Urteil vom Amtsgericht Detmold - 8 C 450/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von 116,05 EUR bzw. hilfsweise entsprechende Saldenberichtigung.
3Die Beklagte führt für die Klägerin ein Girokonto als Pfändungsschutzkonto gem. § 850 k ZPO.
4Aus dem Monat April 2014 „nahm“ die Klägerin ein Restguthaben i. H. v. 355,74 EUR „mit“ in den Monat Mai 2014. Im Mai 2014 erfolgten die nachfolgenden geldabfließenden Bewegungen auf dem Konto der Klägerin:
5Tag |
Art der geldabfließenden Bewegung |
Betrag |
02.05.2014 |
Lastschrift |
44,04 EUR |
12.05.2014 |
Lastschrift |
26,15 EUR |
13.05.2014 |
Barabhebung |
150,00 EUR |
23.05.2014 |
Überweisung |
15,00 EUR |
29.05.2014 |
Kontogebühren |
4,50 EUR |
31.05.2014 |
Barabhebung |
500,00 EUR |
Der zugehörige Kontoauszug wies eine Wertstellung der Barabhebung i. H. v. 500,00 EUR für Samstag, den 31.05.2014, 11.57 Uhr, aus.
7Unter dem 11.06.2014 überwies die Beklagte vom Konto der Klägerin einen Betrag i. H. v. 116,05 EUR an einen pfändenden Gläubiger der Klägerin. Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Beklagte und forderte sie zur Rücküberweisung auf. Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom 17.06.2014 der Klägerin gegenüber, diese habe über den entsprechenden Anteil des aus dem Monat April 2014 „mitgenommenen“ Guthabens im Monat Mai 2014 nicht verfügt. Ferner erklärte die Beklagte, die Barabhebung vom 31.05.2014 sei intern bei ihr erst am 02.06.2014 gebucht worden.
8Die Klägerin meint, bei der Frage der Berücksichtigung unpfändbarer Beträge müsse auf den Tag der Wertstellung auf dem betroffenen Konto abgestellt werden. § 850 k ZPO stelle auf Verfügungen des Schuldners ab; auf interne Buchungsvorgänge bei der Bank habe ein Schuldner sowieso keinen Einfluss.
9Die Klägerin beantragt,
10- 11
1. an sie 116,05 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06.2014 zu zahlen, bzw. hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, den Saldo des Girokontos 43 66 83 der Klägerin bei der Beklagten um 116,05 EUR zu Gunsten der Klägerin zu korrigieren;
13- 14
2. an die Klägerin nicht anrechenbare vorprozessuale RA-Kosten i. H. v. 48,73 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen; sowie ferner
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3. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
17- 18
1. die Klage abzuweisen; sowie ferner
- 19
2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte meint, bei der Frage der Berücksichtigung unpfändbarer Beträge müsse auf den Tag der internen Buchung abgestellt werden. Wegen § 675 n BGB sei der seitens der Klägerin entäußerte Zahlungsauftrag erst am 02.06.2014 wirksam geworden.
21Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
24Es kann dahin stehen, ob die Klägerin auf Zahlung oder auf Saldenberichtigung ihres Girokontos klagen musste. Ihr steht jedenfalls i. E. kein Erstattungs- oder Berichtigungsanspruch zu, da die Beklagte den streitgegenständlichen Betrag zu Recht an den Vollstreckungsgläubiger ausgezahlt hat. Im vorliegenden Falle war auf den Tag der Buchung und nicht auf den Tag der Wertstellung abzustellen (vgl. Becker, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 850 k ZPO, Rdn. 2 b).
