| a) Personalakten - auch von Betriebsratsmitgliedern - sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (BAG 4. Dezember 2013 – 7 ABR 7/12 –, Rn. 39, juris). |
table><blockquote></blockquote>| </td> | | b) Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen (insbesondere Kündigungen) angedroht werden, aber die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gar nicht gerügt wird, sondern ausschließlich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten (BAG 9. September 2015 – 7 ABR 69/13 – Rn. 40 f, juris). Denn dann werden individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenprogramme unzulässig vermischt. |
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| | c) Nicht anderes gilt nach Ansicht der Kammer, wenn die Arbeitgeberin zwar insoweit konsequent handelt als sie die (vermeintliche) Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG sowie § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG mit der Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Sanktionen gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG verknüpft, dann aber – inkonsequent – die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffenden Personalakten aufnimmt. Auch hierin liegt eine unzulässige Vermengung von individualrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten (Schleusener NZA 2001, 640, 643). Die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte scheidet mithin schon deswegen aus, weil nicht das Arbeitsverhältnis des jeweiligen Arbeitnehmers betroffen ist, sondern allein das kollektivrechtliche Verhältnis zwischen Betriebsrat bzw. einzelnem Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber (Schleusener a.a.O.; vgl. auch Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, Personalakte Rn.15). |
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| | Die Gegenansicht, die einen Entfernungsanspruch gerade deshalb verneinen will, weil aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung mangels Androhung individualrechtlicher Sanktionen keine ungerechtfertigten beruflichen Nachteile resultieren könnten (ArbG Bielefeld 1995 - 4 BV 49/95, NZA-RR 1996, 445), verkennt zum einen das Wesen einer Personalakte als Sammlung ausschließlich</em> von Unterlagen mit einem Bezug zum konkreten Arbeitsverhältnis (Grobys/Panzer-Heemeier a.a.O. Rn. 13). Zum anderen birgt die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte die erkennbare Gefahr, dass die (vermeintliche) Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten das berufliche Fortkommen des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer beeinträchtigt. Dies würde jedoch gegen das Benachteiligungsverbot in § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen (vgl. Schleusener a.a.O.). Mithin scheidet die Aufnahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die Personalakte ganz unabhängig von ihrer kollektivrechtlichen Rechtmäßigkeit von vornherein aus. |
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| | B. Der Betriebsrat kann die Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnungen vom 15. August 2018 verlangen. |
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| | I. Der Betriebsrat verfolgt den von ihm gestellten Hauptantrag in der zutreffenden Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Bei dem erhobenen Anspruch des Betriebsrats handelt es sich um „Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz“ iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, bei denen nach § 2a Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Der Betriebsrat beruft sich auf seine Rechte als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Es geht ihm um die Feststellung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betriebsparteien. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil es in diesem Zusammenhang um den Betriebsratsmitgliedern erteilte Abmahnungen geht, die auch Aufnahme in deren Personalakten gefunden haben, wodurch – wie oben gezeigt – individualrechtliche Rechtspositionen verletzt worden sind. Entscheidend ist allein, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht. Das ist hier der Fall. Ein Urteilsverfahren könnte der Betriebsrat mangels Parteifähigkeit gar nicht betreiben. Nur im Beschlussverfahren ist er nach § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG beteiligtenfähig (vgl. zum Ganzen BAG 9. September 2015 – 7 ABR 69/13 –, Rn. 13, juris). |
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| | II. Der Feststellungsantrag gerichtet auf Unwirksamkeit der erteilten Abmahnungen ist nach Ansicht der Kammer in der vorliegenden Konstellation ausnahmsweise zulässig. |
