Urteil vom Bundesgerichtshof (2. Strafsenat) - 2 StR 516/17

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2017 wird verworfen.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des Landgerichts stellte der Angeklagte, der drei Dosen Bier konsumiert hatte und seit einigen Jahren unter einer „Tendenz zum Alkoholmissbrauch sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und Impulskontrollstörung“ leidet, am 25. März 2015 fest, dass er kein Bargeld mehr zur Verfügung hatte, um sich Zigaretten und Lebensmittel kaufen zu können. Deshalb rief er gegen 14.30 Uhr seinen Betreuer, den Zeugen D.   , an, und bat ihn, ihm weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Der Zeuge, der als Betreuer für Vermögensangelegenheiten bestellt war, lehnte dies ab, weil der Angeklagte das ihm für die Woche zur Verfügung stehende Geld bereits erhalten hatte. Es kam zu mehreren Telefonaten. Schließlich teilte der Angeklagte um 14.35 Uhr mit, dass er vor der Sparkasse in F.      stehe und diese nun überfallen werde. Der Zeuge D.   versuchte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

3

Der Angeklagte begab sich gleichwohl in die Filiale der F.    Sparkasse, in der Hand eine Dose Pfefferspray, die er zuvor gefunden hatte. Dort sprach er am Servicepoint 3 die Angestellte S.   an und forderte unter Hinweis auf das auf den Oberkörper der Zeugin gerichtete Pfefferspray mit den Worten: „Das ist ein Überfall! Das Geld her!“ die Herausgabe von Bargeld. Als die Zeugin angab, am Servicepoint nicht über Bargeld zu verfügen, nahm der Angeklagte sie in den „Schwitzkasten“ und drückte sie leicht nach unten. Nun bot diese an, in der Schublade des Servicepoints befindliches Münzgeld zu übergeben. Der Angeklagte, der die Zeugin losgelassen hatte, ließ sich darauf nicht ein und verlangte „richtiges Geld“, womit er Papiergeld meinte. Daraufhin begaben sich der Angeklagte und die Zeugin S.   in Richtung des Foyers der Sparkasse, nachdem der stellvertretende Filialleiter – um den Angeklagten abzulenken – angeboten hatte, ihm Papiergeld aus dem Tresor zu bringen. Er ging daraufhin in Richtung des Tresorraums, während der Angeklagte und die Zeugin stehen blieben. Nach etwa 20-30 Sekunden sagte der Angeklagte plötzlich „Fickt Euch“ und verließ ohne Beute die Sparkasse. Er fuhr mit seinem Fahrrad nach Hause, rief seinen Betreuer an und teilte ihm mit, Mist gebaut zu haben. Dessen Rat, sich der Polizei zu stellen, kam der Angeklagte unmittelbar nach und legte bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab.

4

Das Landgericht hat den Angeklagten lediglich wegen Körperverletzung, nicht aber wegen versuchter besonders schwerer räuberischen Erpressung verurteilt; insoweit ist die Strafkammer von einem strafbefreienden Rücktritt ausgegangen. Sachverständig beraten hat sie aufgrund der Erkrankung des Angeklagten sowie seines Alkoholkonsums vor der Tat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB angenommen, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik oder einer Entziehungsanstalt indes abgesehen.

II.

5

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

6

1. Es kann dahinstehen, ob das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die zwar einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt und auch die Verletzung materiellen Rechts umfassend und ausdrücklich ohne Beschränkung gerügt hat, angesichts lediglich eingeschränkt geltend gemachter konkreter Einwendungen auf den Schuldspruch sowie die Nichtanwendung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkt ist. Denn eine solche Beschränkung wäre im vorliegenden Fall unwirksam. Die Revision wendet sich im Rahmen einer Verfahrensrüge ausdrücklich gegen die im Rahmen des § 63 StGB getroffene Prognoseentscheidung der Strafkammer, die vorliegend – mit Blick auf die beim Angeklagten festgestellte psychische Erkrankung und seinen Alkoholmissbrauch – in untrennbarem Zusammenhang mit dem Strafausspruch, der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung und der Nichtanordnung des § 64 StGB steht (vgl. Senat, StV 2013, 148).

7

2. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

8

a) Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht im Hinblick auf den von der Strafkammer angenommenen Rücktritt nach § 24 StGB geltend macht und die Vernehmung der Zeugen Sp.  , B.   und Dö.   vermisst, ist diese Rüge bereits nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

9

Die Revisionsbegründung gibt die polizeilichen Aussagen der benannten Zeugen nicht vollständig, sondern lediglich auszugsweise und bruchstückhaft wieder; zudem versäumt sie es mitzuteilen, dass die Zeugin Sp.   in der Verhandlung vor dem Amtsgericht zeugenschaftlich vernommen worden ist und welche Angaben sie dort gemacht hat. Ohne Kenntnis dieser Umstände lässt sich – auch wenn es sich bei den genannten Zeugen um unmittelbare Tatzeugen handelt – nicht nachvollziehen, ob sich das Landgericht gedrängt sehen musste, die Zeugen (ergänzend) zu hören.

