Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 2898/21

Tenor

1. Die Zinsbescheide vom 28.6.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021 werden dahingehend geändert, dass Zinsen wie folgt festgesetzt werden:

- für 2013 i.H. von 39.500 Euro (statt bisher 54.862 Euro),

- für 2014 i.H. von 105.115 Euro (statt bisher 157.673 Euro),

- für 2015 i.H. von 100.042 Euro (statt bisher 170.072 Euro),

- für 2016 i.H. von 8.554 Euro (statt bisher 18.534 Euro),

- für 2017 i.H. von 7.352 Euro (statt bisher 24.509 Euro) und

- für 2018 i.H. von 18.614 Euro (statt bisher 62.047 Euro).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 93,2 Prozent und der Beklagte zu 6,8 Prozent.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 Euro, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 Euro kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

 
Streitig ist die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen in den Jahren 2013 bis 2018 (Streitjahre).
1. Der Kläger, geboren am [ ___ ] in Y / China, ist mit einer B A, [ ___ ] geborene C, verheiratet. Die Ehe wurde [ ___ ] in W /Deutschland geschlossen. Sie haben das gemeinsame Kind K 2 A, geboren am [ ___ ] in V /Deutschland (Geburtsurkunde, ESt-Akte, Lasche 2004, Bl. 5). Die Ehefrau ist zudem die Mutter von K 1 A, geboren am [ ___ ] in V /Deutschland. Vater von K 1 ist ein P C, [ ___ ], wohnhaft in U / Deutschland (ESt-Akte, Lasche 2005, Bl. 2 und EA I, Bl. 206).
Der Kläger absolvierte in Deutschland ein technisches Studium an der Universität J / Deutschland und schloss mit dem akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs ab.
Die Ehefrau kam im Jahr [ ___ ] ins Inland (Antrag auf Eröffnung eines Girokontos vom 28.10.1991, EA II, Bl. 61).
Der Kläger und seine Ehefrau sind seit [ ___ ] 2001 deutsche Staatsangehörige (vgl. zuletzt Reisepass, ausgestellt durch die Stadt H am [ ___ ].2013, gültig bis [ ___ ].2023, Anlage 18 zum Schreiben vom 22.7.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 400 und BMO, Bl. 67 ff.). Er besitzt seit 1996 einen deutschen und einen chinesischen Führerschein, der am [ ___ ].2004 ausgestellt wurde (a.a.O., Bl. 430). Von [ ___ ] bis [ ___ ]2013 hatte er ein Touristenvisum für China (a.a.O., Bl. 404). Vom [ ___ ].2013 bis [ ___ ]2014, [ ___ ]2014 bis [ ___ ].2019 und [ ___ ]2019 bis [ ___ ]2023 war bzw. ist er Inhaber einer chinesischen Aufenthaltserlaubnis (Residence Permit for Foreigner in the People’s Republic of China -PRC-, a.a.O., Bl. 419 f. - purpose of residence: „Funktionen“ bzw. „Arbeit“). Am [ ___ ]2013 wurde ihm zunächst bis zum [ ___ ]2016 und am [ ___ ]2016 eine bis zum [ ___ ]2018 gültige Arbeitserlaubnis für China erteilt (Alien Employment Permit, a.a.O., Bl. 421 bis 426 - occupation or status: „P Technik X“).
Steuerlich bescheinigte ihm ein Direktor der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk der bezirksfreien Stadt [ ___ ] in der chinesischen Provinz [ ___ ] (rund 360 km von X entfernt), dass er in den Jahren 2013 bis 2018 „Chinese fiscal resident“ gewesen sei (Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 11.4.2022, Gerichtsakte zum 1 K 2898/21, Bl. 68 bis 73). Für das Jahr 2019 liegt eine Bescheinigung der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk der regierungsunmittelbaren Stadt X, vor, wonach der Klägers „Chinese fiscal resident“ sei (Rb-Akte, Bl. 14 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 539). Für die Jahre 2012 bis 2019 hat der Bevollmächtigte Bescheinigungen des Staatlichen Hauptfinanzamts der Stadt X, Stadtbezirk [ ___ ] vorgelegt, wonach der Kläger in 2012 auf seinen Lohn und Gehalt Steuern von 352.020 Yuan, 2017 von 15.490 Yuan, 2018 von 92.475 Yuan und 2019 von 91.080 Yuan gezahlt habe (Anlage K4 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 30.6.2021, Gerichtsakte zu 1 K 2953/20, Bl. 110 und Bl. 113 und Anlage K1 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 573 ff.).
2. Der Kläger war von 1997 bis 2003 in V /Deutschland und sodann bis 2007 in H einwohnerrechtlich gemeldet. Nochmals war er in H von [ ___ ] bis [ ___ ]2013 gemeldet (vgl. Auskunft über das Meldeportal vom 4.5.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 499 ff. und Anlage K20 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20.10.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 427).
Er wohnte nach seinem Studium bis 2000 in der [ ___ ]-Straße xx  in V /Deutschland und anschließend mit seiner Ehefrau bis 2003 in der [ ___ ]-Allee x in V /Deutschland.
Mit Notarvertrag vom [ ___ ].2003 erwarben beide Eheleute je hälftiges Miteigentum am Grundstück [ ___ ]-weg x in H. Die Finanzierungsdarlehen wurde vom Kläger und seiner Ehefrau i.H. von 235.000 Euro bei der Bank I aufgenommen (EA II, Bl. 74 ff.). Das Objekt, ein Reihenhaus, veräußerten sie 2015 an eine Mitarbeiterin, eine [ ___ ] (Auszug aus dem Grundbuch von H Nr. xxxx, Amtsgericht -AG- V /Deutschland, Flst-Nr. xxx mit 181 m², Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 515 ff.).
10 
Bereits mit notariellem Kaufvertrag vom [ ___ ]2013 erwarben der Kläger und seine Ehefrau ein bebautes Grundstück in der [ ___ ] Straße Y in G zu jeweils hälftigem Miteigentum (Auszug aus dem Grundbuch von [ ___ ], AG V /Deutschland, Gemeinde G, Flst-Nr. xxx mit insgesamt 1.703 m², Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 486 ff. und EW-Akte, Bl. 10 ff.). Den notariellen Kaufvertrag unterschrieben der Kläger und seine Ehefrau ebenso wie den mit der Firma Baufirma am [ ___ ]2013 geschlossenen Bauvertrag jeweils eigenhändig (EA I, Bl. 48 und Bl. 82 sowie EW-Akte, Bl. 14).
11 
Der Kaufpreis für das bebaute Objekt betrug 239.000 Euro (ohne Nebenkosten). Von der Stadt G wurde am 24.2.2014 die Baugenehmigung für den Abriss des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Einfamilienhauses nebst Garage mit vier Stellplätzen, Fahrrad- und Müllabstellraum sowie zwei Gästestellplätzen im Untergeschoss des Gebäudes erteilt (EA I, Bl. 6 und EW-Akte, Bl. 18; vgl. Baupläne, EA I, Bl. 18 ff. und Lageplan, EW-Akte, letztes Bl.). Baubeginn war im März 2014 (EA I, Bl. 82). Laut den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau im Fragebogen zur Einheitsbewertung vom 24.8.2017 beträgt die Wohnfläche 801 m². Es sind eine Sauna und ein Schwimmbad mit 38 m² vorhanden. Das neu errichtete Wohngebäude wurde im Jahr 2016 fertiggestellt und bezogen (EA I, Bl. 10 ff. und EW-Akte, Bl. 21 f.; vgl. Fotos, EA I, Bl. 15 ff.).
12 
Die Baukosten für das Gebäude in der [ ___ ] Straße Y in G von rund drei Millionen Euro trug der Kläger allein (Schreiben von Rechtsanwalt R vom 31.8.2017, S. 1, BMO, Bl. 224).
13 
Der Kläger und seine Ehefrau unterschrieben die beim Beklagten (Finanzamt -FA-) eingereichte Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts am 10.10.2017 jeweils eigenhändig (EA I, Bl. 55 und EW-Akte, Bl. 25). Gleiches gilt für den Fragebogen zur Einheitsbewertung, welchen beide am 24.8.2017 unterzeichneten. Dabei wurde beim Ort der Unterschrift des Klägers zuerst G vermerkt, dann durchgestrichen und durch X ersetzt (EA I, Bl. 11 und EW-Akte, Bl. 22).
14 
3. Sein Sohn K 2 besuchte zunächst ab dem Jahr 2007 die Ganztagesbetreuung des Kindergartens (ESt-Akte, Lasche 2007, Bl. 14), ab 2010 die Schule mit Ganztages- und Schulhortbetreuung (ESt-Akte, Lasche 2010, Bl. 11) jeweils in H und später das örtliche Gymnasium in H bzw. ab dem Umzug in G. Seit 2019 besuchte er die Deutsche Schule in X (Nachweise in Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 73 bis 76) und schloss [ ___ ] mit dem Abitur ab. Nach Angaben des Klägers will K 2 in Deutschland studieren, da er die chinesische Sprache (ebenso wie K 1) nicht hinreichend gut beherrscht, um in China studieren zu können. K 2 ist seit dem [ ___ ]2015 einwohnerrechtlich mit seiner alleinigen Wohnung in G (vorher in H) gemeldet (Einwohnermeldeamt vom 30.6.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 597).
15 
Der Sohn der Ehefrau, K 1, besuchte zunächst Schulen in Deutschland und in der Zeit von August 2013 bis Juli 2017 die Deutsche Schule in X (Nachweise in Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 66 bis 72). Er legte in X das Abitur im Jahr 2017 ab und studiert seitdem Informatik und Wirtschaftspsychologie in S und wohnt noch „zu Hause“ in G (vgl. Einwohnermeldeamt vom 30.6.2022, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 598 und Niederschrift zum Erörterungstermin, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 587).
16 
4. Der Kläger ist Inhaber verschiedener Unternehmen mit ca. 320 Arbeitnehmern in China und 3 bis 4 Arbeitnehmern in Deutschland.
17 
Er hält jeweils 90 Prozent an einer M GmbH und einer Werkzeug GmbH jeweils in der 
18 
[ ___ ] - Allee xx/x in V /Deutschland. Weitere Gesellschafterin beider Unternehmen ist seine Ehefrau zu 10 Prozent.
19 
a) Die M GmbH (HRB xxx) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom [ ___ ]1994 gegründet (Firmenname zu Beginn: A GmbH Im- und Export, [ ___ ]-Straße xx  in V /Deutschland). Gegenstand des Unternehmens war zunächst der Einzelhandel mit [ ___ ] (EA II, Bl. 67), später der Im- und Export von Waren aller Art, ausgenommen Lebensmitteln. Nachdem sich der Geschäftssitz zwischenzeitlich bis 2006 in der [ ___ ] - Allee yyy/y befand (EA II, Bl. 67), ist Geschäftsanschrift seitdem die [ ___ ] -Allee xx/x in V /Deutschland.
20 
Die Beteiligungshöhe des Klägers und seiner Ehefrau an der M GmbH schwankt seit der Gründung im Jahr 1994 aufgrund von Schenkungen zwischen den Eheleuten (zuletzt im Jahr 2014) und der anfänglichen Beteiligung einer [ ___ ] (vgl. EA I, BI. 148). Der Kläger war bis zum 4.8.2006 Geschäftsführer der M GmbH; seitdem ist seine Ehefrau Geschäftsführerin (von März 2017 bis Januar 2019 war zudem ein GF weiterer Geschäftsführer). Prokuristin ist seit Oktober 2014 eine GFin (Auszug aus dem Handelsregister des AG G, HRB xxx, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 507 f.).
21 
aa) Auf der Homepage der M GmbH heißt es unter „Über uns“ ([ ___ ], zuletzt eingesehen am 15.6.2022):
22 
[ ___ ]
23 
Es finden sich sodann elektronische Kontaktmöglichkeiten mit M Deutschland, MX und M Taiwan.
24 
Weiter wird ausgeführt (Über uns - Stärke):
25 
[ ___ ]
26 
bb) In den Jahren 2015 bis 2018 war die M GmbH an einer Werkmaschinen GmbH & Co. KG, Deutschland -einer Einkaufsgesellschaft- als Kommanditistin mit einer Einlage i.H. von 60.000 Euro beteiligt. Die Gesellschaft hatte neben der Komplementärin vier weitere Kommanditisten als Gesellschafter (Handelsregister des AG [ ___ ]).
27 
cc) Laut ihren Jahresabschlüssen erzielte die M GmbH folgende Gewinne und Umsätze (in Euro, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 594):
28 
Jahr   
Gewinn
Ausgangsumsätze
davon Ausfuhr Drittland
Materialaufwand
Personalaufwand
                                                     
