Urteil vom Amtsgericht Köln - 715 Ds 85/18
Tenor
Der Angeklagte N. wird wegen Nötigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und in Tatmehrheit mit einer fahrlässigen Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60,00 Euro kostenpflichtig verurteilt.
Dem Angeklagten wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Angewandte Vorschriften: § 223 Abs. 1, § 229, § 230, § 240 Abs. 1, § 52, § 44 StGB
1
Gründe:
2I.
3Die Angeklagte N. wurde am 01.01.0000 in Kabul geboren. Er besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, ist ledig und hat keine Kinder. Von Beruf ist er Elektro-Unternehmer und verdient als solcher monatlich netto etwa 2.000,- Euro.
4Der Angeklagte ist bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. In dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 03.04.2019 befinden sich keine Eintragungen.
5In dem Verkehrszentralregisterauszug des Angeklagten vom 05.11.2018 befindet sich eine Eintragung:
6Mit Bußgeldbescheid der Stadt Köln vom 15.03.2017, rechtskräftig seit dem 01.04.2017, wurde gegen ihn eine Geldbuße von 60 Euro festgesetzt, weil er am 16.12.2016 gegen 17:00 Uhr als Führer eines Kraftfahrzeuges gegen § 23 Abs. 1a, § 49 StVO, § 24 StVG, 246.1 BKat verstoßen hat und als Führer eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon benutzte, indem er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahm oder hielt.
7II.
8Folgender Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichtes fest:
9Am 06.10.2017 gegen 18:17 Uhr fuhr der Angeklagte mit einem PKW der Marke VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen M-MM 00 auf der Venloer Straße in Fahrtrichtung Ehrenfeldgürtel in Köln. Etwa in Höhe der Hausnummer XXX hielt er mit seinem PKW auf dem Fahrradschutzstreifen. Der Zeuge P., welcher zu diesem Zeitpunkt die Venloer Straße auf dem Fahrradschutzstreifen befuhr, musste aus diesem Grund von dem Fahrradschutzstreifen auf die Fahrbahn runter und fuhr links an dem Fahrzeug des Angeklagten vorbei. Als er an dem PKW des Angeklagten vorbei fuhr, schlug er gegen die Fahrerscheibe des PKW des Angeklagten. Aus Verärgerung über dieses Verhalten fuhr der Angeklagte dem Zeugen P. hinterher und überholte diesen dann mit so geringem Abstand, dass dieser nach rechts in die an dieser Stelle einmündende A.-straße bog, um nicht zu stürzen. Gleichwohl folgte der Angeklagte dem Zeugen P. und schnitt diesem mit seinem Fahrzeug den weiteren Fahrweg ab, sodass der Zeuge mit seinem Fahrrad zu Fall kam.
10Sodann stürzte der Angeklagte auf den sich vom Boden erhebenden Geschädigten P. zu und schlug diesen so heftig mit der Hand ins Gesicht, dass der Geschädigte erneut zu Boden stürzte. Der Geschädigte erlitt eine Verletzung des linken Fußknöchels und der linken Gesichtshälfte und war im Zeitraum vom 09.10 bis zum 22.10.2017 arbeitsunfähig.
11Am 07.11.2017 gegen 10:08 Uhr befuhr der Angeklagte die BAB 59 in Fahrrichtung Köln in Köln. Zwischen der Anschlussstelle Wahn und der Anschlussstelle Flughafen musste das vor dem Angeklagten fahrende Fahrzeug des Geschädigte G. halten. Infolge von Unaufmerksamkeit bemerkte der Angeklagte dies zu spät und fuhr auf das Fahrzeug des Geschädigten G. auf. Dieser erlitt hierdurch ein Schleudertrauma.
12Der erforderliche Strafantrag wurde gestellt. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
13III.
14Die Feststellungen unter Ziffer I. beruhen auf den Angaben des Angeklagten, sowie aus dem insoweit verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 04.03.2019 und dem Auszug aus dem Fahreignungsregister (FAER) vom 05.11.2018.
