Urteil vom Bundesgerichtshof (Kartellsenat) - KZR 26/17

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 und 4 wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. März 2017 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.

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Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Weichen und Schienen. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin der S.       GmbH.

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Die Klägerin, ein regionales Verkehrsunternehmen, erwarb im Zeitraum 2004 bis März 2011 in 16 Fällen von der Beklagten oder deren Rechtsvorgängerin Gleisoberbaumaterialien. In 13 Fällen lagen den Verträgen Vertragsbedingungen zugrunde, die u.a. folgende Klausel enthielten:

"Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 15 v.H. der Abrechnungssumme [ab 2006: der Auftragssumme] an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Vertrag gekündigt wird oder bereits erfüllt ist. Sonstige vertragliche oder gesetzliche Ansprüche des Auftraggebers, insbesondere aus § 8 Nr. 2, bleiben unberührt."

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Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt gegen die Beklagte wegen Beteiligung an dem Kartell der "Schienenfreunde" ein Bußgeld. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Bußgeldbescheids verstieß die Beklagte jedenfalls zwischen Mai 2001 und Mai 2011 gemeinschaftlich handelnd u.a. mit den Streithelferinnen gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.

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Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Soweit es um die 13 Beschaffungsvorgänge geht, bei denen der Vertrag die erwähnte Klausel umfasste, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 898.022,15 Euro zuzüglich Zinsen zu bezahlen (Klageantrag zu 1). Sie hat ferner beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bezüglich dieser Aufträge weitergehende Schäden sowie die Schäden aus den weiteren drei Aufträgen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, zu erstatten (Klageantrag zu 2a). Für den Fall der Abweisung von Klageantrag zu 1 hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu erstatten, die ihr aufgrund von Kartellabsprachen aus den Aufträgen entstanden sind oder künftig noch entstehen werden (Klageantrag zu 2b).

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Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagte zur Erstattung weitergehender Schäden verpflichtet ist. Die Zinsen hat es nur in beschränktem Umfang zugesprochen.

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Die Berufungen beider Parteien hatten jeweils nur hinsichtlich eines Teils der geforderten Zinsen Erfolg. Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weitergehender Schäden nebst Zinsen ab Entstehung des Schadens in Höhe von vier Prozent für Aufträge vor dem 1. Juli 2005 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für Aufträge seit dem 1. Juli 2005 verpflichtet ist.

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Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerin mit Unterstützung der Streithelferinnen zu 1 und 4 sowie die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

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A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

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Das Grundurteil sei zulässig. Soweit mit der Klage die Verurteilung zur Zahlung eines bestimmen Betrags begehrt werde, sei der Anspruch nach Grund und Höhe streitig. Der Erlass des Grundurteils setze nicht voraus, dass jeweils die Einbeziehung der Klausel festgestellt und deren Wirksamkeit bejaht werde.

11

Auch der Feststellungsausspruch des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Das angefochtene Urteil sei durch die Benennung der einzelnen Beschaffungsvorgänge hinreichend bestimmt. Der Vorrang der Leistungsklage stehe hier nicht entgegen. Die Erhebung einer Feststellungsklage sei aus prozessökonomischen Gründen geboten, weil die Bezifferung des Schadens nur unter Heranziehung eines Sachverständigen erfolgen könne.

12

Zu Recht habe das Landgericht einen Schadenersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach bejaht. Die Klägerin sei als unmittelbare Abnehmerin anspruchsberechtigt. Die Beteiligung der Beklagten an wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen im Zeitraum von 2001 bis 2011 sei unstreitig. Zudem seien die Feststellungen des Bußgeldbescheids gemäß § 33 Abs. 4 GWB bindend. Angesichts der danach feststehenden Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen spreche der erste Anschein dafür, dass sich die Absprache allgemein preissteigernd ausgewirkt habe. Ebenso wie beim reinen Preiskartell werde auch beim Kundenschutzkartell der Preiswettbewerb ausgeschaltet. Dies gehe typischerweise mit einer Erhöhung des Preisniveaus einher. Dies gelte insbesondere, wenn mit den Absprachen der Sinn und Zweck einer Ausschreibung konterkariert werde. Bestätigt werde dieser Erfahrungssatz hier durch die lange Dauer des Kartells. Diesen Anschein habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht.

13

Ein Anscheinsbeweis spreche zudem dafür, dass die Beschaffungstätigkeit der Klägerin von dem Kartell betroffen gewesen sei. Sei den Absprachen allgemein preissteigernde Wirkung zugekommen, bestehe ein Erfahrungssatz dahin, dass auch die konkret streitigen, auf dem kartellbefangenen Markt getätigten Beschaffungen von dieser Wirkung betroffen gewesen seien. Verstärkt werde dieser Anschein zudem dadurch, dass die Streithelferinnen zu 1 und 4 mit anderen Anbietern bundesweite Absprachen getroffen hätten. Zudem gehe es hier nur um Beschaffungsvorgänge, bei denen die Klägerin die am Kartell beteiligte Beklagte beauftragt habe. Werde ein Auftrag an einen Bieter erteilt, der an kundenschützenden Absprachen mit generell preissteigernder Wirkung beteiligt sei, spreche ein Erfahrungssatz dafür, dass die Beschaffung von dem kartellbedingt überhöhten Preisniveau betroffen sei. Auch diesen Anschein habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht.