2013   
56.967,17
2.590.142,62
2.360.047,24
2.351.430,34
117.937,58
2014   
40.337
4.027.002,99
2.680.489,38
3.712.151,41
199.373,53
2015   
-24.429,78
3.084.707,70
2.856.603,79
2.811.869,12
214.506,75
2016   
35.456,70
3.420.784,23
3.347.555,57
3.040.519,08
148.921,87
2017   
65.327,47
3.375.379,95
3.241.025,92
2.899.524,61
238.857,93
2018   
-303.772,61
3.145.653,55
3.145.094,55
3.125.849,86
269.466,76
29 
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung (Bp) des FA G fungiert die M GmbH als Einkaufsgesellschaft. Der Einkauf findet hauptsächlich in Deutschland und der EU statt. Die Veräußerung erfolgt ins Drittland, hauptsächlich an verbundene Unternehmen in China. Die M GmbH erbringt außerdem sonstige Leistungen an verbundene Unternehmen in Form von Marketing und technischen Support.
30 
Aufgrund dessen wurde der von der M GmbH berechnete Aufschlagssatz von 3 Prozent als zu gering eingeschätzt. Vielmehr ging die Bp von einem Aufschlagssatz von 5 Prozent aus. Nach dem Bp-Bericht vom 28.10.2020 sei deshalb für die Jahre 2014 bis 2016 eine Korrektur des Gewinnaufschlags bei Lieferungen an verbundene Unternehmen nach § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) i.H. von 50.000 Euro pro Jahr vorzunehmen (Tz. 24, Kopie der Bp-Akte im Verfahren 1 K 2953/20 und Aktenvermerk vom 20.10.2020, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 601).
31 
b) Die Werkzeug GmbH (HRB xxx) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom [ __ ]2014 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Handel von und mit Werkzeugen aller Art. Geschäftsführerin ist von Anfang an die Ehefrau des Klägers (von Oktober 2014 bis März 2015 gemeinsam mit einem GL und von Oktober 2016 bis März 2019 mit GF, Auszug aus dem Handelsregister des AG G, HRB xxx, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 511 f.).
32 
Die Werkzeug GmbH erwirtschaftete nach ihren Jahresabschlüssen folgende Gewinne und Umsätze (in Euro; Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 593):
33 
Jahr   
Gewinn
Ausgangsumsätze
davon Regel-steuersatz
Material-aufwand
Personal-aufwand
                                                     
2014   
- 28.697,44
-       
-       
31,60 
22.096,80
2015   
- 26.497,98
823.384,90
686.400,37
646.232,37
151.909,77
2016   
9.865,49
965.764,04
871.536,51
744.425,13
157.367,17
2017   
- 20.956,45
1.186.549,80
955.783,53
997.586,38
171.778,76
2018   
3.179,02
1.864.073,91
1.261.114,92
1.584.918,59
220.782,19
34 
Nach dem Bp-Bericht vom 20.10.2020 ist die Werkzeug GmbH eine Vertriebsgesellschaft. Der Einkauf erfolgt in China (vornehmlich bei der Werkzeug Ltd.). Geliefert wird an Unternehmen im Inland (auch an verbundene Unternehmen wie die M GmbH) und in der EU. Nach dem Bp-Bericht vom 2.2.2021 sei eine Korrektur der Verrechnungspreise für die Jahre 2015 bis 2018 aufgrund der erst begonnenen Tätigkeit nicht vorzunehmen. Die anfänglichen Verluste seien hinzunehmen (Tz. 13, Kopie der Bp-Akte im Verfahren 1 K 2953/20 und Aktenvermerk vom 20.10.2020, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 602).
35 
c) In China ist der Kläger zu 100 Prozent insbesondere an folgenden Unternehmen beteiligt, die er ab 2001 gegründet hat:
                 
→   
Werkzeug [ ___ ] Ltd., X (nachfolgend: Werkzeug Ltd.),
→   
[ ___ ] Ltd., X (auch als [ ___ ] Ltd. bezeichnet; nachfolgend: Gew Ltd.),
→   
XM Co. Ltd. (nachfolgend: M Ltd.) als mittelbare Beteiligung über die Werkzeug Ltd. (80 Prozent) und die Gew Ltd. (20 Prozent),
→   
[ ___ ] X Co. Ltd. (nachfolgend: T Ltd.) und
→   
Werkzeug Ltd, X.
36 
Insgesamt habe der Kläger -so der Bevollmächtigte- in China und Taiwan zehn Firmen. Zu den Umsätzen und Gewinnen dieser Firmen machte er keine detaillierten Angaben. Er teilte lediglich mit, dass die chinesischen Firmen „im streitgegenständlichen Zeitraum bis 2019/2020“ umgerechnet mehr als 15,5 Mio. Euro „an Steuern“ in China bezahlt hätten (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, S. 4, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 571). Zu seinen Einkünften gibt der Kläger insoweit an, in den Streitjahren habe er sich „nur wenig Geschäftsführergehalt ausgezahlt“. Vielmehr habe er „überwiegend von ... (den) Gewinnausschüttungen (der chinesischen Firmen) gelebt“ (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, S. 2, a.a.O., Bl. 569).
37 
5. Bis einschließlich 2007 wurden der Kläger und seine Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2006 gab der Kläger die Anschrift [ ___ ] in X an. Auf der Einkommensteuererklärung für 2006 findet sich der handschriftliche Hinweis der Sachbearbeiterin: „Telefonat mit StB am 31.3.08, H. A hat inl. Wohnsitz aufgegeben.“ Deshalb begehrte der Kläger die steuerliche Freistellung von chinesischem Arbeitslohn i.H. von 13.750 Euro (ESt-Akte, Lasche 2006, Bl. 2).
38 
Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29.7.2008 mit, dass er nach den eingereichten Unterlagen und Erläuterungen seinen steuerlichen Wohnsitz im Inland beibehalten habe und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei (ESt-Akte, Lasche 2006, Bl. 18). Auch die Sachbearbeiterin für internationales Steuerrecht teilte diese Einschätzung der Veranlagung (ESt-Akte, Lasche 2006, Bl. 28).
39 
Mit Schreiben vom 14.1.2009 bestätigte seine damalige Steuerberaterin, dass der Kläger seinen Wohnsitz weiterhin in Deutschland habe (EA I, Bl. 268 und Rb-Akte, Bl. 48). Daraufhin wurde die Eigenheimzulage ab 2007 bis 2010 für das Reihenhaus im [ ___ ]-weg x in H mangels Wohnsitzverlagerung nach China festgesetzt (AV des FA vom 4.2.2009, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 63).
40 
Für das Jahr 2007 erklärte der Kläger einen steuerpflichtigen Arbeitslohn aus China i.H. von 34.067 Euro (ESt-Akte, Lasche 2007, Bl. 17). Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung machte er Werbungskosten für die angemietete Wohnung in China geltend (ESt-Akte, Lasche 2007, Bl. 19).
41 
Im September 2007 erwarben der Kläger und seine Ehefrau unter der Adresse [ ___ ] in X (der Ladungsanschrift) eine Immobilie zu jeweils hälftigem Miteigentum. In China -so der Bevollmächtigte- sei gesetzlich geregelt, dass Eheleute eine Immobilie nur jeweils zu hälftigem Eigentum erwerben könnten. Das Objekt sei seinerzeit (ohne Einrichtung) für rund 900.000 Euro gekauft worden. Davon habe der Kläger ca. 30 Prozent durch Eigenkapital, den Rest durch ein Darlehen finanziert. Die Immobilie sei heute ein Vielfaches wert (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, S. 2 und S. 4, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 569 und Bl. 571; vgl. Fotos, Anlage 2 zum Schriftsatz vom 1.7.2020, Rb-Akte, Bl. 63 ff.).
42 
Auf der Einkommensteuererklärung der Ehefrau für 2008 wurde von der Sachbearbeiterin des FA notiert: „Telefonat mit StB, Ehemann lebt seit 2007 wieder in China à Einzelveranlagung der EF.“ (ESt-Akte, Lasche 2008, Bl. 1)
43 
Mit Schreiben vom 5.7.2010 teilte das FA in einem Schreiben an die Ehefrau mit, dass der Kläger nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei, da sich sein Wohnsitz im Ausland befinde. Ab 1.1.2008 erhielt die Ehefrau für die daher anstehende Einzelveranlagung eine neue Steuernummer (xxxxx/xxxxx; ESt-Akte, vor Lasche 2008, Bl. 2 und EA I, Bl. 93).
44 
Die Ehefrau erklärte für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Geschäftsführerin der M GmbH und der Werkzeug GmbH zwischen 32.500 Euro (2012) und 117.600 Euro (2018).
45 
Mit den streitgegenständlichen Bescheiden jeweils vom 28.6.2021, wurden der Kläger und seine Ehefrau für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2018 unter der Steuernummer yyyyy/yyyyy wieder zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (vgl. ESt-Akte, Bl. 105 ff.). Mit weiteren Bescheiden ebenfalls vom 28.6.2021 wurde die Einzelveranlagungen der Ehefrau für diese Veranlagungszeiträume aufgehoben.
46 
6. Im August 2017 ließ sich der Kläger von einer Rechtsanwaltskanzlei darüber beraten, ob der Umstand, dass er die Aufwendungen für die Herstellung des Gebäudes in der [ ___ ] Straße Y in G allein getragen habe, Schenkungsteuer auslöse, da seine Ehefrau hälftige Miteigentümerin des Grundstücks sei. Ein Rechtsanwalt R erläuterte, dass der Vorgang nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) schenkungsteuerbefreit sei, da mit diesem Gebäude ein eigengenutztes Familienheim errichtet worden sei. Die Schenkungsteuerbefreiung könne nicht daran scheitern, dass der Kläger dort keinen Wohnsitz begründet habe, denn eine Nutzung durch die Ehefrau reiche nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Berlin vom 28.1.2003 5 K 5267/01, juris zumindest dann aus, wenn diese mit einem gemeinsamen Kind in der Wohnung lebe. Weiter führte der Rechtsanwalt aus: „In der dortigen Entscheidung [des FG Berlin] war es sogar so, dass die Eheleute im scheidungsrechtlichen Sinne voneinander getrennt gelebt haben, also nicht wie in Ihrem Fall, aufgrund einer beruflichen Trennung. … Im vorliegenden Fall ist es aber so, dass allein Ihre berufliche Ausübung Sie dazu zwingt, teilweise nicht in Deutschland zu leben. Dass Sie in Deutschland aus steuerlichen Gründen nicht gemeldet sind, kann in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Tatsache und selbstverständlich beweisbar ist, dass für die Zeit, in der sie in Deutschland leben, Sie sich ebenfalls in dem Hausgrundstück aufhalten.“ (Schreiben vom 31.8.2017, S. 2 f., BMO, Bl. 225 f.)
47 
7. Die Steuerfahndung (Steufa) des FA E stellte mit Bericht vom 5.5.2021 fest, einer Anfrage zur Einheitsbewertung des Grundbesitzes sei zu entnehmen, dass der Kläger und seine Ehefrau in 2013 ein Grundstück in der [ ___ ] Straße Y in G mit 1.703 m² erworben und die Herstellungskosten des Gebäudes rund drei Millionen Euro betragen hätten.
48 
Die Überprüfung der Finanzierung habe ergeben, dass die Eheleute für die Erstellung des Wohngebäudes in der [ ___ ] Straße Y in G kein Fremdkapital eingesetzt hätten. Im Grundbuch sei lediglich im Jahr 2018 -also rund zwei Jahre nach der Fertigstellung des Gebäudes- eine Grundschuld i.H. von 3,5 Mio. Euro zugunsten der Bank II für eine Darlehensschuld der M GmbH eingetragen worden (Tz. 6.6, S. 6 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 85 und Darlehensvertrag zwischen der M GmbH und der Bank II vom 26.4.2018, EA II, Bl. 127 ff.).
49 
Allerdings habe der Kläger Gewinnausschüttungen von chinesischen Firmen (insbesondere von Werkzeug Ltd. und Gew Ltd.) erhalten (Tz. 5, S. 5 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 83). Dementsprechend gebe es als Nachweis der Finanzierung des Wohnobjekts zwei notariell beurkundete Dokumente, nach denen Gelder in Form von Dividenden- und Bonuszahlungen direkt auf ein deutsches Konto überwiesen worden seien (Tz. 6.7, S. 6 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 85; Ausschüttungen der Werkzeug Ltd. i.H. von 3.325.073,18 Euro und der Gew Ltd. i.H. von 2.170.880,18 Euro, BMO, Bl. 1 ff. und Bl. 5 ff. sowie EA I, Bl. 84 ff.).
50 
Die Dokumente seien mit einem Google-Übersetzungstool wie folgt übersetzt worden: „Werkzeug [ ___ ] (X) Co. Ltd. / Gew [ ___ ] (X). Ltd. ist ein Unternehmen, das ausschließlich von einer ausländischen natürlichen Person investiert wird. Der gesetzliche Vertreter und Investor des Unternehmens ist Herr A mit der Staatsangehörigkeit Deutschlands, Pass Nr. [ ___ ]. Gemäß den Bestimmungen von Artikel 2.8 von C.S.Zi (1994) Nr. 20 [vgl. den Text der Verwaltungsregelung, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 582] wird der Ausländer von der individuellen Einkommensteuer für die Einkünfte aus Dividende und Bonus eines im Ausland investierten Unternehmens befreit.“ (Tz. 6.8, S. 6 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 85; BMO, Bl. 6 und Bl. 8)
51 
Bei einer Ortsbesichtigung der [ ___ ] Straße Y in G am 22.3.2019 -im Vorfeld der Durchsuchung vom 26.11.2019- habe die Steuerfahnderin beobachten können, dass die Ehefrau den gemeinsamen Sohn K 2 mit dem Auto zur Schule oder zum Bus gebracht habe und nach ca. 15 Minuten wieder zu Hause gewesen sei (Tz. 6.9, S. 6 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 85 und Aktenvermerk vom 25.3.2019, EA I, Bl. 126).
52 
Laut Auskunft des Ausländerzentralregisters sei der Kläger deutscher Staatsbürger. Ihm sei von der Gemeinde H im Jahr 2013 (erneut) ein deutscher Personalausweis und ein deutscher Reisepass ausgestellt worden. Dafür habe sich der Kläger kurzfristig für einen Monat bei der Gemeinde H angemeldet (Tz. 6.10, S. 6 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 85).
53 
Er sei verfügungsberechtigt über die Konten der Werkzeug GmbH und der M GmbH (Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen -BaFin- vom 11.3.2019, EA II, Bl. 12 ff., 40 und 71 f.).
54 
Der Kläger unterhalte Geschäftsbeziehungen zur Bank I (z.B. Privatgirokonto bei der Bank II als unselbständiger Anstalt der Bank I Nr. xxxxx; vgl. Kontoauszüge, BMO, Bl. 13 ff.). Bei der Überprüfung seiner Kreditkartenabrechnungen sei festgestellt worden, dass bei Abschluss des Kreditkartenvertrags zwar eine Adresse in X angegeben worden sei, die Umsatzabrechnungen aber ab dem 14.3.2013 an die Adresse in H und ab dem 1.12.2016 an die Adresse in G gesandt worden seien. Die Auswertung der mit der Kreditkarte getätigten Einkäufe habe zudem ergeben, dass nur in einzelnen Monaten nicht mit der Kreditkarte des Klägers eingekauft worden sei (Tz. 8.2, S. 8 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 89). Es habe sich hierbei um Abbuchungen für Einkäufe im Einzelhandel und in Supermärkten sowie Restaurantbesuche in Deutschland (überwiegend im Großraum G) gehandelt. Die Ehefrau verfüge über ein eigenes Konto (Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021, S. 7, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 461; Konto der Ehefrau bei der Bank I Nr. xxxxx, EA II, Bl. 23 und 93).
55 
Es seien Kopien der Reisepässe des Klägers vorgelegt worden. Der Reisepass, der von der Gemeinde H ausgestellt worden sei (Nr. [ ___ ], BMO, Bl. 67 ff.), sei gültig vom [ __ ]2013 bis [ ___ ]2023. Der weitere Reisepass, der vom Generalkonsulat in X stamme, sei vom [ ___ ]2015 bis zum [ ___ ]2025 gültig (Nr.  [ ___ ], BMO, Bl. 104 ff.). Die anhand der Stempel ausgewerteten Ein- und Ausreisdaten zeigten, dass sich der Kläger im Streitzeitraum an jeweils mehr als 90 Tagen im Jahr nicht in China aufgehalten habe (Tz. 8.3, S. 8 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 89).
56 
Die Gegenüberstellung der Ein- und Ausreisstempel des Klägers in seinen Reisepässen und der Abgleich mit Daten und Unterlagen über seine inländischen Einkäufe mit Kreditkarte, Strafmandate wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie in Deutschland durchgeführten ärztlichen Behandlungen zeigten deutlich, dass er sich jährlich jeweils längere Zeit in Deutschland bei seiner Familie aufgehalten habe. Insbesondere zeige sich, dass Nachweise über Aufenthalte in Deutschland auch in den Zeiten vorlägen, für die zwar ein Ausreisestempel aus China vorliege, aber ein Einreisestempel in Deutschland nicht feststellbar sei (Tz. 8.4, S. 8 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 89).
57 
Die Anzahl der Tage, an denen sich der Kläger in Deutschland oder sonst außerhalb Chinas aufhielt, wurde im Einzelnen wie folgt festgestellt (Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021, S. 8, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 462):
58 
Jahr   
Deutschland
sonst außerhalb Chinas
                          