15Die Feststellungen unter Ziffer II beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Aussagen der Zeugen P., A., G., Ö. und I., den Lichtbildern auf Bl. 9, 10, sowie Bl. 8-12 der Beiakte und den Attesten Bl. 22, 23. Auf die Lichtbilder wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
16Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf dahingehen eingelassen, dass er an dem Tattag zur Tatzeit zusammen mit seiner Freundin der Zeugin I. in deren Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Er habe eine „Lieferung“ für einen Kunde ausliefern wollen, welcher ein Geschäft auf der Venloer Straße hat. Da er keine andere Möglichkeit zum Halten gesehen habe und er auch nur kurz in das Geschäft wollte, um etwas abzugeben, habe er auf dem Radweg gehalten und die Warnblinken an dem PKW angemacht. Dann habe er plötzlich eine „Explosion“ im Auto vernommen. Er sei sich sicher gewesen, dass diese durch den Radfahrer verursacht worden sei, welcher in diesem Augenblick links an seinem Fahrzeug vorbei gefahren sei. Er habe dann den Radfahrer zur Rede stellen wollen und sei etwa 20 Meter hinter diesem her gefahren. Der Radfahrer habe dann aber – ohne sein Einwirken – angehalten und sei von selber hin gefallen. Sodann sei er ausgestiegen und habe den Radfahrer mit seiner Hand am Boden gehalten, um die Polizei zu rufen. Er habe den Radfahrer aber nicht geschlagen.
17Am 07.11.2017 habe es sich um einen ganz normalen Auffahrunfall gehandelt. Er sei nur kurz nicht aufmerksam gewesen und dann dem Zeugen G. hinten in den PKW gefahren.
18Die Einlassung des Angeklagten, der Geschädigte P. sei ohne sein Zutun zu Fall gekommen, wird nach Ansicht des Gerichtes durch die Aussagen der Zeugen P., A. und Ö. widerlegt.
19Der Zeuge P. hat angegeben, dass er an dem Tattag auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mit seinem Fahrrad gewesen sei. Auf der Venloer Straße habe ein PKW den Radweg blockiert, hierüber habe er sich sehr geärgert. Er sei dann links an dem PKW auf der Fahrbahn vorbei gefahren. Aus Verärgerung über das Verhalten des PKW Fahrers habe er während der Vorbeifahrt mit der flachen rechten Hand gegen die linke Scheibe der Fahrerseite „geklopft“. Im Anschluss daran sei er wieder auf den Radweg gefahren und habe seine Fahrt fortsetzen wollen. Der PKW sei ihm jedoch gefolgt und ganz eng an ihn ran gefahren. Aus diesem Grunde habe er sich dazu entschlossen in die nächste Seitenstraße abzubiegen. Der PKW sei ihm aber auch beim Abbiegen so dicht gefolgt, dass er zu Boden gekommen sei. Er habe dann versucht wieder aufzustehen. In diesem Moment sei der Angeklagte auf ihn zugekommen und habe ihn mitten ins Gesicht geschlagen. Dabei habe der Angeklagte ihm gesagt „Du schlägst mein Auto nicht“. Er sei durch den Schlag wieder zu Boden gekommen und zunächst liegen geblieben. Dann sei irgendwie jemand dazwischen gegangen und habe den Angeklagten von ihm weggezogen. Kurz danach sei auch schon die Polizei gekommen.
20Auf Nachfrage gab der Zeuge P. an, dass er sich nicht sicher sei, ob es zu einer (leichten) Berührung zwischen dem PKW des Angeklagten und ihm oder seinem Rad vor dem Fall gekommen sei. Er habe sich in jedem Fall bedrängt gefüllt und das Fahrzeug sei ihm ganz nah gekommen. Der PKW habe ihn so „geschnitten“, dass er nicht mehr woanders hin konnte und hierdurch letztendlich zu Fall gekommen sei.
