Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 34 C 9206/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 529,12 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der ihm entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien schlossen am 9. September 2013 einen Kreditvertrag über eine Nettokreditsumme von 18.586,26 €. Zusätzlich wurden laufzeitabhängige Zinsen und ein einmaliger laufzeitunabhängiger Individualbeitrag in Höhe von 529,12 € vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 27 folgende der Akte Bezug genommen.
3Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung desjenigen Betrages auf, den er als einmaligen laufzeitunabhängigen Individualbeitrag gezahlt hatte, nämlich 529,12 €, unter Fristsetzung bis 20. Juni 2014. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 12. Juni 2014 und bat um Geduld im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 2014, die erst noch geprüft werden müsse. Daraufhin beauftragte der Kläger seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, der die Beklagte nochmals unter Fristsetzung bis zum 27. Juni 2014 zur Zahlung der 529,12 € aufforderte.
4Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte die frühere Bearbeitungsgebühr jetzt als Individualbeitrag fortführe. Weder dem Vertrag noch den als allgemeine Geschäftsbedingungen einzustufenden Kreditbedingungen sei zu entnehmen, um was es sich bei diesen Posten handele. Der Individualbeitrag sei als Preisnebenabrede einzustufen und benachteilige den Kläger unangemessen, weil nicht einmal vertraglich vereinbart sei, wofür dieser Individualbeitrag überhaupt in Rechnung gestellt werde. Es fehle an einem konkreten Bezug zu einer angeblichen Gegenleistung, so dass die Regelung jedenfalls auch nicht hinreichend transparent sei.
5Der Kläger beantragt,
6wie erkannt.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Individualbeitrag um eine Preishauptabrede handele, die Teil des Gesamtentgelts sei. Der Individualbeitrag werde dabei nicht anhand eines Prozentsatzes der Darlehensvaluta bemessen, sondern dessen Höhe bestimme sich ebenso wie die Höhe des vereinbarten Sollzinssatzes zunächst nach den persönlichen Verhältnissen des Kunden wie etwa dessen Bonität zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses; zusätzlich spielten bei der Bemessung des Individualbeitrags weitere individuelle Vertragsparameter wie die Vertragslaufzeit und die monatliche Ratenhöhe eine Rolle. Dementsprechend werde die Höhe des Individualbeitrages für jeden Einzelfall bestimmt und zusammen mit den weiteren individuell vereinbarten Vertragskonditionen wie dem Nettokreditbetrag oder dem Sollzins nach Abschluss der Vertragsverhandlungen in das Formular eingedruckt. Im Gegensatz zum so genannten Basiskredit biete der Individualkredit über den gesetzlichen Mindestinhalt von Verbraucherdarlehensverträgen hinausgehende Vorteile und Leistungen wie die kostenlose Zahlungsplanänderung und die kostenlose Verschiebung der Ratenfälligkeiten bis zu 15 Tage bei nicht rückständigen Krediten, kostenlose Sonderzahlungen bis zu 80 % des aktuellen Kreditsaldos, eine Ratenpause alle zwölf Monate bei ordnungsgemäßer Bedienung der 11 vorangegangenen Monatsraten bei unveränderter Bonität und ein 28-tägiges Rückgaberecht.
10Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die Klage ist begründet.
13Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Individualbeitrages in Höhe der Klageforderung von 529,12 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB.
14Die Zahlung des Geldbetrages durch den Kläger, durch die die Beklagte etwas Sinne des § 812 Abs. 1 BGB erlangte, erfolgte ohne Rechtsgrund, weil die Bestimmung über den Individualbeitrag als eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen Intransparenz unwirksam ist.
15Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
16Bei der Bestimmung über den Individualbeitrag handelt es sich um eine vorformulierte Vertragsbedingung. Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind (BGH vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13, zitiert nach juris). Dies ist der Fall. Die Beklagte verwendet die Bestimmung über den Individualbeitrag mehrfach, und zwar bei denjenigen Kunden, die den Individualkredit abschließen. Der Annahme der Vorformulierung steht nicht entgegen, dass die jeweilige Höhe des Individualbeitrags anhand interner Parameter im Einzelfall berechnet wird und sich die Höhe nach den persönlichen Verhältnissen der Kunden richtet. Auch wenn das Entgelt anhand der Daten des individuellen Darlehensvertrages nach bestimmten Vorgaben errechnet und es sodann in den Vertrag einbezogen wird, ist eine Vorformulierung anzunehmen (BGH vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13, Rz. 21, zitiert nach juris).
17Die Bestimmung über den Individualbeitrag ist auch von der Beklagten gestellt worden, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Gestellt ist eine Klausel, wenn eine Partei die Vertragsbedingung in die Verhandlungen einbringt und deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt; maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalles (BGH vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13, Rz. 24, zitiert nach juris). Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen Verbraucherkreditvertrag. Die Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB hat die Beklagte nicht widerlegt. Sie hat den von ihr für den konkreten Einzelfall der Höhe nach anhand interner Parameter ausgerechneten Individualbeitrag in ihr eigenes Formular eingedruckt. Damit hat sie den in den Vertrag einbezogenen Individualbeitrag ebenso eingebracht wie seine Einbeziehung verlangt (vgl. BGH vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13, Rz. 24, 25, zitiert nach juris).
18Von der Beklagten sind auch keine Tatsachen vorgetragen worden, die auf ein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs.1 S.3 BGB schließen lassen könnten. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass sie bei dem streitgegenständlichen „Individual-Kredit“ den Individualbeitrag ernsthaft zur Verhandlungsdisposition gestellt hätte. Den Ausführungen der Beklagten lässt sich vielmehr entnehmen, dass sie Kunden, die diesen Individualbeitrag nicht zahlen wollen, auf den „Basis-Kredit“ verweist. Durch die Zurverfügungstellung der zwei Möglichkeiten ist der streitgegenständliche „einmalige laufzeitunabhängige Individualbeitrag“ nicht ausgehandelt i.S.d. § 305 Abs.1 S.3 BGB.
19Dieser Individualbeitrag ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs.1 BGB unwirksam (so auch AG Düsseldorf, Urteil vom 28. 10.2014, Az. 54 C 11313/14; AG Düsseldorf Urteil vom 11. 12. 2014, Az. 26 C 7302/14; AG Düsseldorf, Urteil vom 22.11. 2014, Az. 37 C 6171/14).
20Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Klausel, wofür allerdings viel spricht, als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterliegt (ebenso wie die vorherige „Bearbeitungsgebühr“, vgl. BGH a. a. O., Rz. 28). Das Transparenzgebot gilt auch für Klauseln, die einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs.1 S.1, 308, 309 BGB nicht standhalten müssen, § 307 Abs.3 S.2 BGB.
21Das Transparenzgebot enthält das Gebot, den Klauselinhalt möglichst weitgehend zu konkretisieren, so dass der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten dem Vertragstext mit größtmöglicher Bestimmtheit entnehmen kann (Bestimmtheitsgebot). Diesbezüglich hat der Verwender Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel möglichst eindeutig und nachvollziehbar darzustellen, so dass dem Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rz. 59 m. w. N.).
22Preisvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen zwar nicht der richterlichen Inhaltskontrolle. Folge des Bestimmtheitserfordernisses ist aber, dass die Preisberechnung klar sein muss; dies ist sie wiederum nur, wenn die Berechnungsfaktoren klar sind (OLG Celle NJW-RR 1995, 1133 m.w.N.). Diese Anforderungen werden hinsichtlich der laufzeitabhängigen Zinsen erfüllt (Sollzinssatz 8,48 %). An dieser Klarheit fehlt es aber eklatant bezüglich des Individualbeitrags. Es ist weder aus den Kreditbedingungen der Beklagten noch aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis ersichtlich, wie sich der „einmalige laufzeitunabhängige Individualbeitrag“ berechnet und wofür der Individualbeitrag zu zahlen ist, ob er Entgeltcharakter hat und was ggf. die korrelierende Gegenleistung ist. Dies liegt insbesondere an der fehlenden Definition des Begriffes „Individualbeitrag“ und an den unklaren sowie über den Vertrag verstreuten Ausführungen zu den angeblichen Gegenleistungen, die als solche nicht erkennbar sind. In dem Preis- und Leistungsverzeichnis wird dieser Beitrag überhaupt nicht erwähnt und es ist nicht ansatzweise ersichtlich, wie die Beklagte hier auf den Betrag von 529,12 € gekommen ist. Die Beklagte hat auch im Prozess nicht konkret dargelegt, wie sie diesen Betrag errechnet hat.
23Die bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot vorzunehmende Abwägung (Schmidt in: BeckOK, Stand 1. 2. 2015, § 307 BGB, Rn. 85) ergibt, dass auch eine unangemessene Benachteiligung des Klägers vorliegt.
24Nur die klare Darstellung von Leistung und Gegenleistung ermöglicht es dem Vertragspartner, seine Entscheidung für einen Vertragsschluss auf richtiger Basis zu treffen. Insofern liegt der Schluss von einer intransparenten Leistungs- oder Gegenleistungsbeschreibung, die den unzutreffenden Eindruck einer höheren oder preiswerteren Verwenderleistung oder einer geringeren Gegenleistung erweckt, auf eine unangemessene Benachteiligung nahe (Schmidt, in: BeckOK, a. a. O.). Die Darstellung der Beklagten, die den Eindruck erweckt, Leistungen seien kostenlos und nicht (durch den Individualbeitrag) kostenpflichtig, führt den Kunden zusätzlich in die Irre. Er bleibt insgesamt im Unklaren darüber, welchen Preis er für welche Gegenleistung der Beklagten zahlt, und ist damit nicht in der Lage, seine Entscheidung über den Vertragsschluss mit der Beklagten auf zutreffender und gesicherter Basis zu treffen.
25Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.
26Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27Die Berufung war gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Im Streit ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, weil diese Rechtfrage in einer unbestimmten Vielzahl gleichgelagerter Fälle auftreten kann und wird. Zudem erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, weil zur Frage der Wirksamkeit des Individualbeitrages unterschiedliche Entscheidungen ergangen sind.
28Streitwert: 529,12 €
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
31a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
32b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
33Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
34Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
35Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
36Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- BGB § 307 Inhaltskontrolle 5x
- BGB § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 4x
- BGB § 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 26 C 7302/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 511 Statthaftigkeit der Berufung 1x
- BGB § 310 Anwendungsbereich 2x
- XI ZR 170/13 4x (nicht zugeordnet)
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 2x
- BGB § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 37 C 6171/14 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- 54 C 11313/14 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x