Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 284/13
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 25. April 2013 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
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Beschwerdewert: bis 900 €
Gründe
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I.
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Der Antragsteller begehrt unter anderem von der Antragsgegnerin zu 2, seiner geschiedenen Ehefrau, die Herausgabe zweier Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die sie in zwei Unterhaltsverfahren gegen ihn erwirkt hatte. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Dezember 2010 wurden die Kosten in Höhe von 747,46 € zu ihren Gunsten festgesetzt; in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Januar 2011 in Höhe von 40,07 €.
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Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2, die Antragsgegnerin zu 1, erwirkte auf der Grundlage der vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse auf ihren Namen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Nach dessen Zustellung behielt die Arbeitgeberin des Antragstellers insgesamt 1.053,69 € von dessen Lohn ein und hinterlegte diesen Betrag beim Amtsgericht. Anschließend hob das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf, weil die Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 als Gläubigerin ausgewiesen hätten.
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Unter anderem mit der Behauptung, die Antragsgegnerin zu 2 sei noch im mittelbaren Besitz der Kostenfestsetzungsbeschlüsse, begehrt der Antragsteller die Herausgabe der beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse von der Antragsgegnerin zu 2, gesamtschuldnerisch mit der Antragsgegnerin zu 1.
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Das Amtsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Antragstellers verworfen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, 112 Nr. 1 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft (zum anwendbaren Verfahrensrecht vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - MDR 2009, 1000 Rn. 28). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13 - NJW 2014, 77 Rn. 4 mwN).
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands zu niedrig bemessen und damit das Rechtsmittel zu Unrecht verworfen. Maßgeblich ist nach § 61 Abs. 1 des auf die vorliegende Familienstreitsache anzuwendenden Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) - ebenso wie nach dem vom Beschwerdegericht herangezogenen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - die Wertgrenze von 600 €.
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a) Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich der Streitwert nach dem Interesse des Rechtsmittelführers am Besitz der Urkunden bemesse, das darin bestehe, einen Missbrauch der Titel durch die Antragsgegnerin zu 2 zu verhindern. Dieser Wert sei auf 10 % der Hauptsachebeträge der streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlüsse zu schätzen, mithin auf 78,82 €. Bei der Bewertung sei zu berücksichtigen, dass eine Vollstreckung aus den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen bereits erfolgt sei und die Drittschuldnerin den entsprechenden Betrag hinterlegt habe. Der Streit der Beteiligten drehe sich daher vorrangig um die Frage, wer Anspruch auf den hinterlegten Betrag habe.
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Der Antragsteller habe selbst vorgetragen, dass lediglich von ihrer Verfahrensbevollmächtigten, nicht aber von der Antragsgegnerin zu 2 Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien. Die Aufrechnung und der Bestand der Forderung, mit der gegen die streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse aufgerechnet worden sei, seien nicht bestritten. Streitig sei allein die zeitliche Priorität der Abtretung an ihre Verfahrensbevollmächtigte und die Tatsache, dass die Antragsgegnerin zu 2 die den Kostenfestsetzungsbeschlüssen zugrunde liegenden Forderungen tatsächlich abgetreten habe. Bereits hieraus erhelle sich, dass von der Antragsgegnerin zu 2 eine vernachlässigbare geringe Vollstreckungsgefahr für den Antragsteller ausgehe. Die Hinweise auf ein Weisungsrecht der Antragsgegnerin zu 2 gegenüber ihrer Verfahrensbevollmächtigten gingen fehl, da nach dem Sach- und Streitstand ein solches Weisungsrecht nicht in Betracht komme. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 habe nach dem Vortrag des Antragstellers in der Klageschrift die letztlich gescheiterte Pfändung des Arbeitseinkommens des Antragstellers, die zur Hinterlegung eines Betrags von 1.053,69 € geführt habe, aus eigenem Recht betrieben.