21Auf weiteres Nachfragen gab der Zeuge an, dass er (durch den Sturz) eine Schulterprellung und eine Knieprellung erlitten habe. Durch den Schlag habe er ein Hämatom (und eine blutende Wunde) im Gesicht erlitten. Gesundheitliche Folgeschäden habe er nicht erlitten. Er sei aber nachhaltig durch das Erlebte psychisch beeindruckt. Der Angeklagte habe sich bis heute nicht bei ihm entschuldigt.
22Die Aussage des Zeugen P. war glaubhaft. Der Zeuge hat auf das Gericht einen zuverlässigen Eindruck gemacht. Der Zeuge hatte noch gute Erinnerung an den konkreten Vorfall. Soweit Erinnerungslücken vorhanden waren, hat der Zeuge dies ausreichend klargestellt. Der Zeuge hat den Sachverhalt – zwar etwas aufgebracht- aber dennoch ruhig und ohne Belastungstendenzen gegenüber dem Angeklagten geschildert. Sofern der Zeuge Erinnerungslücken hatte, hat er diese ausreichend klargestellt.
23Die Aussage des Zeugen P. wird zudem bestätigt durch die Aussage des Zeugen A..
24Der Zeuge A. gab an, dass er an dem Tattag mit seinem Fahrrad auf der Venloer Straße auf dem Radweg gefahren sei. Etwa 20 bis 30 Meter vor ihm habe ein schwarzer PKW den Radweg blockiert. Der Radfahrer vor ihm – der Geschädigte P.- habe aus diesem Grund den Fahrradweg verlassen müssen und sei an dem PKW links auf der Fahrbahn vorbei gefahren. Hierbei habe er laut geschimpft. Er habe dann mit der rechten Hand eine Armbewegung in Richtung des PKW gemacht. Ob es hierbei zu einer Berührung gekommen sei, könne er nicht sagen. Der Wagen sei dann mit schnellem Tempo angefahren und dem Radfahrer hinterher gefahren. Er habe sich sofort gewundert und gedacht, was will der Autofahrer denn jetzt machen. An der nächsten Ecke seien dann sowohl der Radfahrer, als auch der Autofahrer nach rechts abgebogen. Hierbei habe der Autofahrer den Radfahrer derart „weg geschnitten“, dass der Radfahrer zu Fall gekommen sei. Der PKW habe dann unmittelbar angehalten und der Fahrer (Angeklagte) sei aus seinem Wagen gesprungen. Dann habe er den Geschädigten (Zeugen P.) unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Er habe dabei die Brille des Geschädigten getroffen, so dass dieser sichtbare Verletzungen von dem Faustschlag davon getragen hat. Er selber sei dann von seinem Rad und habe den Angeklagten von hinten festgehalten. Es seien auch schnell mehrere Menschen hinzugeeilt.
25Auf Nachfrage gab der Zeuge A. an, dass der PKW Fahrer ganz knapp an dem Radfahrer vorbei gefahren sei. Seines Erachtens nach, habe der PKW Fahrer den Geschädigten auch „geschnitten“ und hierdurch sei dieser zu Fall gekommen. Er könne nicht sagen, ob der Geschädigte zuvor gegen das Auto des Angeklagten geschlagen habe. Einen Fußtritt gegen das Auto habe es aber in jedem Fall nicht gegeben. Er habe die Nachfahrt des Angeklagten als „Jagd“ auf den Geschädigten empfunden.
26Auf weiteres Nachfragen gab der Zeuge an, dass der Angeklagte den Zeugen P. seines Wissens nach „nur“ einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte. Da er hierbei die Brille des Geschädigten getroffen habe, sei es zu einer sichtbaren Verletzung des Geschädigten im Gesicht gekommen Danach habe er den Angeklagten schon festgehalten. Der Angeklagte habe in dem Zeitpunkt, wo er ihn festgehalten habe, noch geschimpft und sei sehr aufgebracht gewesen.
