Urteil vom Arbeitsgericht Düsseldorf - 6 Ca 8002/20
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber der E., zu klären, dass die bestehende Direktversicherung mit der Nr. 01 - A. GmbH - freigegeben wird.
2. Die Klage im Übrigen und die Widerklage werden abgewiesen.
3. Der Streitwert beträgt 1.100.434,68 €.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
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T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über einen Freigabe einer Direktversicherung und in diesem Zusammenhang über einen Auskunftsanspruch des Beklagten, über einen Schadensersatzanspruch des Klägers sowie im Wege der Widerklage um einen Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger.
3Der Kläger war vom 01.02.2011 bis zum 31.05.2018 als Leiter Finanz- und Rechnungswesen bei der A. GmbH (iF. Insolvenzschuldnerin) in Kempen beschäftigt. Die Insolvenzschuldnerin betrieb einen internationalen Großhandel für Fischprodukte. Sie verarbeitete und konfektionierte eine umfangreiche Auswahl frischer und vor allem tiefgefrorener Fischprodukte. Neben ihrem Verwaltungssitz in Kempen unterhielt sie eine eigene Produktionsstätte in mehreren Fabrikhallen im Fischereihafen der Stadt Bremerhaven.
4Am 01.06.2018 ist das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Betriebsübergangs auf die Rechtsnachfolgerin der Insolvenzschuldnerin, die F. GmbH, übergegangen. Als Leiter der Finanzbuchhaltung war der Kläger unter anderem für die Bedienung der Zahlungsverbindlichkeiten der lnsolvenzschuldnerin zuständig. Zu seinen Aufgaben gehörte zudem die Erstellung der Warenbestandslisten, die auf der Basis von Excel-Tabellen von mehreren vor Ort in Bremerhaven eingesetzten Mitarbeitern erstellt und dem Kläger von den jeweiligen Produktionsstätten übermittelt wurden. Der Einkauf und der Verkauf von Waren einschließlich der einzelnen Modalitäten wurden von der Geschäftsführung der lnsolvenzschuldnerin gesteuert. Auch die Etikettierung gekaufter Ware gehörte nicht in den Aufgabenbereich des Klägers.
5Mit Schreiben 08.03.2018 beantragte die Insolvenzschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht Krefeld ordnete daraufhin durch Beschluss vom selben Tag ein Insolvenzeröffnungsverfahren an und bestellte den Beklagten zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Durch Beschluss vom 01.06.2018 eröffnete das Amtsgericht Krefeld das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter (Az. 91 IN 21/18).
6Der vorherige Arbeitgeber des Klägers führte für den Kläger eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung in Gestalt einer Direktversicherung bei der E.-AG durch. Diese wurde durch die Insolvenzschuldnerin unter der Versicherungsnummer 01 - A. GmbH – arbeitgeberfinanziert weitergeführt. Dem Kläger steht an dieser Direktversicherung ein Aussonderungsrecht. Der Beklagte macht jedoch diesbezüglich ein Zurückbehaltungsrecht mit der Begründung geltend, dass er gegenüber dem Kläger ein (schriftliches) Auskunftsrecht hat. Die Direktversicherung wurde per 01.10.2018 beitragsfrei gestellt. Eine nachträgliche Einzahlung ist aus versicherungsvertraglichen und steuerlichen Gründen nicht möglich.
7Der Beklagte stellte im März 2018 fest, dass es im Unternehmen der Insolvenzschuldnerin erhebliche Lagerfehlbestände gab. Die Warenwerte der Bestandslisten der Insolvenzschuldnerin und die an die finanzierenden Banken gemeldeten Warenwerte wichen erheblich voneinander ab. Eine daraufhin angeordnete Untersuchung zur Aufklärung dieser Lagerfehlbestände bestätigte die festgestellten erheblichen Warenfehlbestände. Eine Untersuchung vor Ort beim größten externen Lager der Insolvenzschuldnerin, bei der N. in Bremerhaven, deckte dabei auf, dass die Insolvenzschuldnerin in großem Stile günstige Fischbestände eingekauft und diese mittels neu erstellter Etiketten zu hochpreisigen Fischbeständen umdeklariert hatte.
8Am 18.12.2018 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und Vertretern des Beklagten, Herrn K. sowie Herrn J. statt. Im Rahmen dieses Gesprächs ging es um die vorgenannten Manipulationshandlungen und die Kenntnisse des Klägers hierüber. Die Einzelheiten dieses Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig. Im Rahmen dieses Gesprächs erklärte der Kläger, dass alle darüber Bescheid wussten. Im Juli 2019 legte der Beklagte dem Kläger einen Aussageentwurf vor. Der Kläger verweigerte die Unterschrift mit der Begründung, dass er den Inhalt mangels eigener Wahrnehmung nicht bestätigen könne.
9Mit der am 11.12.2020 bei Gericht eingegangenen und dem Beklagten am 18.12.2020 zugestellten Klage macht der Kläger Herausgabe des Versicherungsscheins sowie Schadensersatzansprüche geltend. Mit am 20.07.2021 eingegangenen und dem Beklagten am 21.07.2021 zugegangen Schriftsatz, änderte er seinen Antrag zu 1. dahingehend, dass nunmehr mit einem Hauptantrag die Freigabeerklärung der Versicherung begehrt wird. Mit der am 31.12.2020 bei Gericht und dem Kläger am 06.01.2021 zugegangenen Widerklage begehrt der Beklagte Schadensersatz. Der Widerklageschriftsatz war von Herrn Rechtsanwalt W. einfach signiert. Herr Rechtsanwalt W. wird als Absender in dem Prüfprotokoll ausgewiesen. In der ersten Zeile des ersten Schriftfelds unter „Informationen zum Übermittlungsweg“ gemäß des der eingereichten Widerklage zugehörigen Prüfprotokolls steht zudem der Hinweis „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besondere Anwaltspostfach“.
10Der Kläger ist der Ansicht, dem Beklagten stehe in Bezug auf seinen Freigabeanspruch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Es bestehe zwischen dem Freigabeanspruch und dem Auskunftsanspruch keine Konnexität. Zudem habe er den Auskunftsanspruch bereits erfüllt. Ein Anspruch auf Erteilung einer schriftlichen Auskunft bestehe nicht. Er behauptet, mangels eigener Wahrnehmung könne er die geforderte Erklärung, wer in die behauptete Manipulationen involviert gewesen sei, nicht abgeben.
11Der Kläger behauptet zudem, ihm sei durch die Nichtherausgabe/Nichtfreigabe ein Schaden entstanden. Mangels Herausgabe der Versicherungspolice habe der neue Arbeitgeber die Versicherung nicht übernehmen und insoweit keine Versicherungsbeiträge abführen können. Er behauptet unter Vorlage zweier Berechnungen der E.-AG (Bl. 15 – 20 dA.), wäre der Versicherungsvertrag nicht beitragsfrei gestellt worden, sondern würde der monatliche Beitrag von 110,78 € bis zum Rentenbeginn durchgehend vom Arbeitgeber gezahlt, so hätte er am 01.01.2046 ein erreichtes garantiertes Kapital in Höhe von 111.903,00 € erreicht. Wäre die Beitragszahlung zum 01.12.2020 wieder aufgenommen worden, ergebe sich zum 01.01.2046 hingegen lediglich ein garantiertes Kapital in Höhe von 105.406,00 €. Zudem könne der materielle Schaden noch nicht in Gänze beziffert werden, der durch die weitere Verweigerung entstehen werde.
