Beschluss vom Bundesgerichtshof (2. Zivilsenat) - II ZB 8/14
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 21. Februar 2014 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe
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I. Der Kläger war seit dem Jahr 2010 Mitglied des Beklagten, der R. -Liga S. e.V., der wiederum Mitglied der Deutschen R. -Liga Bundesverband e.V. (im Folgenden: Bundesverband) ist. Im Januar 2012 wandte sich der Kläger schriftlich an den Vorsitzenden des Landesverbandes S. der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und rügte undemokratische und skandalöse Verhältnisse bei dem Beklagten sowie die Zweckentfremdung von Fördergeldern. Mit einem ähnlichen Schreiben wandte er sich an die Redaktion der Mitgliederzeitschrift "mobil" des Bundesverbands. Mit Anhörungsschreiben vom 27. Februar 2012 kündigte der Beklagte dem Kläger unter Darlegung der Gründe den Ausschluss an. Am 28. März 2013 beschloss der Vorstand des Beklagten, den Kläger als Mitglied auszuschließen. Der Beschluss enthält keine Begründung. Der Kläger hält den Ausschließungsbeschluss für formell und materiell unwirksam.
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Das Amtsgericht hat die auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses vom 28. März 2013 gerichtete Klage abgewiesen. Den Streitwert hat das Amtsgericht auf 600 € festgesetzt.
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Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat den Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 2014 darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Mit Beschluss vom 21. Februar 2014 hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen und den Streitwert auf 600 € festgesetzt.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Bei einem Streit über die Mitgliedschaft in einem Verein sei nach § 3 ZPO das Interesse des Klägers zugrunde zu legen und der Streitwert zu schätzen. Dieses sei auf nicht mehr als 600 € zu beziffern. Bei dem Beklagten handele es sich um einen nichtwirtschaftlichen Verein (§ 21 BGB). Das Begehren des Klägers sei daher nicht in erster Linie auf Geld oder Geldeswert gerichtet. Die mit der Mitgliedschaft verbundenen finanziellen Vorteile hielten sich in einem überschaubaren Rahmen. Handele es sich aber um einen Rechtsstreit, der - wie vorliegend - einen Idealverein betreffe, dann sei eine Streitwertfestsetzung unterhalb der Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstanden, zumal auch der Kläger bei Verfahrenseinleitung einen Streitwert von 600 € befürwortet und damit zu erkennen gegeben habe, dass er der Angelegenheit eher eine geringere Bedeutung beimesse. Sämtliche für die Streitwertbemessung relevanten Faktoren hätten bereits bei Beginn des Rechtsstreits vorgelegen und sich seitdem nicht verändert. Auch die vom Kläger genannten wirtschaftlichen Vorteile seien ihm bereits bei Klageerhebung bekannt gewesen.
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Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - II ZB 15/13, ZIP 2015, 424 Rn. 5; Beschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 4; Beschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 4).
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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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Zwar kann die Bemessung der Beschwer durch das Berufungsgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht von dem ihm nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn es für die Bewertung des Beschwerdegegenstandes maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht nicht festgestellt hat (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 4 mwN). Gemessen daran hat das Berufungsgericht hier aber rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Wert des Interesses des Klägers an der Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses den Betrag von 600 € nicht übersteigt.
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a) Das Berufungsgericht hat noch zutreffend gesehen, dass der Streit der Parteien nichtvermögensrechtlicher Natur ist. Bei einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses aus einem Idealverein wie dem Beklagten liegt in der Regel eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil die Mitgliedschaft in einem solchen Verein regelmäßig zumindest nicht in erster Linie wirtschaftlichen Belangen dient. Anders verhält es sich, wenn das Mitglied mit der Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses ganz oder jedenfalls im Wesentlichen wirtschaftliche Zwecke verfolgt (BGH, Urteil vom 27. Februar 1954 - II ZR 17/53, BGHZ 13, 5, 8 f.; vgl. auch Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 3200). Dies ist hier jedoch nach den von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Danach berührt der Ausschluss in erster Linie ein immaterielles Interesse des Klägers, während den mit der Mitgliedschaft verbundenen finanziellen Vorteilen, die sich jährlich auf einen deutlich unter 600 € liegenden Betrag belaufen, nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.
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b) Wie das Berufungsgericht im Grundsatz ebenfalls richtig erkannt hat, richtet sich bei einem Streit um die Ausschließung aus einem Verein der Wert der Beschwer nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an einer Abänderung des ihn belastenden Urteils (BGH, Beschluss vom 25. Mai 1992 - II ZR 23/92, ZIP 1992, 918 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, NJW-RR 2010, 1582 Rn. 9).
