Urteil vom Bundesgerichtshof (3. Zivilsenat) - III ZR 92/16
Tenor
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Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Januar 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klageanträge auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung der Teilerledigung des Rechtsstreits abgewiesen worden sind.
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Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Revision der Klägerinnen zurückgewiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerinnen sind die Töchter und Erbinnen des während des Berufungsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers K. T. (im Folgenden: Kläger). Sie nehmen den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Hausnotrufvertrag in Anspruch.
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Der am 30. Mai 1934 geborene Kläger und der Beklagte schlossen 2010 einen "Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf". § 1 Abs. 2 des Vertrags lautet wie folgt:
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"Das Hausnotrufgerät wird an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen. Von dieser Zentrale wird im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst)."
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Nach § 2 war Vertragsgegenstand das "Basispaket ohne Schlüssel- und Einsatzdienst" zu einem monatlichen Entgelt von 17,90 €. Nicht vereinbart war das so genannte Sicherheitspaket. Dieses umfasste alle Leistungen aus dem Basispaket. Darüber hinaus verwahrte der Beklagte die Haus- und Wohnungsschlüssel des Vertragspartners und sagte bei medizinischen oder pflegerischen Notfällen den Einsatz speziell geschulten Personals zu.
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Dem Vertrag war ein Erhebungsbogen beigefügt, aus dem multiple Erkrankungen des Klägers ersichtlich waren (Arthrose, Atemnot, chronische Bronchitis, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus). Außerdem litt er an arteriellem Hypertonus und Makroangiopathie. Es bestand ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko. Der Kläger war auf die Zufuhr von Sauerstoff und die Einnahme verschiedener Medikamente angewiesen. Bis April 2012 lebte er allein in einer Wohnung in einem Seniorenwohnheim bei Pflegestufe 2.
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Gemäß § 1 Nr. 1.1 des Vertrags zwischen dem Beklagten und seiner Streithelferin, die einen Sicherheitsdienst betreibt, übernahm diese die Sicherstellung des Interventionsdienstes im Rahmen des Hausnotrufs. Nach § 6 des Vertrags musste das Personal der Streithelferin an einer mindestens 16 Stunden umfassenden Ausbildung in Erster Hilfe erfolgreich teilgenommen haben und wurde jährlich darin fortgebildet. Die Einzelheiten der von der Streithelferin zu erbringenden Dienstleistungen waren in dem Interventionsplan, der dem Vertrag als Anlage beigefügt war, niedergelegt. Danach durften von der Meldung des Einsatzes an die Streithelferin bis zum Eintreffen der Interventionskraft am Einsatzort maximal 45 Minuten vergehen. Die Kraft sollte, soweit erforderlich, Erste Hilfe im Rahmen der erlernten Fähigkeiten leisten. Sollten diese Maßnahmen sich als unzureichend erweisen, hatte sie über das Hausnotrufgerät weitere Hilfe anzufordern und die Entscheidung des Beklagten abzuwarten.
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Am 9. April 2012 betätigte der Kläger den Notruf zur Zentrale des Beklagten. Der Notruf ging dort um 12:20:15 Uhr ein und dauerte mit mehreren kurzen Unterbrechungen bis 12:26:58 Uhr. Dem Kläger war eine Artikulation nicht möglich. Der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten vernahm lediglich ein Stöhnen. Mehrere Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, scheiterten. Die Notrufzentrale des Beklagten veranlasste sodann, dass ein Mitarbeiter der Streithelferin sich zu der Wohnung des Klägers begab. Der Mitarbeiter traf dort um 12:46 Uhr oder 12:54 Uhr ein und fand diesen am Boden liegend vor. Es gelang ihm nicht, den übergewichtigen Kläger aufzurichten. Daraufhin forderte er einen weiteren Bediensteten der Streithelferin an. Bis zu dessen Eintreffen wurden keine Hilfsmaßnahmen ergriffen. Mit vereinten Kräften gelang es schließlich, den Kläger auf eine Couch zu setzen. Sodann ließen ihn die beiden Angestellten der Streithelferin allein in der Wohnung zurück, ohne eine ärztliche Versorgung zu veranlassen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger die Frage nach Schmerzen und der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe mit „nein“ beantwortete und ob er mit Hilfe der beiden Mitarbeiter der Streithelferin langsam gehen konnte.