12Der Kläger beantragt zuletzt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, gegenüber der E., zu klären, dass die bestehende Direktversicherung mit der Nr. 01 - S. GmbH - freigegeben wird;
hilfsweise wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger den Versicherungsschein zur Versicherungspolice O. Klassik Nr.: 01 – A. GmbH – herauszugeben;
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2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.497,00 € als Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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3. der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger jeden weitergehenden materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entstanden ist, und noch entstehen wird, dass der Beklagte gegenüber E. AG, 10850 Berlin, nicht die Freigabe der bestehenden Direktversicherung mit der Nr. 01 - A. GmbH – erklärt hat.
Der Beklagte beantragt,
21 ="absatzRechts">22span>Der Beklagte beantragt widerklagend,
23den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 1.031.466,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
24Der Kläger beantragt,
25die Widerklage abzuweisen.
26Der Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe die Freigabe des Versicherungsscheins aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug gegen Auskunftserteilung gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 2 InsO und gemäß § 242 BGB zu. Die Auskunftserteilung habe sich dabei zu erstrecken auf Verantwortliche, respektive Auftraggeber und Mitwirkende der Manipulationshandlungen, zeitlicher Rahmen und Motivation für die Manipulationshandlungen.
27Der Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen eines Gesprächs am 18.12.2018 gestanden, dass die Beschaffung, Umetikettierung und Fehldeklaration der ausschließlich zu Täuschungszwecken angeschafften Ware in den Bestandlisten u.a. mit seinem Wissen und Einverständnis als Leiter der Finanzbuchhaltung erfolgt sei. Der Kläger habe weitere Informationen, die der Beklagte benötige, um gegen weitere Personen aufgrund der Manipulationshandlungen vorgehen zu können. Der Auskunftsanspruch sei mangels umfassender Erklärung nicht durch die mündliche Einlassung in dem Gespräch vom 17.12.2018 durch Erfüllung erloschen. Viele Details seien noch aufklärungsbedürftig, so auch die Frage, wer konkret von der Manipulation Kenntnis hatte und hierzu angewiesen hat. Die seitens des Klägers erfolgte Aussage „alle wussten darüber Bescheid“ sei näher zu konkretisieren. Die Erklärung des Klägers, wonach er nichts zur Umetikettierung der Warenvorräte sagen könne, sei auch nicht als Auskunft, sondern allein als Bestreiten des Auskunftsanspruchs zu werten ist. Es bedürfe daher weiterer Sachverhaltsaufklärung und Verschriftlichung. Auch sei die Voraussetzung der Konnexität erfüllt. Der Beklagte ist zudem der Ansicht, dem Freigabeanspruch und dem Auskunftsanspruch liege ein einheitliches Lebensverhältnis zugrunde, da beide Ansprüche nicht nur einem einheitlichen Lebensverhältnis, sondern sogar ein und demselben Rechtsverhältnis - hier dem Arbeitsverhältnis - entstammen.
28Der Beklagte behauptet, der Anspruch auf Herausgabe des Versicherungsscheins nach §§ 985, 952 Abs. 2 BGB bestehe nicht, da nicht der Beklagte, sondern die F. GmbH als Betriebserwerberin im Besitz des Versicherungsscheins sei. Mit dem Übergang des Betriebs am 1. Juni 2018 habe der Beklagte sämtliche das Arbeitsverhältnis betreffende Unterlagen an den Betriebserwerber übermittelt.
29Der Beklagte meint zudem, der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. Juni 2018 habe die Pflicht der Insolvenzschuldnerin lediglich in der Verschaffung einer Versicherungsleistung bestanden. Mit dem Betriebsübergang sei der Anspruch auf Verschaffung der Versicherungsleistung auf den Betriebserwerber, die F. GmbH, übergegangen. Eine Pflichtverletzung scheide zudem aufgrund der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts aus. Darüber hinaus fehle es auch an einem dem Beklagten zurechenbaren Schaden. Sowohl die behauptete Verweigerung der Herausgabe des Versicherungsscheins als auch die verweigerte Freigabeerklärung führen nicht zu der geltend gemachten geringeren Versorgungsanwartschaft des Klägers. Dem Kläger stünde bei einem Betriebsübergang nur ein Anspruch auf eine Versorgung zu, die ihrem Wert nach der alten Versorgung entsprechen müsse. Eine Fortführung des Versicherungsverhältnisses durch den Betriebserwerber sei nur möglich, wenn der bisherige Betriebsinhaber, der Erwerber und das Versicherungsunternehmen eine entsprechende Vereinbarung treffen. Eine Verpflichtung hierzu bestünde jedoch weder für den Veräußerer noch für den Erwerber.
30Der Beklagte ist der Ansicht, ihm stehe hingegen ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I und 823 II BGB iVm. §§ 303, 283 StGB gegen den Kläger aufgrund der Manipulationshandlungen betreffend die Umetikettierung zu. An der Zulässigkeit der Widerklageklage, insbesondere an deren formgerechter Erhebung, bestünden angesichts keine Zweifel.
31Der Beklagte behauptet, der Kläger habe in Zusammenwirken mit dem Produktionsleiter des Standortes Bremerhaven, M., ein System der Manipulation von Warenbeständen zur Vorspiegelung überhöhter Kreditwürdigkeit geschaffen und aufrechterhalten, und somit seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorsätzlich und schuldhaft verletzt. Es seien 2.815 Paletten mit einem Gesamtgewicht von 1.892 Tonnen von „Billigfisch“ in „Edelfisch“ umetikettiert worden. Durch die Manipulationen sei dem Beklagten ein Verkauf der Ware im Rahmen der Verwertung des Insolvenzvermögens nur noch zu einem „Schrottpreis“ möglich, sodass der Insolvenzmasse ein dem Kläger kausal zurechenbarer Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem ursprünglichen Einkaufspreis und dem später nur noch zu erzielenden Verkaufserlös entstand sei. Während die Manipulationshandlungen am Warenbestand selbst, namentlich die Umetikettierung von insgesamt 2.815 Paletten mit 115.564 Kartons verschiedener Fischbestände durch Herrn M. gemeinsam mit einem kleinen Team von Mitarbeitern in der von Herrn M. geleiteten Fischproduktion in Bremerhaven über einen Zeitraum von mehreren Monaten beginnend im Jahr 2017 erfolgt sei, sei die buchhalterische Umsetzung der Manipulation durch den Kläger in der Verwaltung in Kempen verantwortet worden.