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Die sich daraus ergebenden Ansprüche auf Schadensersatz seien nicht verjährt. Vor Erlass des Bußgeldbescheids des Bundeskartellamts habe die Klägerin keine Kenntnis von den Verstößen gehabt. Ob der Mitarbeiter der Klägerin K.   (im Folgenden: K.), davon Kenntnis gehabt habe, sei unerheblich, weil er nicht für die Vorbereitung und Verfolgung von Ersatzansprüchen zuständig gewesen sei. Die kenntnisunabhängige Verjährung sei durch Klageerhebung, im Übrigen durch ein von der Klägerin eingeleitetes Güteverfahren rechtzeitig gehemmt worden.

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Da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Klägerin ein Schaden entstanden sei, der über die bezifferte Forderung hinausgehe, sei auch die Feststellungsklage begründet.

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Der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten. Ein solches ergebe sich nicht daraus, dass sie kleinere Aufträge ohne Ausschreibung vergeben habe. Auf die von der Beklagten behaupteten Kenntnisse des K. komme es aus Rechtsgründen nicht an.

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Hinsichtlich der Zinsen sei der Feststellungsantrag nur zum Teil begründet. Für Aufträge aus der Zeit nach dem 1. Juli 2005 sei eine Schadenersatzforderung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, für die Zeit davor ab Schadensentstehung, jedoch nur in Höhe von vier Prozent.

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B. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zu ihren Lasten entschieden worden ist. Dagegen bleibt die Revision der Klägerin ohne Erfolg.

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I. Revision der Beklagten

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1. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen.

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a) Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin gestellten Anträge zutreffend dahin verstanden, dass diese bezüglich der 13 Beschaffungsvorgänge, denen jeweils ein Vertrag zugrunde liegt, der eine Klausel enthält, wonach der Auftraggeber einen pauschalierten Schaden von 15% der Abrechnungs- bzw. Auftragssumme zu zahlen hat, wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe des Auftrags nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt (im Folgenden: Pauschalierungsklausel), einen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines bezifferten Betrags (Klageantrag zu 1) mit einem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz darüber hinaus gehenden Schadens (Klageantrag zu 2a), jeweils nebst Zinsen, verbunden hat. Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass sich die Klägerin bezüglich dreier weiterer Beschaffungsvorgänge, bei denen der zugrunde liegende Vertrag keine Pauschalierungsklausel umfasst, auf einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des ihr aus dem behaupteten Kartellverstoß entstandenen Schadens nebst Zinsen beschränkt hat.

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b) Die für die genannten 13 Beschaffungsvorgänge gewählte Kombination von Zahlungsantrag und Feststellungsantrag führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage.

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Eine Klausel, mit der ein Schadensersatzanspruch pauschaliert wird, führt - ihre Wirksamkeit unterstellt - regelmäßig zu Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten. Enthält die Klausel den Vorbehalt, dass die Pauschalierung nicht eingreift, wenn ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird, bedeutet dies nicht, dass der Geschädigte, der meint, einen höheren als den pauschalierten Schaden verlangen zu können, bei der gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs insgesamt auf die mit der Pauschalierung verbundenen Vorteile verzichten muss. Zwar mag er in Fällen, in denen er den Schaden noch nicht abschließend beziffern kann, die Möglichkeit haben, sich auf einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz zu beschränken. Ihm ist es aber nicht verwehrt, einen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines entsprechend der Pauschalierungsklausel bezifferten Betrags mit einem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens zu verbinden.

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c) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage als zulässig angesehen.

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aa) Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz alsbald festgestellt wird.

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(1) Allerdings besteht ein berechtigtes Interesse an der Erhebung einer positiven Feststellungsklage grundsätzlich nicht, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119; Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901 - Feststellungsinteresse III). Dies schließt im Streitfall jedoch das Feststellungsinteresse nicht aus.

27

(2) Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Klägerin zur Bezifferung des geltend gemachten Preisüberhöhungsschadens auf die Einholung eines ökonomischen Gutachtens angewiesen ist. Der damit verbundene Aufwand an Zeit und Kosten ist aber für sich genommen kein zureichender Grund, der Klägerin die Befugnis zur Erhebung einer Feststellungsklage zuzubilligen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, WRP 2018, 941 Rn. 18 - Grauzementkartell II). Eine Feststellungsklage ist daher, sofern nicht ausnahmsweise die Notwendigkeit besteht, den Schadensersatzanspruch gegen eine drohende Verjährung zu sichern, in der Regel nicht bereits deshalb zulässig, weil die Bezifferung des Schadens die Einholung sachverständigen Rats erfordert.

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(3) Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

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Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche betreffen zum Teil Geschäfte, die bereits vor dem 1. Juli 2005 und damit vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle und der mit dieser einhergehenden Änderungen der Regelungen über die Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstößen gegen Bestimmungen des Kartellrechts abgeschlossen wurden.

30

Nachdem es an einer ausdrücklichen Übergangsregelung fehlt, ergaben sich nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Regelung in § 33 Abs. 5 GWB 2005, wonach die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gehemmt wird, wenn die Kartellbehörde wegen eines Kartellverstoßes ein Verfahren einleitet, auch auf sogenannte Altfälle anzuwenden sei, also auf Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verjährt waren. Da eine höchstrichterliche Klärung der Frage bislang nicht erfolgt war, war für die Klägerin zu der Zeit, in der sie eine Entscheidung über die gerichtliche Durchsetzung ihrer Forderung zu treffen hatte, nur schwer zu beurteilen, ob die Verjährungsfrist während der Dauer des Bußgeldverfahrens gehemmt war oder nicht.

31

Zugleich war die Beurteilung der Frage erschwert, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hatte. Gerichtliche Entscheidungen zu der Frage, wann die durch eine verbotene Kartellabsprache geschädigten Personen ausreichende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten, lagen zu der maßgeblichen Zeit noch nicht vor.