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| | 1. Nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts kann ein Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit einer gegenüber seinen Mitgliedern ausgesprochenen Abmahnung, mit der individualrechtliche Sanktionen aufgrund von Betriebsratstätigkeit angedroht werden, nicht im Wege der Feststellungsklage verlangen. Ein solcher Antrag sei unzulässig, weil er nicht die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfülle. Die Feststellung, dass eine derartige Abmahnung unwirksam sei, betreffe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Sache nach sei die rechtliche Begutachtung einer Vorfrage für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte begehrt, wobei dieser höchstpersönliche Entfernungsanspruch vom Betriebsrat nicht geltend gemacht werde könne (BAG 9. September 2015 – 7 ABR 69/13 – Rn. 18 ff, juris). |
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| | 2. Diese zutreffende Rechtsprechung ist auf die vorliegende Konstellation, in der allen Betriebsratsmitgliedern keine individualrechtlichen, sondern rein betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen erteilt worden sind, nach Ansicht der Kammer aus nachfolgenden Erwägungen nicht uneingeschränkt übertragbar: |
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| a) Zunächst verweist die Kammer darauf, dass die weithin angenommene Regel von der Unzulässigkeit der Elementenfeststellung (dazu etwa BGH 19. April 2000 – XII ZR 332/97 – Rn. 12, juris; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 256 Rn. 24) bereits generell nicht ohne Ausnahmen ist. |
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| Für eine Reihe besonderer Sachverhaltsgestaltungen haben Rechtsprechung und Gesetzgeber bestimmte Elemente für feststellungsfähig erklärt. Dies gilt hinsichtlich des Berechnungsmodus für das pfändbare Einkommen (BAG 17. April 2013 – 10 AZR 59/12 –, BAGE 145, 18 ff, Rn. 11), der Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags (BAG 6. Juli 2011 − 4 AZR 706/09 − NZA 2012, 100 ff), der Frage der zutreffenden Eingruppierung (BAG 12. Dezember 2018 – 4 AZR 147/17 – Rn. 15, juris), in weiten Bereichen der betrieblichen Altersversorgung (BAG 31. Juli 2018 – 3 AZR 731/16 – Rn. 19, juris; 8. Mai 1984 – 3 AZR 68/82 – Rn. 20, juris) oder im Hinblick auf die dringende Erforderlichkeit einer vorläufigen personellen Maßnahme. § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erlaubt insoweit ausdrücklich die Beantragung einer entsprechenden Feststellung vor dem Arbeitsgericht (zum Ganzen Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 5/2016 Anm. 2 mwN). |
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| | Die Feststellungsklage kann sich danach auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, solange durch die Entscheidung der bestehende Konflikt endgültig geklärt und Rechtsfrieden geschaffen wird (BAG 23. März 2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 17, juris). |
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| | b) Im vorliegenden Fall besteht ein praktisches Bedürfnis an der Zulassung der Feststellungsklage. Diese führt zu einer abschließenden Klärung der Rechtsstreitigkeit und stellt den sachgerechtesten Weg dar, dem Antragsbegehren des Betriebsrats Rechnung zu tragen (vgl. BAG 8. Mai 1984 – 3 AZR 68/82 –, Rn. 20, juris). |
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| >="margin-left:8pt">| aa) Wie die Vertreterin des Betriebsrats in der Kammerverhandlung nochmals erläutert hat, geht es dem Betriebsrat in der Sache darum festgestellt zu wissen, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 für ein künftiges Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auf Auflösung des Betriebsrats bzw. Ausschluss der drei Mitglieder ohne Relevanz sind. |
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| | Dies stellt ein berechtigtes Interesse des Betriebsrats dar, dem prozessual Rechnung getragen werden muss. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von der Situation, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. September 2015 (– 7 ABR 69/13 –) zugrunde lag. Anders als im dortigen Fall droht die Arbeitgeberin vorliegend mit konkreten Sanktionen für die Existenz und Zusammensetzung des Betriebsrats, namentlich mit dem Ausschluss aller drei Mitglieder bzw. der Auflösung des Betriebsrats und nicht „nur“ mit arbeitsvertraglichen Sanktionen. Es liegt – nicht zuletzt weil alle drei Mitglieder abgemahnt wurden – ein unmittelbaren Angriff auf das Gremium und nicht eine bloße mittelbare Beeinträchtigung der Amtstätigkeit seiner Mitglieder aufgrund der Furcht vor individuellen Sanktionen vor. Da sich die Arbeitgeberin mithin eines besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Rechts zur förmlichen Abmahnung samt Androhung von Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG berühmt, muss dem Betriebsrat auch ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, um hiergegen vorgehen zu können. Angesichts der schweren Folgen eines erfolgreichen Antrags gemäß § 23 Abs.1 BetrVG kann der Betriebsrat zur Rechtsverteidigung gegen die Abmahnungen einerseits nicht ausschließlich auf ein künftiges Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG verwiesen werden. Andererseits wird durch ein Feststellungsurteil abschließend und endgültig geklärt, ob die Abmahnungen vom 15. August 2018 für ein künftiges Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auf Auflösung des Betriebsrats bzw. Ausschluss eines Mitglieds von Relevanz sein können oder nicht. |
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| | bb) Der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage gebietet die Verneinung des Feststellungsinteresses nicht. Es ist aus Sicht der Kammer kein Leistungsantrag erkennbar, der dem berechtigten Antragsbegehren des Betriebsrats in ähnlich zutreffender Weise Rechnung trägt wie der Feststellungsantrag. |
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| | (1) Die Beantragung der Entfernung der Abmahnungen aus den Akten, die für die Zusammenarbeit und Korrespondenz mit dem Betriebsrat geführt werden (vgl. den Hilfsantrag), stellt aus Sicht der Kammer keinen möglichen Leistungsantrag dar. |
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| | Zunächst einmal ist in der Kammerverhandlung offengeblieben, ob die Arbeitgeberin überhaupt spezielle Akten über die Zusammenarbeit und Korrespondenz mit dem Betriebsrat führt und die Schreiben vom 15. August 2018 dort hineingelangt sind. Die Beteiligten konnten dies nicht mit Sicherheit sagen. Selbst wenn aber die gesamte Korrespondenz gesammelt abgeheftet sein sollte, wäre eine solche Betriebsratsakte aus Sicht der Kammer mit einer Personalakte nicht vergleichbar (vgl. zum ausdifferenzierten Begriffsverständnis BAG 16. November 2010 – 9 AZR 573/09 – BAGE 136, 156 ff, Rn. 13). |
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| | (2) Ein Antrag auf „Rücknahme“ der Abmahnungen ist ebenfalls nicht vorrangig zu stellen. |
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| | Zunächst einmal wäre ein solcher Antrag mehrdeutig und liefe dadurch Gefahr, als unbestimmt abgewiesen zu werden. Neben dem Widerruf von unwahren Tatsachenbehauptungen kann die „Rücknahme“ einer Abmahnung bedeuten, dass der Arbeitgeber seine Meinung ändern und selbst von der Unwahrheit oder fehlenden Berechtigung des Abmahnungsvorwurfs überzeugt sein soll (vgl. ArbG Solingen 18. Februar 2016 – 3 BV 15/15 lev –, Rn. 341 f, juris). |
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| | Der Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen stellt vorliegend keine Option dar, weil die Abmahnungen vom 15. August 2018 zutreffende Tatsachenbehauptungen beinhalten und die Beteiligten sich lediglich darüber streiten, ob das in tatsächlicher Hinsicht unstreitige Verhalten der Betriebsratsmittglieder rechtlich eine Verletzung der Pflichten aus §§ 2, 74 BetrVG darstellt. |
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| | Ein Widerruf der Rechtsansicht, dass eine solche Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten vorliegt, könnte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin ebenfalls nicht verlangen. Niemand kann gegen seinen Willen gezwungen werden kann, seine Rechtsauffassung zu ändern (ArbG Solingen a.a.O.; LAG Hamm 2. August 2002 – 10 TaBV 121/01 –, Rn. 51 mwN, juris). Widerrufen werden können nur unrichtige Tatsachenbehauptungen. |
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| | Hinzu kommt, dass auch das Begehren des Betriebsrats gar nicht dahingeht, dass die Arbeitgeberin ihre Rechtsansicht ändern soll. Vielmehr geht es ihm darum, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 für ein künftiges Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auf Auflösung des Betriebsrats oder Ausschluss einzelner Mitglieder ohne rechtliche Wirkung sind. Ein Verweis auf einen „Rücknahmeantrag“ würde diesem Begehren nicht gerecht. |
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| | (3) Auch ein Unterlassungsantrag (vgl. den Hilfsantrag) ist nicht vorrangig zu stellen. Dieser teilt die beschriebene Problematik des Antrags auf „Rücknahme“ einer Abmahnung. Hinzu kommt, dass ein Unterlassungsantrag auf die Vermeidung eines zukünftigen, rechtsgutsverletzenden Verhaltens gerichtet ist. Dem Betriebsrat geht es vorliegend aber erklärtermaßen darum, dass ein bereits eingetretener Umstand – die Abmahnungen vom 15. August 2018 – ohne negative Rechtswirkungen für ihn sind. Auch ein Unterlassungsantrag wird dem Antragsbegehren damit nicht gerecht. |