32Der Warenbestand der Insolvenzschuldnerin habe zum 31.12.2017 laut Bestandsliste ca. EUR 37,6 Mio. betragen, während die Insolvenzschuldnerin an die finanzierenden Kreditinstitute jedoch einen Warenwert in Höhe von EUR 97,5 Mio. gemeldet habe. Auch wenn der Kläger diese Warenbestandslisten zwar nicht selbst in den Lägern vor Ort erstellte, sondern aus den jeweiligen Produktionsstätten Excel-Tabellen mit Warenbeständen erhielt, die er sodann an externe Dienstleister zur Erstellung von Reporting-Berichten weiterleitete, habe er die ihm zugeleiteten Excel-Listen, sofern sie den umetikettierten Bestand betrafen, in Kempen zusammengeführt und überarbeitet, bevor er sie an die externen Dienstleister zur Erstellung der Reportings übermittelt habe. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass der Kläger für den 31.12.2017 eine Excel-Datei mit dem Namen „Bestandsliste 31. Dezember 2017 mit Preisen.xlsx“ erstellte, die zwei Reiter aufwies, ein „vorläufiges Tabellenblatt“ und ein „überarbeitetes Tabellenblatt“. Auf dem vorläufigen Tabellenblatt wies das Lager N. einen Warenwert von EUR 14.661.328,42 auf. Auf dem überarbeiteten Tabellenblatt ergibt sich für das Lager N. für denselben Tag sodann ein Warenwert von EUR 37.748.845,41. An die Banken sei für den 31. Dezember 2017 schließlich ein Betrag von EUR 52.858.172,63 gemeldet worden.
33Laut Aussage von Herrn M. seien die Umetikettierungen aufgrund des – letztlich gescheiterten – Versuchs, Fehlmengen in der von ihm geleiteten Fischproduktion in Bremerhaven zu kaschieren, erfolgt. Anstelle der in der Buchhaltung der Insolvenzschuldnerin ausgewiesenen, tatsächlich nicht vorhandenen Produktionsmengen habe man durch die Umetikettierung von Rohwareneingängen Scheinbestände geschaffen. Die anhand ihrer Verpackungen nicht von regulären Waren zu unterscheidenden Scheinmengen hätten dazu gedient, vorhandene Lücken in den Beständen zu füllen und die Unrichtigkeit der in der Buchhaltung geführten Bestandslisten im Falle einer Kontrolle gegenüber den Vorgesetzten zu verbergen. Die so von Herrn M. geäußerten Motive für die systematische Manipulation der Warenbestände habe der Kläger nicht geteilt. Der Kläger habe die erfolgten Umetikettierungen durch Herrn Q. und die durch ihn erfolgte Manipulation der Warenbestandslisten im Rahmen der Befragung eingeräumt. Insoweit habe er geäußert: „Nachdem ich jetzt schon einmal reinen Tisch gemacht habe, kann ich auch alles sagen.“ Die Äußerung habe im Zusammenhang mit den zuvor besprochenen Kreisgeschäften gestanden, an denen der Kläger auch maßgeblich mitgewirkt habe, und habe mit den zuletzt angesprochenen Manipulationen der Warenbestandslisten das Gespräch abgerundet.
34Neben der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten habe der Kläger zudem auch als Gehilfe von Herrn M. für den von diesem begangenen Bankrott sowie der erfolgten Sachbeschädigungen an den Warenvorräten durch Umetikettierung gehandelt. Er habe Bestandslisten manipuliert, indem er eindeutig als solche gekennzeichnete „vorläufige“ und „überarbeitete“ Excel-Listen erstellte, bei denen der Warenwert in den Letztgenannten meist bei den Fischarten Zander, Lachs und Thunfisch vervollständigt wurde und sich bei diesen Fischarten häufig folgender Hinweis fand: „kein Einlagerschein, Mehr Infos bei T.“.
35Der Kläger habe die täglich aus den Lägern erhaltenen Warenbestandslisten nicht im Rahmen der Finanzbuchhaltung (DATEV) zugrunde gelegt, sondern hierfür ein anderes Verfahren verfolgt. In der Finanzbuchhaltung seien die Warenbestände unterjährig nicht gemäß den manuell geführten Excel-Bestandslisten gebucht, sondern aus den laufenden Ein- und Ausgangsrechnung abgeleitet worden. Es sei nicht ersichtlich, warum der Kläger sich im Rahmen der Finanzbuchhaltung auf ein solch fragiles Schätzsystem verlassen habe. Hätten die geführten Warenbestandslisten dem tatsächlichen Warenbestand entsprochen, dann hätte er deren Werte folgerichtig auch in der Finanzbuchhaltung hinterlegen können und müssen.
36Der Kläger habe die vorgenannten Pflichtverletzungen auch zu vertreten. Er habe in seiner Befragung vom 17.12.2018 eingeräumt, die Warenbestandslisten willentlich und wissentlich manipuliert zu haben.
37Der Insolvenzschuldnerin sei durch die Manipulationshandlungen ein dem Kläger kausal zurechenbarer Vermögensschaden entstanden. Aufgrund der Umetikettierung ließen sich die Warenvorräte aufgrund ihres täuschenden äußeren Erscheinungsbilds keiner Fischsorte mehr eindeutig zuordnen, sodass eine Veräußerung nur zu einem einheitlichen „Schrottpreis“ habe erfolgen können. Dem Gesamtpreis aus dem Verkauf in Höhe von EUR 163.642,12 stehe der Gesamtpreis für den Einkauf in Höhe von EUR 1.195.108,80 gegenüber. Vor dem Hintergrund des streitgegenständlichen Warenvorrats von insgesamt 1.105.690 kg sei eine Überprüfung und Rücketikettierung der betreffenden Kartons unzumutbar gewesen. Dies hätte einen zusätzlichen personellen, wirtschaftlichen sowie organisatorischen Aufwand bedeutet. Um die falsch ausgezeichneten Warenvorräte im Zuge eine Rücketikettierungsaktion zutreffend auszuzeichnen, hätte zunächst der tatsächliche Inhalt der jeweiligen Kartons ermittelt werden müssen, was bereits Kosten von mindestens EUR 153.000,00 (netto) verursacht hätte. Selbst eine vollständige, visuelle Überprüfung der betroffenen Fischbestände in Bezug auf den wahren Inhalt hätte nicht mit 100 % -iger Sicherheit den tatsächlichen Inhalt klären können. Denn entscheidende preisbildende Qualitätsmerkmale der Ware wie ihr Alter (Mindesthaltbarkeitsdatum), das Fanggebiet (Wildfang oder Farm) und die Lieferkette hätten lediglich geschätzt werden können.
38Der Kläger ist der Ansicht, die Widerklage sei nicht formwahrend gemäß §§ 253 IV, 46c II, III ArbGG, 130a III ZPO iVm. der ERW in der Fassung vom 20.12.2018 erhoben worden, insbesondere sei der Widerklageschriftsatz nebst Anlagen nicht ,,in druckbarer, kopierbarer und durchsuchbarer Form" mit eingebetteter Schrift bei Gericht eingegangen.