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War danach die Rechtslage hinsichtlich einer möglichen Verjährung aus der Sicht der Klägerin kaum zuverlässig einzuschätzen, musste sie ernsthaft in Betracht ziehen, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung jedenfalls insoweit Erfolg haben könnte, als Ersatzansprüche betroffen sind, die vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden sind. Unter diesen Umständen war die Klägerin befugt, ihre Schadensersatzansprüche insgesamt durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage gegen die drohende Verjährung zu sichern, ohne das Ergebnis eines zeit- und kostenaufwändigen Gutachtens abzuwarten (BGH WRP 2018, 941 Rn. 19 ff. - Grauzementkartell II).

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bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass Klageantrag zu 2a auch auf die Feststellung der Verpflichtung zur Verzinsung der Schadensersatzforderung in einer bestimmten Höhe gerichtet ist. Ist - wie hier - nicht nur das Bestehen der Schadensersatzforderung nach Grund und Höhe streitig, sondern streiten die Parteien auch darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die geltend gemachte Forderung zu verzinsen ist, kann auch die Pflicht zur Verzinsung der Forderung Gegenstand der Feststellungsklage sein.

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cc) Der Feststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt.

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Die Klägerin hat in der Klageschrift vorgetragen, dass die Beschaffungsvorgänge, auf die sie ihre Klage stützt, zum Teil durch Zuwendungen öffentlicher Stellen gefördert wurden, und erklärt, sie mache auch Schäden geltend, die den Zuwendungsgebern möglicherweise zustünden.

36

Wie sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, hat die Klägerin jedoch später klargestellt, dass sie mit den Feststellungsanträgen zu 2a und 2b nur die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz solcher Schäden begehrt, die ihr selbst entstanden sind oder in der Zukunft noch entstehen werden. Dies ergibt sich aus der Fassung ihrer Klageanträge sowie daraus, dass sie nur hilfsweise Anträge gestellt hat, wonach sie die Erstattung solcher Schäden verfolgt, die ihr und dem Land Baden-Württemberg als ihrem Zuwendungsgeber entstanden sind. Nachdem das Berufungsgericht dem Klageantrag zu 2a entsprochen hat, sind mögliche Schadensersatzansprüche des Zuwendungsgebers nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

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2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die Klage mit dem Antrag zu 1 dem Grunde nach gerechtfertigt ist, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

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a) Das Gericht kann nach § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden, wenn der Rechtsstreit hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen zur Entscheidung reif ist, nicht aber hinsichtlich des Betrags. Erforderlich ist danach, dass die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach vorliegen und nur noch Fragen offen sind, die im Betragsverfahren zu beantworten sind. Voraussetzung ist weiter, dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600).

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aa) Dem Erlass eines Grundurteils über Klageantrag zu 1 steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Frage der Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel nicht entschieden hat.

40

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Pauschalierungsklausel wirksam ist, offen gelassen. Zwar hat es den Tenor zu Klageantrag zu 1a dahin gefasst, dass die Klage betreffend den mit diesem Antrag geltend gemachten pauschalierten Schadensersatz dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, die zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind, hat das Berufungsgericht damit jedoch keine Aussage über die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel getroffen, vielmehr ist es der Auffassung der Beklagten, der Erlass eines Grundurteils setze die Einbeziehung der Pauschalierungsklausel in den Vertrag und ihre Wirksamkeit voraus, ausdrücklich entgegengetreten.

41

Dieses Vorgehen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

42

Die Klägerin macht, wie das Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegt hat, auch mit dem Klageantrag zu 1 einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch wegen Kartellverstoßes geltend. Das Bestehen eines solchen Schadensersatzanspruchs der Klägerin setzt voraus, dass die Beklagte sich an einer wettbewerbswidrigen Absprache beteiligt hat und die Klägerin dadurch beeinträchtigt worden ist. Auf die Einbeziehung und die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel kommt es insoweit nicht an. Eine solche Klausel führt lediglich zu einer Modifikation der Beweislast hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe der Klägerin aus einem von einem Kartellverstoß betroffenen Beschaffungsvorgang ein Schaden entstanden ist. Entsprechend begrenzt ist die Bindungswirkung des Grundurteils (vgl. Musielak/Musielak, ZPO, 15. Auflage, § 304 Rn. 11), insbesondere trifft es keine Aussage über die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel und damit über die Verteilung der Beweislast.

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bb) Ohne Erfolg wendet die Revision weiter ein, das Grundurteil sei unzulässig, weil mit der Klage ein unbezifferter Anspruch geltend gemacht werde. Gegenstand des Klageantrags zu 1, den das Berufungsgericht für dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt hat, ist eine bezifferte Klageforderung. Dass die Klägerin darüber hinaus mit dem Klageantrag zu 2a die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens begehrt, ändert daran nichts. Nichts anderes ergibt sich aus der von der Revision angeführten Entscheidung des XII. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06, BGHZ 182, 116 Rn. 10). Nach dieser Entscheidung darf kein umfassendes Grundurteil ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadensersatz verbunden hat, weil über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann. Zulässig ist es dagegen, durch Grundurteil über den bezifferten Klageantrag und durch Teil-Endurteil über den Feststellungsantrag zu entscheiden.

44

b) Die Aufträge zu den Beschaffungsvorgängen, auf die die Klägerin ihre Ansprüche stützt, wurden der Beklagten im Zeitraum von März 2004 bis März 2011 erteilt. Für den Schadensersatzanspruch ist das zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI). Danach kommt als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch aus Aufträgen, die bis zum Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle vergeben wurden, § 33 GWB in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung in Betracht, für Ansprüche aus späteren Aufträgen § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung der 7. GWB-Novelle. Die Klägerin gehört als unmittelbare Abnehmerin der Beklagten zu den durch das Kartellverbot geschützten Personen.

