Urteil vom Amtsgericht Bielefeld - 36 Ds-216 Js 160/12-257/15
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Volksverhetzung und wegen Verbreitens gewaltpornographischer Schriften zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt.
Die bei dem Angeklagten sichergestellten Gegenstände werden eingezogen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 130 Abs. 3, 184a Nr. 1, 53, 74, 74a Abs. 1 Satz 2 StGB
1
Gründe:
2I.
3Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 27-jährige Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er studiert Archäologie und Keltologie im 5. Semester. Aus Gelegenheitsjobs erhält der Angeklagte ein monatliches Einkommen von etwa 200,00 bis 250,00 EUR netto. Die Miete für seine Wohnung in Höhe von 440,00 EUR einschließlich Betriebskosten zahlen seine Eltern.
4Der Bundeszentralregisterauszug weist für den Angeklagten keine Eintragung auf.
5II.
6(1)
7Von September 2011 bis mindestens Mai 2012 stellten der Angeklagte und der gesondert verfolgte C. unter ihren Künstlernamen „N.“ und „L.“ auf ihren jeweiligen Internetseiten das von ihnen gemeinsam produzierte Lied „Die Faust geht zum Kopf“ für jedermann frei zugänglich zum Download bereit.
8In diesem Titel wird folgender Text verwendet:
9„Das Zeckenpack wollte mich brechen
10sie haben es sicher gut gemeint
11ich steckte sie alle gemeinsam
12in den nächsten Zug nach …wald.
13Wasch mich mit der Seife ab
14genieß den Lampenschirm
15der neben meiner 20 Kilo Hantel
16das Apartment ziert.“
17Durch den Sprechrhythmus ergibt sich bei dem aufgrund eines Störlautes nicht klar verständlichen Wort „…wald“ der Begriff Buchenwald. Dieses Ergebnis wird unterstrichen durch die Verwendung der Bezüge zu Seife und einem Lampenschirm, die allgemeinkundig Synonyme für Produkte aus NS-Konzentrationslagern sind.
18Mit diesem Text billigte der Angeklagte den Einsatz von Konzentrationslagern unter dem NS-Regime einschließlich der dort erfolgten systematischen Tötungen als sachgerechte Lösung für den Umgang mit politischen und sonstigen Gegnern.
19Dieser Umstände war sich der Angeklagte vollumfänglich bewusst. Er stellte die Verbindung zum NS-Regime willentlich her. Auch die Billigung der dort erfolgten systematischen Tötungen sowie der Einsatz von Konzentrationslagern waren von seinem Willen getragen. Dies gilt für die Bereitstellung der Datei im Internet zum Download entsprechend.
20(2)
21Im September 2012 stellte der Angeklagte – offensichtlich als Reaktion auf die bei ihm im Zusammenhang mit der Tat zu Ziff. (1) im selben Monat durchgeführte Durchsuchung – auf seiner Internetseite für jedermann zugänglich eine sogenannte „Hausdurchsuchungs-EP“ zum Download bereit, die unter anderem das Lied „Zeckentango“ enthält.
22Dieses weist folgende Textpassage auf:
23„Und da ich noch Anzeigen brauch,
24zwinge ich Sahra Wagenknecht wenn sie richtig rattig ist
25mal zum analen Sex.
26Wenn ich mit ihr fertig bin, hat sie vier Löcher,
27wie diese Mistsau, Christina Lechner,
28stopf ihr das Fickmaul, stopf ihre Geilheit
29für alle Zeiten und danach kommt das Highlight.“
30Mit diesem Text werden Vergewaltigungen unter dem Einsatz erheblicher Gewalt geschildert, die in dem pornographischen Kontext die entpersönlichte Objektstellung der dargestellten Personen in besonderem Maße durch die Verbindung von Gewalt und sexueller Triebbefriedigung zum Ausdruck bringen.
31Dieser Umstände war sich der Angeklagte vollumfänglich bewusst. Sowohl die Beschreibung von Vergewaltigungen unter dem Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt als auch die Bereitstellung der Datei im Internet zum Download waren von seinem Willen getragen.