39Der Kläger behauptet in Bezug auf die Widerklage, er habe kein Geständnis abgelegt. Er sei an der von dem Beklagten behaupteten Manipulation von Warenbeständen nicht beteiligt gewesen. Er sei weder physisch vor Ort, noch sei er in die Dokumentation des Warenbestandes vor Ort eingebunden gewesen. Der Warenbestand vor Ort sei auch nicht mit dem Kläger abgestimmt worden. Die Warenbestandslisten seien weisungsgemäß an einen externen Dienstleister weitergeleitet, der daraufhin Reporting-Berichte erstellt habe, die der Geschäftsführung vorgelegt und von diesen unterzeichnet worden und sodann an die Kreditinstitute übermittelt worden seien.
40Dazu, wer, wann und ggfls. mit wem gemeinsam die angeblichen Umetikettierungen
41vorgenommen habe und welche Lagerfehlbestände es konkret in den Produktionsstätten gegeben habe, müsse sich der Kläger mit Nichtwissen erklären. Es habe keine Abstimmung oder Rücksprache mit dem Kläger bzgl. des Einkaufs und Verkaufs von Ware gegeben. Von der Umetikettierung und der Fehldeklaration von Warenbeständen, insbesondere dessen Umfang habe der Kläger erst im Rahmen des Insolvenzverfahrens erfahren.
42Ausweislich eines Gutachtens vom 12.11.2018 sei die Insolvenzschuldnerin bereits zum 31.12.2016, also vor dem angeblichen Aufbau des überbewerteten Warenbestandes, zahlungsunfähig gewesen. Daher könne die dem Kläger vorgeworfene Beteiligung nicht kausal für die lnsolvenz der lnsolvenzschuldnerin sein.
43Der Kläger behauptet, die von den Lägern übermittelten Warenbestandslisten hätten von der gesamten Buchhaltung, ca. 3 – 4 Mitarbeitern, erfasst werden müssen. Die Warenbestandslisten von den Lägern seien nicht als Excel-Dateien übermittelt worden, sondern als (nicht veränderbare) PDF-Dateien. Die übermittelten Warenbestandslisten seien oftmals unvollständig und sehr fehlerbehaftet gewesen. Teilweise seien Preise oder die Anzahl der Paletten nicht eingepflegt gewesen. Auch sei es vorgekommen, dass die angegebenen Preise und Paletten in den Zeilen verrutscht waren. lnsoweit hätten die Warenbestandslisten entsprechend korrigiert und ergänzt werden müssen. Hierzu seien die von den Lägern übermittelten Warenbestandslisten von der Buchhaltung händisch in Excel-Tabellen übertragen worden.
44Der Kläger behauptet weiter, es sei richtig, dass er eine Bestandsübersicht mit den Reitern ,,vorläufiges Tabellenblatt" und ,,überarbeitetes Tabellenblatt" mit Datum ,,31.12.2017" erstellt habe. Diese Datei sei nicht erst am 31.12.2017 erstellt worden, sondern schon vorher. Sie sei deshalb zum ,,31.12.2017" abgespeichert worden, da es sich hierbei um den Bilanzstichtag der lnsolvenzschuldnerin handelte. Bei Produktionsbetrieben ergeben sich naturgemäß trotz vorheriger Kalkulation Abweichungen, die erst im Nachgang in der Bilanz berücksichtigt werden können. Die Unterscheidung ,,vorläufiges" und ,,überarbeitetes Tabellenblatt" sei Ausdruck eines laufenden Geschäftsbetriebes.
45Der Kläger ist der Ansicht, der Schaden und die diesbezüglich kausale Handlung lägen - wenn - bereits in der Beschaffung der Ware zum Zweck der lnsolvenzverschleppung. Wenn die Geschäftsführung schon bei der Beschaffung der verderblichen Ware geplant haben sollte, diese nicht zu verkaufen, sondern höherwertig umzudeklarieren, seien die entsprechenden Waren schon zum Zeitpunkt ihrer Beschaffung in ihrem Wert gemindert gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, Geschäftsvorfälle zu verbuchen, nicht jedoch selbst Waren einzukaufen oder eine physische Inventur der Warenbestände durchzuführen.
46Der Kläger behauptet, er habe die Daten der Warenbestandslisten nicht im Rahmen der Finanzbuchhaltung zugrunde gelegt, da das bei der lnsolvenzschuldnerin implementierte Programm (DATEV) nur für die Buchhaltung- und für die Lohnhaltung konzipiert gewesen sei. Es sei kein ERP-Programm (Enterprise-Ressource-Planning) implementiert, ein Programm, welches Personal und Ressourcen (Kapital, Betriebsmittel, Material etc). verwaltet. So sei auch erklärlich, dass sich etwaige Abweichungen dem Kl28;ger auch nicht aufdrängen mussten.
47Er ist der Ansicht, soweit der Beklagte dem Kläger eine fehlerhafte Finanzbuchhaltung vorwirft, sei anzuführen, dass es keinen irgendwie gearteten Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung, nach dem die unterjährigen Warenbestände anhand von manuell erfassten Excel-Bestandslisten zu buchen wären, gebe. ln Unternehmen, die nicht über ein ERP-Programm verfügen, sei es üblich und zulässig, Bestandsveränderungen auf den Warenbestandskonten unterjährig überhaupt nicht zu buchen und erst zum Abschlussstichtag im Wege einer lnventur die Differenz der entsprechenden Warenbestände zum vorangegangenen Abschlussstichtag zu erfassen. Es sei üblich und zulässig, Wareneingänge auf Grundlage von Eingangsrechnungen zu buchen.
48Zuletzt beruft sich der Kläger auf die Einrede der Verjährung.
49Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
50E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
51I.
52Die Klage ist überwiegend zulässig, aber nur hinsichtlich des Antrags zu 1. begründet. Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
531. Der Antrag zu 1. ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Freigabeerklärung.
54a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger einen Anspruch auf Freigabeerklärung der streitgegenständlichen Direktversicherung hat.
b) Der Beklagte kann sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB berufen. Es fehlt an der erforderlich Konnexität der beiden Ansprüche.