45

c) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich hierfür auf die nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid stützt, war die Beklagte über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt.

46

Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Streithelferinnen zu 1 und 4 bzw. deren Vorgängergesellschaften waren in allen Regionen und über den gesamten Zeitraum beteiligt. Die Beklagte nahm in diesem Zeitraum im Bereich Schienen und Schwellen regional bei Ausschreibungen an Absprachen teil. Die genannten Absprachen veränderten sich hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten und wiesen regional unterschiedliche Intensität auf. Sie beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte. Die Absprachen wurden vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails umgesetzt. Aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden, als "Spielführer“ bezeichneten Unternehmen kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag zu. Diese beinhaltete u.a., den anderen Unternehmen, überwiegend in getarnter Form, die Preise der Schutzangebote oder den vom "Spielführer" angestrebten Zuschlagspreis mitzuteilen. Zum Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten wurden die Kartellteilnehmer meist durch Unteraufträge oder sonstige Kompensationsgeschäfte entschädigt. Der Ausgleich erfolgte aber nicht nur projektbezogen, vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellteilnehmer untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots konnte der Schützende grundsätzlich davon ausgehen, dass er bei einem anderen Projekt von den Kartellteilnehmern geschützt würde. Der Ablauf war insgesamt so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte. Im Bereich Weichen war die Beklagte an Absprachen beteiligt, die bis Ende 2008 vor allem bei Sitzungen des Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbands der Bahnindustrie getroffen wurden.

47

d) Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach mit der Begründung bejaht, es spreche jeweils ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Klägerin aus den Beschaffungsvorgängen, auf die sie ihre Schadensersatzforderung stützt, ein Schaden entstanden ist und dass sie kartellbetroffen waren.

48

Diese Ausführungen halten der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.

49

aa) Das Gericht kann sich die Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufgrund von Indizien bilden. Im Rahmen eines Indizienbeweises können Erfahrungssätze, etwa Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung oder durch besondere Sachkunde erworbene Regeln, etwa ökonomische Erfahrungssätze, Bedeutung erlangen. Während die Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachgeprüft wird, unterliegen die Existenz und der Inhalt eines Erfahrungssatzes und seine Anwendung durch den Tatrichter der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (s. etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 1993 - V ZR 202/91, NJW-RR 1993, 653).

50

Der Beweis des ersten Anscheins ist eine typisierte Form des Indizienbeweises. Er beruht auf der Anwendung von Erfahrungssätzen, die typische Gesche-hensabläufe zum Gegenstand haben (BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, NJW 2010, 1072 Rn. 8 mwN). Danach erlauben bereits feststehende Tatsachen in Verbindung mit einem solchen Erfahrungssatz den Schluss auf die eigentlich zu beweisende Tatsache, etwa auf eine bestimmte Ursache für ein Ereignis oder auf den Eintritt eines bestimmten Erfolgs. Für die Beweisführung genügt unter solchen Umständen die Feststellung der Tatsachen, an die der Erfahrungssatz anknüpft. Es ist dann Sache des Gegners, Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die ausnahmsweise einen anderen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen. Der Anscheinsbeweis unterscheidet sich mithin von Feststellungen nach allgemeinen Beweisregeln gerade dadurch, dass der konkrete Geschehensablauf nicht festgestellt zu werden braucht, weil von einem typischen, durch die Lebenserfahrung bestätigten gleichförmigen Hergang ausgegangen werden kann, solange das Geschehen keine Umstände aufweist, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass ein atypischer Geschehensablauf vorlag (BGH, NJW 2010, 1072 Rn. 11; Urteil vom 4. Mai 2012 - V ZR 71/11, NJW 2012, 2263 Rn. 13). Wegen den damit einhergehenden Einschränkungen ist bei der Anwendung des Anscheinsbeweises grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 11). Als typisch kann ein Geschehensablauf nur angesehen werden, wenn er so häufig vorkommt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 313; BGH, NJW 2010, 1072 Rn. 8; BGH, NJW 2012, 2263 Rn. 13, Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kapitel 16 Rn. 31; Prütting in MünchKomm.ZPO, 5. Auflage § 286 Rn. 58). Ob es einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt, ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar (BGH, Urteil vom 5. Februar 1987 - I ZR 210/84, BGHZ 100, 31, 33; BGHZ 160, 308, 313, Urteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 Rn. 27). Dies erfordert es, dass der Tatrichter, der sich bei der Überzeugungsbildung auf einen Beweis des ersten Anscheins stützt, deutlich macht, welchen Erfahrungssatz er dabei zugrunde legt.

51

bb) Nach diesen Maßgaben liegen hier die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins nicht vor.

52

(1) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setzt voraus, dass der Klägerin aus der Abwicklung der in Rede stehenden Aufträge ein Schaden entstanden ist, die Geschäfte ohne den Wettbewerbsverstoß also jeweils zu günstigeren Konditionen abgeschlossen hätten werden können. Dabei gilt der Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 41 ff. - Lottoblock II).

53

(a) Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Bundeskartellamts zugrunde gelegt, wonach Hersteller und Händler von Schienen und Weichen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 bundesweit Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen hatten. Unter Bezugnahme auf eigene frühere Entscheidungen (OLG Karlsruhe, NZKart 2014, 366; NZKart 2016, 595) hat es ausgeführt, einem solchen Kartell komme eine allgemein preissteigernde Wirkung zu. Dies rechtfertige die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Ebenso wie bei reinen Preisabsprachen werde bei Kundenschutzkartellen der Preiswettbewerb ausgeschaltet. Es liege auf der Hand, dass dies typischerweise mit einer Erhöhung des Preisniveaus einhergehe.