27Das Gericht hat an der Glaubwürdigkeit des Zeugen A. und an der Glaubhaftigkeit seiner Darstellung keinen Zweifel. Er konnte sich an das von ihm Bekundete noch gut erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass er das von ihm Geschilderter, soweit es in seinem Wissen gestellt ist, zutreffend wahrgenommen und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Sofern er an seiner Erinnerung Zweifel hatte hat der Zeuge dies auch wiedergegeben. Es gibt keinen ersichtlichen Grund warum der Zeuge A. den Anklagten zu Unrecht beschuldigen sollte. Bei dem Zeugen A. handelt es sich um einen neutralen Zeugen, welcher zufällig am Tatort war. Vor dem Vorfall kannte er weder den Angeklagten noch den Geschädigten.
28Die Aussagen der Zeugen P. und A. wurden zudem bestätigt durch die Aussage des Zeugen Ö., bei welchen es sich auch um einen unbeteiligten Zeugen handelt. Der Zeugen Ö. war an dem Tattag zu Fuß auf der Venloer Straße (auf der linken Seite) unterwegs. Aus einer Entfernung von etwa 100 Metern habe er dann beobachten können, wie ein Autofahrer einen Radfahrer verfolgt habe. Der Autofahrer habe hierzu für ihn hörbar Gas gegeben. Dann sei der Radfahrer zu Fall gekommen. Der Autofahrer (Angeklagte) sei daraufhin ausgestiegen und habe den Radfahrer ins Gesicht geschlagen.
29Auf Nachfrage gab der Zeuge Ö. an, dass von seinem Standpunkt aus nicht genau sichtbar war, warum der Radfahrer zu Fall gekommen ist. Er sei sich zudem nicht ganz sicher, wie oft der Autofahrer den Radfahrer geschlagen habe. Seines Erachtens seien es etwa 2 bis 3 Faustschläge gewesen.
30Auch die Aussage des Zeugen Ö. war glaubhaft. Der Zeuge hat auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Der Zeuge hat ruhig die von ihm damals beobachtet Situation geschildert. Aufgrund des Zeitablaufs hatte der Zeuge einige Erinnerungslücken bezüglich des Vorfalls. Diese hat er aber ebenso, wie wenn er sich nicht ganz sicher war, ausreichend klargestellt und nicht verschwiegen.
31Demgegenüber konnte das Gericht der Aussage der Zeugin I. keinen Glauben schenken.
32Bei der Zeugin I. handelt um die Cousine und die Freundin (Lebenspartnerin) des Angeklagten. Die Zeugin I. war an dem Tattag Beifahrerin des Angeklagten.
33Die Zeugin gab an, dass sie an dem Tattag mit dem Angeklagten verabredet gewesen sei. Sie sei zunächst zu seinem Büro gefahren. Dort habe er sich an das Steuer von ihrem Wagen gesetzt und sie seien zu einem Laden gefahren, wo ihr Freund noch eine Lieferung hin bringen wollte. Sie hätten dann vor dem Landen angehalten. Dann habe es plötzlich einen sehr lauten Knall gegeben. Sie habe zunächst gedacht, dass ein Schuss gefallen sei. Ihr Freund habe ihr dann „signalisiert“, dass der Knall von einem Radfahrer ausgegangen sei, welcher sie in dem Moment überholt habe. Ihr Freund sei dann dem Radfahrer hinterher gefahren. Hierbei habe er aber einen ausreichenden Abstand gehalten. Dann sei der Radfahrer abgebogen und dabei ganz alleine hingefallen. Ihr Freund sei im Anschluss ausgestiegen und habe den Radfahrer etwas zu Boden gedrückt.
