss vom 28.11.1932 - IVb 4/32 -, RGZ 139, 45, 47 [eingestellt bei Juris]; zur Offenheit des Schriftformerfordernisses für den technischen Fortschritt (hier Computerfax) Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 05.04.2000 - GmS-OGB 1/98 -, Juris), wäre es jedenfalls mit dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Senatsurteil vom 18.10.1996 - 4 S 1751/94 -, Juris Rn. 24 m.w.N.) nicht zu vereinbaren, dem Kläger die (hier verneinte) Formunwirksamkeit nunmehr vorzuhalten. |
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| Der Annahme der Schriftform steht auch § 3a VwVfG nicht entgegen. § 3a VwVfG entfaltet insbesondere keine Sperrwirkung in der Weise, dass die Schriftform des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO entgegen dem bisherigen (recht großzügigen) Trend in der Rechtsprechung (vgl. hierzu Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 70 Rn. 5 m.w.N.) nunmehr restriktiv - den effektiven Rechtsschutz eingrenzend - dahingehend verstanden werden müsste, dass sämtliche elektronische Kommunikationsformen allein von § 3a VwVfG erfasst würden. |
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| § 3a VwVfG wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21.08.2002 (BGBl 2002 I S. 3322) unter Berücksichtigung der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen eingeführt (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26). Diese verlangt die Gleichstellung von „fortgeschrittener elektronischer Signatur“ und Schriftform, ohne zu bestimmen, welches technische Sicherheitsniveau grundsätzlich als der Schriftform äquivalent zu erreichen ist (vgl. Schulz, DÖV 2013, 882 [883]). Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.07.2013 (BGBl 2013 I S. 2749) sind die Schriftformäquivalente des § 3a Abs. 2 VwVfG angepasst worden. Insbesondere ist der Kritik der mangelnden Technik- und Entwicklungsoffenheit durch Einführung des § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 VwVfG begegnet worden, der es ermöglicht, durch Rechtsverordnung weitere Dienste gleichzustellen. |
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| Der in § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG genannte Katalog von Schriftformäquivalenten umfasst nicht ausdrücklich den vorliegenden Fall. Insbesondere ist § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG nicht erfüllt, weil die Erklärung nicht unmittelbar in einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten elektronischen Formular abgegeben wurde. Hier wurde zwar die Eingabemaske des Kundenportals genutzt. Die eigentliche Erklärung erfolgte jedoch in einem PDF-Dokument, das als Anhang zur Nachricht hochgeladen und anschließend an den Beklagten geschickt wurde. Auch mangelt es an weiteren Voraussetzung des § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 und Satz 5 VwVfG, weil die Eingabemaske des Kundenportals vom Beklagten weder durch ein Eingabegerät noch durch öffentlich zugängliche Netze - es handelt sich hier vielmehr um eine geschlossene Benutzergruppe - zur Verfügung gestellt wird und auch der elektronische Identitätsausweis nicht abgefragt wird. |
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| Zwar genügt mithin die über das Kundenportal des Beklagten versandte Nachricht (mit angehängtem PDF-Dokument) nicht den Anforderungen des § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG an die dort geregelten Schriftformäquivalente, gleichwohl ist nicht im Umkehrschluss anzunehmen, dass damit auch die Wahrung der Schriftform des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in jedem Einzelfall ausgeschlossen sein muss. |
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| Schon dem Wortlaut des § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG nach handelt es sich um Schriftformäquivalente, die also erst dann relevant werden, wenn die Schriftform selbst nicht erfüllt ist, deren Reichweite sich wiederum nach Auslegung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung unter Heranziehung der Auslegungsgrundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung erschließt (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26). |