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c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Festsetzung des Streitwerts nach dem Interesse des Klägers an einer Änderung des seinen Ausschluss billigenden Urteils des Amtsgerichts unterhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht zu beanstanden, weil der Streit um die Mitgliedschaft des Klägers einen Idealverein betreffe, kann dagegen aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen, dass vom Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit ein deutlich über 600 € liegender Wert vorgegeben ist, an dem sich die Bemessung der Beschwer zu orientieren hat, wenn es sich - wie hier - bei der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Das Berufungsgericht hat demzufolge die Angaben des Klägers, insbesondere sein in der Berufungsinstanz ergänztes Vorbringen zur Beeinträchtigung seines immateriellen Interesses, auch nicht unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt, sondern rechtsfehlerhaft maßgeblich lediglich auf die vom Kläger auch genannten überschaubaren, unterhalb der Berufungsgrenze liegenden wirtschaftlichen Vorteile der Mitgliedschaft und auf seine Streitwertangabe bei Klageerhebung abgestellt.
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aa) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten bestimmt sich der Wert der Beschwer des Rechtsmittelklägers nach § 3 ZPO, wobei alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang der Sache und ihre Bedeutung für den Rechtsmittelkläger zu berücksichtigen sind (vgl. Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 3196). Neben dem immateriellen Interesse sind mit der Mitgliedschaft verbundene, wenn auch gegenüber dem immateriellen Interesse untergeordnete finanzielle Vorteile am Fortbestand der Mitgliedschaft bei der Bemessung der Beschwer zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 "Vereine"; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 3200 "Mitgliedschaft in einem nichtwirtschaftlichen Verein"; OLG Frankfurt, JurBüro 2003, 644; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, NJW-RR 2010, 1582 Rn. 8, 9). Mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse ist in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen, den der Gesetzgeber für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gesetzesfassung mit 4.000 €, ab diesem Zeitpunkt mit 5.000 € vorgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, NJW-RR 2010, 1582 juris Rn. 9; Beschluss vom 5. November 2013 - II ZR 220/11, juris Rn. 1; aA wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., Anh. zu § 3 Rn. 126).
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bb) Gemessen daran liegt der Annahme des Berufungsgerichts, die Beschwer des Klägers erreiche die für die Zulässigkeit seiner Berufung maßgebliche Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht, keine rechtsfehlerfreie Bewertung des Beschwerdegegenstandes zugrunde. Den Erwägungen des Berufungsgerichts lassen sich hinreichende Umstände, die eine Bemessung der Beschwer des Klägers unterhalb des vom Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bestimmten Wertes einer durchschnittlichen nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit rechtfertigen, nicht entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus den sonstigen Feststellungen des Berufungsgerichts.
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Demgegenüber geht aus dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers hervor, dass er nicht nur passives Mitglied des Beklagten war, sondern sich aktiv vereinspolitisch betätigt hat, zum Ersten Sprecher der Ortsgruppe K. gewählt worden war und es in diesem Zusammenhang wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung des Vereins und die Verwendung der Fördergelder zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Landesvorstand gekommen war. Der Kläger hat ferner in seiner Berufungsbegründung und in der Stellungnahme zum Hinweis des Berufungsgerichts zur Bedeutung seines Interesses dargelegt, dass der Beklagte ca. 10.000 Mitglieder habe, er, der Kläger, sich mit erheblichem Zeitaufwand im Verein engagiert habe, als gewählter Erster Vertreter der Ortsgruppe K. das Vertrauen der betreffenden Vereinsmitglieder habe und durch seinen Ausschluss einen Ansehensverlust erlitten habe. Diese vom Kläger vorgetragenen, vom Beklagten nicht bestrittenen Tatsachen, die gegen die Annahme einer vom Regelstreitwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abweichenden, jedenfalls aber gegen eine die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unterschreitende Beschwer sprechen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Würdigung einbezogen.
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3. Die Annahme einer 600 € nicht übersteigenden Beschwer ist schließlich nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger bei Klageerhebung einen Streitwert von 600 € vorgeschlagen hat. Dem Kläger stand es grundsätzlich frei, in der Berufungsbegründung zur Darlegung einer 600 € übersteigenden Beschwer weitere Tatsachen vorzutragen und seinen in der ersten Instanz gehaltenen Vortrag zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - VI ZB 74/08, NJW 2011, 615 Rn. 8; Beschluss vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 9; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 511 Rn. 39). Hieran war er auch nicht durch seinen - nicht einmal begründeten - Streitwertvorschlag in der Klageschrift gehindert. Der Umstand, dass das Amtsgericht - ohne Begründung und Auseinandersetzung mit der abweichenden Meinung des Beklagten, der einen Streitwert zwischen 2.500 € und 5.000 € für sachgerecht erachtet hatte - dem Streitwertvorschlag des Klägers gefolgt ist, ändert daran nichts. Das Berufungsgericht ist bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes die Berufungssumme von mehr als 600 € erreicht, nicht an die Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (MünchKommZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 4 Rn. 9). Vielmehr hat es im Rahmen der ihm von Amts wegen obliegenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Wert des Beschwerdegegenstandes unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) nach eigenem freien Ermessen festzusetzen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219; Beschluss vom 15. Juni 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 4 mwN).
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Bergmann Strohn Caliebe
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Reichart Sunder
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