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b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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aa) Bei einem Streit um die Herausgabe von gerichtlichen Titeln wird der Wert vom Gericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt. Maßgeblich für diese Bestimmung ist in der Rechtsmittelinstanz das Interesse des jeweiligen Rechtsmittelklägers. Verfolgt ein Beteiligter nach Abweisung des Herausgabeantrages in der Vorinstanz den Antrag mit der Beschwerde weiter, bestimmt sich der Wert somit nach seinem Interesse am Besitz der Urkunde. Dieses Interesse besteht nicht darin, die Vollstreckungstitel für eigene Zwecke nutzen zu können, sondern allein darin, einen Missbrauch der Titel durch den Antragsgegner zu verhindern. Die Schätzung des Wertes muss umso niedriger ausfallen, je geringer diese Gefahr im Einzelfall ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 1991 - XII ZB 61/91 - FamRZ 1992, 169, 170).
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(1) Die Festsetzung eines in Ausübung des Ermessens gemäß § 3 ZPO konkret bestimmten Wertes kann der Senat nur dahin überprüfen, ob das Rechtsmittelgericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03 - FamRZ 2004, 1477, 1478).
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(2) Bei Vorliegen einer die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärenden Entscheidung nach § 120 Abs. 1 iVm § 767 ZPO kann für die Bemessung der Beschwer hinsichtlich des Antrags auf Titelherausgabe die Gefahr eines Missbrauchs des Vollstreckungstitels durch den Antragsgegner vernachlässigt werden (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03 - FamRZ 2004, 1477, 1478).
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(3) Etwas anderes gilt aber, wenn der Rechtsmittelführer allein mit dem Antrag auf Titelherausgabe die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels erreichen will. Liegt eine die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende Entscheidung nach § 767 ZPO nicht vor, kommt dem nur auf Herausgabe des Titels gerichteten Antrag bezogen auf den Wert des Beschwerdegegenstandes eine eigenständige Bedeutung zu. In diesem Fall ist dieser regelmäßig genauso hoch anzusetzen wie bei dem Vollstreckungsabwehrantrag. Solange der Gläubiger im Besitz des Titels ist, kann er die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihm eine gerichtliche Entscheidung nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnte.
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Der Wert des Vollstreckungsabwehrantrags selbst bemisst sich wiederum nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen. Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Antragsteller des Vollstreckungsgegenantrages bestimmt wird, kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Verfahrens unstreitig wird (vgl. BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146 f. mwN). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Antragsbegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zu Grunde zu legen (BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146, 1147 mwN).
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bb) Gemessen hieran ist die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung des Wertes auf 10 % der Titelbeträge ermessensfehlerhaft.
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Zu Recht hat die Rechtsbeschwerde hiergegen eingewandt, dass der Antragsteller vorliegend nicht nach § 767 ZPO vorgegangen sei. Die Antragsgegnerin zu 2, zu deren Gunsten die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse ergangen sind, könnte mithin gegen den Antragsteller die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihr eine gerichtliche Entscheidung nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnte.
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Die Frage, ob der Titelgläubiger im Besitz des Titels ist und diesen somit auch herausgeben kann, ist im Rahmen der Begründetheit zu beantworten. Für die Bemessung der Beschwer kommt es demgegenüber auf die Realisierbarkeit des vollstreckbaren Anspruchs nicht an.
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Ebenso wenig ist für die Wertbemessung die Frage von Belang, ob die Aufrechnung und der Bestand der Forderung, mit der gegen die streitbefangene Kostenfestsetzungsbeschlüsse aufgerechnet worden sei, unstreitig sind. Es kommt nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist.
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Die Beschwer ist vorliegend auch nicht etwa deswegen geringer zu bewerten, weil die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 bereits zu Lasten des Antragstellers aus den beiden Titeln Vollstreckungsmaßnahmen hat durchführen lassen, in deren Folge die Arbeitgeberin des Antragstellers aufgrund des zunächst erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Hinterlegung des von ihr überwiesenen Geldes veranlasst hat. Unbeschadet des Umstands, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss später wieder aufgehoben worden ist, wirkt sich die Hinterlegung auf die Festsetzung des Beschwerdegegenstandes nicht aus, weil die Vollstreckbarkeit des Titels hinsichtlich des ganzen Anspruchs bestehen geblieben ist (vgl. BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146, 1147).
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3. Gemäß § 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
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Dose Schilling Günter
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Nedden-Boeger Botur
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