25Bei der Abhebung am Geldautomaten handelt es sich um einen Zahlungsauftrag des Zahlungsdienstnutzers (hier die Klägerin) an seinen Zahlungsdienstleister (hier die Beklagte). Bei der institutsinternen Auszahlung weist in diesem Falle der Zahlungsdienstnutzer (hier die Klägerin) zugleich seinen Zahlungsdienstleister (hier die Beklagte) mit der Auszahlung an, seiner Pflicht nach §§ 700, 695 BGB nachzukommen. Mit der Auszahlung des Geldbetrages wird sodann auch der berechtigte Karteninhaber (hier die Klägerin) Eigentümer des Geldes. In dem Betrieb des Geldautomaten liegt vor diesem Hintergrund insofern ein antizipiertes Angebot auf Übereignung i. S. v. § 929 BGB an den Berechtigten, so dass der berechtigte Karteninhaber mit der Entnahme des Geldbetrages Eigentümer des Geldes wird (Casper, in: MünchKomm BGB, § 675 f BGB, 6. Aufl. 2012, Rdn. 60). Ein Zahlungsauftrag wird aber gem. § 675 n Abs. 1 S. 1 BGB erst wirksam, wenn er dem Zahlungsdienstleister des Zahlers zugeht. Fällt gem. Abs. 1 S. 2 der Zeitpunkt des Zugangs nicht auf einen Geschäftstag des Zahlungsdienstleisters des Zahlers, gilt der Zahlungsauftrag als am darauf folgenden Geschäftstag zugegangen. Dies war hier Montag, der 02.06.2014.
26Dass dies widersprüchlich zu der Wertstellung bereits am 31.05.2014 erscheint, wie die Klägerin bemängelt, ist durchaus nachvollziehbar. Insofern unterscheidet aber auch das Gesetz zwischen der Wertstellung und der Buchung, wie man an § 675 t BGB sehen kann. Unter dem Begriff der „Wertstellung“ wird dabei der Zeitpunkt verstanden, ab dem der eingegangene Betrag als zinswirksam zu behandeln ist (vgl. Schmalenbach, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Stand: 01.11.2014, Edition 33, § 675 t BGB, Rdn. 6) bzw. bis zu dem ein abzubuchender Betrag als noch vorhanden gilt (vgl. Schmalenbach, a. a. O., Rdn. 8). Wertstellungs- und Buchungstag können aber zeitlich auseinanderfallen (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2007, Az. I ZR 87/04, in: GRUR 2007, 805 ff.). Bei der Buchung handelt es sich insofern um den technischen Abschluss der Auszahlung.
27Dass das hier vom Gericht vertretene Ergebnis von der Regelung des § 850 k Abs. 1 S. 1 ZPO abweichen soll, wonach der Schuldner „jeweils bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben […] verfügen“ kann, vermag das Gericht nur teilweise nachzuvollziehen. Der Verfügungsbegriff des § 850 k Abs. 1 S. 1 ZPO ist nämlich im Kontext zu der jeweils streitigen Kontobewegung zu sehen. Diese beurteilt sich aber nach materiellem Recht, vorliegend nach den Regelungen der §§ 675 f ff. BGB. Wie oben dargelegt, ist die Kontoverfügung tatsächlich erst abgeschlossen, wenn die entsprechende Buchung erfolgt ist.
28Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die Nebenforderung.
29Die Berufung war vorliegend gem. 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zuzulassen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die vorliegende Rechtssache gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die in einer erheblichen Anzahl gleichgelagerter Fälle auftreten kann. Der Gesetzgeber hat bei der Neuformulierung des § 850 k ZPO die vielfach diskutierte „Monatsanfangsproblematik“ im Blick gehabt (vgl. z. B. Becker, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 850 k ZPO, Rdn. 2 a; BT-Drucks. 16/12714, S. 19), hat aber ebenso alltägliche Probleme, wie sie in der vorliegenden Konstellation aufgetreten sind, übersehen. Eine gefestigte Rechtsprechung gibt es zu der hiesigen Frage nicht.
30Die prozessualen Nebenansprüche folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31Der Streitwert wird auf bis zu 600,00 EUR festgesetzt.
32Rechtsbehelfsbelehrung:
33A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
34a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
35b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
36Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Detmold eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
37Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Detmold zu begründen.
38Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Detmold durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
39Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
40B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Detmold statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Detmold schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
41Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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