56aa) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, § 273 BGB. Das Zurückbehaltungsrecht setzt eine erf52;llbare Schuld, einen fälligen Gegenanspruch und Konnexität der Gegenansprüche voraus, d. h. der Gegenanspruch muss aus demselben rechtlichen Verhältnis fließen. Anspruch und Gegenanspruch müssen sich aus „demselben rechtlichen Verhältnis“ ergeben. Nach § 273 I BGB soll der Schuldner eine Leistung nicht wegen eines jeden beliebigen Gegenanspruchs zurückhalten dürfen, sondern nur dann, wenn die gegenseitigen Ansprüche einem einheitlichen Lebensverhältnis entspringen, wenn sie also in einem „natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang“ stehen, so dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte (BGH, Urt. v. 8. 6. 2004 - X ZR 173/01; Urt. v. 27.09.984 - IX ZR 53/83; Urt. v. 22. 2. 1967 - IV ZR 331/65; BAG, Urt. v. 8.5.2014 – 6 AZR 246/12; Urt. v. 13.03.2008 - 2 AZR 88/07). Die beiden Ansprüche brauchen nicht auf einem einheitlichen Rechtsverhältnis, dh. auf demselben Vertrag oder Schuldverhältnis beruhen. Sie müssen auch nicht in gegenseitiger (synallagmatischer) Abhängigkeit stehen. Der Begriff „Konnexität“ ist mithin in sehr weitem Sinne zu verstehen (BGH, Urt. v. 03.07.1991 - VIII ZR 190/90; Palandt/Grüneberg, BGB, 2021, § 273 Rn. 9). Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts steht jedoch unter dem Vorbehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben und wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt (BAG, Urt. v. 13.03.2008 - 2 AZR 88/07).
57bb) Es fehlt an der erforderlichen Konnexität. Die Kammer ist zu der Ansicht gelangt, dass die beiden Ansprüche nicht in einem derartigen Verhältnis zueinander stehen, die es als treuwidrig erscheinen lassen würden, den einen Anspruch ohne den anderen geltend zu machen. Die Kammer ist vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts aufgrund eines insolvenzrechtlichen Auskunftsanspruchs hinsichtlich eines Anspruch auf Freigabe einer Direktversicherung betreffend eine betriebliche Altersversorgung nicht Treu und Glauben entsprechen würde.
58Zwar haben beide Ansprüche einen Ursprung in dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Beide Ansprüche haben aber verschiedene Grundlagen. Dem Kläger steht die Versicherungsleistung gemäß dem Versicherungsvertragsrecht zu. Der Anspruch auf „Übernahme“ der betrieblichen Altersversorgung und der Direktversicherung ergibt sich aus dem Betriebsrentengesetz und stellt einen arbeitsvertraglichen Anspruch dar. Beim Auskunftsanspruch nach §§ 101, 97 InsO handelt es sich hingegen um eine insolvenzspezifische Pflicht des Arbeitnehmers, nicht um eine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis. Dem Insolvenzverwalter steht der Auskunftsanspruch nicht kraft seiner abgeleiteten Arbeitgeberfunktion zu, sondern allein auf Grund seines Amtes als Verwalter über das Schuldnervermögen. Es handelt sich daher um ein rein insolvenzspezifisches Auskunftsrecht.
59Auch kann sich die Beklagte nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund eines Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB berufen, so dass auch nicht hierdurch die erforderliche Konnexität angenommen werden könnte. Der Anspruch auf Auskunft nach § 242 BGB ist subsidiär. Der Beklagte hätte zuvor die Geschäftsführer nach §§ 97, 98 InsO zur Auskunft auffordern müssen. Da der Insolvenzverwalter gemäß § 97 InsO einen Auskunftsanspruch gegen den Schuldner hat und diesen Anspruch gemäß § 98 InsO auch durchsetzen kann, besteht keine Veranlassung, ihm über § 242 BGB einen zusätzlichen Auskunftsanspruch gegen einen Arbeitnehmer zuzusprechen, wenn er die Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Auskunftsanspruches gegen den Schuldner noch nicht ausgeschöpft hat (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 14.05.2013 - 11 U 46/12).
602. 20;ber den Hilfsantrag des Antrags zu 1. war nicht zu entscheiden. Dieser war gemäß erfolgter Auslegung durch die Kammer nur für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellt. Das Interesse des Klägers ist mit Zuspruch des Hauptantrages befriedigt. Insbesondere aus dem Vortrag des Klägers gemäß seines Schriftsatz vom 20.07.2021, Bl. 134 dA., mit dem er es im Hinblick auf die erfolgte Antragsänderung dahinstehen lässt, woraus der Herausgabeanspruch resultiert, ergibt sich, dass der Hilfsantrag lediglich für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellt werden sollte.
613. Der zulässige Antrag zu 2. ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 60 I InsO in Höhe der Klageforderung. Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt seitens des Beklagten eine einen Schadensersatz auslösende Pflichtverletzung vorlag. Es fehlt zudem an einer substantiieren Darlegung des Schadens. Auch steht noch nicht fest, ob und in welcher Höhe ein Schaden eintreten wird.
62a) Ein Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 I InsO setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Die Feststellung der Aussonderungsberechtigten nach § 47 S. 1 InsO ist ein Teil der Masseverwaltung, sodass die Prüfung durch den Verwalter, ob Absonderungsrechte bestehen, eine originäre Verwalterpflicht ist (Uhlenbruck/Brinkmann, 15. Aufl. 2019, InsO § 47 Rn. 127). Stellt der Insolvenzverwalter fest, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, muss er das Aussonderungsrecht anerkennen, was in der Regel dadurch geschieht, dass der Insolvenzverwalter die Forderung „freigibt“. Einen bestimmten Prüfungszeitraum für die Prüfung von Aussonderungsrechten sieht das Gesetz nicht vor. Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Freigabe verspätet war, ist der Kläger.
63Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, seit wann seitens des Beklagten eine Freigabe hätte erfolgen können und müssen (vgl. LG München, Urt. v. 20.05.2016 - 30 O 13615/13). Er hat hierfür auch nicht dargelegt, ob und wann der Kläger erstmals die Herausgabe des Versicherungsscheins seitens des Beklagten verlangt hat. Es kann dahinstehen, ob einem Schadensersatzanspruch bereits entgegensteht, dass der Kläger erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens erstmals die Freigabe der Versicherung verlangt hat, und ob der Beklagte tatsächlich nicht mehr im Besitz des Versicherungsscheins ist. Jedenfalls fehlt es gänzlich an einem Vortrag dazu, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Beitragsfreistellung am 01.10.2018 eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten vorlag.
64b) Der geltend gemacht Schaden wurde seitens des Klägers nicht substantiiert dargelegt. Als Schaden kommt eine entstandene Versorgungslücke aufgrund der Nichtfortführung des Versicherungsvertrages in Betracht. Hierfür fehlt es bereits an einem Vortrag des Klägers dazu, dass der neue Arbeitgeber die Direktversicherung fortgeführt und die Versicherung auch einer Fortführung zugestimmt oder es einer solchen Zustimmung nicht bedurft hätte.
65aa) Ein Betriebsübergang bewirkt für die betrieblichen Altersversorgungssysteme, dass der Erwerber in die Versorgungsanwartschaften der übergehenden Arbeitnehmer eintritt. Die Rechtsverhältnisse zu den mittelbaren Versorgungsträgern werden jedoch nicht ebenfalls von § 613a BGB umfasst. Nach § 613a BGB gehen die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nicht jedoch Rechtspositionen des Arbeitgebers aus Vereinbarungen mit Dritten, hier der I. als Direktversicherer, auf den Erwerber über. Auch das Versicherungsvertragsgesetz enthält keine dem § 613a BGB entsprechende Regelung (BAG, Beschl. v. 22. 5. 2007 - 3 AZR 334/06).