2013   
119
42
2014   
89
37
2015   
39
7
2016   
109
5
2017   
118
10
2018   
99
5
59 
Das FA hat im Erörterungstermin bezüglich der Aufenthaltstage in Deutschland erklärt, die Angabe für das Jahr 2015 sei unzutreffend, da nur ein Teil des Jahres erfasst worden sei. Stattdessen habe sich der Kläger in jenem Jahr an 108 Tagen in Deutschland aufgehalten.
60 
Zum Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahme am 26.11.2019, angeordnet durch das AG E mit Beschluss vom 15.11.2019, sei K 1, der Sohn der Ehefrau, anwesend gewesen. Er habe mitgeteilt, dass sein Bruder K 2 derzeit beim Kläger in China sei (Tz. 9, S. 9 des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 91).
61 
Auf telefonische Weisung des Klägers habe K 1 der Durchsuchung widersprochen (vgl. Niederschrift über die Durchsuchung und Beschlagnahmeverzeichnis vom 26.11.2019, EA II, Bl. 161 ff.). Am Durchsuchungstag habe die Steufa zudem mehrfach mit dem Kläger telefoniert. Er habe eingeräumt, sich des Öfteren in Deutschland aufzuhalten. Das gemeinsame Haus in der [ ___ ] Straße Y in G stehe ihm jederzeit zur Verfügung. So habe er u.a. einen eigenen Ankleideraum, der mit jeder Art von persönlicher Kleidung des Klägers bestückt gewesen sei. In seinem Ankleidezimmer habe sich ein Tresor befunden. Nachdem der Kläger den Zugangscode mitgeteilt habe, sei dieser geöffnet und Barmittel i.H. von 130.000 Euro entdeckt worden. Darüber hinaus habe man Unterlagen über Geldzuflüsse aus China in den Streitjahren aufgefunden.
62 
Die Hausangestellte, eine Frau [ ___ ], habe bei ihrer Vernehmung am 26.11.2019 ausgesagt, dass sie der Kläger -den sie seit über einem Jahr kenne- angestellt habe und er mehrmals im Jahr im Haus in G anwesend gewesen sei. Sie habe ihn einmal im Monat oder jeden zweiten Monat gesehen. Er lebe regelmäßig im Haus. Die Ehefrau sei bis auf sechs Wochen Urlaub im Jahr immer im Haus gewesen. Die Ehefrau des Klägers oder der Sohn seien stets anwesend gewesen, wenn sie gearbeitet habe (vgl. Niederschrift über die Zeugeneinvernahme vom 26.11.2019, EA II, Bl. 219 ff.).
63 
Im Speicher eines beschlagnahmten Laptops seien zudem Bilder von Familientreffen und sonstigen Feiern gefunden worden, die im Haus aufgenommen wurden (vgl. Daten-DVD, die mit Schriftsatz der Steufa vom 23.5.2022 an das FG übermittelt wurde; Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 560). In der Garage sei ein schwarzer [ ___ ] geparkt gewesen. Laut Aussage der Hausangestellten habe der Kläger diesen genutzt. Auf seinem Konto bei der Bank I (Nr. xxxxx) hätte sich am Durchsuchungstag ein Guthaben von 3,2 Millionen Euro befunden (laut einem Foto des Finanzstatus hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von 3,66 Mio. Euro bei der Bank I, Rb-Akte, Bl. 10). Davon sei ein Betrag von 1,4 Millionen Euro gepfändet worden (Schreiben der Steufa an das AG E vom 10.12.2019, EA II, Bl. 167 f.). Das Landgericht (LG) S habe die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des AG E mit Beschluss vom 6.3.2020 verworfen (EA II, Bl. 189 ff.).
64 
Ehegatten -so das FA weiter-, die nicht dauernd getrennt lebten, hätten ihren Wohnsitz grundsätzlich dort, wo die Familie wohne. Dies gelte unabhängig davon, welche räumliche Entfernung zwischen den Ehegatten bestehe. Deshalb sei eine inländische Wohnung, die von einem Ehegatten gelegentlich zu Wohnzwecken genutzt werde, auch dann ein Wohnsitz, wenn sich ein Ehegatte zeitlich überwiegend im Ausland aufhalte. Deshalb sei der Kläger in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Aufgrund seiner Aufenthalte außerhalb Chinas von jeweils mehr als 90 Tagen pro Jahr sei er nicht in China ansässig und dort daher nur beschränkt steuerpflichtig. Dies bedeute, dass in China grundsätzlich nur Einkünfte aus chinesischen Quellen zu versteuern seien.
65 
Die Gewinnausschüttungen von seinen chinesischen Firmen seien direkt auf sein Konto bei der Bank I überwiesen worden. Er habe seinen persönlichen steuerlichen Status in China bisher nicht nachgewiesen. Zudem sei er an den auszahlenden Firmen zu mehr als 50 Prozent beteiligt. Aufgrund dieser mehrheitlichen Beteiligungen handele es sich bei den Zahlungen um Gewinnausschüttungen, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Deutschland zu erfassen seien. Als Veranlagungsart sei zugunsten der Eheleute die Zusammenveranlagung durchzuführen (Tz. 11, S. 10 f. des Steufa-Berichts, ESt-Akte, Bl. 93 f.).
66 
Es seien folgende Gewinnausschüttungen bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zu erfassen:
67 
Jahr   
Werkzeug Ltd.
Gew Ltd.
T Ltd.
Summe 
                                            
2013   
612.110,75 Euro
                 
612.110,75 Euro
2014   
1.229.601,39 Euro
794.722,07 Euro
        
2.024.323,46 Euro
2015   
1.483.361,04 Euro
976.158,11 Euro
231.449,59 Euro
2.690.968,74 Euro
2016   
        
400.000,00 Euro
        
400.000,00 Euro
2017   
250.000,00 Euro
500.000,00 Euro
        
750.000,00 Euro
2018   
1.128.026,02 Euro
2.182.031,47 Euro
        
3.310.057,49 Euro
                                            
Summe 
4.703.099,20 Euro
4.852.911,65 Euro
231.449,59 Euro
9.787.460,44 Euro
68 
Im Jahr 2018 sei noch die private Nutzung für das Kfz der Werkzeug GmbH i.H. von 6.786 Euro als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu berücksichtigen.
69 
Am 30.1.2019 wurde gegen den Kläger ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung von Einkommensteuer für 2012 bis 2016 eingeleitet (Aktenvermerk, EA II, Bl. 2 ff.). Am 13.11.2019 wurde das Ermittlungsverfahren auf die Einkommensteuer für 2017 und 2018 ausgedehnt (Aktenvermerk, EA II, Bl.6 f.). Mit Verfügung vom 28.6.2022 wurde das Strafverfahren für die Jahre 2012 bis 2016 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle des FA E eingestellt (Schreiben vom 5.7.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 177 ff.).
70 
8. Das FA wertete den Bericht der Steufa aus und erließ am 28.6.2021 (Zusammenveranlagungs-)Bescheide zur Einkommensteuer für die Streitjahre und ging dabei von Folgendem aus (vgl. ESt-Akte, Bl. 105 ff.):
71 
Jahr   
Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen
Abgeltungsteuer
                          
2013   
612.110 Euro
153.027 Euro
2014   
2.024.173 Euro
506.043 Euro
2015   
2.690.643 Euro
672.660 Euro
2016   
399.850 Euro
99.962 Euro
2017   
750.000 Euro
187.500 Euro
2018   
3.316.843 Euro (einschl. vGA von 6.786 Euro)
829.210 Euro
                          