34Auf Nachfrage gab die Zeugin an, dass sie nicht wissen, ob sie auf einem Radweg angehalten hätten. Sie habe aufgrund des Knalls zuerst gedacht, dass ihr Wagen explodieren würde. Später habe sie eine Beule an ihrem Fahrzeug entdeckt, welche auf Bl. 9 der Akte ersichtlich ist. Sie gehe davon aus, dass diese durch den Radfahrer verursacht worden sei. Den Schaden habe sie aber bereits reparieren lassen. Die Kosten hierfür habe sie selber getragen, weil sie keinen Ärger mit der Firma haben wollte (es handele sich um einen Firmenwagen). Ihr Freund sei keinesfalls Schuld daran, dass der Radfahrer hin gefallen sei. Der Radfahrer sei einfach weggerutscht. Sie hätten sich zu diesem Zeitpunkt noch 8-10 Meter hinter dem Radfahrer befunden. Auf weiteres Nachfragen gab die Zeugin an, dass ihr Freund den Geschädigten nur zu Boden gedrückt habe. Einen Schlag habe sie nicht gesehen, sie habe aber auch nicht direkt ihrem Freund beim Aussteigen hinterher gesehen.
35Die Aussage der Zeugin war für das Gericht nicht glaubhaft. Die Zeugin hat auf das Gericht bereits keinen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Die Zeugin wirkte ersichtlich nervös vor Gericht und auffallend darin bemüht zu bestätigen, dass ihr Freund, der Angeklagte, überhaupt keinen Fehler gemacht hat. Die Aussage der Zeugin wirkte darüber hinaus wie abgespult und auswendig gelernt. Sobald das Gericht näheres erfahren wollte, erklärte die Zeugin dann plötzlich, dass sie sich hieran überhaupt nicht mehr erinnern könne. Darüber hinaus ist die Aussage der Zeugin als Lebenssachverhalt für das Gericht nicht nachvollziehbar. Zunächst ist es für das Gericht schon unverständlich, warum die Zeugin – wie auch vom Angeklagten und allen anderen Beteiligten eingeräumt – als Beifahrerin, nicht mitbekommen haben soll, dass der Angeklagte auf dem Radweg gehalten hat. Des Weiteren ist es für das Gericht unverständlich, wie die Zeugin aufgrund des Verhaltens des Zeugen P. von einem „Schuss“ oder einer „Explosion“ ausgehen konnte. Völlig nicht nachvollziehbar ist als Lebenssachverhalt darüber hinaus, warum der Zeuge P., welcher offensichtlich in der Lage ist bei einer Vorbeifahrt einem PKW zu berühren bzw. zu schlagen ohne hinzufallen, einfach ohne Grund und ohne Fremdeinwirkung etwa 20 Meter weiter einfach hinfällt. Bei dem von der Zeugin genannten Schaden, welcher an ihrem Fahrzeug war, handelte es sich offensichtlich um einen Alt-Schaden. So ein Schaden entsteht in keinem Fall, falls jemand gegen ein Fahrzeug tritt. Es fehlt schon an jeglichen Schleifspuren an der Stelle, welche für einen frischen Unfallschaden sprechen würden. Unverständlich ist zudem warum die Zeugin den Schaden nicht bei dem Zeugen P. geltend gemacht hat, wenn dieser den Schaden tatsächlich verursacht hat. Aufgrund der eindeutigen und bildlich festgehalten Verletzungen des Geschädigten P., kann zudem ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte diesen lediglich zu Boden gedrückt hat. Die Hämatome um sein linkes Auge sind eindeutig auf einen Schlag gegen seine Brille zurückzuführen. Das die Zeugin diesen Schlag nicht gesehen haben will, ist als Lebenssachverhalt gleichfalls nicht nachvollziehbar. Da der Zeugen P. offensichtlich – und auch unstreitig – den Auslöser der Situation gesetzt hat, kann das Gericht nicht nachvollziehen, warum die Zeugin den Angeklagten nicht hinterher gesehen haben will, als dieser ausgestiegen ist.
36Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht zu der festen Überzeugung gekommen, dass der Angeklagte durch sein Verhalten den Geschädigten P. zur Fall gebracht hat und ihn anschließend einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hat.
37Hinsichtlich des Tatgeschehens am 07.10.2017 wird die Einlassung des Angeklagten bestätigt durch die Aussage des Zeugen G..
38Der Zeuge G. gab an, dass er an dem Tattag mit seinem Pkw die BAB 59 in Fahrtrichtung Köln befahren habe. Es habe zähfließender Verkehr geherrscht. Er habe auch in den Rückspiegel gesehen. Der PKW hinter ihm (Angeklagter) habe eigentlich einen ausreichenden Abstand zu ihm gehabt. Er habe aber oft nach unten geschaut. Dann sei der Verkehr nach ca. 200 bis 250 Meter ganz zum Stillstand gekommen. Er habe dann wieder in den Rückspiegel gesehen und den Angeklagten in einer Entfernung von etwa 80 bis 100 Meter gesehen. Als sein Vordermann weiter gefahren sei, habe er die Bremse gelöst. Erst dann sei es zu einem heftigen Einschlag von hinten gekommen. Er habe zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr mit einem Unfall gerechnet und könne sich die Sache auch nicht erklären, da der Angeklagte eigentlich genügend Abstand gehalten hätte.
39Auf Nachfrage gab der Zeuge G. an, dass er durch den Unfall eine HWS-Distorsion (Schleudertrauma) erlitten habe. Er habe eine Woche lang eine Halskrause tragen müssen. Die Versicherung des Angeklagten habe sowohl den Schaden an seinem Fahrzeug gezahlt, als ihm auch ein Schmerzensgeld bezahlt.
40Die Aussage des Zeugen G. war glaubhaft. Der Zeuge hat auf da Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Der Zeuge hat das Unfallgeschehen sachlich geschildert ohne gegenüber dem Angeklagten mit Belastungstendenzen aufzuwarten. Im Übrigen deckt sich die Aussage des Zeugen mit der Einlassung des Angeklagten.
41IV.
42Die Angeklagte hat sich nach den obigen Feststellungen wegen einer Nötigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und in Tatmehrheit mit einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 229, § 230, § 240 Abs. 1, § 52, StGB schuldig gemacht.
43Eine Strafbarkeit nach § 315c Abs. 2 Nr. 2b StGB, wegen grob falschen Überholen war nach Ansicht des Gerichtes nicht gegeben, da es für das Gericht, nach der durch geführten Beweisaufnahme, nicht zur sicheren Überzeugung feststand, dass der Angeklagte den Zeugen P. tatsächlich überholen, sondern vielmehr stoppen wollte.
44Demgegenüber sah das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme eine Strafbarkeit nach § 240 StGB gegeben. Nach § 240 StGB wird bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Aufgrund des Fahrverhaltens des Angeklagten sah der Zeuge P. sich dazu gezwungen (in die A-straße) abzubiegen. Gleichfalls ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass der Zeuge P. aufgrund des Fahrverhaltens des Angeklagten (viel zu wenig Abstand zu dem Radfahrer), zu Fall gekommen ist. Er ist hat aus Angst vor dem viel zu nahen PKW des Angeklagten, welcher ihn offensichtlich verfolgt hat und zudem den Weg abgeschnitten hat, zur Fall gekommen. Eine Nötigung seitens des Angeklagten lag daher vor.
45Durch den Faustschlag ins Gesicht hat der Angeklagte sich zudem einer einfachen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht, wobei der Angeklagte hier vorsätzlich handelte.
46Durch die Tat vom 07.11.2017 hat der Angeklagte hat sich zudem durch sein Verhalten der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Tat bejaht (§ 230 StGB).
47Die Taten waren auch rechtswidrig und schuldhaft.
48V.
49Hinsichtlich der Nötigung ist gemäß § 240 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen zwischen einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder einer Geldstrafe gegeben. Hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung liegt der Strafrahmen gemäß § 223 Abs. 1 StGB zwischen einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und hinsichtlich der fahrlässigen Körperverletzung ist gemäß § 229 StGB ein Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe gegeben.