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(b) Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

55

(aa) Zwar entspricht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirtschaftlicher Erfahrung, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös der daran beteiligten Unternehmen führt. Dies gilt nicht nur für die Absprache von Preisen, sondern auch für die gemeinsame Festlegung bestimmter Quoten oder für Absprachen über die Zuweisung bestimmter Kunden an die Kartellanten. Durch solche Absprachen sind die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Absprachen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen vielfach eine Kartellrendite entstehen. Treffen Unternehmen trotz der damit einhergehenden erheblichen Risiken solche Absprachen, streitet danach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten (BGH, Urteil vom 8. Januar 1992 - 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 194; Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 - Grauzementkartell I; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 35 - Grauzementkartell II). Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde (BGH, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I).

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Einer solchen tatsächlichen Vermutung kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung regelmäßig eine starke indizielle Bedeutung zu. Hierdurch kann den Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, Rechnung getragen werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionskartellrecht anzuwenden haben, die volle Wirkung von dessen Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Unionsrecht dem Einzelnen verleiht. Die volle Wirksamkeit von Art. 101 AEUV setzt danach voraus, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch gegen diese Bestimmung verstoßende Absprachen entsteht. Bei der Anwendung der einzelstaatlichen Regelungen über Voraussetzungen und Durchsetzung des Anspruchs auf Schadensersatz haben die nationalen Gerichte den Effektivitätsgrundsatz zu beachten, also dafür Sorge zu tragen, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (EuGH, Slg. 2001, I-6297 Rn. 25 ff. - Courage und Crehan; Slg. 2006 I-6619 Rn. 89 ff. - Manfredi).

57

(bb) Auch wenn danach hinsichtlich der Wirkungen von Kartellen ökonomisches Erfahrungswissen besteht, fehlt es angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität. Zwar sind solche Absprachen grundsätzlich auf eine möglichst umfassende Wirkung ausgerichtet. Denn das von den beteiligten Unternehmen gemeinschaftlich verfolgte Ziel, als auskömmlich angesehene Preise zu erzielen, kann regelmäßig umso eher erreicht werden, je besser die Absprachen umgesetzt werden und je höher die Kartelldisziplin ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Absprachen erfolgreich umgesetzt werden, also die Erzielung höherer Preise einem typischen Geschehensablauf entspricht. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang wettbewerbsbeschränkende Absprachen einen Preiseffekt haben, wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, etwa der Anzahl der Marktteilnehmer, der Zahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Möglichkeiten der Marktgegenseite, ihren Bedarf anderweitig zu decken oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Einfluss dieser Faktoren kann, gerade wenn es - wie hier - um wettbewerbsbeschränkende Absprachen geht, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, erheblichen Veränderungen unterliegen. Insbesondere darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Absprachen von Unternehmen getroffen werden, die grundsätzlich jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen und nicht durchweg bereit sein müssen, sich der Kartelldisziplin zu fügen. Schon mit Rücksicht darauf fehlt es an einem typischen, gleichförmigen Hergang.

58

(cc) Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hat dazu geführt, dass das Berufungsgericht die Einwendungen der Beklagten nur je für sich und nur unter dem Gesichtspunkt erörtert hat, ob das Vorbringen geeignet ist, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Infolgedessen ist die rechtlich gebotene umfassende Würdigung aller Umstände unterblieben. Diese wird nachzuholen sein. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird sich das Berufungsgericht unter anderem mit dem Vorbringen der Beklagten zu befassen haben, wonach die Absprachen nicht zu einer Preiserhöhung, sondern lediglich zu einer besseren Auslastung der Produktionskapazitäten der beteiligten Unternehmen führten, was dadurch bestätigt werde, dass nach der Aufdeckung des Kartells ein Teil dieser Kapazitäten weggefallen und die Preise im Ergebnis gestiegen seien. Erwiese sich dieses Vorbringen, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, als zutreffend, könnte dies der Anwendung des oben wiedergegebenen Erfahrungssatzes, wonach ein Preis-, Quoten- und Kundenschutzkartell häufig zu einem Mehrerlös der beteiligten Unternehmen führt und - als Kehrseite - Preiseffekte zum Nachteil der Marktgegenseite hat, im konkreten Fall entgegenstehen. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang andererseits auch dem durch ein Privatgutachten des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung e.V. unterlegten Vortrag der Klägerin nachzugehen haben, wonach das Kartell zu deutlich höheren Preisen für Schienen und Weichen geführt habe.

59

(2) Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, dass die in Rede stehenden Aufträge kartellbefangen waren, also ein Wettbewerb unter möglichen Lieferanten der von der Klägerin jeweils benötigten Schienen und Weichen durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Absprachen ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde. Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist eine solche Feststellung, die hier insbesondere für die Anwendbarkeit der Pauschalierungsklausel Bedeutung hat, nach Maßgabe des § 286 ZPO zu treffen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 47 - Lottoblock II).

60

Auch insoweit fehlt es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - an der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität.

61

Zwar sind, wie bereits ausgeführt, Quoten- und Kundenschutzabsprachen grundsätzlich auf eine möglichst umfassende Wirkung ausgerichtet. Dies kann eine tatsächliche Vermutung dafür begründen, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren.