Summe 
9.793.619 Euro
2.448.402 Euro
72 
Im Weiteren:
73 
Einkommensteuer
                 
                          
2013   
146.342,00 Euro
        
2014   
500.565,00 Euro
        
2015   
666.979,00 Euro
        
2016   
95.092,00 Euro
        
2017   
181.573,00 Euro
        
2018   
827.328,00 Euro
        
                          
Summe 
2.417.879,00 Euro
2.417.879,00 Euro
                          
Solidaritätszuschlag
                 
                          
2013   
8.095,12 Euro
        
2014   
27.502,33 Euro
        
2015   
36.691,22 Euro
        
2016   
5.208,65 Euro
        
2017   
10.039,91 Euro
        
2018   
45.460,80 Euro
        
                          
Summe 
132.998,03 Euro
132.998,03 Euro
                          
Zinsen
                 
                          
2013   
54.862,00 Euro
        
2014   
157.673,00 Euro
        
2015   
170.072,00 Euro
        
2016   
18.534,00 Euro
        
2017   
24.509,00 Euro
        
2018   
62.047,00 Euro
        
                          
Summe 
487.697,00 Euro
487.697,00 Euro
                          
Verspätungszuschlag für 2018
25.000,00 Euro
25.000,00 Euro
                          
insgesamt
        
3.063.574,03 Euro
74 
Die Zinsfestsetzungen ergingen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat jeweils vorläufig.
75 
9. Der Kläger legte am 22.7.2021 Einspruch ein (Rb-Akte, Bl. 1).
76 
Im Wesentlichen bringt der Kläger vor, er würde seit 2007 unter der Ladungsanschrift in seiner Villa in China wohnen (Schriftsatz vom 20.10.2021, S. 8, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 10). Diese Immobilie hätten er und seine Ehefrau im Jahr 2007 zu jeweils hälftigem Miteigentum erworben (a.a.O., Bl. 569 und Bl. 571). Zuvor --seit 2003- habe er ein 4-Zimmer-Appartement in X bewohnt. Im Jahr 2008 habe er sich aus Deutschland „ins Ausland“ abgemeldet (a.a.O., Bl. 15). Von seiner Ehefrau und seiner Familie lebe er seit 2006 getrennt (Einspruchsschreiben vom 22.7.2021, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 28). Im Jahr 2016 habe er mit seiner Ehefrau ein Haus in der [ ___ ] Straße Y in G errichtet (Schriftsatz vom 20.10.2021, S. 8, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 10).
77 
a) Seine Villa in X habe eine Wohnfläche von 939,14 m² und sei von einer Firma Möbel K GmbH, O / Deutschland im Jahr 2008 wohnfertig eingerichtet worden (Schreiben an das FA vom 1.7.2020, S. 3, BMO, Bl. 99 und vom 16.11.2020, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 48 [ ___ ]). Seine Villa in X sei wesentlich größer als das Gebäude in G
78 
(801 m² Wohnfläche) nämlich „fast doppelt so groß“ und auch wesentlich schöner eingerichtet. Ebenso verfüge er in X über einen „mindestens so ansprechenden Fuhrpark bzw. eine ebenso gut gefüllte Garage wie in Deutschland“ (vgl. Fotos, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Anlage 5, Bl. 170 bis 172). Das Haus in G sei zwar für deutsche Verhältnisse geräumig, aber in der Sache lediglich ein „Gebäude für die Ehefrau“ sowie „ein Rückzugsort im Falle einer Krise der Politik in China“ (Schreiben an das FA vom 1.7.2020, S. 3 f., BMO, Bl. 99 f. und Rb-Akte, Bl. 33 f.).
79 
Er habe seinen Wohnsitz ausschließlich in China, da er dort lebe, arbeite, seine Familie und Freunde empfange, seine persönlichen Dinge aufbewahre und von dort seit 2007 seine Firmen in X und weltweit leite (Einspruchsschreiben vom 22.7.2021, S. 4, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 29 und Aufstellung des Bevollmächtigten über den typischen Tagesablauf des Klägers in X vom 4.8.2022). Er habe, wenn er sich geschäftlich in Deutschland aufgehalten habe, oftmals nicht im Hotel übernachtet, sondern „an seinem ehemaligen Wohnsitz“. Dies allerdings nur um Kosten zu sparen (Einspruchsschreiben vom 22.7.2021, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 28). Einer seiner beiden Söhne sei seit 2013 stets in X. Sein Bruder mit Familie lebe ebenfalls dort (Einspruchsschreiben vom 22.7.2021, S. 11, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 36). Seine Eltern wohnten mit in seiner Villa (Schreiben an das FA vom 1.7.2020, S. 3, BMO, Bl. 99).
80 
Sein Sohn K 1 habe in den Jahren 2013 bis 2017 die Deutsche Schule in X besucht; sein Sohn K 2 von 2019 bis Mitte 2022 (Schreiben an das FA vom 16.11.2020, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 48 mit Anlage 2a, Bl. 66 ff. und Bl. 570).
81 
b) Aufgrund der Eintragungen in seinen Reisepässen habe er sich in der folgenden Anzahl von Tagen in China aufgehalten. Den Rest der Aufenthalte bildeten Reisen in Drittländer sowie Aufenthaltstage in Deutschland, die weitaus überwiegend geschäftlicher Natur gewesen seien. Erkennbar sei, dass die Aufenthaltstage in China seit 2014 stark angestiegen seien (Einspruchsschreiben vom 22.7.2021, S. 16, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 41), im Einzelnen wie folgt:
82 
Jahr   
in China
in Deutschland
in Drittländern
                                   
2013   
188
128
49
2014   
219
105
41
2015   
246
100
19
2016   
263
106
-
2017   
237
78
13
2018   
263
94
8
83 
Hinsichtlich dieser Aufenthaltstage, die sowohl durch den Kläger im Einzelnen bezeichnet als auch von dem Bevollmächtigten geprüft worden seien, könnten jeweils die entsprechenden Beschreibungen der Reisen und Aufenthalte in den allermeisten Fällen zusätzlich geliefert werden. Möglicherweise gebe es hinsichtlich einzelner Tage geringfügige Abweichungen zwischen dem Ergebnis der Prüfung des Bevollmächtigten und derjenigen des Klägers, die lediglich in einer Bandbreite von maximal drei bis vier höchstens aber zehn Tagen pro Jahr differierten.
84 
In den Ferienzeiten, wie z.B. Weihnachten, dem chinesischen Neujahrsfest, Silvester und Ostern sei jeweils nicht der Kläger nach Deutschland gekommen, sondern seine Familie nach X. Die Villa in X nutzten er, seine Familie, Freunde und seine Bekannten regelmäßig u.a. im Rahmen von Grillfesten und Partys (vgl. Fotos, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 78 ff.).
85 
Der Kläger habe seit seiner Rückkehr nach X „im Jahr 2005“ nicht nur einen sehr luxuriösen privaten Wohn- und Rückzugsort für sich und seine Familie in X geschaffen. Er habe bereits ab dem Jahr 2003 dort auch mehrere Firmen gegründet, die derzeit über 320 angestellten Arbeitnehmern einen zukunftssicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz böten. Zu nennen seien die 2003 gegründete Werkzeug Ltd., die seit 2006 bestehende Gew Ltd., die in 2007 gegründete T Ltd. und die seit 2008 existierende M Ltd. (Schreiben an das FA vom 16.11.2020, S. 7 f., Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 52 f.).
86 
c) Seine Firmen befassten sich mit unterschiedlichen Geschäftsthemen; zum einen mit der Herstellung von [ ___ ] (Gew Ltd.) und zum anderen mit der Herstellung sowie mit dem Vertrieb von Werkzeugen. Sie seien erfolgreich auf dem Weltmarkt tätig. Daraus folge, dass er täglich in X anwesend sein müsse, damit er diese Firmen und insbesondere seine Mitarbeiter vor Ort anleiten bzw. beaufsichtigen und mit leitenden Mitarbeitern wichtige Entscheidungen treffen könne. So habe er im Jahr 2014 eine M-Tochtergesellschaft in Taiwan gegründet (Schreiben an das FA vom 16.11.2020, S. 8, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 53).
87 
In Deutschland arbeiteten in seinen gruppenangehörigen Firmen lediglich vier Mitarbeiter (Schreiben an das FA vom 1.7.2020, S. 4, BMO, Bl. 100).
88 
Er sei Mitglied der [ ___ ] in China und der [ ___ ], X. Mit seinen Firmen habe er zahlreiche Patente angemeldet und erteilt bekommen (Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 336 ff.). In China habe er auch seine Steuern bezahlt (Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 348 ff.).
89 
Aufgrund dessen seien die erlassenen Steuerbescheide rechtswidrig. Das Besteuerungsrecht stehe China zu.
90 
10. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021 als unbegründet zurückgewiesen (Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 7 ff.). 
91 
a) Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er als „domiciled“ oder als „resident“ in China besteuert worden sei. Als „non-resident" sei er in China aber nicht ansässig, sondern unterliege dort keiner umfassenden persönlichen Besteuerung wie es Art. 4 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens mit China (DBA-China) verlange. Mangels Doppelansässigkeit liege deshalb bereits kein Kollisionsfall vor. Art. 4 Abs. 2 DBA-China (sog. tie-breaker-rule) sei infolgedessen nicht einschlägig.
92 
b) Aber auch nach Art. 4 Abs. 2 DBA-China sei der Kläger als nur in Deutschland ansässig zu behandeln, da er im Inland über eine ständige Wohnstätte verfüge und zudem hier den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe.
93 
aa) Er könne das Haus in G auf Grund einer langfristigen Rechtsposition ständig nutzen. Auch sei es zu seinem ständigen Wohnen bestimmt und werde von ihm auch regelmäßig genutzt. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich er sich an jeweils mehr als 90 Tagen pro Jahr (außer in 2017), also annähernd ein Drittel des Jahres, in Deutschland aufgehalten habe und das, obwohl er in China seiner Tätigkeit nachgehe und zudem viele gemeinsame Urlaube mit der Familie auch in China verlebe. Er lebe nicht dauernd getrennt von seiner Ehefrau. Die Eheleute würden gemeinsame Urlaube und Feiertage verbringen. Die Kreditkartenabrechnungen deuteten zudem darauf hin, dass eine gemeinsame Finanzierung der Lebenshaltung vorliege und er Ausgaben für die Ehefrau tätige. Aufgrund der gemeinsamen wirtschaftlichen und familiären Lebensgestaltung mit der Ehefrau und seinen Kindern sei das Haus in G die Familienwohnung. Die Wohnung im Inland sei nach der vorliegenden Sachlage eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern vor allem seine in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle.
94 
Die Dauer der Nutzung sei nicht maßgeblich. Dem zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Nutzungsdauer der Familienwohnung im Inland und der Wohnung im Ausland komme bei der Würdigung, ob eine ständige Wohnstätte vorliegt, keine Bedeutung zu. Für die Beurteilung der ständigen Wohnstätte spiele es auch keine Rolle, ob das Haus in X -wie der Kläger vortrage- wesentlich größer sei als die Häuser in G bzw. zuvor in H. Insbesondere das Haus in G sei mit familiärem Leben erfüllt, in das er eingebunden sei. Es biete mit 801 m² Wohnfläche mehr als nur ausreichend Platz für die gesamte Familie. Auch wenn die berufliche Tätigkeit des Klägers die meiste Zeit des Jahres seine persönliche Anwesenheit in X notwendig mache, er sich (auch) in der Wohnung in X zu Hause fühle und von dort die Arbeit aufsuche, verfüge er über eine ständige Wohnstätte in Deutschland.
95 
bb) Zudem habe er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland.
96 
Die Ehefrau, sein Sohn K 2 und teilweise auch der Sohn der Ehefrau (K 1) hätten in den Streitjahren in dem gemeinsamen Haus in G gelebt. Den eingereichten Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger eine sehr enge Bindung zu seiner Familie habe und diese trotz seiner häufigen geschäftlichen Abwesenheiten pflege. Aus den eingereichten Fotos (Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 78 ff.) und seinem Vortrag werde deutlich, dass er großen Wert auf gemeinsam verbrachte Ferienaufenthalte lege und ihm die familiäre Bindung äußerst wichtig sei. Aufgrund dieser Familienbande sei der Wohnort der Familie in Deutschland sein Lebensmittelpunkt. Dass sein Stiefsohn K 1 in Teilen des hier zu beurteilenden Zeitraums die Deutsche Schule in X besucht habe und gemeinsame Urlaube auch in China stattgefunden hätten, stehe dem Lebensmittelpunkt in Deutschland nicht entgegen.
97 
Zudem unterhalte der Kläger neben dem Bezug zur Familie auch enge freundschaftliche Beziehungen in Deutschland. Solche pflege er z.B. laut seinem Vortrag zu einem [ ___ ] (Geschäftsführer der Werk-P. GmbH; vgl. Anlage K5a zum Schriftsatz vom 11.4.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 173), der laut dessen Aussagen einer seiner besten Geschäftspartner sei und den er seit Abschluss seines Studiums in G und damit seit etwa 20 Jahren kenne. Die Freundschaft resultiere aus den intensiven Beziehungen des Klägers zu Deutschland. Unabhängig davon, dass sich die Geschäftspartner laut den vorliegenden Aussagen häufiger in China träfen, zeige sich hierin auch der besondere persönliche und wirtschaftliche Bezug zum Standort Deutschland. Der Kläger berufe sich zwar auf seine starken und intensiven Wirtschaftsbeziehungen in China. Da sich die wirtschaftlichen Interessen in Deutschland und China in weiten Teilen ergänzten und voneinander profitierten, seien für ihn aber nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen in China, sondern auch diejenigen in Deutschland bedeutende Gesichtspunkte. Der Ort der Geschäftsinteressen sei somit keinesfalls ein Schwerpunktsmerkmal, das nur auf China zutreffe. Nicht zu vernachlässigen seien überdies die finanziellen Interessen, die er in Deutschland habe. Durch die vielen Ortswechsel diene ihm Deutschland zudem als Rückzugsort, vor allem deshalb, weil hier seine Familie wohne. Dass das Haus in G -nach den Ausführungen des Klägers- sein Zufluchtsort bei Krisen sei, zeige außerdem die enorme Bedeutung seines deutschen Wohnsitzes für ihn und seine Familie.
98 
c) Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines gewohnheitsmäßigen Aufenthalts des Klägers in beiden Staaten vor, da die jeweiligen Aufenthalte von einer gewissen Mindestdauer seien und in Wiederholungsabsicht unternommen würden. Habe eine natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem der Staaten, so gelte sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie sei. Als deutscher Staatsangehöriger gelte er darum als nur in Deutschland ansässig.
99 
11. Hiergegen erhob der Kläger Klage und beantragt,
die Bescheide über die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2018 nebst der jeweiligen Bescheide über die Zinsen und den Solidaritätszuschlag und für den Veranlagungszeitraum 2018 über den Verspätungszuschlag jeweils vom 28.06.2021 und die Einspruchsentscheidung hierzu vom 10.12.2021 aufzuheben.
100 
12. Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
101 
13. Am 1.6.2022 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert (vgl. Niederschrift vom 1.6.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, S. 1 ff., Bl. 124 ff.).
102 
Gegen die dingliche Arrestanordnung vom 22.11.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.11.2020 wegen Einkommensteuer für 2013 bis 2016 i.H. von 1.427.128,30 Euro ist ein Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 K 2953/20 anhängig. Gegen die weitere dingliche Arrestanordnung vom 26.4.2021 wegen Einkommensteuer für 2017 und 2018 i.H. von 1.142.682,30 Euro ist unter dem Aktenzeichen 1 K 1142/21 (Sprung-)Klage nach § 45 Abs. 4 FGO eingereicht worden. In beiden Verfahren wird nunmehr -nach Erlass der Einkommensteuerbescheide und damit der Erledigung der Arrestanordnungen- die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Arrestanordnungen begehrt (Fortsetzungsfeststellungsklage). Hinsichtlich der streitgegenständlichen Bescheide hat der Kläger die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung im Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 V 2435/21 beantragt.
103 
Die Akten der Verfahren 1 K 2953/20, 1 K 1142/21 und 1 V 2435/21 sind beigezogen. Die Einsichtnahme in die Akten in allen Verfahren erfolgte am 13.4.2021, 27.7.2021 und am 9.2.2022.
104 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (ESt-, Rb-, Eigenheimzulagen-, Vollstreckungs- und Steuerfahndungsakten [BMO, EA I und II]) und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
105 
Die Klage hat teilweise Erfolg.
106 
1. Soweit sich der Kläger gegen die Festsetzung von Solidaritätszuschlag für die Streitjahre wendet, ist die Klage unzulässig.
107 
Mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag kann nach § 51a Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 1 Abs. 5 Satz 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG) weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Wird nämlich die Bemessungsgrundlage geändert, ändert sich kraft Gesetzes der Solidaritätszuschlag entsprechend (§ 51a Abs. 5 Satz 2 EStG und § 1 Abs. 5 Satz 2 SolZG; vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 51a Rn. 8).
108 
Der Kläger wendet sich darüber hinaus nicht gegen die Höhe des Solidaritätszuschlags. Auch erging die Festsetzung insoweit auf der Grundlage von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig, so dass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 10.11.1993 X B 83/93, BStBl II 1994, 119 und vom 22.3.1996 III B 173/95, BStBl II 1996, 506, Rn. 28).
109 
2. Die Zinsbescheide werden geändert (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO).
110 
Sie sind rechtswidrig, soweit eine Verzinsung i.H. von 0,5 Prozent im Monat ab dem 1.1.2019 erfolgt.
111 
a) Nach § 238 Abs. 1a i.V.m. § 233a AO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der AO und des Einführungsgesetzes zur AO (EGAO) durch das sog. Zinsanpassungsgesetz vom 12.7.2022 (BGBl I 2022, 1142) betragen die Zinsen in den Fällen des § 233a AO abweichend von § 238 Abs. 1 Satz 1 AO rückwirkend ab dem 1.1.2019 für jeden Monat 0,15 Prozent, d.h. 1,8 Prozent pro Jahr. Das Zinsanpassungsgesetz wurde am 21.7.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat nach dessen Art. 3 am Tag nach der Verkündung --mithin am 22.7.2022-- in Kraft.
112 
Aufgrund dessen sind die Zinsbescheide wie folgt zu ändern (vgl. Anlage des Schreibens des FA vom 26.7.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 173):
113 
Jahr   
Zinsen (bisher)
Zinsen (bisher)
Zinsen (neu)
Zinsen (neu)
        