32III.
33Diese Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
34(1)
35Die Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben. Der Angeklagte hat sich zu seiner gegenwärtigen familiären, beruflichen und finanziellen Situation geäußert. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit seiner diesbezüglichen Einlassung haben sich nicht ergeben.
36Die Feststellungen zu den fehlenden Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dem nach § 249 Abs. 1 StPO verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 11.09.2015.
37(2)
38Der Angeklagte hat sich zu der ihm zur Last gelegten und wie unter Ziff. II (1) festgestellten Tat wie folgt eingelassen:
39Das Lied „Die Faust geht zum Kopf“ habe er mit seinem Bekannten C. gemeinsam aufgenommen und auf den unter Ziff. II (1) genannten Internetseiten für jedermann zum Download bereitgestellt. Da es ihnen wichtig gewesen sei, hiermit keine Straftat zu begehen, hätten sie zuvor ein Rechtsanwaltsgutachten zur Überprüfung des Liedes auf etwaige strafrechtlich relevante Inhalte in Auftrag gegeben. Da der beauftragte Rechtsanwalt zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Verwendung des Begriffes „Buchenwald“ strafbar sei, hätten sie das Wort zensiert, so dass dieses nicht mehr zu erkennen gewesen sei. Ein Austausch des Begriffes gegen einen anderen Begriff sei nicht möglich gewesen, da hierfür ein erneuter Besuch im Tonstudio erforderlich gewesen wäre, sie jedoch keine Zeit hierfür gehabt hätten. Den Begriff „Buchenwald“ habe er anfangs lediglich deshalb gewählt, weil sich dieser gut reimen lasse. Weitere Assoziationen habe er hiermit nicht gehabt. Indem er die Begriffe „Seife“ und „Lampenschirm“ verwendet habe, habe er lediglich die Innenausstattung seiner Wohnung beschrieben. Die Verwendung des Begriffes „Zeckenpack“ sei auf seine Erfahrungen mit Linksextremisten zurückzuführen, von denen er in der Vergangenheit bedroht worden sei.
40Diese Einlassung ist jedoch aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme widerlegt. Die Einlassung des Angeklagten ist lediglich als Schutzbehauptung zu werten.
41Aus einer Gesamtschau der unter Ziff. II (1) genannten Strophe und dem gesamten Liedtext ist vielmehr zu erkennen, dass der Angeklagte in dem Lied die dem Kernbereich der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zuzurechnenden Geschehnisse im Konzentrationslager Buchenwald als nachahmenswert und billigungsfähig heroisiert. Dies erfolgt derart, dass er den Eindruck erweckt, er sei in der Lage, ihm unerwünschte bzw. unangenehme Personen in dieses Konzentrationslager zu verbringen und die dort aus den Leichen dieser Personen hergestellten Produkte zu konsumieren. Hierdurch greift er historische Erkenntnisse auf, nach denen der Kommandant des Lagers Buchenwald im Zeitraum zwischen März 1941 und April 1942 einen Lampenschirm aus menschlicher Haut und Seife aus menschlichem Fett ermordeter Häftlinge produzieren ließ. Auf diese Weise bringt der Angeklagte seinen Hass gegenüber ihm unerwünschten Personen zum Ausdruck. Diese Personen beschreibt er als „Zecken“, womit in rechten Kreisen in der Regel politisch links extremistisch motivierte Personen bezeichnet werden.