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| align="top"> | | (4) Weitere vorrangig zu ergreifende Leistungsanträge sind nicht erkennbar. Das Feststellungsbegehren ist nach Ansicht der Kammer mithin ausnahmsweise zulässig. |
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| | III. Der Antrag ist begründet. Die Abmahnungen vom 15. August 2018 sind unwirksam. |
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| | 1. Aus Sicht der Kammer spricht bereits vieles dafür, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber dem Betriebsrat als Gremium oder gegenüber seinen Mitgliedern per se unzulässig sind. |
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| | Nach der insoweit (wohl) herrschenden Literaturansicht ist die vorherige Abmahnung einer Amtspflichtverletzung in Vorbereitung eines Antrags gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG weder erforderlich noch möglich. Für die Amtsenthebung genüge es eben nicht, dass aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers eine weitere Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder bei einer Fortführung des beanstandeten Verhaltens nicht mehr möglich erscheine. Erforderlich sei vielmehr eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, die unter Berücksichtigung aller Umstände eine weitere Amtsführung untragbar werden lasse. Diese Anforderungen seien per se nicht vereinbar mit der Warnfunktion einer Abmahnung. Ein Betriebsratsmitglied, dessen Pflichtverletzung das von § 23 Abs. 1 BetrVG geforderte Ausmaß erreiche, könne von vornherein nicht mit der Billigung dieses Verhaltens und dem Verbleib im Amt rechnen. Die Anerkennung einer Abmahnbefugnis für Pflichtverletzungen, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht für eine Amtsenthebung ausreichten, stehe deshalb in Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 78 BetrVG. Im Übrigen führe es zu Wertungswidersprüchen, eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungsbefugnis allein dem Arbeitgeber, nicht jedoch den sonstigen nach § 23 Abs. 1 BetrVG Anfechtungsberechtigten zuzubilligen (zum Ganzen Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 23 Rn. 17a mwN). |
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| | Nach der Gegenansicht ist die Rechtsgrundlage für ein gegenseitiges Abmahnungsrecht der Betriebsparteien § 2 BetrVG zu entnehmen. Der Arbeitgeber solle Betriebsrat und Betriebsratsmitglieder nicht mit Auflösungs- und Ausschlussanträgen überfallen, sondern ihnen rechtzeitig die Chance zur Verhaltenskorrektur verschaffen. Ein abmahnender Arbeitgeber beanstande ein Verhalten als gesetzwidrig und weise für den Wiederholungsfall auf die Stellung eines Antrages nach § 23 Abs. 1 BetrVG hin. Das sei insbesondere deshalb bedeutsam, weil auch leichtere Pflichtverletzungen den Ausschluss rechtfertigen, wenn sie mit Beharrlichkeit wiederholt würden. Beharrlichkeit sei eben gerade dann anzunehmen, wenn trotz des Hinweises auf den Pflichtenverstoß und trotz der Ankündigung eines Ausschlussantrags das Betriebsratsmitglied sein Verhalten nicht ändere (Düwell Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG § 23 Rn. 15 mwN). |
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| | 2. Obgleich die Kammer der erstgenannten Ansicht zugeneigt ist, kann die Rechtsfrage im vorliegenden Fall unentschieden bleiben. |
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| | a) Denn selbst wenn man die Zulässigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen nicht generell verneint, ist nach der Überzeugung der Kammer nicht jedes dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit oder der Friedenspflicht nicht vollauf entsprechende Verhalten abmahnungsfähig. Jedenfalls wäre eine gewisse Erheblichkeit zu verlangen, die sich ihrerseits am Normzweck des § 23 Abs. 1 BetrVG orientieren müsste. |
|
| | Selbst Befürworter der Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung fordern einen erheblichen Pflichtenverstoß. Mitunter wird der Ausspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sogar nur bei einer groben Verletzung einer Verpflichtung aus dem BetrVG für zulässig gehalten (Schleusener NZA 2001, 640, 642). Auch wenn man wegen der möglichen Aufsummierung von wiederholten Verstößen zu einem groben Verstoß iSv. § 23 Abs. 1 BetrVG nicht derart weit gehen wollte, könnte jedenfalls der weithin angenommene Grundsatz, dass es eine Erheblichkeitsschwelle für individualrechtliche Abmahnungen nicht gibt (vgl. dazu ArbG Köln 28. August 2017 – 20 Ca 7940/16 –, Rn. 46 ff mwN, juris), für betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen nicht gleichermaßen gelten. Ein Arbeitgeber mag zwar ein Interesse daran haben, einen Arbeitnehmer auch auf sehr leichte Vertragsverletzungen förmlich im Wege einer Abmahnung hinzuweisen und individualrechtliche Sanktionen anzudrohen. Insoweit müssen die Gerichte notfalls die Linie zwischen vertragsgemäßem und vertragswidrigem Verhalten trennscharf bestimmen. |