insgesamt
bis 31.12.2018
ab 1.1.2019
insgesamt
                                            
2013   
54.862 Euro
32.917 Euro
6.583 Euro
39.500 Euro
2014   
157.673 Euro
82.591 Euro
22.524 Euro
105.115 Euro
2015   
170.072 Euro
70.030 Euro
30.012 Euro
100.042 Euro
2016   
18.534 Euro
4.277 Euro
4.277 Euro
8.554 Euro
2017   
24.509 Euro
0 Euro
7.352 Euro
7.352 Euro
2018   
62.047 Euro
0 Euro
18.614 Euro
18.614 Euro
                                            
Summe 
487.697 Euro
189.815 Euro
89.362 Euro
279.177 Euro
114 
b) Anders als das FA meint, steht einem Erfolg der Klage in dieser Höhe auch nicht Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO entgegen (Schreiben des FA vom 26.7.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 161).
115 
Danach sind § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 und Abs. 2 sowie § 171 Abs. 8 AO auf nach dem 21.7.2022 erlassene Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 entsprechend anzuwenden, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des § 238 Abs. 1a AO in der am 22.7.2022 geltenden Fassung noch nicht vorliegen.
116 
Nach dem dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsgedanken -so das FA- seien weiterhin die Voraussetzungen für die vorläufigen Zinsfestsetzungen gegeben, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des neuen, geringeren Zinssatzes noch nicht vorlägen. Ein Rechtsbehelf sei daher mangels Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
117 
§ 165 AO liege der Gedanke zugrunde, dass das FA aus verschiedenen Gründen an einer endgültigen Festsetzung des Anspruchs gehindert sein kann. Das betreffe u.a. die Anhängigkeit eines Musterverfahrens (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) und den Zeitraum bis zu einer erforderlichen gesetzlichen Neuregelung (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO). Die Regelung des Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO erweitere diesen Gedanken auf den Zeitraum, den die Finanzverwaltung als Massenverwaltung für die technische Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung benötige. Das sei aus Sicht des rechtsschutzsuchenden Steuerpflichtigen natürlich „nicht optimal“. Dem Steuerpflichtigen sei allerdings für einen überschaubaren Zeitraum ein weiteres Zuwarten zumutbar. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Zweijahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 2 AO, bei der der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen sei, die Finanzverwaltung könne nach einem erfolgreichen Musterverfahren nicht sofort in allen vorläufigen Fällen Änderungsbescheide erlassen. Im Streitfall entstehe dem Kläger auch kein finanzieller Nachteil durch ein weiteres Zuwarten, da die Zinsen noch nicht entrichtet worden seien.
118 
c) Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
119 
Zunächst wäre es vorliegend unstreitig möglich gewesen, sog. manuelle Bescheide zu erlassen, so dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung von § 238 Abs. 1a AO im Einzelfall vorliegen. Auch verfolgt Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO den Zweck, dass die Finanzverwaltung im steuerlichen Massenverfahren (wie bisher) Zinsfestsetzungen vorläufig erlassen kann, obwohl die Voraussetzungen von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO nach dem Inkrafttreten des Zinsanpassungsgesetzes nicht mehr vorliegen (vgl. Baum, NWB 2022, 2112, 2121). Darum geht es aber vorliegend nicht, sondern um die Rechtmäßigkeitsprüfung von Verwaltungsakten.
120 
Soweit das FA daher beantragt, das Verfahren wegen der Zinsfestsetzungen abzutrennen und auszusetzen, bis die Finanzverwaltung die Voraussetzungen für eine automationsgestützte Anwendung von § 238 Abs. 1a AO geschaffen hat, ist dies abzulehnen.
121 
Die Trennung von Verfahren nach § 73 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 und Abs. 1 Satz 2 FGO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Insoweit lässt sich der Senat von prozessökonomischen Gründen leiten (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 73 Rn. 22 f.).
122 
Solche Zweckmäßigkeitsgründe, die für eine Trennung sprechen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind die verschiedenen Antragsgegenstände entscheidungsreif. Daher kann eine Trennung nicht erfolgen (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 73 Rn. 24).
123 
Überdies könnte ein abgetrenntes Verfahren nicht ausgesetzt werden, da keine Vorgreiflichkeit eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 74 FGO gegeben ist.
124 
3. Die Einkommensteuerbescheide vom 28.6.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
125 
a) Der Kläger ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.
126 
Er hat seinen Wohnsitz im Inland.
127 
aa) Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG).
128 
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).
129 
Ob im Einzelfall eine solche Benutzung vorliegt, ist unter Würdigung der Gesamtumstände nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu beurteilen. Dabei entfalten die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzugeben, die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde allein keine unmittelbare steuerliche Wirkung (BFH-Urteil vom 14.11.1969 III R 95/68, BStBl II 1970, 153, Rn. 6). Hat der Steuerpflichtige eine Wohnung inne, die nach objektiven Maßstäben dauerhaft genutzt und beibehalten werden soll, kommt einem etwaigen Willen des Steuerpflichtigen, an diesem Platz keinen Wohnsitz begründen oder beibehalten zu wollen, keine Bedeutung zu. Maßgeblich sind alleine die tatsächlichen Lebensverhältnisse (BFH-Urteil vom 23.11.1988 II R 139/87, BStBl II 1989, 182, Rn. 11).
130 
Ein Steuerpflichtiger kann gleichzeitig mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze haben. Diese können im Inland und/oder im Ausland gelegen sein. Zur Begründung eines steuerlichen Wohnsitzes im Inland ist nicht Voraussetzung, dass sich dort auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet oder dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen Arbeit nachgeht (BFH-Urteile vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447, Rn. 10 und vom 18.12.2013 III R 44/12, BStBl II 2015, 143, Rn. 8).
131 
Mit einer Wohnung im Sinne des § 8 AO sind stationäre Räumlichkeiten gemeint, die --mindestens im Sinne einer bescheidenen Bleibe- auf Dauer zum Wohnen geeignet sind. Weil „Bewohnen“ mehr ist als „Aufenthalt“ oder „Übernachtung“, erfüllt eine nur kurzfristige, lediglich vorübergehende oder eine notdürftige Unterbringungsmöglichkeit den Wohnungsbegriff nicht. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit. In rechtlicher Hinsicht reicht es aus, wenn die Wohnung mit einfachsten Mitteln ausgestattet ist (vgl. ebenso Anwendungserlass zur AO --AEAO-- zu § 8 Nr. 2).
132 
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung zudem innehaben. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht), als Bleibe zur Verfügung stehen. An der objektiven Eignung fehlt es bei sog. Standby-Wohnungen oder -Zimmern, wenn auf Grund von Vereinbarungen oder Absprachen zwischen den Wohnungsnutzern die Nutzungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen derart beschränkt ist, dass er die Wohnung oder das Zimmer nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt nutzen kann (BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046, Rn. 11).
133 
Die Nutzung muss zu Wohnzwecken, aber weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen. Erforderlich ist allerdings eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte oder unregelmäßige kurze Aufenthalte zu Erholungs- oder Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 10.4.2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909, Rn. 16). Die ausschließliche Nutzung als Betriebsstätte, Büro, Ladengeschäft, Warenlager oder Ähnliches stellt keine Nutzung zu Wohnzwecken dar (BFH-Urteil vom 8.5.2014 III R 21/12, BStBl II 2015, 135). Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr zu Wohnzwecken in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl 1997, 447). Eine Nutzung zu Wohnzwecken kann auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung innerhalb eines Kalenderjahrs nicht nutzt (vgl. ebenso AEAO zu § 8 Nr. 4.1).
134 
Bei einem Familienwohnsitz ist die Frage für jede Person gesondert zu prüfen (BFH-Urteil vom 7.4.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, Rn. 13). Ein Ehegatte, der nicht dauernd getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt (BFH-Urteil vom 6.2.1985 I R 23/82, BStBl II 1985, 331, Rn. 10 m.w.N.). Diese Vermutung gilt regelmäßig unabhängig davon, welche räumliche Entfernung zwischen den Ehegatten besteht. Deshalb ist eine inländische Wohnung, die von einem Ehegatten gelegentlich zu Wohnzwecken genutzt wird, auch dann ein Wohnsitz, wenn er sich zeitlich überwiegend im Ausland aufhält (vgl. ebenso AEAO zu § 8 Nr. 5.2).
135 
Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet, hat auch im Inland einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO, sofern er die inländische Wohnung weiterhin unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, sie beibehalten und benutzen zu wollen (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447).
136 
bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger im Streitzeitraum stets einen Wohnsitz im Inland; zunächst im [ ___ ]-weg x in H und ab 2016 mit der Fertigstellung des Gebäudes in der [ ___ ] Straße Y in G.
137 
Ihm standen jederzeit Räumlichkeiten zur Verfügung, die über eine lediglich kurzfristige, vorübergehende oder eine bloß notdürftige Unterbringungsmöglichkeit weit hinausgehen. Auch war bzw. ist er hälftiger Miteigentümer der jeweiligen Wohnungen, so dass ihm ein Anspruch auf Nutzung zustand bzw. zusteht (vgl. § 743 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-). Seine Nutzungsmöglichkeiten waren weder durch Vereinbarungen noch durch Absprachen derart beschränkt, dass er die Wohnung nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt hätte nutzen können. Wer -wie der Kläger zuletzt in G-- in einer Bleibe jedenfalls über eine Schlafgelegenheit, ein Ankleidezimmer und einen Stellplatz für einen stets zur Nutzung vorgehaltenen Pkw verfügt, hat einen Wohnsitz im Inland. Dass der Kläger bei Aufenthalten in Deutschland nur zur Ersparnis von Hotelkosten in seinen ihm mitgehörenden Räumlichkeiten übernachtet haben will, ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Von seiner jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit machte der Kläger auch Gebrauch. In jedem Jahr des Streitzeitraums verbrachte er -bis auf das Jahr 2017- mehr als 90 Tage in Deutschland und davon ganz überwiegend --zunächst in H, ab 2016 in G- in seinen Räumlichkeiten. Selbst wenn er von hier aus einige Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands unternommen haben sollte, bleibt ein substantieller Anteil an Aufenthalten in der Immobilie in G.
138 
Insbesondere die Bebauung des Grundstücks in der [ ___ ] Straße Y in G mit einem Wohngebäude von 2013 bis 2016 erfolgte -genauso wie zuvor in H- unter Beteiligung des Klägers, der den Kaufvertrag im Jahr 2013 über das Grundstück genauso eigenhändig unterschrieb wie den Vertrag mit der Baufirma über die Ausführung des Baus. Der Kläger nahm mehrmals an Besprechungen mit dem zuständigen Projektleiter, einem PL, teil, die auch auf der Baustelle durchgeführt wurden (EA II, Bl. 342 f.). Dadurch beeinflusste er die Gestaltung des Familienheims wesentlich, auch wenn die Planung und Ausführung der Außenanlagen von der Ehefrau beauftragt und beaufsichtigt wurden (EA II, Bl. 351 f.). Seine Einflussnahme zeigte sich auch bei der Inneneinrichtung. Er unterschrieb den Auftrag über die „gesamte Möblierung“ für 390.000 Euro gemeinsam mit seiner Ehefrau (EA II, Bl. 376). Exemplarisch ist auch Folgendes: Auf eine E-Mail der Firma Möbel K GmbH in O / Deutschland, welche eine detaillierte Zusammenstellung der für die Räumlichkeiten gewünschten Einrichtungsgegenstände (EA II, Bl. 372 f.) und einen Vorschlag über das Arrangement des Esstisches in Eiche und der Bestuhlung in der Küche enthielt (EA II, Bl. 374 f.), antwortete der Kläger am 25.8.2015 zustimmend („[ ___ ]; EA II, Bl. 374).
139 
Für den Kläger wurde laut einer Aufstellung der Firma Möbel K GmbH --die auch die Villa in X ausgestattet hat-- für das Gebäude in der [ ___ ] Straße Y in G ein speziell für seine Bedürfnisse gefertigtes Bett mit Beleuchtung an der Bettseite und zwei Nachttischen mit drei Schubladen vorgesehen (EA II, Bl. 390). Die Planung und Gestaltung des Weinkellers für rund 17.000 Euro war dem Kläger ebenfalls besonders wichtig und lief unmittelbar über ihn. In einer E-Mail der Firma Möbel K GmbH an ihn heißt es: „Hallo Herr A, in der Anlage habe ich einen Entwurf für Ihren Weinkeller. … Ich hoffe, dass Ihnen der Vorschlag gefällt (EA II, Bl. 381). Mit einer weiteren E-Mail wurden dem Kläger Bilder von Weinregalen übersandt (EA II, Bl. 388).
140 
Auch trug der Kläger die laufenden Kosten für das Haus in G (Rundfunkgebühren, Strom, Wasser, Gas und Abwasser). Diese Aufwendungen wurden von seinem Privatgirokonto bei der Bank I Nr. xxxxx abgebucht (Kontoauszüge, BMO, Bl. 26 ff.),
141 
Der Kläger lebte auch nicht --wie von ihm behauptet-- seit 2006 im familienrechtlichen Sinne von seiner Ehefrau getrennt.
142 
Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben Ehegatten nur getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Legaldefinition setzt sich damit aus zwei Komponenten -einer objektiven (keine häusliche Gemeinschaft) und einer subjektiven (Trennungswillen)- zusammen. Ein Getrenntleben liegt nur vor, wenn beide Komponenten kumulativ vorliegen. Unter häuslicher Gemeinschaft ist das Bestehen eines gemeinsamen räumlichen Mittelpunkts der privaten ehelichen Lebensführung zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft ist dabei nicht mit der Wahl einer bestimmten Wohnsituation verknüpft. Die häusliche Gemeinschaft kann beispielsweise auch bestehen, wenn die Ehegatten in verschiedenen Wohnungen leben. Die Gründe für getrennte Wohnungen können nämlich vielfältig sein. Zu berücksichtigen sind die individuellen Lebensverhältnisse und die sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen auf die Lebensführung. Insbesondere berufsbedingt getrennte Wohnungen gehen nicht mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft einher. Entscheidend ist, ob die Ehegatten selbst einen oder mehrere Wohnstätten als gemeinsamen ehelichen Lebensmittelpunkt ansehen (Preisner in Erman, BGB, 16. Aufl., 2020, § 1567 Rn. 6).