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Am 11. April 2012 wurde der Kläger von Angehörigen des ihn versorgenden Pflegedienstes in der Wohnung liegend aufgefunden und mit einer Halbseitenlähmung sowie einer Aphasie (Sprachstörung) in eine Klinik eingeliefert, wo ein nicht mehr ganz frischer, wahrscheinlich ein bis drei Tage zurückliegender Schlaganfall diagnostiziert wurde. In der Folgezeit erlitt der Kläger zwischen dem 11. und 16. April 2012 einen weiteren Schlaganfall. Nach Krankenhausbehandlung, Frührehabilitation und Kurzzeitpflege lebte er bis zu seinem Tod am 7. Mai 2015 in einem Altenpflegeheim. Er litt bis zuletzt unter einer ausgeprägten Aphasie und war auf einen Rollstuhl angewiesen.
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Der Kläger hat behauptet, er habe gegen Mittag des 9. April 2012 einen Schlaganfall erlitten. Dessen gravierende Folgen wären vermieden worden, wenn der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten einen Rettungswagen mit medizinisch qualifizierten Rettungskräften geschickt hätte, die eine Therapie durch Lyse/Heparinisierung früh- bzw. rechtzeitig hätten einleiten können.
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Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 40.000 €, materiellen Schadensersatz in Höhe von 6.663,56 €, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und eine monatliche Rente von 723,92 € ab 1. April 2012 zu zahlen, sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden infolge des Notruf-Einsatzes vom 9. April 2012 zu ersetzen, soweit die Forderungen nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug haben die Klägerinnen, die den Rechtsstreit nach dem Tod K. T. als dessen Erbinnen fortgeführt haben, den Rentenanspruch ab 1. Juli 2015 für erledigt erklärt und im Übrigen die bisherigen Klageanträge wiederholt, wobei sie unter Berücksichtigung der bis zum 30. Juni 2015 verlangten Rentenzahlungen nunmehr materiellen Schadensersatz in Höhe von 26.209,40 € begehrt haben. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerinnen hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Klageanträge auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung der Teilerledigung des Rechtsstreits abgewiesen worden sind.
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I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Ein Schadensersatzanspruch der Klägerinnen ergebe sich insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 253 Abs. 2 i.V.m. § 1922 BGB, da dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf keine Pflichtverletzung zur Last falle. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags sei die Vermittlung eines breiten Spektrums verschiedenster Hilfeleistungen in Betracht gekommen. Aus dem Vertrag ergebe sich nicht, dass der Beklagte im Falle eines Notrufs stets einen Arzt oder einen sonst medizinisch Ausgebildeten habe schicken müssen. Im Hinblick darauf, dass der Notrufvertrag lediglich das Basispaket zu einem monatlichen Preis von 17,90 € umfasst habe, welches den Einsatz speziell geschulten medizinischen Personals nicht vorgesehen habe, sei es nicht pflichtwidrig gewesen, zunächst zur Abklärung der Situation lediglich in Erster Hilfe ausgebildetes Personal zu entsenden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der betagte und - was aus dem Erhebungsbogen ersichtlich gewesen sei - gesundheitlich angeschlagene Kläger den Notrufvertrag vor allem deshalb abgeschlossen habe, um im Falle eines medizinischen Notfalls Hilfe herbeirufen zu können, und im konkreten Fall nur ein Stöhnen von sich gegeben sowie auf Rückrufe nicht reagiert habe. Die Gefahr eines Schlaganfalls habe der Mitarbeiter in der Notrufzentrale des Beklagten nicht erkennen müssen. Den Mitarbeitern der Streithelferin falle ebenfalls keine - dem Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnende - Pflichtverletzung zur Last. Die Klägerinnen hätten bereits nicht ausreichend vorgetragen, dass sich der vormalige Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Mitarbeiter der Streithelferin ihn wieder verlassen hätten, in einem Zustand befunden habe, der auch für einen nicht medizinisch Gebildeten das Erfordernis habe erkennen lassen, einen Arzt zu rufen oder bei dem Erkrankten zu bleiben (z.B. teilweise Lähmung oder sonstige Bewegungsunfähigkeit). Die Klägerinnen seien zudem für ihre Behauptung beweisfällig geblieben, der vormalige Kläger habe bewegungslos am Boden gelegen und sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, eine ihm etwa gestellte Frage zum Wunsch nach ärztlicher Versorgung zu beantworten. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage nach der haftungsbegründenden Kausalität schon mangels Pflichtverletzung nicht. Unabhängig davon hätten die Klägerinnen die haftungsbegründende Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem Primärschaden zu beweisen, da ein grober Pflichtverstoß des Beklagten ausscheide. Gegen die Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung spreche, dass unklar sei, wann der wahrscheinlich ein bis drei Tage vor der Krankenhausaufnahme am 11. April 2012 eingetretene (erste) Schlaganfall tatsächlich genau erfolgt sei. Möglicherweise sei das Geschehen am Vormittag des 9. April 2012 lediglich ein Vorbote, nämlich eine kurzfristige Hirndurchblutungsstörung, gewesen.
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II.
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Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision überwiegend nicht stand.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitern die Ansprüche der Klägerinnen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2, § 1922 Abs. 1 BGB nicht an der fehlenden Pflichtverletzung des Beklagten. Lediglich die Abweisung des Antrags auf Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren materiellen Schäden des verstorbenen vormaligen Klägers ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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1. Bei dem Hausnotrufvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB. Der Beklagte schuldete keinen Erfolg etwaiger Rettungsmaßnahmen und trug keine Verantwortung für deren ordnungsgemäße Durchführung. Nach § 1 Abs. 2 des Vertrags war er lediglich verpflichtet, unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung zu vermitteln, wobei ihm bei der Beantwortung der Frage, welche Hilfeleistung unter den konkreten Umständen angemessen war (z.B. Schlüsseldienst, Hausarzt, Rettungsdienst, Notarzt) ein gewisser Ermessenspielraum zustand. Dass die Benachrichtigung eines Rettungsdienstes als mögliche Reaktion auf den Eingang eines Notrufs auch von dem so genannten Basispaket umfasst war, wird vom Beklagten in der Revisionserwiderung nicht in Zweifel gezogen.
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2. Auf der Grundlage der von den Vorinstanzen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann eine Pflichtverletzung der Notrufzentrale des Beklagten nicht verneint werden. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Revisionsrechtszug ist weitere Aufklärung nicht zu erwarten. Der Senat kann deshalb eine insoweit abschließende Würdigung selbst vornehmen.
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Im konkreten Fall drängte sich das Vorliegen eines akuten medizinischen Notfalls auf. Die große Wahrscheinlichkeit, dass K. T. umgehend ärztliche Hilfe benötigte, ergab sich bei einer Beurteilung ex ante aus einer Vielzahl von Indiztatsachen. Aufgrund der Betätigung der Notruftaste und des Verhaltens des Klägers nach Annahme des Rufs in der Zentrale des Beklagten lag es sehr nahe, dass medizinische Hilfe erforderlich war. Der Kläger war zu einer verständlichen Artikulation offensichtlich nicht mehr in der Lage, so dass der Mitarbeiter des Beklagten minutenlang nur noch ein Stöhnen wahrnahm. Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, scheiterten mehrfach. Es kommt hinzu, dass den Bediensteten des Beklagten aus dem Erhebungsbogen zu dem Notrufvertrag bekannt war, dass der 78-jährige Kläger an schwerwiegenden, mit Folgerisiken verbundenen Vorerkrankungen litt. Ein Schlaganfall oder vergleichbare schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen drängten sich deshalb auf. In einer dermaßen dramatischen Situation, bei der jeder unnötige Zeitverlust zu vermeiden war, stellte die Entsendung eines medizinisch nicht geschulten, lediglich in Erster Hilfe ausgebildeten Mitarbeiters eines Sicherheitsdienstes zur Abklärung der Situation keine "angemessene Hilfeleistung" im Sinne des Hausnotrufvertrags dar, zumal der Sicherheitsdienst auf Grund des Interventionsplans nur binnen 45 Minuten am Einsatzort eintreffen musste. Da Leben und Gesundheit des Klägers auf dem Spiel standen, hatte der Beklagte den sichersten Weg zu wählen und den Rettungsdienst unverzüglich zu alarmieren. In einem solchen Fall reduzierte sich die Wahlmöglichkeit der Notrufzentrale auf diese Alternative. Jede andere Entscheidung war ermessensfehlerhaft. Dass angesichts der fehlenden Artikulationsfähigkeit des Klägers und seines minutenlangen Stöhnens während des Notrufs die Einschaltung eines Schlüssel- oder Sicherheitsdienstes keine sachgemäße Reaktion darstellte, lag auf der Hand. Eine exakte medizinische Diagnose durch den Beklagten war dabei nicht erforderlich. Es genügte die sich aufdrängende große Wahrscheinlichkeit eines Notfalls mit akuten gesundheitlichen Beschwerden.