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| | Im Betriebsverfassungsrecht zeigt § 23 Abs. 1 BetrVG jedoch, dass die Betriebspartner nicht jedes Verhalten des anderen auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen lassen können und die Gerichte ihrerseits nicht dazu berufen sind zu entscheiden, welches Verhalten etwa im Hinblick auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ideal gewesen wäre. Der in § 23 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, Sanktionen nur für grobe Pflichtverletzungen vorzusehen, entspricht gerade dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, das weniger gewichtiges Fehlverhalten grundsätzlich ohne Folgen lässt (Richardi BetrVG/Thüsing, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 23 Rn. 10). |
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| | Aus Sicht der Kammer wäre – wenn man betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen überhaupt zulassen wollte − deshalb zumindest ein solches Verhalten zu verlangen, das sich bereits bei einmaliger Wiederholung, oder jedenfalls sehr wenigen Wiederholungen, dazu eignet, in Summe einen groben Verstoß gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG zu begründen. |
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| | b) Ein derart gewichtiges Fehlverhalten des Betriebsrats liegt nicht vor. |
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| | Die Betriebspartner waren sich uneinig über die Auslegung der GBV („die zurückliegenden 4 Quartale“) und über die Einhaltung der Verpflichtung der Arbeitgeberin, realistische und erreichbare Ziele zu definieren. Es war die allgemeine Aufgabe des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltende GBV korrekt durchgeführt wird. Insoweit war er berechtigt, auch vor dem Ende der Verhandlungen mit der Arbeitgeberin, die Arbeitnehmer auf die aus seiner Sicht zutreffende Auslegung der GBV hinzuweisen und über den Stand der Verhandlungen zu unterrichten. Die Information über eine Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat und die Darlegung der rechtlichen Auffassung des Betriebsrats in diesem Konflikt ist zulässig (vgl. LAG Schleswig-Holstein 30. September 2008 – 2 TaBV 25/08 – Rn. 81, juris). |
|
| | Hinzu kommt, dass die Erteilung von allgemeinen Rechtsauskünften im Hinblick auf Individualansprüche zwar nicht zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört (LAG Hamm 14. April 1959 – 4 BVTa 15/59 –, juris). Sofern aber bei der Überwachung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aus Sicht des Betriebsrats betriebsvereinbarungswidrige Zustände im Hinblick auf Individualansprüche festgestellt werden, stellt eine anerkannte Handlungsmöglichkeit die Information der Mitarbeiter mit dem Ziel dar, dass diese von ihren individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten bis hin zur Klage sachgerechten Gebrauch machen können (vgl. Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG § 80 Rn. 25, beck-online). |
|
| | Ob die Verwendung der Formulierung „Was uns helfen würde...“, verbunden mit der Bitte, auch individuell den Zielen zu widersprechen, das Idealverhalten im Hinblick auf §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG war, hat die Kammer nach dem oben Gesagten nicht zu entscheiden. Jedenfalls könnte auch eine Wiederholung (bzw. wenige Wiederholungen) dieses Verstoßes oder ein gleichartiger Verstoß (bzw. wenige gleichartige Verstöße) die Auflösung des Gremiums oder den Ausschluss eines Mitglieds nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Summe nicht rechtfertigen. Denn hierfür wäre erforderlich, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses für den Pflichtverstoß die weitere Amtsausübung des Betriebsrats bzw. seines Mitglieds schlichtweg untragbar erscheint (ErfK/Koch, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 23 Rn. 12). Eine solche Untragbarkeit der Fortführung der Amtsgeschäfte durch den Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder wird durch die E-Mail vom 27. Juli 2018 nicht begründet. Auch bei wenigen wiederholten (gleichartigen) Verstößen würde die Schwelle des § 23 Abs. 1 BetrVG nicht erreicht. |
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| | Die Abmahnungen vom 15. August 2018 sind mithin unwirksam. |
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| | C) Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht veranlasst. |
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