143 
In einer Gesamtschau besteht zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine häusliche Gemeinschaft. Sie feiern alle wichtigen Festtage und persönlichen Anlässe gemeinsam mit den Kindern und betreiben ihre Unternehmen in Deutschland gemeinsam. Sie regeln alle wichtigen Fragen das Haus betreffend (Bebauung und Einrichtung) einvernehmlich. Größere Investitionen trägt der einkommenstärkere Kläger allein. Die Ehefrau ist als Geschäftsführerin der deutschen Firmen verantwortlich und der Kläger für die chinesischen Firmen.
144 
Der Kläger hat überdies seit 1.10.2004 ohne Unterbrechung Verfügungsbefugnis über das private Konto der Ehefrau (Konto Nr. xxxxx bei der Bank I; Änderungsvertrag vom 1.10.2004, EA II, Bl. 63 und Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 13). Umgekehrt kann die Ehefrau seit 7.9.2004 zeitlich ununterbrochen über das Privatkonto des Klägers (Konto Nr.  xxxxx bei der Bank I) verfügen (Änderungsvertrag vom 7.9.2004, EA II, Bl. 29 und Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 12). Bei einem familienrechtlich getrennten Ehepaar entspricht dies nicht der Lebenswirklichkeit.
145 
Auch spricht nichts dafür, dass sich zumindest einer der Ehegatten subjektiv von der Ehe gelöst hat. Dafür wäre der erkennbare Wille Voraussetzung, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil die eheliche Lebensgemeinschaft abgelehnt wird. Die sowohl vom Kläger als auch von der Steufa eingereichten Fotos zeugen jedoch vom ganzen Gegenteile. Beide Eheleute kümmern sich auch im Übrigen um die gemeinsamen familiären, finanziellen und unternehmerischen Belange.
146 
Gegen eine Trennung, die mit dem Wegzug nach China im Jahr 2006 erfolgt sein soll, spricht des Weiteren, dass der Kläger und seine Ehefrau zur Vorbereitung einer Rechtsauskunft einem Rechtsanwalt R im Jahr 2017 den tatsächlichen Sachverhalt dahin schilderten, dass sie familienrechtlich nicht getrennt leben. Dieser gibt nämlich den Sachverhalt in Abgrenzung zu einer Entscheidung des FG Berlin vom 28.1.2003  5 K 5267/01, juris so wieder, dass die Eheleute (anders als im dortigen Streitfall) scheidungsrechtlich gerade nicht voneinander getrennt lebten. Es handele sich beim Kläger und seiner Ehefrau lediglich um eine berufliche Trennung. Allein die Berufsausübung in China --so der um Rechtsrat ersuchte Rechtsanwalt weiter-- zwinge den Kläger dazu, teilweise nicht in Deutschland zu leben (Schreiben vom 31.8.2017, S. 2 f., BMO, Bl. 225 f.).
147 
Überdies entspricht es nicht der Lebenswirklichkeit einer familienrechtlichen Trennung, dass die Eheleute noch gemeinsam erhebliche Investitionen tätigen. So wurde die Villa in X noch im September 2007 für rund 900.000 Euro von beiden zu je hälftigem Miteigentum erworben. Auch wenn im chinesischen Güterrecht die sog. Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand eingreift, wonach bei Anschaffungen während der Ehe ein Sondervermögen entsteht, das sich aus dem Gesamtgut zusammensetzt, an dem beide Ehegatten dinglich beteiligt sind, war der Kläger nicht gezwungen, überhaupt eine Immobilie in China zu erwerben (vgl. https://www.heckschen-vandeloo.de/aktuelle-fachbeitraege/aktueller-fachbeitrag/internationales-gueterrecht-die-europaeischen-gueterrechtsverordnungen.html, zuletzt eingesehen am 3.6.2022). Er hätte schlicht eine Wohnung mieten können. Dabei lässt es der Senat offen, ob dieser besondere Güterstand nach den Regelungen des Internationalen Privatrechts für die im Jahr 2000 in Deutschland geschlossene Ehe überhaupt maßgeblich ist.
148 
Jedenfalls bestand -bei einer unterstellten Trennung ab dem Jahr 2006- keine Veranlassung für den Kläger im Jahr 2013 das Grundstück in der [ ___ ] Straße Y in G gemeinsam mit seiner Ehefrau zu erwerben und aufwändig zu bebauen.
149 
Zudem schilderte die Steuerberaterin der Eheleute noch im Schreiben an das FA vom 14.1.2009, dass der Kläger seinen Wohnsitz weiter in Deutschland habe und somit den Eheleuten die Eigenheimzulage weiter zu gewähren sei (Rb-Akte, Bl. 48).
150 
Nicht zuletzt sind die Eheleute trotz der vermeintlichen Trennung im Jahr 2006 bis heute weder geschieden noch ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Eine neue Lebenspartnerin hat der Kläger nicht.
151 
cc) Dem steht nicht entgegen, dass das FA der Ehefrau mit Schreiben vom 5.7.2010 (ESt-Akte, vor Lasche 2008, Bl. 2) mitteilte, dass der Kläger nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei, da sich sein Wohnsitz im Ausland befinde. Denn damit hat es keine Auskunft mit bindender Wirkung für die Streitjahre erteilt.
152 
Grundsätzlich kann eine Finanzbehörde neben der gesetzlich geregelten Auskunft im Anschluss an eine Außenprüfung (§§ 204 bis 207 AO) auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (Zusage) erteilen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das FA durch einen für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständige Amtsträger (Sachgebietsleiter oder Vorsteher) vertreten wird (BFH-Urteile vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274, Rn. 19 und vom 26.11.1997 III R 109/93, BFH/NV 1998, 808 - Leitsatz; FG Hamburg, Urteil vom 30.4.2013 – 2 K 81/12, rkr., juris, Rn. 24 m.w.N.). Schon daran mangelt es vorliegend.
153 
Zudem ist das Schreiben nur als die Mitteilung des Ergebnisses einer vorläufigen Prüfung im Veranlagungsverfahren für die Jahre 2008 und 2009 zu sehen. Eine Bindungswirkung für die zukünftige steuerliche Behandlung des Klägers -unabhängig von der weiteren Entwicklung des Sachverhalts- kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger den unzutreffenden Eindruck erweckte, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebt und keinen Wohnsitz mehr im Inland hat. Beides trifft aber nicht zu.
154 
Auch hat der sachkundig beratene Kläger zu der von ihm beanspruchten Eigenheimzulage die anderenfalls nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 AO gebotene Berichtigung nicht erklärt.
155 
b) Unstreitig bezog der Kläger steuerbare Bezüge aus den Gewinnausschüttungen seiner (ausländischen) Kapitalgesellschaften (Werkzeug Ltd., Gew Ltd. und T Ltd. jeweils X), die den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen sind und die mangels Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen.
156 
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Genossenschaften sowie an einer optierenden Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Zu den sonstigen Bezügen gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
157 
Die Beteiligungsbezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften unterfallen dann § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn die ausländische Gesellschaft und das zum Bezug führende ausländische Beteiligungsrecht ihrer Struktur nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallenden inländischen Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entsprechen. Dies ist nach dem sog. Typenvergleich festzustellen (Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 20 Rn. 30 m.w.N.).
158 
Die chinesische Ltd. ist mit einer GmbH vergleichbar.
159 
Die ganz überwiegende Zahl der ausländisch investierten Unternehmen in China wird in der Form der Limited Liability Company („Co., Ltd.") gegründet. Es handelt sich dabei um eine Kapitalgesellschaft mit einer beschränkten Haftung im Außenverhältnis, die im Wesentlichen im chinesischen Gesellschaftsrecht (PRC Company Law) geregelt ist. Das PRC Company Law schreibt in der seit dem 1.1.2006 geltenden Fassung ein Mindeststammkapital von 30.000 Yuan und bei Ein-Personen-Gesellschaften von 100.000 Yuan vor. Ein entsprechender Businessplan muss im Rahmen einer Machbarkeitsstudie bei der zuständigen Behörde vorgelegt werden und unterliegt der Genehmigungspflicht (vgl. https://cms.law/en/media/local/cms-china/files/publications/publications/business-legal-structure-in-china, S. 9, zuletzt besucht am 16.5.2022). Seit 1.3.2014 kann eine chinesische Ltd. auch mit einem Stammkapital von 1 Yuan errichtet werden. Die Gesellschaftsrechte des Inhabers ähneln dem eines GmbH-Gesellschafters.
160 
Der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG wurde zutreffend nicht abgezogen, da der Kläger keine Einkommensteuererklärung abgegeben hat und daher nicht ersichtlich ist, inwieweit der Kläger den Sparer-Pauschbetrag bereits im Zusammenhang mit möglichen weiteren Einkünften aus Kapitalvermögen in Anspruch genommen hat.
161 
c) Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinnausschüttungen steht nach dem einschlägigen DBA Deutschland zu. Eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG ist nicht vorzunehmen, da die Kapitalerträge in China nicht besteuert wurden.
162 
aa) Sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich des DBA-China sind eröffnet.
163 
Dabei gilt das (alte) DBA-China vom 10.6.1985 (BGBl II 1986, 446) bis zum 5.4.2016 und das (neue) DBA-China vom 28.3.2014 (BGBl II 2015, 1647) gilt ab 6.4.2016 (BGBl II 2016, 1005). Die Regelungen sind -soweit sie den Streitfall betreffen- weitgehend inhaltsgleich. Soweit das neue DBA-China Abweichungen enthält, werden diese im Folgenden kursiv hervorgehoben.
164 
Nach Art. 1 DBA-China gilt das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind und sachlich nach Art. 2 Abs. 1 DBA-China für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die in einem der Vertragsstaaten erhoben werden.
165 
bb) Der Kläger ist nur in Deutschland ansässig.
166 
(a) Im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-China) umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer allgemeinen Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-China umfasst der Ausdruck jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat oder mit in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
167 
Diese Voraussetzungen liegen nur in Deutschland, nicht dagegen in China vor.
168 
Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Er schränkt die Abkommensberechtigung auf solche Personen ein, die nach dem Recht zumindest eines der Vertragsstaaten aufgrund von ortsbezogenen Merkmalen in einem Vertragsstaat der Steuerpflicht unterliegen. Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrückliche Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 16).  Die Aufzählung der Kriterien, aus denen sich die Steuerpflicht ergeben kann, verdeutlicht, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht aus ortsbezogenen Merkmalen des nationalen Steuerrechts ableitet. Auf die tatsächliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat kommt es dagegen nicht an (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 16; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 29; Frotscher in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., 2016, Art. 4 Rn. 34 m.w.N.).
169 
Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige schon nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat ansässig ist (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 3). Nur bei einer sog. Doppelansässigkeit, d.h. bei Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten, wird durch Art. 4 Abs. 2 DBA-China bestimmt, in welchem Staat eine Person abkommensrechtlich als ansässig gilt. Der andere Vertragsstaat kann dann lediglich Quellenstaat sein.
170 
(b) Da der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland hat und damit der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, ist er nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansässig.
171 
Er ist nicht gleichzeitig in China ansässig.
172 
Nach chinesischem Steuerrecht ist für die dortige unbeschränkte, persönliche Steuerpflicht grundsätzlich maßgeblich, ob eine Person dauerhaft in China wohnhaft ist oder sich dort mindestens fünf Jahre ohne wesentliche Unterbrechung aufhält. Bis zum Ablauf von fünf Jahren wird eine Mischform von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht angewendet, wonach gewisse Einkünfte aus chinesischen Quellen vollumfänglich, Kapitaleinkünfte jedoch nur beschränkt steuerpflichtig sind (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 1 Rn. 31; Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 250 f.).
173 
Vorliegend ist aufgrund des Streitzeitraums auf den Rechtsstand des chinesischen Steuerrechts bis zum 31.12.2018 abzustellen, so dass die umfassende Reform des Einkommensteuerrechts in China mit Wirkung zum 1.1.2019 unbeachtlich ist.
174 
Das FG hat das ausländische Recht dabei nach § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 Satz 1 FGO von Amts wegen zu ermitteln, denn es ist im Verfahren nicht Recht im eigentlichen Sinne, sondern Tatsache, die Gegenstand tatrichterlicher Beweiserhebung bzw. Ermittlung ist. In diesem Rahmen sind nicht nur die einschlägigen Rechtsnormen des ausländischen Rechts heranzuziehen, sondern es ist auch die konkrete Ausgestaltung dieses Rechts in der ausländischen Rechtspraxis zu berücksichtigen. Der Umstand, dass das ausländische Recht sehr komplex ist, kann das FG nicht von seiner Ermittlungspflicht entbinden. Auf welche Weise sich das FG die erforderliche Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (Ratschow in Gräber, 9. Aufl., 2019, § 118 Rn. 61 m.w.N.).
175 
Im Streitfall verschafft sich der Senat die Kenntnisse über das chinesische Steuerrecht durch die allgemein verfügbaren Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, Kommentierungen und den Vortrag der Beteiligten.
176 
(c) Danach gibt es im chinesischen Steuerrecht in den Streitjahren zwei Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht.
177 
Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person in China setzt in den Streitjahren voraus,
              