66bb) Der Kläger hatte somit nach erfolgtem Betriebsübergang einen Anspruch auf eine wertmäßig gleiche Altersversorgung wie beim alten Arbeitgeber, nicht aber zwangsläufig auf Fortführung des bestehenden Direktversicherungsvertrages. Auch fehlt es an einem Vortrag des Klägers, ob der neue Arbeitgeber ggf. eine betriebliche Altersversorgung ggf. in Form einer anderweitigen Direktversicherung gewährt. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, dass er die Versicherung jedenfalls mit eigenen Mitteln fortgeführt hätte.
67c) Allein durch die Vorlage der „Berechnung“ der I. ist der Kläger zudem seiner Darlegungslast hinsichtlich der Schadenshöhe nicht nachgekommen. Bei der Berechnung handelt es sich um eine Darstellung von berechneten Zahlenwerken. Dargelegt wird weder der Berechnungsweg noch die hierfür erforderlichen Paramater, wie bspw. der garantierte Zins. Der Vortrag ist für den Beklagten nicht einlassungsfähig. Zudem handelt es sich ausweislich des Schreibens der I. selbst lediglich um eine Modellrechnung, so dass für die Kammer auch nicht ersichtlich war, und auch nicht vorgetragen wurde, unter welchen Umständen, von diesem Berechnungsergebnis noch Abweichungen möglich sind.
68d) Zudem steht noch nicht fest, in welcher Höhe ein Schaden tatsächlich eintreten wird. Es handelt sich vielmehr um einen hypothetischen Schaden, dessen Eintritt aber noch von einigen Unwägbarkeiten abhängt, sodass noch nicht ein eingetretener Schaden angenommen werden kann. Soweit somit der Eintritt des Schadens von weiteren künftigen Faktoren abhängt und nicht nur durch den Zeitfaktor bestimmt wird, und deren Eintritt nicht aufgrund einer allgemeinen Zukunftsprognose vorausgesehen werden kann, ist der Schadensersatz erst im Eintrittsfalle zuzusprechen.
69Der seitens des Klägers behauptete und seitens der I. errechnete Schaden beruht auf den Annahmen, dass die Direktversicherung bis zum Renteneintritt zum 01.01.2046 fortgeführt und mit Beiträgen in der bisherigen Höhe angereichert wird. Es steht jedoch noch gar nicht fest, dass diese Annahmen tatsächlich zutreffen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dies einen Zeitraum von noch mehr als 25 Jahre betrifft, und insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Veränderungen nicht unwahrscheinlich sind, kann heute noch kein Schaden in dieser Höhe beziffert werden.
704. Der Antrag zu 3. ist bereits unzulässig. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung eines Anspruchs auf weiteren Schadensersatz.
71Der Antrag ist zu unbestimmt nach § 253 II Nr. 2 ZPO. Die Kammer hat den Kläger bereits in der mündlichen Verhandlung bei Vornahme der Antragsänderungen dahingehend, dass sich die Feststellung nicht mehr auf die nicht rechtzeitige Herausgabe des Versicherungsscheines, sondern auf die Feststellung eines Schadens durch die nicht rechtzeitige Freigabeerklärung bezieht, darauf hingewiesen, dass mangels konkreter Angabe, wann der Kläger denn von der Rechtzeitigkeit ausgeht, der Antrag zu unbestimmt sein dürfte.
725. Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
73a) Die Widerklage ist zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Widerklage nicht den Formerfordernissen genügt, die ein als elektronisches Dokument eingereichter bestimmender Schriftsatz einzuhalten hat. Die Widerklage wurde formwirksam erhoben. Die von dem Beklagten eingereichte Widerklage wahrt die nach § 46 II ArbGG iVm. § 130 a I - III 1 ZPO erforderliche Form. Die Widerklage wurde über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht und erfüllt auch durch die einfache Signatur die Voraussetzungen.
74aa) Nach § 46c I, II. S. 1 ArbGG können vorbereitende Schriftsätze auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist.
75bb) Die technische Beschaffenheit des einzureichenden elektronischen Dokuments regelt § 46 c II ArbGG in Verbindung mit der ERVV und der ERVB. Danach müssen Schriftsätze bei Gericht im Format PDF eingereicht werden, wobei das elektronische Dokumente texterkannt/durchsuchbar sein und im Dokument enthaltene Schriftarten und Grafiken mit diesem verbunden (dh. „eingebettet“ sein) muss.
76cc) Die Anforderungen an die Signatur und den Übermittlungsweg ergeben sich aus § 46c III und IV ArbGG. In der zum 1.1.2018 in Kraft getretenen ERVV sind die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen geregelt. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 46c III und IV ArbGG; vgl. zu § 55 a VwGO BVerwG Beschl. v. 4.5.2020 – 1 B 16/20).
77dd) Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist (nur) dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20). Wird das beA durch eine andere Person als den Postfachinhaber verwendet, liegt kein sicherer Übermittlungsweg vor, so dass die qualifizierte elektronische Signatur unverzichtbar ist.
78Ob die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg erfolgt ist, kann nur anhand eines VHN geprüft werden (BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20; Müller NZS 2018, 207 [209]). Hierzu muss das Gericht auf den Transfervermerk und gegebenenfalls ergänzend auf das Prüfprotokoll und den Prüfvermerk zurückgreifen (BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20). Sichtbar ist der VHN im EGVP-Transfervermerk und im EGVP-Prüfprotokoll. Dort wird der VHN – wenn ein solcher vorhanden ist – in der Zeile „Informationen zum Übermittlungsweg“ dargestellt. Der VHN dient dem Nachweis, dass eine Nachricht aus einem bestimmten Postfach (z.B. beA) versandt wurde. Dieser Nachweis wird nur an einer Nachricht angebracht, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Das Versandpostfach muss nach Authentifizierung und Identifizierung des Postfachinhabers in einem bestimmten sicheren Verzeichnisdienst geführt werden. Der Postfachinhaber muss zu dem Zeitpunkt, in dem die Nachricht erstellt wird, sicher an dem Postfach angemeldet sein. Übermittelt der Inhaber des beA selbst, wird in der ersten Zeile des ersten Schriftfelds unter „Informationen zum Übermittlungsweg“ der Hinweis „sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“ angebracht. Übermittelt eine dritte Person, die nicht Inhaber des beA ist, fehlt in dem ersten Schriftfeld über der Zeile „Eingang auf dem Server“ die Zeile zu den „Informationen zum Übermittlungsweg“ (BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20).
79ee) Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz, mit der die Widerklage erhoben worden ist. Der bei Gericht eingegangene Widerklageschriftsatz ist durchsuchbar und kopierbar. Die Schriftarten sind eingebettet. Darüber hinaus war das Dokument einfach signiert und wurde auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Das Dokument war mit dem Namen von Herrn Rechtsanwalt W. einfach signiert. Aus seinem Postfach wurde das Dokument auch versendet. Er wird als Absender in dem Prüfprotokoll ausgewiesen. In der ersten Zeile des ersten Schriftfelds unter „Informationen zum Übermittlungsweg“ gemäß des der eingereichten Widerklage zugehörigen Prüfprotokolls steht zudem der Hinweis „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“. Aufgrund des vorliegenden VHN-Vermerks ist Kammer daher von einer ordnungsgemäßen Übermittlung überzeugt.