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| Auch der gesetzgeberische Wille legt ein Verständnis dahingehend, dass § 3a VwVfG eine Sperrwirkung entfaltet, nicht nahe. Vielmehr sollte im Rahmen der fortschreitenden Verwirklichung der Bürgergesellschaft die elektronische Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung weiter verbessert werden (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26; BT-Drs. 17/11473, S. 20). Hierzu sollten für den Bürger übliche Standards der Informations- und Kommunikationstechnik durch die Verwaltung bereitgestellt und gleichzeitig die Vorteile der Informationstechnik für die Verwaltung weiter nutzbar gemacht werden, um die Potenziale zur Kostensenkung und Produktivitätssteigerung ausschöpfen zu können (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26; BT-Drs. 17/11473, S. 21). Da „elektronische Dokumente“ dabei den Schriftformerfordernissen des Verwaltungsrechts nicht ohne weiteres entsprechen, erfordert der vollelektronische Verkehr zwischen Bürger und Verwaltung eine Regelung, die die elektronische Form der Schriftform gleichstellt (BT-Drs. 14/9000, S. 26). § 3a Abs. 2 VwVfG berücksichtigt dabei, dass elektronische Daten auf ihrem Weg durch offene Netze für den Empfänger unerkennbar verändert werden können und es daher eines sicheren Rahmens zur elektronischen Authentifizierung des Kommunikationspartners und Überprüfung der Integrität der übermittelten Daten bedarf. |
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| Gesetzessystematisch spricht zwar Manches dafür, die in § 3a Abs. 2 VwVfG gelisteten Schriftformäquivalente als abschließend anzusehen, um ein „Unterlaufen der im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle zu verhindern“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.07.2020 - 2 WRB 1.20 -, Juris Rn. 16). Die Anpassungsfähigkeit an zukünftige technische Fortschritte ist bezogen auf elektronische Kommunikationsformen durch die in § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 VwVfG vorgesehene Fortentwicklung durch Rechtsverordnung gewährleistet. Insoweit dürfte eine analoge Anwendung des § 3a VwVfG mangels planwidriger gesetzlicher Regelungslücke grundsätzlich ausscheiden. |
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| Doch seinem Sinn und Zweck nach widerspricht § 3a VwVfG nicht dem Verständnis, wonach die Schriftform des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei Übersendung von Widersprüchen über das elektronische Kundenportal des Beklagten gewahrt ist. § 3a VwVfG ermöglicht dem Bürger, der einen der ausdrücklich geregelten Kommunikationswege beschreitet, einen einfachen, schnellen und rechtssicheren Zugang zur Verwaltung („E-Government-Angebote“, vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 34). Der gesetzliche Katalog an Schriftformäquivalenten bietet die Gewähr, dass jedenfalls insoweit die erforderliche Technik bei der Verwaltung vorhanden ist, damit der Bürger eine der geregelten Formvarianten risikolos wählen kann (vgl. BT-Drs. 17/11473, S. 20 ff., 34). Nur bezogen auf die geregelten Schriftformäquivalente ist die Verwaltung gehalten, dass entsprechende Empfangsmöglichkeiten vorhanden und der Öffentlichkeit gewidmet worden sind (vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 27; BT-Drs. 17/11473, S. 33). Gleichwohl ist es dem Bürger dem Sinn und Zweck des § 3a VwVfG entsprechend nicht verwehrt, andere als die gesetzlichen vorgesehenen elektronischen Kommunikationsformen zu nutzen, was dann gegebenenfalls das Risiko birgt, dass diese im Einzelfall als nicht ausreichend angesehen werden, um das Schriftformerfordernis erfüllen. Dies ist jedoch vorliegend aus den oben dargelegten Gründen nicht der Fall. Die Klage ist mithin zulässig. |
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| Es kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 18.03.2015 - XII ZB 424/14 -, Rn. 8 ff.) die Schriftform mittels des Ausdrucks (erst) am 02.04.2019 gewahrt worden ist (die Rspr. des BGH ablehnend BSG, Urteil vom 12.10.2016 - B 4 AS 1/16 R -, Juris), wobei die dann gegebene Verfristung des Widerspruchs wohl zur Disposition der Behörde gestanden hätte (vgl. zur dispositiven Widerspruchsfrist BVerwG, Beschluss vom 31.01.2019 - 1 WB 28.17 -, Juris Rn. 16 m.w.N. und Urteil vom 20.06.1988 - 6 C 24.87 -, Juris Rn. 9 f.; VGH BW, Urteil vom 31.08.1979 - V 3404/78 -, Juris Rn. 17). |