→   
dass sie in China entweder, in Anlehnung an das Prinzip des „domicile“ aus dem Common Law nach Art. 1 Abs. 1, 1. Alt. des Individual Income Tax Law of the PRC (--IITL--, abrufbar auf der Homepage des Ministry of Commerce of the People’s Republic of China unter http://english.mofcom.gov.cn/aarticle/policyrelease/internationalpolicy/200703/ 20070304470171.html) i.V.m. Art. 2 der chinesischen Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (chin. EStDV; Rules for the Implementation of the Individual Income Tax Law, abrufbar unter http://www.asianlii.org/cn/legis/cen/laws/rftiotiitl560/) einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat, oder,
→   
dass sie sich ein Jahr oder länger in China aufhält (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art.  3 chin. EStDV).
178 
Der Begriff Domizil ist im Sinne einer dauerhaften Absicht, in dem jeweiligen Land zu verweilen, zu verstehen (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 250). Er ist einem qualifizierten Wohnsitz vergleichbar und kann nur an einem Ort bestehen („It is the place where you plan to live indefinitely. You can have more than one residence, but your domicile is your ´forever` home.“, abrufbar unter vgl. https://www.investopedia.com/terms/d/domicile.asp, zuletzt eingesehen am 19.5.2022). Nach Art. 2 chin. EStDV hat eine natürliche Person ihr Domizil in China, wenn sie aufgrund ihrer (städtischen) Registrierung, ihrer Familienverhältnisse sowie ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ihren gewöhnlichen Aufenthalt in China hat. Somit haben ausländische Bürger, die sich nur aufgrund ihrer Tätigkeit in China aufhalten, grundsätzlich keinen Wohnsitz in China, weil ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in China liegt (so Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 22). Hätte der Kläger allein aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse („economic interests“ nach Art. 2 chin. EStDV, vgl. Text, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 580) ein Domizil in China, wäre er dort unbeschränkt steuerpflichtig. Das vertritt aber selbst der Kläger im Ergebnis nicht, da er dann in China „domiciled“ wäre und nicht lediglich „fiscal resident“. Letzteres soll ihm aber die chinesische Steuerverwaltung bescheinigt haben („Chinese fiscal resident“).
179 
Der Aufenthalt von einem Jahr oder länger -der neben dem Domizil ebenfalls die unbeschränkte Steuerpflicht auslöst- meint einen Aufenthalt in China von 365 Tagen im Steuerjahr (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 chin. EStDV). Ein Steuerjahr in diesem Sinne entspricht dem Kalenderjahr (Art. 44 chin. EStDV). Lediglich vorübergehende Abwesenheitstage werden nicht berücksichtigt (Art. 3 Abs. 1 chin. EStDV). Vorübergehende Abwesenheitstage bedeutet einen Aufenthalt außerhalb Chinas von nicht mehr als 30 Tagen und bei mehreren Abwesenheiten von nicht mehr als 90 Tagen pro Steuerjahr (Art. 3 Abs. 2 chin. EStDV). Die Aufenthaltsdauer in China wird anhand des Einreise- und Ausreisedatums (via Stempel) im Reisepass festgestellt (Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 24).
180 
Demgegenüber sind natürliche Personen, die kein Domizil oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in China haben, weil sie sich weniger als 365 Tage in einem Steuerjahr in China aufhalten, nur mit ihren chinesischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig (Art. 1 Abs. 2 IITL; Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 25).
181 
Eine Besonderheit besteht noch für Personen die sich für mehr als ein Jahr, aber weniger als fünf Jahre in China aufhalten (Art. 6 Satz 1 chin. EStDV). In diesem Fall besteht zwar eine persönliche, unbeschränkte Steuerpflicht. Insbesondere die Einkünfte aus Kapitalvermögen werden aber nur eingeschränkt besteuert (sog. beschränkte unbeschränkte Steuerpflicht; Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 11; Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 251). Hält sich eine Person mehr als fünf Jahre (jeweils nur unterbrochen durch vorübergehende Abwesenheiten) in China auf, wird sie ab dem sechsten Jahr einer vollständigen unbeschränkten Steuerpflicht mit ihrem Welteinkommen unterworfen (Art. 6 Satz 2 chin. EStDV).
182 
Aufgrund des Erfordernisses eines nur durch vorübergehende Abwesenheiten unterbrochenen Aufenthaltes in China von mindestens 365 Tagen können Ausländer die unbeschränkte Steuerpflicht durch sog. Unterbrechungsreisen vermeiden, in dem entweder ein Auslandsaufenthalt von mehr als 30 Tagen oder mehrere Auslandsaufenthalte von insgesamt mehr als 90 Tagen je Steuerjahr unternommen werden (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 251 und Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 11).
183 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass der Kläger einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht in China unterliegt. Seine Abwesenheitstage in China betragen -selbst nach den Schilderungen des Klägers- in jedem Streitjahr mehr als 90 Tage, so dass er eine persönliche Steuerpflicht im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IITL vermeidet. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger auch vor den Streitjahren in vergleichbarem Umfang, d.h. jährlich mehr als 90 Tage außerhalb Chinas aufgehalten hat. Denn weder hat der Kläger insoweit Abweichungen vorgetragen noch ergibt sich eine Änderung seines Reiseverhaltens aus den sonstigen Umständen.
184 
Die Bescheinigungen über eine Besteuerung seiner Arbeitseinkünfte stehen dem nicht entgegen, da diese der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Art. 1 Abs. 2 IITL i.V.m. Art. 5 Abs. 1 chin. EStDV; vgl. Hasbargen/Preising, IStR 2012, 143 f.) und damit nichts über eine unbeschränkte Steuerpflicht aussagen.
185 
Soweit der Kläger Bescheinigungen vorlegt, die ihn als „Chinese fiscal resident“ bezeichnen, folgt daraus keine Ansässigkeit des Klägers in China im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Steuerlich bescheinigte ihm nämlich ein Direktor der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk der bezirksfreien Stadt [ ___ ] in der chinesischen Provinz [ ___ ], für die Jahre 2013 bis 2018 die Eigenschaft eines „Chinese fiscal resident“ (Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 11.4.2022, Gerichtsakte zum 1 K 2898/21, Bl. 68 bis 73). Aus Sicht des Senats ist es jedoch zweifelhaft, ob die Steuerverwaltung von [ ___ ] überhaupt für die Ausstellung dieser Bescheinigungen zuständig ist. Denn [ ___ ] ist ein Stadtbezirk der Stadt [ ___ ], die rund 360 km von X entfernt ist. X als regierungsunmittelbaren Stadt hat eine eigene Steuerverwaltung. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Kläger für das Jahr 2019 eine gleichlautende Bescheinigung der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk von X, vorgelegt hat (Rb-Akte, Bl. 14 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 539). Auch hinsichtlich der Besteuerung seines Lohn und Gehalts hat der Kläger für die Jahre 2012 bis 2019 Bescheinigungen des offensichtlich zuständigen Staatlichen Hauptfinanzamts der Stadt X, Stadtbezirk [ ___ ] vorgelegt (Gerichtsakte zu 1 K 2953/20, Bl. 110 und Bl. 113 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 573 ff.). Auch die Steuerzahlungsnachweise für die Gew Ltd., Werkzeug Ltd., Werk Ltd., M Ltd. und Th Ltd. für 2013 bis 2020 (M Ltd. nur für 2018 und 2019) bezüglich betrieblicher Einkommensteuer stammen vom Staatlichen Hauptfinanzamt der Stadt X, Stadtbezirk [ ___ ] (Anlage K15 zum Schreiben an das FA vom 16.11.2020, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 348 bis 354).
186 
Da offensichtlich die Steuerverwaltung der Stadt X steuerlich sowohl für den Kläger als auch für seine Kapitalgesellschaften zuständig ist, ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb die Steuerverwaltung der Stadt [ ___ ] für den Kläger eine Bescheinigung als „Chinese fiscal resident“ für die Streitjahre ausgestellt hat.
187 
Zudem haben Ansässigkeitsbescheinigungen eines anderen Vertragsstaats keine Bindungswirkung. Ob Umstände vorliegen, die im anderen Vertragsstaat nach dessen Recht eine Ansässigkeit begründen, muss jeder Staat selbständig prüfen (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 87 f. m.w.N.).
188 
Im Übrigen existiert in China ein fast unüberschaubares Geflecht an verschiedenen Einzelsteuern. Zudem werden einzelne Steuern aufgrund der abweichenden lokalen Praxis nicht überall angewendet oder überlagern sich zum Teil (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 19). Bei der Sichtung von Bescheinigungen und Rechtsquellen ist zudem zu beachten, dass die chinesische Steuerverwaltung aus mehreren Ebenen besteht. Dabei gibt es dem Zentralstaat zustehende Steuern, den Provinzen zustehende Steuern sowie Gemeinschaftssteuern. Für die Bearbeitung der Steuererklärungen und die Steuererhebung sind grundsätzlich die örtlichen Steuerbehörden zuständig. Die lokalen Niederlassungen sind dabei berechtigt, unterschiedliche Durchführungsbestimmungen zu erlassen, sofern höherrangiges nationales Recht nicht verletzt wird. Darüber hinaus können sie Provinzsteuern reduzieren oder komplette Steuerbefreiungen aussprechen. Die Umsetzung der chinesischen Steuergesetze funktioniert deshalb in der Praxis nicht einheitlich. Die entsprechenden Finanzbehörden der verschiedenen Provinzen üben ihren großen Ermessensspielraum unterschiedlich aus. Die steuerliche Behandlung von ausländischen Steuerpflichtigen ist oft das Ergebnis von umfangreichen Verhandlungen mit der chinesischen Steuerverwaltung (Pittmann B. Potter in Michael J. Moser und Yu Fu, Doing Business in China, Release 25, 2014, Volume 2, Section III, Chapter § 3.2.01 - Taxation of Individuals; verfügbar unter https://books.google.de/).
189 
Nur ergänzend -ohne dass dies streitentscheidend wäre- weist der Senat darauf hin, dass die Gewinnausschüttungen der chinesischen Kapitalgesellschaften des Klägers, die in China nach Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 7 IITL im Grundsatz beschränkt steuerpflichtig sind, aufgrund einer Verwaltungsregelung von der Quellenbesteuerung i.H. von 20 Prozent (Art. 3 Nr. 5 IITL) befreit wurden (vgl. Art. 2 Nr. 8 Cai Shui Zi [Finanzsteuerregelungen] vom 13.5.1994, No. 20, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 582).
190 
So heißt es auch in den notariell beglaubigten Erläuterungen zu den Ausschüttungen der Werkzeug Ltd. i.H. von 3.325.073,18 Euro für die Jahre 2013 bis 2015 und der Gew Ltd. i.H. von 2.170.880,18 Euro für die Jahre 2014 bis 2016 an den Kläger, dass diese mit Zustimmung der Steuerverwaltung X/ [ ___ ] steuerfrei auf dessen deutsches Konto gezahlt wurden, da diese von einem aus dem Ausland investierten Unternehmen („foreign invested enterprise“) an den Kläger als Ausländer („foreigner“) ausgeschüttet worden seien (BMO, Bl. 1 ff. und Bl. 5 ff. sowie EA I, Bl. 84 ff.).
191 
cc) Selbst wenn der Kläger aber in China aufgrund einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht besteuert werden würde und damit -neben Deutschland- auch in China ansässig wäre, würde er nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China nur als in Deutschland ansässig gelten, denn er hat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland.
192 
Ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt nach Art. 4 Abs. 2 DBA-China das Folgende:
        