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3. Nach dem bisherigen Verfahrensstand hat der Beklagte die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Den ihm obliegenden Entlastungsbeweis (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) hat er nicht geführt. Es spricht vielmehr alles dafür, dass der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten die in der konkreten Situation erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2013 - III ZR 345/12, BGHZ 198, 265 Rn. 26; vom 3. November 2016 - III ZR 286/15, BeckRS 2016, 20144 Rn. 17 und vom 23. März 2017 - III ZR 93/16, BeckRS 2017, 107457 Rn. 8 zum Begriff der groben Fahrlässigkeit; jeweils mwN). Trotz handgreiflicher Anhaltspunkte für einen akuten Notfall wurde lediglich eine Routineabklärung durch einen Sicherheitsdienst veranlasst. Aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Gesprächsaufzeichnung der Alarmierung der Streithelferin wird die eklatante Fehleinschätzung der Situation durch die Notrufzentrale des Beklagten besonders deutlich. Daraus ergibt sich, dass der Mitarbeiter den Vorfall - ohne dafür Anhaltspunkte zu haben - herunterspielte, indem er lediglich darauf hinwies, er höre K. T. "im Hintergrund schnaufen, als wär er relativ angestrengt und versucht auf’m Boden rumzukriechen", und dabei auch noch lachte.
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4. Da der Beklagte somit eine eigene Pflicht aus dem Hausnotrufvertrag schuldhaft verletzt hat, kann dahinstehen, ob er sich darüber hinaus die Fehlentscheidung der Mitarbeiter der Streithelferin, den weitgehend hilflosen K. T. ohne Hinzuziehung medizinischer Hilfe allein in der Wohnung zurückzulassen, gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss.
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5. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Gesundheitsschaden offen gelassen.
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Grundsätzlich trägt der Geschädigte die Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 280 Rn. 34). Im vorliegenden Fall greift jedoch eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten ein, soweit es um die Frage geht, ob die schwerwiegenden Folgen des (ersten) Schlaganfalls auch bei rechtzeitiger Hinzuziehung eines Rettungsdienstes eingetreten wären.
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a) Im Arzthaftungsrecht führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - VI ZR 247/15, NJW 2016, 2502 Rn. 11 mwN; siehe auch § 630h Abs. 5 BGB). Diese beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen knüpfen daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des ärztlichen Fehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben - also aus Billigkeitsgründen - dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist (BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 aaO mwN; siehe auch Koch, NJW 2016, 2461, 2462 f). Dabei ist ein Behandlungsfehler nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann als grob zu bewerten, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (z.B. BGH, Urteil vom 17. November 2015 - VI ZR 476/14, NJW 2016, 563 Rn. 14; Palandt/Weidenkaff aaO § 630h Rn. 9; jeweils mwN).
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b) Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage gelten die vorgenannten Beweisgrundsätze entsprechend bei grober Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese, ähnlich wie beim Arztberuf, dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. In derartigen Fällen kann die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nicht zugemutet werden. Der seine Pflichten grob Vernachlässigende muss daher die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen (BGH, Urteile vom 13. März 1962 - VI ZR 142/61, NJW 1962, 959 f und vom 10. November 1970 - VI ZR 83/69, NJW 1971, 241, 243; siehe auch BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 182/99, NJW-RR 2002, 1108, 1112 zur Beweislastumkehr bei grob fahrlässigem Organisationsverschulden im Transportrecht; OLG Köln, VersR 1970, 229 zur Frage der Beweislastumkehr bei unterbliebener Überwachung der elektrischen Versorgungsanlage eines Verkaufskiosks auf einem Kirmesplatz; Palandt/Grüneberg aaO § 280 Rn. 38a). So hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass ein Schwimmmeister, der durch grobe Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht den seiner Obhut anvertrauten Schwimmschüler in eine Gefahrenlage gebracht hat, die geeignet war, den eingetretenen Ertrinkungstod herbeizuführen, beweisen muss, dass der Verunglückte auch bei sorgfältiger Überwachung nicht hätte gerettet werden können (Urteil vom 13. März 1962 aaO). Sah sich ein Patient bei stationärer Krankenhauspflege durch Missstände und Versäumnisse außerhalb des engeren Bereichs der ärztlichen Behandlung einer Infektionsgefahr ausgesetzt, die das Maß des Unvermeidlichen erheblich überschritt, kann es nach Lage der Umstände, vor allem angesichts der vom Krankenhausträger verschuldeten Gefahrerhöhung, die Billigkeit erfordern, dass dem Patienten die Last des meist aussichtslosen Ursächlichkeitsbeweises abgenommen wird. Vielmehr muss der Krankenhausträger die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, die Infektionsgefahr zu erhöhen (BGH, Urteil vom 10. November 1970 aaO).