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| Ebenfalls bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob die Widerspruchsbehörde nicht ohnehin befugt war, nicht nur über die Frist, sondern auch über die Form des Widerspruchs zu disponieren. Für eine Disposition der Behörde auch im Hinblick auf das Formerfordernis - jedenfalls soweit ein Erklärungswille beim Widerspruchsführer außer Zweifel steht - spricht, dass das Widerspruchsverfahren regelmäßig nur das Verhältnis zwischen Widerspruchsführer und Widerspruchsbehörde betrifft. Ist der Widerspruchsführer - wie hier - hinreichend identifizierbar und steht dessen Willen, eine rechtserhebliche Erklärung abgeben zu wollen, fest, ist - auch mit Blick auf § 3a Abs. 3 Satz 1 VwVfG - zu erwägen, ob bei den aktuell vielfältigen (technischen) Möglichkeiten, einen Widerspruch einzureichen, der Behörde nicht ein Bewertungsspielraum hinsichtlich der Frage zugestanden werden muss, ob die Schriftform eingehalten wurde (vgl. hierzu Kintz, Der elektronische Widerspruch, NVwZ 2004, 1429 [1434]). Dies betrifft insbesondere den vorliegenden Fall, in dem der Beklagte durch Bereitstellung des Kundenportals (vgl. § 3a Abs. 1 VwVfG, zur Zugangseröffnung auch BVerwG, Urteil vom 07.12.2016 - 6 C 12.15 -, Juris Rn. 18 f.) maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Widersprüche hierüber erhoben werden. Die entsprechende „Widmung“ und über mehrere Jahre gängige Praxis haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt. |
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| Die Berufung hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg, weil die Klage nicht begründet ist. |
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| Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung des Zeitpunkts des Beginns seines Aufsteigens in den Erfahrungsstufen auf den 01.10.2008. Der Bescheid des Beklagten vom 01.09.2017 in Gestalt von dessen Widerspruchsbescheid vom 14.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs.5 Satz 1 VwGO. |
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| Die Zeit seiner Berufstätigkeit beim Regierungspräsidium Karlsruhe vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2016 kann bei der Festsetzung des Beginns des Aufsteigens in den Erfahrungsstufen keine Berücksichtigung finden. Denn diese war notwendig für den Erwerb der Befähigung für die Beamtenlaufbahn gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 LBG, d.h. war Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBesG. |
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| Das Verwaltungsgericht hat als Rechtsgrundlage zutreffend § 31 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBesG i.d.F. vom 12.11.2013 herangezogen. Nach § 31 Abs. 1 LBesG wird die Höhe des Grundgehalts in den Besoldungsgruppen der Landesbesoldungsordnung A nach Stufen bemessen. Das Aufsteigen in den Stufen bestimmt sich nach Zeiten mit dienstlicher Erfahrung (Erfahrungszeiten). Erfahrungszeiten sind Zeiten im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Geltungsbereich des Grundgesetzes in einem Beamten- oder Richterverhältnis mit Anspruch auf Dienstbezüge. Das Aufsteigen in den Stufen beginnt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 LBesG mit dem Anfangsgrundgehalt der jeweiligen Besoldungsgruppe mit Wirkung vom ersten des Monats, in dem die erste Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wirksam wird. Nach Satz 2 der Vorschrift wird der Zeitpunkt des Beginns des Aufsteigens in den Stufen um die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden, nach § 32 Abs. 1 LBesG berücksichtigungsfähigen Zeiten vorverlegt. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBesG sind in diesem Sinne berücksichtigungsfähig: Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder im Dienst von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und ihren Verbänden, die nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Laufbahn sind. |
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| Diese Voraussetzungen liegen bei der Zeit, die der Kläger vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2016 als angestellter Bauleiter beim Regierungspräsidium Karlsruhe verbracht hat, offenkundig nicht vor. Denn bei diesen Zeiten handelt es sich um Zeiten, die gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 lit. b LBG i.V.m. § 6 Nr. 2, § 9 LVO-MVI Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen bautechnischen Verwaltungsdienst durch den Kläger waren. |
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| Bereits der im Besoldungsrecht besonders bedeutsame (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 1.08 -, Juris Rn. 12) Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBesG ist eindeutig und lässt - entgegen der Ansicht des Klägers - keinen Spielraum für die von ihm befürwortete Auslegung. Berücksichtigungsfähig sind nur Zeiten, die nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind. Die Ausnahme von ansonsten berücksichtigungsfähigen Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit wird allgemein formuliert (weiter sogar § 32 Abs. 1 Satz 2 LBesG: Voraussetzung für den Erwerb oder Ersetzung der Voraussetzung). Der sowohl im Landesbeamten- als auch im Landesbesoldungsgesetz übliche Begriff des Vorbereitungsdienstes wird gerade nicht verwendet. |