50Bei der konkreten Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten, dass er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und nur eine Eintragung im Verkehrszentralregister hat. Darüber hinaus war bei der Nötigung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Geschädigte P. ihn mit seinem Verhalten verärgert hat und provoziert hat. Darüber hinaus ist weder der Zeuge P. noch der Zeuge G. durch das Verhalten des Angeklagten schwerwiegend verletzt worden. Hinsichtlich der fahrlässigen Körperverletzung war zudem zugunsten des Angeklagten sein Geständnis zu berücksichtigen und das der Schade bereits durch die Versicherung des Angeklagten reguliert worden ist.
51Dagegen musste sich negativ auswirken, dass der Angeklagte in der Situation am 6.10.2017 völlig überreagiert hat und sich offensichtlich nicht mehr im Griff hatte. Gleichfalls war es nur dem Zufall zu verdanken, dass weder der Zeuge P. noch anderer Verkehrsteilnehmer durch das Fahrverhalten des Angeklagten ernsthaft verletzt wurden. Des Weiteren war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Schlag ins Gesicht völlig überzogen und grundlos war. Zudem hat er bis zuletzt keinerlei Einsicht in sein Verhalten gezeigt hat.
52Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hält das Gericht für die erste Tat (Nötigung, § 240 StGB) eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen, für die zweite Tat (vorsätzliche Körperverletzung, § 223 StGB) eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen und für die dritte Tat (fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB) eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen für tat- und schuld angemessen.
53Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkten bildet das Gericht aus den Einzelstrafen eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen.
54Die Tagessatzhöhe richtet sich nach den Angaben des Angeklagten zu seinem Einkommen.
55Der Angeklagte hat aufgrund des Zeitablaufs nicht (mehr) charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 Abs. 1 StGB erwiesen.
56Nach Ansicht des Gerichtes war gegen den Angeklagten ein Fahrverbot auszusprechen (§ 44 StGB).
57Ein 3-monatiges Fahrverbot als Denkzettel und Besinnungsstrafe, das den Angeklagten vor einem Rückfall warnen und ihm das Gefühl vermitteln soll, was es bedeutet, vorübergehend ohne Führerschein zu sein, ist neben der Hauptstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich, entspricht seiner Schuld sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und führt zu keiner unangemessen harten Sanktion der Tat. Der Strafzweck, den Angeklagten zur künftigen Beachtung der Gesetzes anzuhalten, kann weder durch die Hauptstrafe allein, noch durch eine Erhöhung derselben, sondern nur durch diese zusätzliche Nebenstrafe erreicht werden. Der Angeklagte muss begreifen, dass man als Verkehrsteilnehmer Rechten und Pflichten hat und dass Straßenverkehr nur funktionieren kann, wenn sich alle Teilnehmer hieran halten. Eine Fahrerlaubnis ist keine Selbstverständlichkeit. Für die Entscheidung war, neben den oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, mit maßgebend, dass der Angeklagte in grober Art und Weise gegen die ihm als Kraftfahrer obliegenden Pflichten verstoßen hat und das sein Verhalten einen erheblichen Mangel an Verantwortungsbewusstsein sowie Rücksicht auf die Interessen andere Verkehrsteilnehmer offenbart. Andererseits ist nicht außer Acht gelassen worden, dass das Fahrverbot den Angeklagten wohl hart trifft, weil er berufliche auf den Führerschein angewiesen zu sein scheint. Berufliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten die bei einer Vielzahl von Berufen regelmäßig Folge des Fahrverbotes sind, sind aber grundsätzlich als selbstverschuldet hinzunehmen (so auch BVerfG DAR 96, 196, 199 für § 25 StVG; vgl. auch König, in: Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht § 25 StVG, Rz. 25 m.w.N.).
58VI.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
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