Urteil vom Amtsgericht Köln - 119 C 264/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend.
3Am 08.02.2016 bediente der Beklagte in der Gaststätte „L.“ in der G.-straße 00 in Köln.
4Der Kläger warf gezielt ein Glas nach dem Beklagten, worauf ein Handgemenge zwischen dem Kläger, dem Beklagten, der Begleitung des Klägers, dem Sicherheitspersonal und einem weiterem Kellner entstand.
5Der Kläger erlitt eine 2 cm lange gezackte Platzwunde an der Nasenwurzel und eine 1 cm lange tiefe Platzwunde im linken Mundwinkel.
6Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm mit der Faust zweimal in das Gesicht geschlagen, was zu den geschilderten Verletzungen geführt habe.
7Der Kläger beantragt,
81. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld – dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 3.000,00 EUR liegen sollte – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2016 zu zahlen,
92. den Beklagten zu verurteilen, ihm hälftige außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 204,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2016 zu erstatten.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen,
12Er ist der Ansicht, die – bestrittenen – Schläge seien jedenfalls aufgrund von Notwehr gerechtfertigt.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist unbegründet.
16Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schmerzensgeldanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB.
17Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Verletzungshandlung in Gestalt zweier Faustschläge beging und die vom Kläger erlittenen Verletzungen hierauf zurückzuführen sind.
18Die Verletzungshandlung wäre jedenfalls gem. § 227 BGB wegen Notwehr gerechtfertigt. Notwehr ist gem. § 227 Abs. 2 BGB diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
19Ein rechtswidriger Angriff durch den Kläger lag vor. Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger gezielt und absichtlich ein Glas nach dem Beklagten warf und sich darauf ein Handgemenge entwickelte. Diese Tatsachen sind gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und damit unstreitig anzusehen, da der Kläger sich hierzu bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erklärt hat. Soweit mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 10.10.2016 der Vortrag des Beklagten bestritten worden ist, ist dies als verspätet zurückzuweisen. Gem. § 296a S. 1 ZPO können Angriffs- und Verteidigungsmittel nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, nicht mehr vorgebracht werden. Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO bestand nicht.
20Die Voraussetzungen der Notwehr lagen auch im Übrigen vor. Der Angriff des Klägers war noch gegenwärtig. Ein Angriff ist erst dann nicht mehr gegenwärtig, wenn er beendet ist. Das ist der Fall, wenn er aufgegeben, fehlgeschlagen oder durchgeführt ist. Er dauert fort, wenn mit weiteren Tätlichkeiten zu rechnen ist (Palandt-Ellenberger, BGB, 73, Aufl. 2014, § 227 Rn. 4 m.w.N.). Die Fortwirkung des Angriffs durch den Glaswurf ergibt sich daraus, dass sich im Anschluss daran ein Handgemenge zwischen ergab.
21Gegen den Angriff durfte der Beklagte die erforderliche Verteidigung ergreifen; er durfte dazu zwar nur das am wenigsten schädliche oder gefährliche Mittel zur Abwehr einsetzen, brauchte sich aber nicht auf das Risiko einer ungenügenden Abwehrhandlung einzulassen (Palandt-Ellenberger, a.a.O., Rn 7 f. m.w.N.). Dabei hat das Merkmal der sog. „mildesten Verteidigung" allein in den Fällen Bedeutung, wo dem Verteidiger mehrere geeignete Abwehrmaßnahmen zur Verfügung stehen, gibt es lediglich eine taugliche Abwehr, so ist diese auch weitgehend unabhängig davon, wie groß der Schaden ist, der durch sie angerichtet zu werden droht, erforderlich. So lag es hier. Gegenüber der Attacke in Gestalt des Glaswurfs mit anschließendem Handgemenge gab es für den Beklagten nur eine taugliche Abwehr, nämlich den Einsatz körperlicher Gewalt in Form eines oder mehrerer Faustschläge. Der Beklagte war auch nicht zwingend darauf beschränkt, es bei einem Faustschlag zu belassen, da er – wie ausgeführt – nicht das Risiko einer ungenügenden Abwehrhandlung tragen musste (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11. August 2000 – 19 U 14/00 – Juris Rn. 2).
22Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.
24Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
25Maßgebend ist bei dem vorliegenden Ermessensantrag insoweit der gem. § 3 ZPO zu schätzende Betrag, der aufgrund des vom Klägers vorgetragenen Sachverhalts bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zuzusprechen wäre, wenn die Klage begründet ist (Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 3 Rn. 63). Diesen Betrag schätzt das Gericht – wie bereits mit Verfügung vom 23.08.2016 - auf 1.000,00 EUR.
26Rechtsbehelfsbelehrung:
27A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
281. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
292. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
30Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
31Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
32Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
33Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
34B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
35Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung 1x
- StGB § 223 Körperverletzung 1x
- 19 U 14/00 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 227 Notwehr 2x
- ZPO § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x