80b) Die Widerklage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger in der von ihm geltend gemachten Höhe. Es kann dahinstehen, ob ein Schaden substantiiert dargelegt wurde. Auch kann dahinstehen, ob eine Inanspruchnahme des Klägers bereits daran scheitert, dass nach dem Vortrag des Beklagten die Geschäftsführer selbst die Manipulationshandlungen vorgenommen haben, deren Verhalten sich der Beklagte zurechnen lassen muss. Die Kammer ist bereits nicht ausreichend nach § 286 ZPO durch die von dem Beklagten für die Täterschaft angeführten Hilfstatsachen von der Täterschaft des Klägers überzeugt. Es verbleiben jedenfalls Zweifel in der Weise, dass nach Überzeugung der Kammer keine ausreichende Sicherheit für die Annahme einer vorsätzlichen Pflichtverletzung, bzw. vorsätzlichen Manipulationshandlung seitens des Klägers besteht.
81aa) Zieht man als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch § 280 I BGB heran, so setzt die erfolgreiche Durchsetzung eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers voraus. Will man den streitgegenständlichen Schadenersatzanspruch aus deliktsrechtlichen in Verbindung mit strafrechtlichen Vorschriften herleiten, so bedarf es der Verletzung eines Schutzgesetztes gemäß § 823 II BGB, mithin gemäß Vortrag des Beklagten einer vorsätzlichen Beihilfehandlung zu einer Sachbeschädigung iSd. § 303 StGB, bzw. betreffend einen Bankrott iSv. § 283 StGB.
82bb) Nach allgemeiner Meinung trägt bei einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I BGB grundsätzlich der Anspruchsteller die Beweislast dafür, dass der Anspruchsgegner objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 11. 10. 2007 - IX ZR 105/06; Palandt/Grüneberg, BGB, 2021, § 280 Rn. 35 f.). Auch bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Haftung aus unerlaubter Handlung vorliegen, obliegt dem Anspruchsteller der Nachweis des Verletzungstatbestandes (s. BGH 20.06.1990 - VIII ZR 182/89; Palandt/Sprau, BGB, 2021, § 826 BGB Rn. 18). Allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ist mithin gemein, dass der Beklagte als potenzieller Anspruchsinhaber die Beweislast für das Vorliegen einer anspruchsbegründenden vorsätzlichen objektiven Pflichtverletzung bzw. deliktsrechtlichen Rechtsverletzung trägt.
83cc) In Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Beklagte im Hinblick auf die zum Schadenersatz verpflichtende vorsätzliche Handlung des Klägers darlegungs- und beweisfällig. Die von dem Beklagten angeführten Tatsachen genügen nicht, um dem Kläger die unterstellte vorsätzliche Mitwirkung an der Manipulation des Warenbestandes, insbesondere auch in Bezug auf den durch den Einkauf der anschließend umetikettierten Fische entstandenen Schaden nachzuweisen.
84(1) Voraussetzung für die richterliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 29. 10. 2009 - 4 StR 368/09).
85(2) Einen derartigen Grad an Gewissheit, der Zweifeln an der „Täterschaft“ des Klägers Einhalt gebietet, hat die Kammer anhand der vorgetragenen Tatsachen nicht erlangt. Der Beklagte kann weder substantiiert darlegen, dass der Kläger vorsätzlich an etwaigen Manipulationshandlungen mitgewirkt hat, insbesondere den gesamten Tatablauf kannte oder in Kauf genommen hat, noch Zeugen benennen, der Kenntnis von dem vorsätzlichen Mitwirken des Klägers hat.
86(3) Zwar kann entsprechend den allgemeinen Beweisregeln eine Tatsache auch im Wege des Indizienbeweises nachgewiesen werden (vgl. BAG, Urt. v. 19.02.1997, 5 AZR 747/93). Die von dem Beklagten für die Täterschaft angeführten Hilfstatsachen genügen jedoch nicht, um die Kammer von der Täterschaft des Klägers zu überzeugen. Die Indizien genügen aus Sicht der Kammer nicht, Zweifeln Einhalt zu gebieten.
87(a) Es kann zunächst dahinstehen, ob der Kläger im Rahmen des Gesprächs am 18.12.2018 ein außergerichtliches Geständnis dahingehend abgelegt hat, an den Manipulationshandlungen mitgewirkt zu habe. Der Kläger hat ein etwaiges Geständnis jedenfalls widerrufen. Auch der verbleibende Beweiswert des widerrufenen Geständnisses genügt nicht zum Nachweis.
88(aa) Außergerichtliche Geständnisse sind frei widerruflich. Sie sind bloße Erkenntnisquellen der freien Beweiswürdigung und bleiben dies auch im Falle ihres Widerrufs. Der Beweiswert eines außergerichtlichen Geständnisses hängt von mehreren Umständen ab. Bedeutsam ist, ob und in welchem Maß der Gestehende sich der Tragweite seiner Erklärung bewusst war (BAG, Urt. v. 15. 8. 2002 - 2 AZR 386/01; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.07.2009 - 2 Sa 39/08). Ganz wesentlich ist auch, ob der Gestehende außergerichtlich ein detailliertes und umfassendes Geständnis abgelegt oder ihm vorgeworfene Straftaten ohne Substanz nur formelhaft zugestanden hat. Schließlich ist auch die Prozesssituation von Bedeutung, in der der Gestehende das Geständnis abgegeben hat (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.07.2009 - 2 Sa 39/08).
89(bb) Das seitens des Beklagten behauptete und seitens des Klägers bestrittene Geständnis des Klägers vom 18.12.2018 hat keinen so großen Beweiswert, dass es die Kammer (auch nicht zusammen mit den anderen Indizien) von einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit des Beklagten im Sinne des § 286 ZPO überzeugt.
90Vorliegend wertet die Kammer das widerrufene Geständnis nicht als ausreichendes Indiz für eine vorsätzliche Tatbeteiligung durch den Kläger. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob dem Kläger auch in Bezug auf den eingetretenen Schaden ein Verschulden vorgeworfen werden kann. Der Beklagte behauptet lediglich pauschal, der Kläger habe gestanden, dass die Beschaffung, Umetikettierung und Fehldeklaration mit Wissen und Einverständnis des Klägers erfolgt sei. Es wird jedoch bereits nicht konkret im Einzelnen dargelegt, was der Kläger gesagt hat. Dies wäre jedoch erforderlich, um prüfen zu können, ob der Kläger sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt. Es steht zudem bereits nicht fest, wer wann und ob eine Haupttat begangen hat, zu der der Kläger Beihilfe hätte leisten können. Unabhängig davon würde selbst ein Zugestehen des Klägers in der vorerwähnten Weise nicht genügen, um von einer wirklichen Tatbegehung durch den Kläger auszugehen. So ist es denkbar, dass der Kläger sich falsch ausgedrückt, übertrieben oder sich unter Druck gesetzt gefühlt hat. Jedenfalls aber leitet der Beklagte das entsprechende Geständnis selbst „nur“ aus weiteren Äußerungen her, wie der, dass alle Bescheid wussten. Was konkret der Kläger in Bezug auf seine Tatbeteiligung erklärt hat, wird seitens des Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Bereits aus den vorerwähnten Gründen war somit auch kein Beweis zu erheben.