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| Insbesondere stützt auch eine systematische Betrachtung der Vorschriften nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis. § 16 LBG regelt in Verbindung mit den jeweiligen Laufbahnordnungen (hier: LVO-MVI) die dienstrechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Laufbahnbefähigung. Die §§ 31, 32 LBesG regeln sodann unter Anerkennung der (vorrangigen) beamtenrechtlichen Qualifizierungen die Bemessung des Grundgehalts einschließlich des Aufstiegs in den Erfahrungsstufen. Der Verweis in § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 LBesG auf die Voraussetzungen für den Erwerb der Laufbahnbefähigung kann damit nicht dahingehend reduziert werden, dass allein klassische Vorbereitungsdienste wie Referendariate erfasst wären. Vielmehr umfasst dieser Verweis die gesamten dienstrechtlichen Voraussetzungen und damit auch die Tatbestandvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 lit. b LBG. |
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| Ließe man sich auf die Argumentation des Klägers ein, führte dies zu einer besoldungsrechtlichen Bevorzugung der Laufbahnbewerber mit beruflicher Vorbildung gegenüber den Regellaufbahnbewerbern, die den „klassischen Weg“ des Vorbereitungsdienstes und der Laufbahnprüfung durchschritten haben. Eine solche Besserstellung und die damit einhergehende laufbahnrechtliche Ungleichbehandlung von Regellaufbahnbewerbern und (hinsichtlich der Laufbahnbefähigung) gleichgestellten Bewerbern wäre jedoch vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt. Sie widerspräche auch dem klaren gesetzgeberischen Willen, sodass auch die historische Auslegung gegen die vom Kläger vertretene Auffassung spricht: Die Nichtberücksichtigung von Zeiten, die Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, dient dazu, eine Gleichbehandlung zwischen den verschiedenen Laufbahnbewerbern (Regellaufbahnbewerber auf der einen Seite und ihnen nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 LBG gleichgestellte Bewerber auf der anderen Seite) zu erreichen (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 467 und 668 f., wonach eine entsprechende Anregung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich nicht berücksichtigt wurde). |
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| Indem der Gesetzgeber den Erwerb der Bildungsvoraussetzungen und eine mindestens dreijährige Berufstätigkeit nur dann als gleichwertig zum klassischen Erwerb der Laufbahnbefähigung ansieht, wenn die Berufstätigkeit die Eignung zur selbständigen Wahrnehmung eines Amtes der angestrebten Laufbahn vermittelt, bringt er die genannte Besonderheit des Vorbereitungsdienstes zum Ausdruck. Diese liegt darin, dem Beamten dem Laufbahnprinzip gemäß eine breit angelegte Befähigung zu vermitteln, um ihn grundsätzlich auf jedem amtsangemessenen Dienstposten seiner Laufbahn einsetzen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.1980 - 2 C 28.78 -, Juris Rn. 14; Jerxsen in: Brinktrine/Hug, BeckOK, BeamtR BW, 16. Aufl., § 16 LBG Rn. 4). Die Erweiterung der Möglichkeiten, in den Genuss einer Verbeamtung zu kommen, auch wenn kein Vorbereitungsdienst absolviert und keine Laufbahnprüfung abgelegt wurde, ergänzt das Bewerberfeld um bereits berufstätige, gut ausgebildete Kandidaten. Gleichwohl kann diese Gleichbehandlung nicht dazu führen, dass die vorherige Berufstätigkeit umfassend als Erfahrungszeit berücksichtigt werden muss. Vielmehr wird die besoldungsrechtlich nicht zu berücksichtigende dreijährige Berufstätigkeit anhand eines abstrakten Maßstabs bewertet. Etwaige individuelle Besonderheiten oder eine im Ausnahmefall bereits von Beginn an bestehende Befähigung und damit eine qualitativ hochwertige Tätigkeit während des Anerkennungszeitraums werden unberücksichtigt gelassen. Im Wege einer pauschalierenden Betrachtung wird nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 lit. b LBG angenommen, dass der berufstätige Laufbahnbewerber seine Befähigung für die angestrebte Laufbahn erst durch die auf dem konkreten Dienstposten gesammelten Erfahrungen über einen dreijährigen Zeitraum hinweg erwirbt und damit die Voraussetzungen dafür schafft, dass er die von ihm angestrebte Laufbahn überhaupt einschlagen kann. |
