Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Strafsenat) - 5 StR 467/15

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 12. Juni 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin durch seine Revision entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung von Verfahrensrecht geltend macht und die Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

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Der Erörterung bedürfen ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts lediglich die beiden Verfahrensrügen:

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1. Mit ihrer Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (§ 338 Nr. 6 StPO, §§ 169 ff. GVG) beanstandet die Revision, dass die Erörterung der Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO in einem nichtöffentlichen Teil der Hauptverhandlung erfolgt und deren Verlauf auch nicht nachträglich bekannt gegeben worden ist.

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a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

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Am ersten Hauptverhandlungstag vom 27. März 2015 kündigte die Verteidigerin des Angeklagten an, dass dieser sich umfassend zur Sache einlassen werde. Anschließend wurde auf Antrag des Angeklagten durch Gerichtsbeschluss die Öffentlichkeit für die Dauer seiner Vernehmung gemäß § 171b Abs. 1 GVG wegen der aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommenden Umstände ausgeschlossen. Der Angeklagte begann nunmehr in nichtöffentlicher Sitzung, sich zur Sache einzulassen. Er bestritt den Tatvorwurf, wobei er im Verlauf seiner Einlassung die von ihm eingeräumten sexuellen Handlungen als einvernehmlich darstellte. Vor einer Unterbrechung der Hauptverhandlung fragte der Vorsitzende zur Vermeidung einer Zeugenvernehmung der Nebenklägerin an, ob der Angeklagte und seine Verteidigung daran interessiert seien zu erfahren, welches Strafmaß im Falle einer geständigen Einlassung zu erwarten sei. Die Verteidigerin erklärte ihr Interesse und kündigte an, mit dem Angeklagten die Frage einer möglichen Verständigung zu erörtern. Nach einer ca. 20-minütigen Unterbrechung wurde die Hauptverhandlung weiterhin in nichtöffentlicher Sitzung fortgesetzt und der Vorsitzende gab bekannt, dass die Strafkammer dem Angeklagten bei geständiger Einlassung eine Strafe zwischen drei Jahren drei Monaten und drei Jahren neun Monaten zusagen würde. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie sich damit einverstanden erklären könne und für den Fall, dass die Beweisaufnahme vollumfänglich durchgeführt werden müsse, eine Freiheitsstrafe nicht unter vier Jahren beantragen würde. Nachdem die Verteidigerin für den Angeklagten erklärt hatte, dass dieser kein falsches Geständnis ablegen wolle, stellte der Vorsitzende fest, dass eine Verständigung nicht zustande komme. Anschließend äußerte sich der Angeklagte weiter zu Sache. Nach Abschluss seiner Einlassung wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt. Eine Mitteilung über die vorher- gehende Erörterung einer Verständigungsmöglichkeit und über die hierzu abgegebenen und protokollierten Erklärungen erfolgte - auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung - nicht mehr.

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b) Die Rüge ist unbegründet. Beschränkt sich der Ausschluss der Öffentlichkeit auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt wie die Dauer der Vernehmung einer Beweisperson, so umfasst er nach ständiger Rechtsprechung alle Verfahrensvorgänge, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln und die daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1984 - 5 StR 246/84, NStZ 1985, 206 bei Pfeiffer/Miebach, und vom 25. Januar 1994 - 5 StR 508/93, NStZ 1994, 354, zur Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO; vom 17. Dezember 1987 - 4 StR 614/87, NStZ 1988, 190, zur Augenscheinseinnahme; vom 9. November 1994 - 3 StR 420/94, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 8, zur Anordnung weiterer Zeugenvernehmungen; vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663, zur Entscheidung über die Vereidigung; Beschlüsse vom 2. Februar 1999 - 1 StR 636/98, NStZ 1999, 371, zum Hinweis auf eine veränderte Sachlage und zur Stellung eines Beweisantrages; vom 15. April 2003 - 1 StR 64/03, NJW 2003, 2761, zur Entlassung eines Zeugen; vom 20. September 2005 - 3 StR 214/05, NStZ 2006, 117, zu Erklärungen des Angeklagten nach § 257 StPO; siehe auch KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 172 GVG Rn. 3; Meyer-Goßner StPO, 58. Aufl., § 172 GVG Rn. 17).

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Auch hier lag ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der Einlassung, die Umstände des intimen persönlichen Lebensbereichs des Angeklagten zur Sprache brachte, und der Erörterung gemäß § 257b StPO vor, mit der Strafmaßerwartungen thematisiert und Fragen einer Verständigungsmöglichkeit geklärt werden sollten. Denn zum Verfahren einer Verständigung nach § 257c StPO hätte auch die Klarstellung gehört, von welchem Sachverhalt, auf den sich ein Geständnis beziehen könnte, das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten ausgehen (vgl. zur dahingehenden Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO auch BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 86). Die Einlassung des Angeklagten, für deren Dauer die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, war mithin zwangsläufig Gegenstand einer verständigungsvorbereitenden Erörterung gemäß § 257b StPO. Zudem ergab sich hier erst im Laufe der Äußerung des Angeklagten zur Sache die Anregung des Vorsitzenden zu einem Gespräch über Straferwartungen.

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2. Auch die Rüge eines Verstoßes gegen das Recht des Angeklagten auf das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 StPO) greift nicht durch.

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Zwar teilte der Vorsitzende nach dem letzten Wort des Angeklagten noch mit, dass eine Verständigung gemäß § 257c StPO in der Hauptverhandlung nicht stattgefunden hat, ohne dem Angeklagten hiernach erneut das letzte Wort zu gewähren. Eine nochmalige Gewährung des letzten Wortes hat nach § 258 Abs. 2 2. Halbsatz StPO jedoch nur dann zu erfolgen, wenn nach der Schließung der Beweisaufnahme nochmals in die Verhandlung eingetreten worden ist. Werden nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können, besteht keine Verpflichtung nach § 258 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, StraFo 2015, 325 mwN). Auch die von der Revision vorgetragene abschließende Äußerung des Vorsitzenden zum Ablauf der Hauptverhandlung stellt deshalb keinen Wiedereintritt in die Verhandlung dar. Sie war nicht einmal geboten; das Negativattest gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO ist lediglich im Protokoll zu vermerken.

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Der Schriftsatz der Verteidigerin Rechtsanwältin K. vom 10. November 2015 hat dem Senat bei seiner Beratung vorgelegen.

Sander                        Dölp                      König

                 Berger                     Bellay

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