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c) Der Senat hat keine Bedenken, die dargelegten Beweisgrundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
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aa) Der von dem Beklagten angebotene Hausnotrufvertrag bezweckte in erster Linie den Schutz von Leben und Gesundheit der zumeist älteren und pflegebedürftigen Teilnehmer. Dieses Dienstleistungsangebot war auch die zentrale Aussage des vom Beklagten herausgegebenen Werbeprospekts. Danach sollten die Teilnehmer des Hausnotrufsystems im Alter, bei Krankheit oder bei einer Behinderung "zuhause in vertrauter Umgebung leben, den Alltag meistern und das gute Gefühl haben, dass im Notfall schnelle Hilfe kommt". Ferner heißt es in dem Prospekt: "Die Hausnotrufzentrale verständigt Nachbarn und Angehörige und benachrichtigt - falls nötig - Notarzt und Rettungsdienst." Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der im Jahr 1934 geborene, an multiplen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidende K. T. - für den Beklagten erkennbar - den Notrufvertrag vor allem deshalb abgeschlossen, um bei Eintritt eines medizinischen Notfalls Hilfe herbeiholen zu können. Der Notrufvertrag sollte gerade dazu dienen, den allein lebenden, pflegebedürftigen vormaligen Kläger vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren.
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bb) Wie bereits unter 2. und 3. ausgeführt wurde, hat der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten die diesem obliegenden vertraglichen Schutz- und Organisationspflichten grob vernachlässigt, indem er, obgleich sich die große Wahrscheinlichkeit eines akuten medizinischen Notfalls aufdrängte, die gebotene Alarmierung des Rettungsdienstes unterließ und lediglich einen Sicherheitsdienst mit der Abklärung der Situation beauftragte, ohne diesem wenigstens die erheblichen Verdachtsmomente für das Vorliegen eines gravierenden Notfalls mitzuteilen. Auf der Grundlage der vom Beklagten erhaltenen unzureichenden Informationen ging das Personal der Streithelferin sodann davon aus, dass K. T. folgenlos gestürzt war und deshalb weitere Hilfsmaßnahmen unterbleiben durften.
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cc) Die Pflichtverletzung des Beklagten hat den vormaligen Kläger in eine Gefahrenlage gebracht, die geeignet war, die nach dem Notruf vom 9. April 2012 eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen herbeizuführen. Denn der Kläger befand sich bis zu der am 11. April 2012 erfolgten Einlieferung in das Krankenhaus gänzlich unversorgt allein in seiner Wohnung, so dass der erste, jedenfalls nicht erst kurz vor der Aufnahme in die Klinik eingetretene Schlaganfall nur mit deutlicher zeitlicher Verzögerung festgestellt und medizinisch behandelt wurde. Durch die Nachlässigkeit des Beklagten wurden somit erhebliche Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen. Die Beweissituation ist für den Kläger beziehungsweise seine Rechtsnachfolgerinnen gerade dadurch erheblich verschlechtert worden, dass der Beklagte gegen die ihm nach dem Hausnotrufvertrag obliegenden Kardinalpflichten gravierend verstoßen hat. In einem solchen Fall kann einem Kläger die regelmäßige Beweislastverteilung nicht mehr zugemutet werden. Es entspricht vielmehr der Billigkeit, dem Beklagten die Beweislast dafür zu überbürden, dass die in dem Zeitraum nach dem Notruf beim Kläger eingetretenen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch bei rechtzeitiger Alarmierung des Rettungsdienstes nicht hätten vermieden werden können. Insoweit muss der Sachverhalt vom Berufungsgericht - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - weiter aufgeklärt werden.
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6. Zu Recht wendet der Beklagte in der Revisionserwiderung allerdings ein, dass für den Klageantrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren materiellen Schäden des früheren Klägers kein Raum mehr ist. Da K. T. am 7. Mai 2015 verstorben ist, sind weitere Schäden, insbesondere zusätzliche Kosten infolge erhöhter Pflegebedürftigkeit, ausgeschlossen. Damit fehlt der Klage sowohl das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO als auch die materielle Begründetheit. In einem solchen Fall darf die (bereits unzulässige) Klage ausnahmsweise wegen feststehender Unbegründetheit abgewiesen werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09, NJW 2012, 1209 Rn. 44 f mwN; kritisch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 38. Aufl., § 256 Rn. 4).
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7. Soweit der Beklagte geltend macht, die auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage könne allenfalls auf der Grundlage der Regelgebühr von 1,3 (Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG) Erfolg haben, folgt dem der Senat nicht. Da die vorliegende Angelegenheit überdurchschnittlich schwierige Fragen zur Beweislastverteilung bei groben Pflichtverstößen aufwirft, bestehen gegen den Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,8 keine durchgreifenden Bedenken.
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III.
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Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit die Klageanträge auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung der Teilerledigung des Rechtsstreits abgewiesen worden sind (§ 562 Abs. 1 ZPO).
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Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit, nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verfahren, Gebrauch gemacht.
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Herrmann
Seiters
Reiter
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Referenzen
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