10

b) Auch die weitere Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Beschwerdeführerin, die die Beiziehung von Ermittlungsakten vermisst, trägt weder eine bestimmte Beweistatsache vor noch legt sie dar, welches Beweisergebnis sich aus der Auswertung der Ermittlungsakten ergeben hätte.

11

3. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat einen sachlich-rechtlichen Fehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben.

12

a) Der Schuldspruch allein wegen Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht von einem Rücktritt vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung ausgegangen.

13

Seine Annahme, der Angeklagte sei freiwillig von einem unbeendeten Versuch zurückgetreten, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Anhaltspunkte dafür, dass der Versuch zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte die Bank verließ, bereits fehlgeschlagen war und daher für einen strafbefreienden Rücktritt kein Raum gewesen wäre, liegen nach dem festgestellten Tatgeschehen nicht vor. Die Zeugin S.   befand sich im unmittelbaren Zugriffsbereich des Angeklagten, der stellvertretende Filialleiter, der angeboten hatte, Papiergeld aus dem Tresorraum der Bank zu holen, ging in Richtung des Tresorraums. Bei dieser Sachlage gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Angeklagte davon ausgehen musste oder davon ausgegangen ist, die Vollendung der Tat mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreichen zu können.

14

Es begegnet im Übrigen auch keinen Bedenken, dass die Strafkammer insoweit von einem unbeendeten Versuch ausgegangen ist. Die dem zugrunde liegende Annahme, der Angeklagte habe keineswegs sicher sein können, mit den bereits eingesetzten Nötigungsmitteln alles Erforderliche zur Erlangung des Papiergelds durch den stellvertretenden Filialleiter, der sich außerhalb seines Zugriffsbereichs befand, getan zu haben, beruht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

15

b) Auch der Strafausspruch ist frei von Rechtsfehlern.

16

aa) Dies gilt zunächst für die Bemessung der festgesetzten Freiheitsstrafe. Ohne durchgreifende Rechtsfehler hat die Strafkammer dabei insbesondere die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen und ihrer Straffestsetzung den gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zugrunde gelegt. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, die an verschiedenen Stellen auf die psychische Erkrankung des Angeklagten eingehen, in noch hinreichendem Maße, dass es sich bei der bei dem Angeklagten vorliegenden „kombinierten Persönlichkeitsstörung“ um eine „krankhafte seelische Störung“ im Sinne der §§ 20, 21 StGB handelt und aufgrund dessen seine Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert war.

17

bb) Auch die Strafaussetzung zur Bewährung leidet nicht unter einem Rechtsfehler. Eine Strafe von unter einem Jahr Freiheitsstrafe kann gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatrichter ein Bewertungsspielraum zu, die vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. BGH, NStZ-RR 2007, 303).

18

Gemessen daran liegt ein durchgreifender Rechtsfehler, der allein dem Revisionsgericht ein Einschreiten ermöglichen würde, im Ergebnis nicht vor. Es ist der Revision zwar zuzugeben, dass sich die Begründung der Aussetzungsentscheidung dem Wortlaut nach allein auf zwei zu Gunsten des Angeklagten sprechende Umstände (frühes, umfassendes Geständnis, und Fehlen einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe) beschränkt und das Landgericht gegen den Angeklagten sprechende Umstände wie etwa dessen Krankheitsbild oder die gutachterliche Einschätzung des Sachverständigen zu seiner künftigen Gefährlichkeit, nicht ausdrücklich in seine Prüfung einbezogen hat. Es ist aber auszuschließen, dass der Strafkammer diese Gesichtspunkte aus dem Blick geraten sein könnten. Der Senat entnimmt vielmehr auch hier dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, in deren Rahmen das Landgericht sich ausdrücklich, vor allem im Zusammenhang mit der Prüfung einer Unterbringung nach § 63 StGB, mit der Einschätzung der Gefährlichkeit des Angeklagten auseinander gesetzt hat, dass es diese Umstände gesehen und auch bei seiner Aussetzungsentscheidung berücksichtigt hat.

19

c) Dass das Landgericht von einer Unterbringung nach § 63 StGB abgesehen hat, hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer dargelegt, dass es sich bei der Anlasstat nicht um eine erhebliche rechtswidrige Tat im Sinne von § 63 Satz 1 StGB handelt und besondere Umstände fehlen, die die Erwartung rechtfertigen würden, der Angeklagte werde infolge seines Zustandes derartige erhebliche Taten begehen. Der abweichenden Einschätzung des Sachverständigen ist das Landgericht mit tragfähiger und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung nicht gefolgt.

20

d) Schließlich weist auch die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat – insoweit gestützt auf die Angaben des Sachverständigen – rechtlich unbedenklich ausgeschlossen, dass die begangene Tat auf einem schädlichen Gebrauch von Alkohol durch den Angeklagten beruht.

Schäfer     

        

Krehl     

        

RiBGH Dr. Eschelbach
befindet sich im Urlaub
und ist deshalb gehindert
zu unterschreiben.

                                   

Schäfer

        

Zeng     

        

Bartel     

        

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen