Entscheidung vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 2444/16

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2012 vom 8. Januar 2014 und für 2013 vom 18. Dezember 2015 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2012 i.H. von 3.804,26 Euro und für 2013 i.H. von 20.786,40 Euro festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Kläger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob in den Kalenderjahren 2012 und 2013 (Streitjahre) eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und einer A GmbH (nachfolgend: A GmbH) als Organgesellschaft bestand.
1. Der Kläger war mit seiner Mutter, einer B (nachfolgend: B), an der „Grundstücksgesellschaft B und Kl“ (nachfolgend: G-GbR) jeweils zu 50% beteiligt (Gesellschaftsvertrag vom 28. Dezember 1982, Gerichtsakte, Bl. 23 ff.). Die G-GbR verpachtete der A GmbH das Grundstück ... straße xx in X (Flurstück xxxx/xx, Blatt xxxx Gemarkung X, Gerichtsakte, Bl. 69 ff.; nachfolgend: Betriebsgelände).
Nach dem Gesellschaftsvertrag der G-GbR übte jeder persönlich haftende Gesellschafter die Geschäftsführung und Vertretung unter Befreiung von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus (Ziffer 5, Gerichtsakte, Bl. 24.); Gesellschafterbeschlüsse sollten mit einfacher Mehrheit gefasst werden (Ziffer 9 Abs. 3, Gerichtsakte, Bl. 25.). Ferner sollte die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst werden (Ziffer 18, Gerichtsakte, Bl. 28).
Ziffer 20 des Gesellschaftsvertrages sah überdies Folgendes vor (Gerichtsakte, Bl. 29):
        
Übereinstimmung der Gesellschaftsverträge
        
Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit zugleich für ihre Rechts- und Sonderrechtsnachfolger zur gegenseitigen Mitwirkung bei der Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Übereinstimmung der beiden heute abgeschlossenen Gesellschaftsverträge für die Besitzgesellschaft (BGB-Gesellschaft) und die Betriebsgesellschaft (offene Handelsgesellschaft). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine eventuelle spätere Änderung der Rechtsform der beiden Gesellschaften oder einer der beiden Gesellschaften. Die Übereinstimmungsverpflichtung gilt insbesondere auch für die jeweilige Personen- und Beteiligungsidentität. Sie erstreckt sich im Innenverhältnis auch auf die Geschäftsführungsbefugnis der jeweiligen Vertreter der beiden genannten Gesellschafter.
        
Zu diesem Zweck wird weiter Folgendes vereinbart:
        
Ein Gesellschafter scheidet aus der gegenwärtigen Gesellschaft aus, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft durch Abtretung, Anwachsung, Erbfolge oder auf sonstige Weise auf eine oder mehrere Personen übergeht, ohne dass die Beteiligung an der gegenwärtigen Gesellschaft auf dieselbe Person oder dieselben Personen im gleichen Beteiligungsverhältnis übergeht. Sofern oder soweit ein solches Ausscheiden bei der einen Gesellschaft sich nicht unmittelbar auf die andere Gesellschaft erstrecken kann, bestehen entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen.“
2. Gegenstand des Unternehmens der A GmbH ist die Herstellung und der Handel mit [ ... ] aller Art (Handelsregister des Amtsgerichts -AG- xxx). Sie ging aus der Umwandlung einer A OHG hervor. Einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer und zu je 50% beteiligte Gesellschafter der A GmbH waren der Kläger (Geschäftsanteil Nr. 2) und -bis 1. Dezember 2012- die B (Geschäftsanteil Nr. 1, § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 20. Mai 1983, Notariat Y, Urkundenrolle Nr. xxx/xx, Gerichtsakte, Bl. 13 ff.). Gesellschafterbeschlüssen werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 8 Abs. 3, Gerichtsakte, Bl. 16).
§ 14 des Gesellschaftsvertrages (Gerichtsakte, Bl. 19) bestimmt weiter:
        
Übereinstimmung der Gesellschaftsverträge
        
(1) Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit zugleich für ihre Rechts- und Sonderrechtsnachfolger zur gegenseitigen Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung und Herbeiführung der Übereinstimmung des gegenwärtigen Gesellschaftsvertrags und des Gesellschaftsvertrags der Besitzgesellschaft, der Grundstücksgesellschaft B und Kl. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine eventuelle spätere Änderung der Rechtsform der beiden Gesellschaften oder einer der beiden Gesellschaften. Die Übereinstimmungsverpflichtung gilt insbesondere auch für die jeweilige Personen- und Beteiligungsidentität. Sie erstreckt sich im Innenverhältnis auch auf die Geschäftsführungsbefugnis der jeweiligen Vertreter der beiden genannten Gesellschaften.
        
(2) Ein Gesellschafter scheidet aus der gegenwärtigen Gesellschaft aus, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (Besitzgesellschaft) durch Abtretung, Anwachsung, Erbfolge oder auf sonstige Weise auf eine oder mehrere Personen übergeht, ohne dass die Beteiligung an der gegenwärtigen Gesellschaft auf dieselbe Person oder dieselben Personen im gleichen Beteiligungsverhältnis übergeht. Sofern oder soweit eine solches Ausscheiden bei der einen Gesellschaft sich nicht unmittelbar auf die andere Gesellschaft erstrecken kann, bestehen entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen; dies gilt auch sofern und soweit das in Satz 1 genannte Ausscheiden gesetzlich nicht zulässig ist.“
Mit Beschluss des AG Y wurde am 4. Oktober 2013 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die A GmbH bestellt (Gerichtsakte, Bl. 56). Demnach waren Verfügungen über Gegenstände des Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 der Insolvenzordnung -InsO-). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH wurde am 1. Januar 2014 eröffnet (xxxxx).
3. Die bereits am 1. Dezember 2012 verstorbene B  hatte mit notariellem Testament vom 24. Oktober 1985 (§ 2, Notariat Y II, Urkunden Nr. xxx, Gerichtsakte, Bl. 34 ff.) ihre drei Kinder -den Kläger und ihre Töchter, eine C und eine D, jeweils geb. A- zu je einem Drittel als Erben eingesetzt (nachfolgend: Erbengemeinschaft).
In § 3 des Testaments hatte sie verfügt (Gerichtsakte, Bl. 35 bis 37):
        
„Ich ordne folgende Vorausvermächtnisse an:
…       
B. Mein Sohn Kl [der Kläger] erhält:
        
1. meine gesamte Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft B und Kl [G-GbR] in X, Gesellschaft nach § 705 ff. BGB, und zwar im weitesten Sinne,
        
2. meinen Geschäftsanteil bei der A GmbH [A GmbH] mit dem Sitz in X, und zwar im weitesten Sinne.
        
zu 1 und 2: Mitvermacht sind alle damit zusammenhängenden Rechte, Ansprüche und Verbindlichkeiten, auch meine im Zeitpunkt meines Todes noch bestehenden Darlehensansprüche. …
        
Für die vorstehenden Vermächtnisse gelten folgende gemeinsamen Bestimmungen:
        
d) Jeder Vermächtnisnehmer wird unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug der zu seinen Gunsten angeordneten Vermächtnisse erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Diese Vollmachten sind, soweit gesetzlich zulässig, nach meinem Tod unwiderruflich. Ich stelle ausdrücklich fest, dass sich diese Vollmacht, soweit sie die Vermächtnisgegenstände Buchstabe B betrifft, sich auch auf die Abgabe und Entgegennahme aller Erklärungen und Rechtshandlungen erstreckt, die aus steuerlicher Sicht notwendig bzw. zweckmäßig sind, insbesondere zwecks Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung; ich nehme insbesondere Bezug auf die Ziffer 20 des BGB-Gesellschaftsvertrages und den § 14 des GmbH-Vertrags. …“
10 
4. Mit notariellem Vertrag vom 15. Juli 2013 wurde der Geschäftsanteil Nr. 1 der verstorbenen B an der A GmbH von der Erbengemeinschaft auf den Kläger übertragen (II. § 2 und IV. der Urkunde Nr. xxx, Notariat Y, Gerichtsakte, Bl. 49). Die Übertragung erfolgte mit schuldrechtlicher Wirkung rückwirkend zum Todestag der B am 1. Dezember 2012, 24:00 Uhr (II. § 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
11 
Mit notarieller Urkunde vom 18. Juli 2013 beantragte der Kläger sodann unter Bewilligung der weiteren Miterben eine Grundbuchberichtigung hinsichtlich des an die A GmbH überlassenen Betriebsgeländes dahingehend, ihn als Alleineigentümer im Grundbuch einzutragen (Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
12 
5. In seiner Umsatzsteuer-Anmeldung für 2012 erklärte der Kläger aus der Vermietung von zwei Gebäuden in der ... weg x, V sowie der ... platz x und y, W Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 21.479 Euro sowie abziehbare Vorsteuerbeträge i.H. von 276,75 Euro (USt-Akte, Bl. 1 und 3).
13 
Der Beklagte ging in seinem Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 8. Januar 2014 (USt-Akte, Bl. 12) demgegenüber von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 97.844 Euro (= 21.479 Euro + 76.365 Euro) und Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H. von gerundet 8.249 Euro (= 276,75 Euro + 7.973,18 Euro) aus, in dem er die A GmbH ab 1. Dezember 2012 als Organgesellschaft des Klägers behandelte (Aktenvermerk des Beklagten vom 17. Februar 2014, USt-Akte, Bl. 21).
14 
Für 2013 hat der Kläger bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben. Daher schätzte der Beklagte in seinem Umsatzsteuerbescheid vom 18. Dezember 2015 -„im Hinblick auf das Organschaftsverhältnis“ mit der A GmbH- Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 782.377 Euro und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H. von 56.416,75 Euro, wobei er die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der A GmbH zugrunde legte (USt-Akte, Bl. 38). Dabei ging er davon aus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ab 4. Oktober 2013 faktisch wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter gehandelt habe, so dass ab diesem Zeitpunkt die organisatorische Eingliederung der A GmbH weggefallen sei (Aktenvermerk des Beklagten vom 17. Februar 2014, USt-Akte, Bl. 21 f.). Der Kläger reichte mit Schriftsatz vom 31. März 2017 eine „Umsatzsteuererklärung 2013 in vorläufiger Form“ ein, aus welcher sich umsatzsteuerpflichtige Umsätze (einschließlich unentgeltlicher Wertabgaben) i.H. von 27.588 Euro und Vorsteuerbeträge i.H. von 3.362,48 Euro ergeben (Gerichtsakte, Bl. 117 und 120). Hinsichtlich der Umsätze der A GmbH von 15. Juli 2013 bis 3. Oktober 2013 erklärte er, dass diese nach Bekanntwerden noch ergänzt werden würden (Gerichtsakte, Bl. 115).
15 
6. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, und zwar am 21. Januar 2014 gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2012 (Rb-Akte, Bl. 3) und am 22. Dezember 2015 gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2013 am 22. Dezember 2015 (Rb-Akte, Bl. 116).
16 
Er trägt vor, dass der Kläger und die Erbengemeinschaft nach dem Tod der B jeweils 50% der Anteile an der A GmbH gehalten hätten. Daher sei keine finanzielle Eingliederung gegeben, da hierfür die Stimmenmehrheit des Klägers an der A GmbH erforderlich gewesen wäre. Diese habe der Kläger nicht gehabt. Zudem habe der Kläger --anders als von der Notarin dargestellt (vgl. § 1 Vorbemerkung zur Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013, Notariat Y, Urkundenrolle Nr. xxx, Gerichtsakte, Bl. 54)- die G-GbR nach dem Tod der B nicht als Einzelunternehmer fortgeführt. Vielmehr sei der GbR-Anteil der B -ebenso wie ihr Geschäftsanteil Nr. 1 an der A GmbH- auf alle Miterben übergegangen. Eine Anwachsung habe beim Kläger nicht stattgefunden. Verfügten aber mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH, sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert (Rb-Akte, Bl. 41 ff. und 122 ff.).
17 
7. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 als unbegründet zurückgewiesen (Rb-Akte, Bl. 175 ff.).
18 
Eine finanzielle Eingliederung der A GmbH soll demnach bereits ab dem 1. Dezember 2012 vorliegen, denn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe der Kläger zwar keine rechnerische Mehrheit der Stimmrechte gehabt. Dennoch hätte ihm durch die besonderen Umstände eine eindeutige Mehrheit der Stimmrechte kraft wirtschaftlichen Eigentums zugestanden. Dass aufgrund eines Vermächtnisses wirtschaftliches Eigentum bestehen könne, sei im Übrigen in der Rechtsprechung anerkannt, wenn der Vermächtnisnehmer (hier der Kläger) die wirtschaftliche Sachherrschaft über den vermachten Gegenstand bereits vor einer Erfüllung ausübe (Rb-Akte, Bl. 177 f.).
19 
8. Dagegen erhob der Kläger am 13. August 2016 die vorliegende Klage (Gerichtsakte, Bl. 3 ff.).
20 
Der Kläger beantragt (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4),
die Umsatzsteuerbescheide für 2012 vom 8. Januar 2014 und für 2013 vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 zu ändern und um die Umsatzsteuer der Umsätze der A GmbH zu reduzieren.
21 
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2016 (S. 1, Gerichtsakte, Bl. 76),
die Klage abzuweisen.
22 
Der Beklagte ergänzte seinen Vortrag mit Schriftsatz vom 13. April 2017 (Gerichtsakte, Bl. 106) dahingehend, dass sich aus den Akten der A GmbH keine Hinweise im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung der Betriebsaufspaltung ergäben. Da der Kläger sowohl in der Bilanz zum 31. Dezember 2012 (Gerichtsakte, Bl. 153) als auch im Insolvenzeröffnungsgutachten vom 23. Dezember 2013 (Gerichtsakte, Bl. 168) angegeben habe, dass er Alleinerbe von B ab 2. Dezember 2012 gewesen sei, habe der Beklagte die personelle Verflechtung angenommen. Anlass für weitere Nachprüfungen habe nicht bestanden. Hinsichtlich der Umsätze der A GmbH vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 lägen nur monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen vor. Eine taggenaue Abgrenzung sei daher nicht möglich.
23 
Der Bevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 18. April 2017 (Gerichtsakte, Bl. 109 f.) aus, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 15. Juli 2013 keine Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten, weshalb diesbezüglich keine Protokolle vorgelegt werden könnten. Der Jahresabschluss 2012 der A GmbH sei vom Kläger als Gesellschafter am 17. Juli 2013 festgestellt worden (Anlage K9, Gerichtsakte, Bl. 111). Es gebe auch keine Beschlüsse der Erbengemeinschaft bezüglich der Verwaltung des Nachlasses und der Rechtsstellung der einzelnen Gemeinschafter hinsichtlich der zugewandten Vorausvermächtnisse. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2017 (Gerichtsakte, Bl. 145 f.) wurde weiterhin erklärt, dass das Insolvenzeröffnungsgutachten nicht vom Kläger, sondern vom Insolvenzverwalter bzw. vom Gutachter stamme. Es sei deshalb unerheblich, welche rechtliche Schlussfolgerung dieser aus der erbrechtlichen Situation gezogen habe. Jedenfalls sei diese unzutreffend gewesen, da der Kläger nicht Alleinerbe gewesen sei. Die rechtlichen Verhältnisse habe zudem der Steuerberater im Jahresabschluss dargestellt. Dabei habe er darauf hingewiesen, dass die Gesellschafterin verstorben und der Kläger damit Alleinerbe sei. Der Kläger habe die allgemeinen Hinweise des Steuerberaters im Jahresabschluss für 2012 nicht gelesen oder gar überprüft, weil er sich auf die Angaben verlassen habe. Zwar habe er den Jahresabschluss unterschrieben, damit aber nicht die rechtliche Bewertung gebilligt.
24 
Der Sach- und Streitstand wurde mit den Beteiligten am 14. März 2017 erörtert.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Unterlagen, die Behördenakten (USt- und Rechtsbehelfsakte) sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die Klage ist begründet.
27 
Dabei geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Streitjahre zu ändern und dabei davon auszugehen, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 keine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag. Zwar beantragte der Bevollmächtigte noch im Schriftsatz vom 13. August 2016 (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4) die Umsatzsteuerbescheide zu ändern und insgesamt „um die Umsätze der A GmbH zu reduzieren“. Im Schriftsatz vom 18. April 2017 i.V.m. Anlage K11 (Gerichtsakte, Bl. 115) führte der Steuerberater des Klägers aber aus, dass die Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH „im Zeitraum der Organschaft vom 15.07. - 03.10.2013“ nur deshalb von ihm bisher nicht berücksichtigt wurden, da diese nicht bekannt gewesen seien. Nach Bekanntwerden dieser Werte müsste die Umsatzsteuer-Anmeldung diesbezüglich noch ergänzt werden. Daraus schließt der Senat, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft in diesem Zeitraum vom Kläger nicht mehr bestritten wird.
28 
1. Die Umsatzsteuerbescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als ihm in den Streitjahren für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 Umsätze der A GmbH aufgrund einer umsatzsteuerlichen Organschaft zugerechnet wurden. Eine Organschaft bestand erst wieder ab dem 15. Juli 2013 (bis 3. Oktober 2013).
29 
a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse organisatorisch, wirtschaftlich und -hier allein streitig- finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist in den Streitjahren Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Demnach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
30 
Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Ein bloßes Vetorecht in Form einer Sperrminorität von 50% der Stimmrechte ist nicht ausreichend (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. November 2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167, vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 und vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543 Rn. 24 und 29). Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden (BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 Rn. 32). Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.).
31 
b) Vom 1. Dezember 2012 bis zur Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 durch notarielle Abtretung am 15. Juli 2013 konnte der Kläger bei der A GmbH seinen Willen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen, da ihm in dieser Zeit nicht mehr als 50% der Stimmen an der A GmbH (und damit keine Stimmenmehrheit) zustanden.
32 
Zwar braucht die Anteilsmehrheit nicht unmittelbar zu bestehen, da eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Ist allerdings eine Gesellschaft oder Gemeinschaft (hier die Erbengemeinschaft) zwischengeschaltet, welche die Beteiligung (an der A GmbH) hält, ist Voraussetzung für eine Zurechnung, dass diese vom Organträger ihrerseits finanziell beherrscht wird (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., 2017, § 2 Rn. 118). Dies ist vorliegend aufgrund der Beteiligung des Klägers an der Erbengemeinschaft mit lediglich einem Drittel nicht gegeben.
33 
aa) Aufgrund des Gesellschaftsvertrages war der Kläger vom 1. Dezember 2012 bis 14. Juli 2013 nur Inhaber von 50% der Geschäftsanteile an der A GmbH (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 14).
34 
Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsanteile einer GmbH veräußerlich und vererblich. Daher hat der Tod eines Gesellschafters keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft und den Geschäftsanteil. Vielmehr gehen Geschäftsanteile ohne weiteres zwingend auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters über (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1091).
35 
Diese Rechtsfolge kann durch Gesellschaftsvertrag auch nicht ausgeschlossen werden. Eine Sondererbfolge ist --anders als bei Anteilen an Personengesellschaften- nicht möglich (Görner in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., 2017, § 15 Rn. 132). Eine Satzung kann aber Bestimmungen enthalten, was mit dem Geschäftsanteil nach dem erbrechtlichen Übergang geschehen soll (Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 1922 Rn. 24 m.w.N.). Mehrere Erben eines verstorbenen Gesellschafters werden daher Inhaber zur gesamten Hand nach § 2032 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Als Mitberechtigte i.S.v. § 18 Abs. 1 GmbHG können sie die Rechte aus dem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Ist ein Geschäftsanteil durch (Voraus-) Vermächtnis hinterlassen, so hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Geschäftsanteils (§ 1939 i.V.m. § 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer steht damit zivilrechtlich dem Erben nicht gleich (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1079 bis 1081).
36 
Da die B den Kläger und seine beiden Schwestern testamentarisch als Erben zu je einem Drittel einsetzte (§ 2, Gerichtsakte, Bl. 35), ging der Geschäftsanteil Nr. 1 und das damit verknüpfte Stimmrecht am 1. Dezember 2012 zunächst auf die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Bindung über.
37 
bb) Das Stimmrecht konnte insoweit nur von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werden.
38 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie gemeinsam das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass sind. Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
39 
Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind. Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (Beschluss des Oberlandesgerichts -OLG- Karlsruhe vom 16. Dezember 2013 7 W 76/13, GmbHR 2014, 254 Rn. 20; vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., 2017, § 18 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2016, § 18 Rn. 8; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2032 Rn. 9).
40 
Aufgrund seines Erbteils i.H. von lediglich einem Drittel war der Kläger daher bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses -wozu auch die Ausübung des Stimmrechts hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 gehörte- nach § 18 Abs. 1 GmbHG, § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB in der Minderheit und hätte sich bei einer notwendigen Beschlussfassung gegen den Willen der beiden Miterbinnen nicht durchsetzen können (vgl. Urteile des Thüringer OLG vom 25. April 2012 2 U 520/11, GmbHR 2013, 149 Rn. 49 f. und des OLG Nürnberg vom 16. Juli 2014 12 U 2267/12, GmbHR 2014, 1147 Rn. 58). Eine Notgeschäftsführungsbefugnis des Klägers auf der Grundlage von § 2038 Abs. 1 Satz 2 a.E. BGB war insofern nicht eröffnet. Auch stand dem Kläger allein aufgrund des Vorausvermächtnisses hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 kein Stimmrecht zu (Beschluss des OLG Stuttgart vom 9. September 2014  14 U 9/14, GmbHR 2015, 192 Rn. 15).
41 
Diese gemeinschaftliche Verwaltung des Geschäftsanteils Nr. 1 endete mit dinglicher Wirkung erst durch dessen notarielle Abtretung nach § 15 Abs. 3 GmbHG am 15. Juli 2013 (§ 2 Abs. 1, Gerichtsakte, Bl. 49). Dass die Übertragung auf den Erwerber „mit schuldrechtlicher Wirkung“ -einschließlich des Gewinnbezugsrechts- bereits auf den 1. Dezember 2012 erfolgte, ist insofern unbeachtlich (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
42 
cc) Die Erbengemeinschaft schied auch nicht bereits am 1. Dezember 2012 zugunsten des Klägers aus der A GmbH aus.
43 
§ 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH sieht zwar vor, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (hier der G-GbR als Besitzgesellschaft) durch Anwachsung auf eine (oder mehrere) Personen übergeht (Gerichtsakte, Bl. 19).
44 
Diese Bedingung trat durch das Ableben der B ein, denn damit schied sie als hälftige Mitgesellschafterin am 1. Dezember 2012 aus der zweigliedrigen G-GbR aus. Diese wurde dadurch -wegen der Fortsetzungsklausel in Ziffer 18 des Gesellschaftsvertrags- zwar nicht aufgelöst (Gerichtsakte, Bl. 28, vgl. ferner § 727 Abs. 1 a.E. BGB). Da aber eine Personengesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht bestehen kann, wurde sie dennoch beendet. Der Kläger als verbliebener Gesellschafter wurde kraft Anwachsung nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der beendeten G-GbR, denn das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft führt zur Übernahme der Aktiva und Passiva durch den verbleibenden Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Dezember 1999 VII ZR 53/97, GmbHR 2000, 188 Rn. 11; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4378; Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl., 2017, § 737 Rn. 4 und 738 Rn. 1a). Davon ging übrigens auch die Notarin in dem Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013 aus (§ 1 Vorbemerkung, Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
45 
Diese Anwachsung führte jedoch nicht zu einem sofortigen Ausscheiden der Erbengemeinschaft als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1, denn solche sog. Automatikklauseln sind unwirksam. Zum Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es eines rechtsgestaltenden Aktes. Für den Erbfall kann lediglich im Rahmen des Gesellschaftsvertrages eine durch das Ableben eines Gesellschafters bedingte Abtretung an die GmbH oder an bestimmte Gesellschafter geregelt werden, wobei im letzteren Fall die Abtretung zusätzlich durch das Überleben des Abtretungsempfängers bedingt ist (Müller/Maul in Beck’sches Handbuch der GmbH, 4. Aufl., 2009, § 13 Rn. 127; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4382 m.w.N.).
46 
Eine solche bedingte Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1, die mit dem Ableben der B wirksam geworden sein könnte, findet sich jedoch weder unmittelbar im Gesellschaftsvertrag noch kann sie auf der Grundlage einer Auslegung angenommen werden. Vielmehr spricht § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich von einem Ausscheiden. In § 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ist überdies geregelt, dass eine Verpflichtung zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen Rechtshandlungen besteht, falls das in § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages angeordnete Ausscheiden „gesetzlich nicht zulässig ist“. Zudem war sich die B bewusst, dass ihr Geschäftsanteil -aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung aller ihrer Kinder- zunächst in die gesamthänderische Bindung einer Erbengemeinschaft fällt. Gerade deshalb ordnete sie ein Vorausvermächtnis hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 zugunsten des Klägers an (§ 3 B, Gerichtsakte, 36). Eines solchen Vorgehens hätte es nicht bedurft, wenn die B davon ausgegangen wäre, dass sie alles in die Wege geleitet hätte, damit der Kläger ohne weiteres Zutun Alleingesellschafter der A GmbH wird.
47 
dd) Zwar war der Kläger durch postmortale Vollmacht (§ 3 Buchst. d des Testaments, Gerichtsakte, Bl. 57) berechtigt, unter Befreiung von § 181 BGB selbst alle Rechtserklärungen abzugeben, um sicherzustellen, dass die Beteiligungs- bzw. Beherrschungsidentität im Besitzunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft (A GmbH) auch nach dem Ableben der B gewahrt bleibt (vgl. zur sog. personellen Verflechtung Wacker in Schmidt, EStG, 36. Aufl., 2017, § 15 Rn. 820 ff.). Der Kläger hätte folglich unmittelbar nach dem Ableben der B -nicht erst wie tatsächlich geschehen am 15. Juli 2013- ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil Nr. 1 in Vollzug seines Vorausvermächtnisanspruchs formwirksam an sich selbst abtreten können, um Alleingesellschafter der A GmbH zu werden. Dann wäre unzweifelhaft die A GmbH bereits ab diesem früheren Zeitpunkt finanziell eingegliedert worden.
48 
Der Senat ist dennoch der Auffassung, dass die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 als dinglicher Rechtsakt für das Vorliegen einer finanziellen Eingliederung maßgeblich ist, denn aufgrund der mit der Organschaft verbundenen Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger wirkt sich diese -insbesondere vorliegend aufgrund der Insolvenz der A GmbH- finanziell belastend aus. Daher müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.). Es kommt auf die rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand März 2016, § 2 Rn. 180). Mit diesem Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn -wie vom Beklagten vertreten- auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit abgestellt würde (a.A. Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand September 2017, E § 2 Rn. 383). Aus demselben Grund folgt der Senat auch nicht der Auffassung, dass dann, wenn die Eingliederung einer GmbH in eine Einzelfirma auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet völlig eindeutig ist, die Annahme einer Organschaft nicht daran scheitert, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen ist (a.A. BFH-Urteil vom 23. Juli 1964 V 180/61, HFR 1965, 242). Die Voraussetzungen einer Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 23. August 2007 5 K 5835/03 U, EFG 2008, 1828 Rn. 37). Unbeachtlich ist insofern auch, dass der Kläger im Jahresabschluss für 2012 und im Insolvenzeröffnungsgutachten als Alleinerbe bezeichnet wird, da dies offensichtlich unzutreffend ist.
49 
Auch ist die Verfügung der B in § 3 Buchst. d des Testaments (Gerichtsakte, Bl. 37) nicht dahin auszulegen, dass der Kläger dadurch bevollmächtigt wurde, das Stimmrecht aus Geschäftsanteil Nr. 1 bis zur Abtretung auszuüben. Der Kläger war lediglich bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug des zu seinen Gunsten angeordneten Vorausvermächtnisses erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegen zu nehmen, die aus steuerlicher Sicht zur Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung notwendig waren. Dies stellt keine Stimmrechtsvollmacht dar (vgl. Musterformulierung Pröpper GmbH-StB 2004, 27, 28). Zudem sind im Interesse der Rechtsklarheit Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich -was vorliegend jedenfalls nicht gegeben wäre- aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29).
50 
c) Damit liegt die finanzielle Eingliederung erst ab 15. Juli 2013 vor, als der Kläger aufgrund der Abtretung Alleingesellschafter der A GmbH wurde; Besitzeinzelunternehmer war er bereits ab 2. Dezember 2012. Da die A GmbH zudem aufgrund der Überlassung des Betriebsgeländes wirtschaftlich (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und aufgrund der Personenidentität in den Leitungsgremien von Besitz- und Betriebsunternehmen (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373 Rn. 33) auch organisatorisch eingegliedert war, waren die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ab diesem Zeitpunkt erfüllt. Allerdings endete die organisatorische Eingliederung am 4. Oktober 2013 mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, da vom AG Y angeordnet wurde, dass Verfügungen der A GmbH über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam werden konnten (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr seinen Willen in der A GmbH durchsetzen. Davon ging auch der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid für 2013 aus.
51 
d) Vor diesem Hintergrund ist die Umsatzsteuer für 2012 -wie vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Anmeldung vom 29. November 2013 (USt-Akte, Bl. 1 f.) erklärt- i.H. von 3.804,26 Euro festzusetzen (= 21.479 Euro x 19% ./. 276,75 Euro).
52 
Da der Kläger für das Jahr 2013 bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben hat, macht der Senat insofern von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch (§ 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
53 
Dabei geht er davon aus, dass die von der A GmbH abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2013 -wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 13. April 2017 mitgeteilt (Gerichtsakte, Bl. 106)- zutreffend sind. Demnach wurde Umsatzsteuer für die A GmbH wie folgt vorangemeldet:
                 
-  für Juli i.H. von 5.625,76 Euro,       
                 
-  für August i.H. von 10.919,74 Euro,       
                 
-  für September i.H. von 703,32 Euro und       
                 
-  für Oktober i.H. von 8.307,01 Euro;       
                 
insgesamt für diesen Zeitraum mithin 25.555,83 Euro. Da die umsatzsteuerliche Organschaft nur vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 bestand, geht der Senat ferner davon aus, dass die dem Kläger zuzurechnenden Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH zeitanteilig eine Umsatzsteuer i.H. 18.907,16 Euro (= 25.555,83 Euro x 91 Tage/123 Tage) festzusetzen ist. Im Übrigen hat der Kläger aus seiner sonstigen unternehmerischen Tätigkeit eine Umsatzsteuer für 2013 i.H. von 1.879,24 Euro (= 27.588 Euro x 19% ./. 3.362,48 Euro) errechnet (Schriftsatz vom 18. April 2017 Anlage K11, Gerichtsakte, Bl. 115 ff.). Auch diese legt der Senat seiner Schätzung zugrunde, so dass sich eine festzusetzende Umsatzsteuer für 2013 i.H. von insgesamt 20.786,40 Euro ergibt.
54 
2. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.
55 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.  Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig i.S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
56 
4. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 711 Satz 1 ZPO.
57 
5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Gründe

 
26 
Die Klage ist begründet.
27 
Dabei geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Streitjahre zu ändern und dabei davon auszugehen, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 keine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag. Zwar beantragte der Bevollmächtigte noch im Schriftsatz vom 13. August 2016 (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4) die Umsatzsteuerbescheide zu ändern und insgesamt „um die Umsätze der A GmbH zu reduzieren“. Im Schriftsatz vom 18. April 2017 i.V.m. Anlage K11 (Gerichtsakte, Bl. 115) führte der Steuerberater des Klägers aber aus, dass die Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH „im Zeitraum der Organschaft vom 15.07. - 03.10.2013“ nur deshalb von ihm bisher nicht berücksichtigt wurden, da diese nicht bekannt gewesen seien. Nach Bekanntwerden dieser Werte müsste die Umsatzsteuer-Anmeldung diesbezüglich noch ergänzt werden. Daraus schließt der Senat, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft in diesem Zeitraum vom Kläger nicht mehr bestritten wird.
28 
1. Die Umsatzsteuerbescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als ihm in den Streitjahren für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 Umsätze der A GmbH aufgrund einer umsatzsteuerlichen Organschaft zugerechnet wurden. Eine Organschaft bestand erst wieder ab dem 15. Juli 2013 (bis 3. Oktober 2013).
29 
a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse organisatorisch, wirtschaftlich und -hier allein streitig- finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist in den Streitjahren Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Demnach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
30 
Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Ein bloßes Vetorecht in Form einer Sperrminorität von 50% der Stimmrechte ist nicht ausreichend (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. November 2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167, vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 und vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543 Rn. 24 und 29). Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden (BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 Rn. 32). Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.).
31 
b) Vom 1. Dezember 2012 bis zur Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 durch notarielle Abtretung am 15. Juli 2013 konnte der Kläger bei der A GmbH seinen Willen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen, da ihm in dieser Zeit nicht mehr als 50% der Stimmen an der A GmbH (und damit keine Stimmenmehrheit) zustanden.
32 
Zwar braucht die Anteilsmehrheit nicht unmittelbar zu bestehen, da eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Ist allerdings eine Gesellschaft oder Gemeinschaft (hier die Erbengemeinschaft) zwischengeschaltet, welche die Beteiligung (an der A GmbH) hält, ist Voraussetzung für eine Zurechnung, dass diese vom Organträger ihrerseits finanziell beherrscht wird (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., 2017, § 2 Rn. 118). Dies ist vorliegend aufgrund der Beteiligung des Klägers an der Erbengemeinschaft mit lediglich einem Drittel nicht gegeben.
33 
aa) Aufgrund des Gesellschaftsvertrages war der Kläger vom 1. Dezember 2012 bis 14. Juli 2013 nur Inhaber von 50% der Geschäftsanteile an der A GmbH (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 14).
34 
Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsanteile einer GmbH veräußerlich und vererblich. Daher hat der Tod eines Gesellschafters keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft und den Geschäftsanteil. Vielmehr gehen Geschäftsanteile ohne weiteres zwingend auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters über (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1091).
35 
Diese Rechtsfolge kann durch Gesellschaftsvertrag auch nicht ausgeschlossen werden. Eine Sondererbfolge ist --anders als bei Anteilen an Personengesellschaften- nicht möglich (Görner in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., 2017, § 15 Rn. 132). Eine Satzung kann aber Bestimmungen enthalten, was mit dem Geschäftsanteil nach dem erbrechtlichen Übergang geschehen soll (Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 1922 Rn. 24 m.w.N.). Mehrere Erben eines verstorbenen Gesellschafters werden daher Inhaber zur gesamten Hand nach § 2032 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Als Mitberechtigte i.S.v. § 18 Abs. 1 GmbHG können sie die Rechte aus dem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Ist ein Geschäftsanteil durch (Voraus-) Vermächtnis hinterlassen, so hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Geschäftsanteils (§ 1939 i.V.m. § 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer steht damit zivilrechtlich dem Erben nicht gleich (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1079 bis 1081).
36 
Da die B den Kläger und seine beiden Schwestern testamentarisch als Erben zu je einem Drittel einsetzte (§ 2, Gerichtsakte, Bl. 35), ging der Geschäftsanteil Nr. 1 und das damit verknüpfte Stimmrecht am 1. Dezember 2012 zunächst auf die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Bindung über.
37 
bb) Das Stimmrecht konnte insoweit nur von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werden.
38 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie gemeinsam das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass sind. Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
39 
Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind. Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (Beschluss des Oberlandesgerichts -OLG- Karlsruhe vom 16. Dezember 2013 7 W 76/13, GmbHR 2014, 254 Rn. 20; vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., 2017, § 18 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2016, § 18 Rn. 8; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2032 Rn. 9).
40 
Aufgrund seines Erbteils i.H. von lediglich einem Drittel war der Kläger daher bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses -wozu auch die Ausübung des Stimmrechts hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 gehörte- nach § 18 Abs. 1 GmbHG, § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB in der Minderheit und hätte sich bei einer notwendigen Beschlussfassung gegen den Willen der beiden Miterbinnen nicht durchsetzen können (vgl. Urteile des Thüringer OLG vom 25. April 2012 2 U 520/11, GmbHR 2013, 149 Rn. 49 f. und des OLG Nürnberg vom 16. Juli 2014 12 U 2267/12, GmbHR 2014, 1147 Rn. 58). Eine Notgeschäftsführungsbefugnis des Klägers auf der Grundlage von § 2038 Abs. 1 Satz 2 a.E. BGB war insofern nicht eröffnet. Auch stand dem Kläger allein aufgrund des Vorausvermächtnisses hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 kein Stimmrecht zu (Beschluss des OLG Stuttgart vom 9. September 2014  14 U 9/14, GmbHR 2015, 192 Rn. 15).
41 
Diese gemeinschaftliche Verwaltung des Geschäftsanteils Nr. 1 endete mit dinglicher Wirkung erst durch dessen notarielle Abtretung nach § 15 Abs. 3 GmbHG am 15. Juli 2013 (§ 2 Abs. 1, Gerichtsakte, Bl. 49). Dass die Übertragung auf den Erwerber „mit schuldrechtlicher Wirkung“ -einschließlich des Gewinnbezugsrechts- bereits auf den 1. Dezember 2012 erfolgte, ist insofern unbeachtlich (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
42 
cc) Die Erbengemeinschaft schied auch nicht bereits am 1. Dezember 2012 zugunsten des Klägers aus der A GmbH aus.
43 
§ 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH sieht zwar vor, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (hier der G-GbR als Besitzgesellschaft) durch Anwachsung auf eine (oder mehrere) Personen übergeht (Gerichtsakte, Bl. 19).
44 
Diese Bedingung trat durch das Ableben der B ein, denn damit schied sie als hälftige Mitgesellschafterin am 1. Dezember 2012 aus der zweigliedrigen G-GbR aus. Diese wurde dadurch -wegen der Fortsetzungsklausel in Ziffer 18 des Gesellschaftsvertrags- zwar nicht aufgelöst (Gerichtsakte, Bl. 28, vgl. ferner § 727 Abs. 1 a.E. BGB). Da aber eine Personengesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht bestehen kann, wurde sie dennoch beendet. Der Kläger als verbliebener Gesellschafter wurde kraft Anwachsung nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der beendeten G-GbR, denn das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft führt zur Übernahme der Aktiva und Passiva durch den verbleibenden Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Dezember 1999 VII ZR 53/97, GmbHR 2000, 188 Rn. 11; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4378; Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl., 2017, § 737 Rn. 4 und 738 Rn. 1a). Davon ging übrigens auch die Notarin in dem Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013 aus (§ 1 Vorbemerkung, Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
45 
Diese Anwachsung führte jedoch nicht zu einem sofortigen Ausscheiden der Erbengemeinschaft als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1, denn solche sog. Automatikklauseln sind unwirksam. Zum Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es eines rechtsgestaltenden Aktes. Für den Erbfall kann lediglich im Rahmen des Gesellschaftsvertrages eine durch das Ableben eines Gesellschafters bedingte Abtretung an die GmbH oder an bestimmte Gesellschafter geregelt werden, wobei im letzteren Fall die Abtretung zusätzlich durch das Überleben des Abtretungsempfängers bedingt ist (Müller/Maul in Beck’sches Handbuch der GmbH, 4. Aufl., 2009, § 13 Rn. 127; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4382 m.w.N.).
46 
Eine solche bedingte Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1, die mit dem Ableben der B wirksam geworden sein könnte, findet sich jedoch weder unmittelbar im Gesellschaftsvertrag noch kann sie auf der Grundlage einer Auslegung angenommen werden. Vielmehr spricht § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich von einem Ausscheiden. In § 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ist überdies geregelt, dass eine Verpflichtung zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen Rechtshandlungen besteht, falls das in § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages angeordnete Ausscheiden „gesetzlich nicht zulässig ist“. Zudem war sich die B bewusst, dass ihr Geschäftsanteil -aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung aller ihrer Kinder- zunächst in die gesamthänderische Bindung einer Erbengemeinschaft fällt. Gerade deshalb ordnete sie ein Vorausvermächtnis hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 zugunsten des Klägers an (§ 3 B, Gerichtsakte, 36). Eines solchen Vorgehens hätte es nicht bedurft, wenn die B davon ausgegangen wäre, dass sie alles in die Wege geleitet hätte, damit der Kläger ohne weiteres Zutun Alleingesellschafter der A GmbH wird.
47 
dd) Zwar war der Kläger durch postmortale Vollmacht (§ 3 Buchst. d des Testaments, Gerichtsakte, Bl. 57) berechtigt, unter Befreiung von § 181 BGB selbst alle Rechtserklärungen abzugeben, um sicherzustellen, dass die Beteiligungs- bzw. Beherrschungsidentität im Besitzunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft (A GmbH) auch nach dem Ableben der B gewahrt bleibt (vgl. zur sog. personellen Verflechtung Wacker in Schmidt, EStG, 36. Aufl., 2017, § 15 Rn. 820 ff.). Der Kläger hätte folglich unmittelbar nach dem Ableben der B -nicht erst wie tatsächlich geschehen am 15. Juli 2013- ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil Nr. 1 in Vollzug seines Vorausvermächtnisanspruchs formwirksam an sich selbst abtreten können, um Alleingesellschafter der A GmbH zu werden. Dann wäre unzweifelhaft die A GmbH bereits ab diesem früheren Zeitpunkt finanziell eingegliedert worden.
48 
Der Senat ist dennoch der Auffassung, dass die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 als dinglicher Rechtsakt für das Vorliegen einer finanziellen Eingliederung maßgeblich ist, denn aufgrund der mit der Organschaft verbundenen Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger wirkt sich diese -insbesondere vorliegend aufgrund der Insolvenz der A GmbH- finanziell belastend aus. Daher müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.). Es kommt auf die rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand März 2016, § 2 Rn. 180). Mit diesem Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn -wie vom Beklagten vertreten- auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit abgestellt würde (a.A. Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand September 2017, E § 2 Rn. 383). Aus demselben Grund folgt der Senat auch nicht der Auffassung, dass dann, wenn die Eingliederung einer GmbH in eine Einzelfirma auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet völlig eindeutig ist, die Annahme einer Organschaft nicht daran scheitert, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen ist (a.A. BFH-Urteil vom 23. Juli 1964 V 180/61, HFR 1965, 242). Die Voraussetzungen einer Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 23. August 2007 5 K 5835/03 U, EFG 2008, 1828 Rn. 37). Unbeachtlich ist insofern auch, dass der Kläger im Jahresabschluss für 2012 und im Insolvenzeröffnungsgutachten als Alleinerbe bezeichnet wird, da dies offensichtlich unzutreffend ist.
49 
Auch ist die Verfügung der B in § 3 Buchst. d des Testaments (Gerichtsakte, Bl. 37) nicht dahin auszulegen, dass der Kläger dadurch bevollmächtigt wurde, das Stimmrecht aus Geschäftsanteil Nr. 1 bis zur Abtretung auszuüben. Der Kläger war lediglich bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug des zu seinen Gunsten angeordneten Vorausvermächtnisses erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegen zu nehmen, die aus steuerlicher Sicht zur Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung notwendig waren. Dies stellt keine Stimmrechtsvollmacht dar (vgl. Musterformulierung Pröpper GmbH-StB 2004, 27, 28). Zudem sind im Interesse der Rechtsklarheit Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich -was vorliegend jedenfalls nicht gegeben wäre- aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29).
50 
c) Damit liegt die finanzielle Eingliederung erst ab 15. Juli 2013 vor, als der Kläger aufgrund der Abtretung Alleingesellschafter der A GmbH wurde; Besitzeinzelunternehmer war er bereits ab 2. Dezember 2012. Da die A GmbH zudem aufgrund der Überlassung des Betriebsgeländes wirtschaftlich (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und aufgrund der Personenidentität in den Leitungsgremien von Besitz- und Betriebsunternehmen (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373 Rn. 33) auch organisatorisch eingegliedert war, waren die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ab diesem Zeitpunkt erfüllt. Allerdings endete die organisatorische Eingliederung am 4. Oktober 2013 mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, da vom AG Y angeordnet wurde, dass Verfügungen der A GmbH über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam werden konnten (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr seinen Willen in der A GmbH durchsetzen. Davon ging auch der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid für 2013 aus.
51 
d) Vor diesem Hintergrund ist die Umsatzsteuer für 2012 -wie vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Anmeldung vom 29. November 2013 (USt-Akte, Bl. 1 f.) erklärt- i.H. von 3.804,26 Euro festzusetzen (= 21.479 Euro x 19% ./. 276,75 Euro).
52 
Da der Kläger für das Jahr 2013 bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben hat, macht der Senat insofern von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch (§ 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
53 
Dabei geht er davon aus, dass die von der A GmbH abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2013 -wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 13. April 2017 mitgeteilt (Gerichtsakte, Bl. 106)- zutreffend sind. Demnach wurde Umsatzsteuer für die A GmbH wie folgt vorangemeldet:
                 
-  für Juli i.H. von 5.625,76 Euro,       
                 
-  für August i.H. von 10.919,74 Euro,       
                 
-  für September i.H. von 703,32 Euro und       
                 
-  für Oktober i.H. von 8.307,01 Euro;       
                 
insgesamt für diesen Zeitraum mithin 25.555,83 Euro. Da die umsatzsteuerliche Organschaft nur vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 bestand, geht der Senat ferner davon aus, dass die dem Kläger zuzurechnenden Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH zeitanteilig eine Umsatzsteuer i.H. 18.907,16 Euro (= 25.555,83 Euro x 91 Tage/123 Tage) festzusetzen ist. Im Übrigen hat der Kläger aus seiner sonstigen unternehmerischen Tätigkeit eine Umsatzsteuer für 2013 i.H. von 1.879,24 Euro (= 27.588 Euro x 19% ./. 3.362,48 Euro) errechnet (Schriftsatz vom 18. April 2017 Anlage K11, Gerichtsakte, Bl. 115 ff.). Auch diese legt der Senat seiner Schätzung zugrunde, so dass sich eine festzusetzende Umsatzsteuer für 2013 i.H. von insgesamt 20.786,40 Euro ergibt.
54 
2. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.
55 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.  Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig i.S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
56 
4. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 711 Satz 1 ZPO.
57 
5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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