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| Das Vorbringen des Klägers, wonach er in den streitbefangenen Zeiten berücksichtigungswerte Erfahrungen gesammelt und - anders als der Regellaufbahnbewerber während seines Vorbereitungsdienstes - nicht nur Hilfs- und Unterstützungsaufgaben erbracht, sondern seine Aufgaben als Bauleiter bereits in selbständiger Verantwortung wahrgenommen und damit eine vollwertige Berufstätigkeit ausgeübt habe, führt zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Denn die insoweit vom Kläger angestellte individuelle Betrachtung widerspricht der vom Gesetzgeber vorgesehenen abstrakten Betrachtungsweise. Ebenso wenig wie es besoldungsrechtlich relevant ist, ob ein Regellaufbahnbewerber bereits nach wenigen Wochen im Vorbereitungsdienst gleichwertige Arbeit leistet wie ein auf Lebenszeit verbeamteter Kollege, kann eine individuelle frühzeitige Eignung für das angestrebte Amt dazu führen, dass der bereits berufstätige „Quereinsteiger“ ohne Anerkennungszeitraum „direkt“ besoldungsrechtlich relevante Erfahrungszeiten sammelt. |
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| Bei den streitbefangenen Zeiten handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht um „besoldungstechnisch verlorene Jahre“, denn die monetäre Berücksichtigung erfolgt durch die Verbeamtung, die aufgrund der dreijährigen Tätigkeit überhaupt erst möglich wurde, obgleich kein Vorbereitungsdienst durchlaufen und keine Laufbahnprüfung abgelegt worden ist. Der Gesetzgeber gibt insoweit dem „Quereinsteiger“ die Möglichkeit, abweichend vom klassischen Weg und ohne abschließende Garantie für eine breite Befähigungsvermittlung mangels Laufbahnprüfung (vgl. hierzu auch Jerxsen in: BeckOK, BeamtR BW, § 16 Rn. 4) in den Vorteil einer Verbeamtung zu kommen. Dass der Quereinsteiger gegenüber dem Regellaufbahnbewerber jedoch keine besoldungsrechtliche Bevorzugung erhalten soll, liegt auf der Hand. |
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| Kein anderes rechtliches Ergebnis folgt aus dem klägerischen Vorbringen insbesondere in der mündlichen Verhandlung, wonach er einen Anspruch auf besoldungsrechtliche Berücksichtigung der streitigen drei Jahre habe, weil er eine E-Mail mit entsprechendem Inhalt einer Sachbearbeiterin erhalten habe. Diese rechtliche Schlussfolgerung ist nicht zutreffend. |
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| Zwar hat eine Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums K. unter dem 21.03.2016 an den Kläger (informationshalber) eine E-Mail gesandt, in der auch der Zeitraum vom „01.06.2010 bis zum 31.03.2016“ als anrechnungsfähig bezeichnet wurde. Diese Information hat dieselbe Sachbearbeiterin sodann mit E-Mail vom 27.04.2016 korrigiert und als fiktiven Schlusszeitpunkt für den anrechnungsfähigen Zeitraum den 30.04.2014 mitgeteilt. |
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| Aus diesem Vorgang vermag der Kläger keine Ansprüche auf Anerkennung des hier streitigen Zeitraums als Erfahrungszeit abzuleiten. Es fehlt mit Blick auf § 38 VwVfG bereits ersichtlich an einem Rechtsbindungswillen der Sachbearbeiterin des Beklagten, im Rahmen einer E-Mail-Auskunft eine klägergünstige - gesetzeswidrige - Anspruchsgrundlage schaffen zu wollen. Auch kann aus einer zunächst fehlerhaften, sodann jedoch korrigierten behördlichen Auskunft grundsätzlich kein „verwaltungsrechtlicher Herstellungsanspruch“ wie im Sozialrecht resultieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.1988 - 3 C 48.86 -, Juris Rn. 21; offener: BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 - 3 C 36.10 - Rn. 15 f.), dessen Voraussetzungen hier ohnehin nicht erfüllt wären. Für einen allenfalls in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch wegen einer vermeintlichen Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) fehlt es an einem ersatzfähigen Schaden; auch wäre ein solcher Anspruch vor dem Landgericht geltend zu machen und nicht vor dem Verwaltungsgericht. |
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| Beschluss vom 8. Juni 2021 |
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| Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.263,60 EUR festgesetzt. |
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| Die Festsetzung erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den dreifachen Jahresbetrag der Differenz zwischen begehrter und gewährter Besoldung und entspricht der des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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