42Der Einwand des Angeklagten, die ursprüngliche Verwendung des Begriffes „Buchenwald“ sei ausschließlich aufgrund eines gewünschten Reimes erfolgt, ist vor diesem Hintergrund keinesfalls nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Wirkung des gewünschten Reimes aufgrund der Zensierung dieses Wortes ohnehin nicht erzielt werden konnte. Darüber hinaus ist aus dem Zusammenhang des gesamten Liedtextes zu erkennen, dass der Angeklagte mit der genannten Textpassage ausschließlich auf die erwähnte nationalsozialistische Willkürherrschaft anspielt. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Angeklagte im weiteren Verlauf des Liedes die Städte Gütersloh und Bielefeld erwähnt, ohne einen Zusammenhang zwischen diesen Städten und dem Buchenwald herzustellen. Ein derartiger Zusammenhang ist dem Gericht nicht bekannt und konnte auch von dem Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht angeführt werden. Aufgrund der Erwähnung der Städte Gütersloh und Bielefeld hätte es vielmehr nahe gelegen, einen Wald in örtlicher Nähe zu diesen Städten zu wählen. Dies hat der Angeklagte jedoch bewusst nicht getan. Auch seine weitere Einlassung hinsichtlich der Beschreibung der Inneneinrichtung seiner Wohnung ist keinesfalls nachvollziehbar. Es sind keinerlei Gründe dafür ersichtlich, aus welchem Grunde der Angeklagte ausgerechnet die Seife und den Lampenschirm seiner Wohnung – einmal unterstellt, derartige Gegenstände befinden sich dort – erwähnen wollte, obwohl in einer Wohnung weitaus mehr und weitaus auffälligere Gegenstände zu finden sind. Dies gilt insbesondere aufgrund des Umstandes, dass er unmittelbar vor der Nennung dieser Worte den Begriff „Buchenwald“ verwendet. Aus einer Gesamtschau ist deshalb davon auszugehen, dass er hiermit ausschließlich auf die genannten historischen Geschehnisse abstellen wollte.
43(3)
44Zu der ihm zur Last gelegten und wie unter Ziff. II (2) festgestellten Tat hat sich der Angeklagte wie folgt eingelassen:
45Bei dem Text des Liedes „Zeckentango“ handele es sich um eine drastische Überspitzung bzw. eine comichafte Darstellung. Er habe den Inhalt des Liedes zu keiner Zeit ernst gemeint. Im Internet seien zahlreiche ähnliche Lieder von anderen Interpreten zu finden. Die Verwendung der Worte „vier Löcher“ sei nicht auf Geschlechtsverkehr zurückzuführen; dies ergebe keinen Sinn. Da er der Auffassung gewesen sei, dass es sich hierbei nicht um strafbare Inhalte handele, habe er das Lied für jedermann zum Download auf seiner Internetseite bereitgestellt.
46Auch diese Einlassung ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme widerlegt. Die Einlassung des Angeklagten ist lediglich als Schutzbehauptung zu werten.
47Aus der Gesamtschau des Liedtextes ist ersichtlich, dass der Angeklagte sich in dem Lied mit Vergewaltigungen unter dem Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt beschäftigt. Er beschreibt angebliche sexuelle Wünsche von Personen, die dem linken Spektrum angehören und dabei insbesondere die Durchführung von „hartem“ Geschlechtsverkehr mit der Politikerin der Partei „Die Linke“ Sahra Wagenknecht sowie die Zeit danach. Hierdurch bringt er sexualbezogene Beschimpfungen und Verächtlichmachungen von Frau Wagenknecht als Angehörige einer bestimmten politischen Partei zum Ausdruck. Eine andere Interpretation des Liedes als die Beschreibung und Verherrlichung von Vergewaltigungen unter dem Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt ist nicht möglich. Dies gilt insbesondere für die Verwendung der Formulierung „Wenn ich mit ihr fertig bin, hat sie vier Löcher“, da der Angeklagte hiermit gerade das gewalttätige Vorgehen im Rahmen der Vergewaltigung zum Ausdruck bringt. Den von dem Angeklagten angegebenen Bezug zu einem Comic vermag das Gericht nicht zu erkennen. Da es auch unerheblich ist, ob hiermit ein tatsächliches oder nur ein fiktives Geschehen widergegeben wird (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, § 184a StGB Rn. 5), kann der Einwand, es handele sich lediglich um eine drastische Überspitzung, keinerlei Berücksichtigung finden. Vielmehr ist offensichtlich, dass es sich bei Frau Wagenknecht um eine Politikerin der Partei „Die Linke“ handelt und der Angeklagte ausgerechnet mit politisch links extremistisch motivierten Personen nach eigenen Angaben negative Erlebnisse verbindet. Diesem Zusammenhang ist zu entnehmen, dass er mit Frau Wagenknecht alles andere als sympathisiert. Dem Einwand des Angeklagten, im Internet seien zahlreiche gleichgelagerte Texte zu finden, kann nicht gefolgt werden, da im Unrecht keine Gleichheit zu finden ist.