62

Es ist jedoch nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass solche Absprachen tatsächlich in jedem einzelnen Fall beachtet und umgesetzt werden, die Kartellbefangenheit der je einzelnen Aufträge mithin als typischer Geschehensablauf anzusehen ist. Neben den bereits oben im Zusammenhang mit dem Eintritt eines Schadens angesprochenen Umständen können weitere Faktoren eine Rolle spielen. So kann etwa die Umsetzung der Absprachen insbesondere in der Anfangsphase auf praktische Schwierigkeiten stoßen. Dabei kann etwa der Umstand Bedeutung erlangen, dass der für die Umsetzung wettbewerbsbeschränkender Absprachen erforderliche Informationsaustausch Einschränkungen unterliegt, die sich daraus ergeben, dass die Beteiligten wegen der Gefahr der Entdeckung besondere Vorsicht walten lassen.

63

Mit Recht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, dass sich das Berufungsgericht nicht hinreichend mit Besonderheiten auseinandergesetzt hat, die die Aufträge der Klägerin an die Beklagte betreffen, auf welche die Klage gestützt wird. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts beruhten die Absprachen maßgeblich darauf, dass den einzelnen Kartellanten bestimmte Unternehmen als „Altkunden“ oder „Stammkunden“ zugeordnet waren. Nach dem Vorbringen der Beklagten, das revisionsrechtlich zugrunde zu legen ist, war die Klägerin keine „Stammkundin“ der Beklagten. Das Berufungsgericht hat dazu lediglich bemerkt, daraus lasse sich nicht der Schluss ziehen, die Geschäfte anderer Kunden seien von den Absprachen unbeeinflusst geblieben. Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn auch für die Aufträge, die nicht von „Stammkunden“ erteilt werden, von einem typischen Geschehensablauf hinsichtlich der Kartellbetroffenheit ausgegangen werden könnte, wofür sich dem angefochtenen Urteil nichts entnehmen lässt.

64

Gerade bei Kartellabsprachen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und ein großes Gebiet abdecken sollen, ist zudem damit zu rechnen, dass sie zeitlich und räumlich unterschiedliche Intensität aufweisen. Dies zeigt sich auch im Streitfall, denn nach den Feststellungen des Bundeskartellamts, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, änderten sich die Absprachen hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten und wiesen zudem regional unterschiedliche Intensität aus. Dies hat das Berufungsgericht im Ansatz auch nicht verkannt, sondern ausdrücklich festgehalten, dass Veränderungen und Abweichungen insbesondere bei einem über einen längeren Zeitraum durchgeführten Kartell „geradezu den Normalfall“ darstellen. Danach ist aber eine Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht gerechtfertigt. Weder aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts noch aus den dort in Bezug genommenen früheren Entscheidungen ergibt sich, dass solche Veränderungen oder Abweichungen unerheblich sind, noch dass ungeachtet solcher Modifikationen jeweils ein typischer Geschehensablauf angenommen werden kann.

65

Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hat auch insoweit dazu geführt, dass die rechtlich gebotene umfassende Würdigung der Umstände durch den Tatrichter unterblieben ist.

66

cc) Danach erweist sich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sowohl hinsichtlich der Entstehung eines Schadens als auch bezüglich der Kartellbetroffenheit der in Rede stehenden Aufträge als unzureichend. Das Berufungsgericht hat die Einwendungen der Beklagten nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Erschütterung des Anscheinsbeweises und nur je für sich erörtert, die gebotene Gesamtwürdigung jedoch versäumt. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das angefochtene Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einer umfassenden Würdigung des Sachverhaltes zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

67

3. Fehlt es damit an verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die den Schluss tragen, dass die Aufträge kartellbefangen waren und zu einer Schädigung der Klägerin geführt haben, hat auch der Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts keinen Bestand.

68

II. Revision der Klägerin

69

Die Revision der Klägerin wegen der Höhe der Zinsen bleibt erfolglos.

70

1. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet die Neufassung des § 33 Abs. 3 GWB durch die 7. GWB-Novelle keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 55 - VBL-Gegenwert II). Solche Ansprüche sind in entsprechender Anwendung von § 849 BGB nur in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246 BGB) zu verzinsen (BGH, WRP 2018, 941 Rn. 49 - Grauzementkartell II). § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB greift insoweit nicht ein, da kein Verzug begründet wurde. Die Schwierigkeiten, die sich für das Opfer wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei der Ermittlung der Schadenshöhe ergeben können, rechtfertigen es nicht, eine Mahnung generell als entbehrlich anzusehen. Eine Absicht des Gesetzgebers, den Deliktsschuldner bei der Zinshöhe dem Verzugsschuldner gleichzustellen, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/17 Rn. 57 - VBL-Gegenwert II; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 52 - Grauzementkartell II). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht ausgesprochen, dass Schadensersatzansprüche, die sich aus vor dem 1. Juli 2005 erteilten Aufträgen ergeben, ab Schadensentstehung mit 4% jährlich zu verzinsen sind.

71

2. Soweit Schadensersatzansprüche Aufträge betreffen, die erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erteilt wurden, hat das Berufungsgericht der Klägerin zutreffend Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens zugesprochen.

72

Die Revision meint, die Klägerin habe nach § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB i.V. mit § 288 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

73

Dies trifft nicht zu. In Fällen kartelldeliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche ist die Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf Konstellationen beschränkt, in denen sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung auf eine Entgeltforderung des Geschädigten bezieht (BGHZ 199, 1 Rn. 71 - VBL-Gegenwert I; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 51 - Grauzementkartell II).

74

III. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Die Sache war im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die tatsächlichen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei getroffen wurden.

75

Für die Anwendung der Pauschalierungsklausel - ihre Wirksamkeit unterstellt - ist insbesondere von Bedeutung, ob die betreffenden Aufträge kartellbefangen waren. Insofern ist es, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht entscheidend, ob die Zuweisung des Auftrags an die Beklagte auf einer ausdrücklichen Absprache beruhte oder ob nach dem gesamten Zuschnitt der Vereinbarungen und ihrer Umsetzung durch die am Kartell beteiligten Unternehmen auch ohne eine solche klar war, dass die Beklagte den jeweiligen Auftrag erhalten sollte. Soweit es im Übrigen um die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz geht, wird es insbesondere darauf ankommen, ob die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen allgemein preissteigernde Wirkung hatten. Dazu wird das Berufungsgericht den Sachverhalt, gegebenenfalls nach Einholung sachverständigen Rats, umfassend zu würdigen haben.

76

Für den Fall, dass das Berufungsgericht hiernach erneut zu dem Ergebnis kommt, dass die Aufträge kartellbefangen waren und der Klägerin ein Schaden entstanden ist, weist der Senat auf Folgendes hin:

77

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten, ist nicht zu beanstanden.

78

a) Die Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid, wonach die an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligten Unternehmen zum Teil von ihren Kunden vor einer Ausschreibung des Auftrags in die Erstellung des Leistungsverzeichnisses einbezogen wurden, begründen kein Mitverschulden der Klägerin. Dies gilt auch dann, wenn die Einbeziehung eines Unternehmens in die Erstellung des Leistungsverzeichnisses eines potentiellen Kunden dazu führte, dass die Ausschreibungen auf die Produkte eines bestimmten Herstellers zugeschnitten wurden. Abgesehen davon, dass Feststellungen dazu fehlen, dass die Klägerin bei den hier in Rede stehenden Beschaffungsvorgängen so vorgegangen ist, zeigt die Revision keine Anhaltspunkte dafür auf, dass eine solche Vorgehensweise dazu führte, dass auf entsprechende Ausschreibungen nur ein einziges Angebot abgegeben wurde. Zudem wäre ein solches Vorgehen der ausschreibenden Unternehmen allenfalls als fahrlässiges Verhalten einzuordnen, das gegenüber einer vorsätzlichen Schädigung, wie sie der Beklagten hinsichtlich ihrer Beteiligung an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen anzulasten ist, grundsätzlich nicht anspruchsmindernd anzurechnen ist (BGH, Urteil vom 10. November 2016 - III ZR 235/15, BGHZ 213, 1 Rn. 42).

79

b) Ein Mitverschulden ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin zum Teil Aufträge ohne vorherige Ausschreibung vergeben hat.

80

Aus den getroffenen Feststellungen und dem von der Revision aufgezeigten Vortrag ergibt sich nichts dafür, dass der Klägerin bei einer Ausschreibung der Aufträge günstigere Konditionen eingeräumt worden wären. Vielmehr sprechen die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Vorgehensweise der an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligten Unternehmen dafür, dass sie, soweit sie zu überhöhten Preisen angeboten haben, dies auch dann getan hätten, wenn die betreffenden Aufträge ausgeschrieben worden wären.

81

c) Der Einwand der Beklagten, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ihren Organisations- und Überwachungspflichten zur Abwehr von Kartellrechtsverstößen nicht nachgekommen sei, greift nicht durch.

82

Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug vorgetragen, der "für die Nahverkehrsstruktur zuständige" Mitarbeiter K. der Klägerin habe in regelmäßigem Kontakt mit Mitarbeitern der Streithelferin zu 4 und der Beklagten gestanden. Er habe einen Mitarbeiter der Streithelferin zu 4 informiert, wenn die Klägerin eine Beschaffung bei einem anderen Unternehmen beabsichtigt habe. Ihm seien auch Fälle bekannt gewesen, in denen die Streithelferin zu 4 einen Auftrag für Weichen erhalten und diese dann bei einem anderen kartellbeteiligten Unternehmen beschafft habe, obwohl dieses zuvor bei der Ausschreibung ein Angebot mit höherem Preis abgegeben habe.

83

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob dieses Vorbringen zuzulassen sei, und ausgeführt, es sei nicht geeignet, ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen. Dies ist nicht zu beanstanden.

84

Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen hatte oder sich gar pflichtwidrig an diesen beteiligte, rechtfertigt als solcher nicht den Schluss, die Klägerin habe ihre Organisations- und Überwachungspflichten verletzt. Im Übrigen träfe sie insoweit allenfalls der Vorwurf der Fahrlässigkeit, so dass ihr Beitrag angesichts des vorsätzlichen Handelns der Beklagten zurückzutreten hätte.

85

d) Die Klägerin muss sich im Rahmen der Prüfung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB auch keine eigene Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und ihrer Umsetzung sowie der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran entgegenhalten lassen.

86

aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass organschaftliche Vertreter der Klägerin (§ 31 BGB) Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und ihrer Umsetzung sowie der Beteiligung der Beklagten hieran hatten. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass sie in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hat, eine solche Kenntnis sei den Vertretern der Klägerin von K. vermittelt worden. An der von der Revision hierfür herangezogenen Stelle hat die Beklagte lediglich die Kenntnis von K. behauptet und daraus gefolgert, die Klägerin habe Kenntnis von den Absprachen gehabt.

87

bb) Über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus hat die Rechtsprechung eine Repräsentantenhaftung für solche Personen entwickelt, denen bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 12 mwN).

88

Die Beklagte zeigt nicht auf, dass sie Umstände vorgetragen hat, die den Schluss zuließen, dass K. eine Stellung innehatte, die es rechtfertigte, ihn in Bezug auf den Einkauf von Gleisoberbaumaterialien als Repräsentant der Klägerin anzusehen. Die nicht näher konkretisierte Behauptung, er sei früher der "für die Nahverkehrsinfrastruktur" bei der Klägerin zuständige Mitarbeiter gewesen, genügt hierfür nicht, zumal eine solche Behauptung bei einem Nahverkehrsunternehmen wie der Klägerin auf zahlreiche Mitarbeiter zutreffen dürfte.

89

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, K. sei als Wissensvertreter der Klägerin anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 166 Abs. 1 BGB entsprechend auch auf sogenannte Wissensvertreter anzuwenden (BGH, Urteil vom 24. Januar 1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. mwN; Urteil vom 18. Februar 2003 - X ZR 245/00, BauR 2004, 337, 338 f.). Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. Wissensvertreter ist dabei jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten. Der Geschäftsherr muss sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen.

90

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss tragen, K. sei befugt gewesen, in eigener Verantwortung über die hier in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge zu entscheiden. Zu Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Vortrag, K. sei für die Nahverkehrsinfrastruktur zuständig gewesen, rechtfertige es nicht, ihn insofern als Wissensvertreter der Klägerin zu qualifizieren. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage dafür, der Klägerin die behaupteten Kenntnisse ihres Angestellten zuzurechnen.

91

Selbst wenn K. befugt gewesen wäre, die Klägerin bei der Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien zu vertreten, hätte er im Übrigen seine Vertretungsmacht missbraucht, wenn er in Kenntnis der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran, jedoch ohne die Organe der Klägerin hierüber zu informieren, der Beklagten Aufträge erteilt hätte. In diesem Fall wäre die Beklagte wegen kollusiven Zusammenwirkens mit einem Angestellten der Klägerin zu deren Nachteil nach Treu und Glauben daran gehindert, sich unter Verweis auf dessen Kenntnisse von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der Beteiligung der Beklagten hieran auf ein Mitverschulden der Klägerin zu berufen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2000 - V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406; Urteil vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06, NJW-RR 2008, 977 Rn. 10).

92

2. Die Einrede der Verjährung greift, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, nicht durch.

93

a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt, dass die Klägerin vor Erlass des Bußgeldbescheids am 18. Juli 2013 keine Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Mittäterschaft der Beklagten hatte.

94

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich auf die Person des Gläubigers abzustellen. Im Fall der gesetzlichen Vertretung muss sich der Vertretene grundsätzlich nur das Wissen seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen. Wie bereits ausgeführt wurde, ist nicht festgestellt, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin von K. über wettbewerbsbeschränkende Absprachen der Hersteller von Schienen und Weichen unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten informiert wurden.

95

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, K. sei über die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen informiert gewesen. Die Kenntnis eines rechtsgeschäftlichen Vertreters ist für den Verjährungsbeginn regelmäßig unerheblich. Die Vorschrift des § 166 BGB ist in diesem Bereich wegen des Zwecks der Verjährungsvorschriften nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 15).

96

Einem Anspruchsteller ist es allerdings verwehrt, sich auf eigene Unkenntnis zu berufen, wenn er sich eines sogenannten Wissensvertreters bedient, den er mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten, insbesondere mit der Betreuung und Verfolgung des in Frage stehenden Anspruchs in eigener Verantwortung betraut hat. In dieser Konstellation muss sich der Anspruchsteller das Wissen des Dritten in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1 Rn. 35; Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 16). Wie bereits ausgeführt wurde, hat das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen, die den Schluss zuließen, dass K. die Stellung eines Wissensvertreters hatte.

97

Selbst wenn K. befugt gewesen wäre, die Klägerin bei der Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien zu vertreten, könnte sich die Beklagte nicht auf eine Wissenszurechnung berufen, wenn K. in Kenntnis der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran, jedoch ohne die Organe der Klägerin hierüber zu informieren, der Beklagten Aufträge erteilt hätte. Die Wissenszurechnung dient dem Schutz des redlichen Vertragspartners. Sie ist nicht gerechtfertigt, wenn dieser nicht schutzwürdig ist (BGH, NJW-RR 2008, 977 Rn. 10). So verhielte es sich, wenn ihr Mitarbeiter hinter dem Rücken der Klägerin zu deren Nachteil mit der Beklagten zusammengewirkt hätte.

98

c) Den Eintritt der kenntnisunabhängigen Verjährung (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB) hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend verneint.

99

Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren (BGH, WRP 2018, 941 - Grauzementkartell II). Danach wurde die Verjährung der Ansprüche der Klägerin auch hinsichtlich solcher Aufträge, die der Beklagten vor dem 1. Juli 2005 erteilt wurden, durch die Einleitung der Ermittlungen der Kartellbehörde im Mai 2011 bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Abschluss des Verfahrens gehemmt. Bereits deshalb war die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei Erhebung der am 29. August 2014 eingereichten und nach Einzahlung des Kostenvorschusses am 23. September 2014 zugestellte Klage auch bezüglich Ansprüchen aus Beschaffungsvorgängen, bei denen der Auftrag im Jahr 2004 bzw. im Mai 2005 erteilt worden war, noch nicht abgelaufen.

100

Auf die Frage, ob das von der Klägerin eingeleitete Güteverfahren eine Hemmung der Verjährung bewirkt hat, kommt es hiernach nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob die Verjährungsfrist bereits mit der Erteilung des jeweiligen Auftrags an die Beklagte in Lauf gesetzt wurde.

Limperg     

        

Meier-Beck     

        

Raum   

        

Sunder      

        

Deichfuß      

        

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