91(b) Auch die getätigte Aussage des Klägers im Rahmen des Gesprächs am 18.12.2018, dass alle Bescheid wussten, verhilft nicht weiter. Diese Aussage ist bereits derart pauschal gehalten, dass aus dieser nicht herleitbar ist, dass der Kläger sämtliche Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlagen erfüllt.
92(c) Soweit der Beklagte ausführt, der Kläger habe geäußert, „nachdem ich jetzt schon einmal reinen Tisch gemacht habe, kann ich auch alles sagen“, stand diese Äußerung selbst nach dem Vortrag des Beklagten im Zusammenhang mit den nicht streitgegenständlichen Kreisgeschäften. Aus dieser Aussage leitet der Beklagte gemäß Schriftsatz vom 20.07.2021 aber gerade seine Überzeugung dafür her, dass sich der Kläger vorsätzlich an der Manipulation beteiligt hat (Bl. 102 dA.). Diese Aussage kann sich nach dem eigenen Vortrag des Beklagten gemäß des Schriftsatzes vom 20.07.2021 (Bl. 99 dA.) jedoch auf die Kreisgeschäfte bezogen haben.
93(d) Soweit der Beklagte vorträgt, der Kläger habe unverständlicherweise verschiedene Verfahren hinsichtlich der Erstellung der Warenbestände zugrunde gelegt, ist anzuführen, dass der Kläger dies damit begründet hat, dass für die Finanzbuchhaltung nicht das Programm der Lohnbuchhaltung implementiert gewesen sei. Zudem sei es üblich und zulässig, Wareneingänge auf Grundlage von Eingangsrechnungen zu buchen. Selbst wenn man dies als Schutzbehauptung des Klägers wertet, genügt dieser Vorwurf nicht, um nachzuweisen, dass dem Kläger auch ein Vorwurf an dem geltend gemachten Schaden gemacht werden kann. Selbst wenn der Kläger die Warenbestandslisten fehlerhaft erstellt haben sollte, werden hierdurch weder eine vorsätzliche Pflichtverletzung noch ein Verschulden hinsichtlich des Schadens nachgewiesen. Es mag ein Indiz darstellen, genügt aber für eine Überzeugung der Kammer, die Zweifeln Schweigen gebietet, nicht.
94(e) Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfes, der Kläger habe eine Excellliste mit dem Namen „Bestandsliste 31.12.2017“ mit einem vorläufigen und einem überarbeiteten Tabellenblatt bearbeitet. Die Behauptung des Klägers, dies sei Ausdruck eines laufenden Geschäftsbetriebs erscheint plausibel. Hingegen lässt sich aus dem Vortrag des Beklagten nicht herleiten, dass diese Tabellen in Zusammenhang mit einer Manipulation stehen. Zudem würde damit auch nicht feststellen, dass der Kläger von der Manipulation der Ware Kenntnis hatte. Dies wäre jedoch erforderlich, da der Schaden durch den Einkauf und die Umetikettierung der Waren entstanden wäre, nicht aber durch fehlerhafte Warenbestandslisten.
95(f) Dass in den Bestandslisten teilweise der Zusatz stand „kein Einlagerschein, Mehr Infos bei M.“, kann nach Ansicht der Kammer ebenso gegenteilig bedeuten, dass der Kläger eben keine weiteren Informationen hatte. Jedenfalls begründet dies kein ausreichendes Indiz.
96(g) Zusammenfassend ist festzustellen, dass aus den vorstehenden seitens des Beklagten angeführten Indizien nach Ansicht der Kammer kein zwingender Rückschluss auf die Täterschaft des Klägers gezogen werden kann. Es verbleiben mögliche alternative Geschehensabläufe und damit vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Klägers.
97Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass gewisse Verdachtsmomente gegen den Kläger bestehen. Letztendlich bleibt es jedoch nach Überzeugung der Kammer nur ein Verdacht. Insbesondere aber der Umstand, dass der Kläger örtlich nicht in Bremerhaven war, wo die Fische umetikettiert wurden und die wesentliche Tathandlung, bzw. Pflichtverletzung begangen wurde, steht der ausreichenden Überzeugungsbildung der Kammer von der vorsätzlichen Beteiligung einschließlich des Eingreifens eines Verschuldensvorwurfs des Klägers hinsichtlich des Schadens entgegen. Darüber hinaus steht bereits nicht fest, wer, wann und ob welche Haupttat verwirklicht hat, zu der der Kläger Beihilfe geleistet haben soll. Es bestehen bereits unterschiedliche mögliche Motive für die Umetikettierung. Laut Aussage von Herrn M. sei die Umetikettierung erfolgt, um das Bestehen von Fehlmengen zu vertuschen. Laut des Beklagten sei die Umetikettierung erfolgt, um eine falsche Finanzkraft gegenüber Gläubigern darzustellen. Man könnte zwar im Rahmen einer Wahlfeststellung annehmen, dass der Kläger entweder die Haupttat z.B. des Herrn M. gefördert hat oder eben die der Geschäftsführer. Wenn aber bereits dies noch nicht einmal abschließend feststeht, fällt es der Kammer aufgrund der vielen offenen Fragen schwer, von einem ausreichenden Nachweis hinsichtlich der Beteiligung des Klägers auszugehen. Es verbleiben Zweifel, die einer ausreichenden Sicherheit für den erforderlichen Nachweis entgegenstehen. Sofern der Kläger, was aus Sicht der Kammer denkbar bleibt, ggf. nur vermutet hat, dass die Warenbestände nicht korrekt sind, würde dies noch nicht den Schluss zulassen, dass er vorsätzlich an der Manipulation einschließlich der Inkaufnahme des Schadens mitgewirkt hat.
98II.
99Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 II 1 ArbGG, § 92 I, II Nr. 1 ZPO. Der Streitwert der Entscheidung ist gemäß den §§ 3 ff. ZPO zu bestimmen und nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Für den Klageantrag zu 1. wurde nach § 3 ZPO der Wert des garantierten Kapitals der Direktversicherung zugrunde gelegt. Für den Antrag zu 2. der Nennbetrag des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs und für den Klageantrag zu 3. mangels Schätzgrundlage einen Hilfswert von 5.000,00 €. Für die Widerklage wurde der Nennbetrag des geltend gemachten Zahlungsantrags angesetzt.
100III.
101Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da keiner der Gründe des § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt.
102C.
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