48IV.
49Der Angeklagte ist mithin wegen der unter Ziff. II (1) festgestellten Tat der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB und wegen der unter Ziff. II (2) festgestellten Tat des Verbreitens gewaltpornographischer Schriften gem. § 184a Satz 1 Nr. 1 StGB schuldig, wobei die verwirklichten Delikte im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehen.
50Er handelte dabei auch vorsätzlich. Insbesondere kannte er sämtliche Tatumstände, die zu einer derartigen Strafbarkeit führen. Soweit der Betroffene vorträgt, nach Erhalt des Gutachtens des beauftragten Rechtsanwalts in der Annahme gewesen zu sein, dass das Lied „Die Faust geht zum Kopf“ nach Zensierung des Wortes „Buchenwald“ keinen strafbaren Inhalt mehr aufweise, kann dies keine Berücksichtigung finden. Eine Relevanz im Rahmen des Vorsatzes oder der Schuld kann dem nicht beigemessen werden, da es sich insoweit um einen vermeidbaren Verbotsirrtum handelt (§ 17 Satz 2 StGB). Auch für den Angeklagten war es möglich, aus dem Zusammenhang des gesamten Liedtextes eine offensichtliche Strafbarkeit und damit eine offensichtliche Fehlentscheidung des beauftragten Rechtsanwalts zu erkennen. Aus diesem Grunde war es ihm zuzumuten, ein neues Gutachten zur Überprüfung des Liedtextes auf strafbare Inhalte in Auftrag zu geben. Hätte er diese Erkundigungen eingeholt, hätte er den bestehenden Irrtum ohne Weiteres vermeiden können. Umstände, die dazu führen können, dass ihm die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht möglich war, hat der Angeklagte nicht vorgebracht. Dies gilt für den Einwand, er sei davon ausgegangen, dass das Lied „Zeckentango“ keine strafbaren Inhalte aufweise, entsprechend, da es für den Angeklagten auch insoweit ohne Weiteres möglich war, aufgrund von Erkundigungen zu der Einsicht zu gelangen, dass es sich hierbei um strafrechtlich relevante Inhalte handelt.
51V.
52Der Strafzumessung hat das Gericht den Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vorsieht, sowie des § 184a StGB, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht, zugrunde gelegt.
53Zu Gunsten des Angeklagten war insbesondere zu berücksichtigen, dass er sich hinsichtlich der Veröffentlichung beider Liedtexte auf den genannten Internetseiten geständig eingelassen hat. Ferner fiel zu seinen Gunsten ins Gewicht, dass die Taten bereits lange Zeit zurückliegen und der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist.
54Nach Abwägung sämtlicher Umstände hält das Gericht für die unter Ziff. II (1) festgestellte Tat eine Einzelstrafe von 50 Tagessätzen und für die unter Ziff. II (2) festgestellte Tat eine Einzelstrafe von 40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.
55Unter nochmaliger Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet das Gericht eine Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Bei der Höhe des Tagessatzes hat das Gericht das ihm zustehende Einkommen in Höhe von monatlich 200,00 bis 250,00 EUR berücksichtigt, so dass die Tagessatzhöhe auf 10,00 EUR festzusetzen war.
56VI.
57Gem. §§ 74 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 74d Abs. 1 Satz 2 StGB waren die bei dem Angeklagten sichergestellten Gegenstände einzuziehen, da diese, dem Angeklagten gehörenden Gegenstände zu der Begehung von Straftaten bzw. deren Vorbereitung gebraucht worden sind und weil die Schriften einen solchen Inhalt haben, dass jede vorsätzliche Verbreitung in Kenntnis ihres Inhalts den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde und diese durch eine rechtswidrige Tat verbreitet worden sind.
58VII.
59Die Kostenentscheidung resultiert aus § 465 StPO.
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