„a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
        
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
        
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der beiden Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
        
d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keiner der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.“
193 
Die Kriterien in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a bis d DBA-China sind der Reihenfolge nach zu prüfen. Die Prüfung des nächsten Buchstabens kommt lediglich in Betracht, wenn der vorhergehende nicht zu einer Entscheidung über die abkommensrechtliche Ansässigkeit geführt hat. Die Kriterien sind abkommensrechtlich auszulegen und nicht nach dem jeweiligen nationalen Steuerrecht, was einen Unterschied im Vergleich zu Art. 4 Abs. 1 DBA-China darstellt (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 23; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 170). Während die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China die Abkommensberechtigung begründet, konkretisiert Art. 4 Abs. 2 DBA-China die Rechtsfolgen der Abkommensberechtigung. Er bestimmt, welcher der beiden Vertragsstaaten die nach seinem innerstaatlichen Recht in seinem Gebiet ansässige natürliche Person als Ansässigkeitsstaat und welcher der beiden sie als Quellenstaat besteuern darf (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 168).
194 
Die für Art. 4 DBA-China maßgebenden Kriterien müssen grundsätzlich während desjenigen Zeitabschnitts gegeben sein, um dessen Besteuerung es sich handelt. Dies gilt z.B. für die Frage, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für Zwecke der Bestimmung des Gesamtbilds nicht auch ein längerer Betrachtungszeitraum angezeigt sein kann, d.h. insbesondere die Entwicklung der hierbei zu berücksichtigenden persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen einzubeziehen sein kann. Auch soweit es darauf ankommt, wo sich der Steuerpflichtige gewöhnlich aufhält, kann ebenso die Berücksichtigung eines darüber hinausreichenden Zeitabschnitts geboten sein (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 172). Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass sich die Umstände während des Betrachtungszeitraums nicht wesentlich verändert haben (Art. 4 Nr. 19.1 Musterkommentar der OECD zum DBA-Musterabkommen 2017 -MK-).
195 
(a) Der Kläger verfügt sowohl in Deutschland als auch in China über eine ständige Wohnstätte im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-China.
196 
Der Ausdruck ständige Wohnstätte ist ein abkommensrechtlicher Begriff, der autonom entsprechend seiner gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Funktion des Art. 4 Abs. 2 DBA-China als sog. Tie-Breaker-Rule bei doppelansässigen natürlichen Personen nur durch eine einheitliche Auslegung der maßgeblichen Begrifflichkeiten sichergestellt werden kann. Daher sind die Ausdrücke ständige Wohnstätte und Wohnsitz im Sinne des § 8 AO nicht deckungsgleich. Zwar setzen sowohl die ständige Wohnstätte als auch der Wohnsitz zum Wohnen geeignete Räume voraus, die der potentiell ansässigen natürlichen Person zur Verfügung stehen. Der Ausdruck ständige Wohnstätte bringt jedoch die subjektive Bestimmung der in ihr wohnenden natürlichen Person zum Ausdruck, die Stätte zum ständigen und nicht nur zu einem gelegentlichen Wohnen nutzen zu wollen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 53).
197 
Als Wohnstätte qualifizieren zunächst alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Dabei kommt jede Form einer Wohnstätte in Betracht, also sowohl die eigene als auch die gemietete Wohnung (bzw. das Haus) oder auch nur gemietete möblierte Zimmer. Ein qualitativer Mindeststandard ist insofern nicht erforderlich (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 54 m.w.N.). Über diese muss die natürliche Person verfügen. Sie muss die tatsächliche, nicht notwendigerweise auch die rechtliche Verfügungsmacht über die Wohnstätte innehaben (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 60 m.w.N.).
198 
Neben diesen objektiven Voraussetzungen wird der Begriff zudem durch ein subjektives qualitatives Element geprägt. Zum einen muss die Person daher Vorkehrungen dafür getroffen haben, dass ihr die Wohnstätte jederzeit und nicht nur gelegentlich zur Verfügung steht. Die Ständigkeit bezieht sich insofern auf das Zur-Verfügung-Stehen und nicht auf die Dauer der tatsächlichen Nutzung. Zum anderen muss die Art und Intensität der Nutzung dergestalt sein, dass sie die Wohnung als eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle der Person erscheinen lässt (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 55 m.w.N.).
199 
Dabei darf die Frage, ob eine ständige Wohnstätte vorliegt, nicht mit der Frage vermengt werden, wo die natürliche Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat. Eine ständige Wohnstätte setzt gerade nicht voraus, dass sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Person befindet. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen gerade beim Vorliegen von zwei ständigen Wohnstätten gem. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, 2. Halbs. DBA-China den Ausschlag gibt. Wäre er dagegen bereits Voraussetzung für die Annahme einer ständigen Wohnstätte, könnten insofern nie zwei ständige Wohnstätten gleichzeitig bestehen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 55 m.w.N.).
200 
Verfügt eine Person über je einen Wohnsitz in beiden Vertragsstaaten, so werden nur ausnahmsweise beide als ständige Wohnstätte beurteilt werden können. In der Regel liegt das Zentrum des eigenen häuslichen Lebens nur bei einem Wohnsitz. Es wird häufig durch den Ort bestimmt, an dem die Familie lebt. Nur bei ledigen Personen kann der Wohnung, von der aus sie ihrer täglichen Arbeit nachgeht, eine ähnliche Bedeutung zukommen. Sind allerdings beide Wohnsitze zum ständigen dortigen Wohnen bestimmt, so kann zwischen ihnen nicht mehr nach der überwiegenden Nutzung zum Wohnen unterschieden werden. Vielmehr hat die natürliche Person in einem solchen Fall zwei ständige Wohnstätten in den Vertragsstaaten (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 57 m.w.N.).
201 
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger sowohl in Deutschland als auch in China eine ständige Wohnstätte.
202 
In beiden Vertragsstaaten hält der Kläger dauerhaft Räumlichkeiten vor, die er jederzeit nutzen kann. Beide Wohngebäude (in X und G bzw. zuvor in H) sind zu einem großen Teil auf seine Bedürfnisse angepasst und stehen in seiner (Mit-)Verfügungsbefugnis. Dass er sich -rein zeitlich- überwiegend in China aufhält, steht dem nicht entgegen. Eine Wohnung wird nämlich nicht durch die intensivere Nutzung, sondern durch die objektiv zu ihr bestehenden persönliche Bindungen zur ständigen Wohnstätte. Zwar weist eine ständige Nutzung indiziell auf die Existenz einer ständigen Wohnstätte hin. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass Räumlichkeiten, die seltener genutzt werden, keine ständige Wohnstätte sein könnten (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 59 m.w.N.).
203 
Der Kläger hat Bindungen zu beiden Wohnstätten. Auch nutzt er die Wohnung in Deutschland nicht nur gelegentlich, sondern durchschnittlich mehr als ein Viertel des Jahres. Dass er die Wohnstätte in X häufiger nutzt, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Bindungen nach China überwiegend aus beruflichen Notwendigkeiten resultieren. Die familiären Bindungen nach Deutschland zu der Ehefrau und dem minderjährigen leiblichen Sohn K 2 sind dagegen enger, so dass die Aufenthalte im Inland eine höhere Qualität haben.
204 
(b) Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers liegt in Deutschland, da er hier die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
205 
Beim Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt es sich ebenfalls um einen abkommensrechtlichen Ausdruck. Dies folgt bereits aus der Funktion dieses Begriffs, beim Vorliegen von zwei ständigen Wohnstätten in den Vertragsstaaten einen der beiden zum Ansässigkeitsstaat zu bestimmen. Der Begriff ist somit abkommensautonom auszulegen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 66 m.w.N.).
206 
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen (BFH- Urteil vom 31.10.1990 I R 24/89, BStBl II 1991, 562, Rn. 13). Unbehelflich sind dagegen die subjektiven Befindlichkeiten des Steuerpflichtigen, und zwar weder, was die Einbeziehung eines Umstandes in die gebotene Gesamtbetrachtung noch was die Bewertung eines einzubeziehenden Umstands im Rahmen der Gesamtbewertung angeht (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 67 m.w.N.).
207 
(aa) Die persönlichen Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung einer natürlichen Person. Dazu gehören familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Bindungen. Unter diesen Merkmalen kommt in der Regel der familiären Bindung eine besondere Bedeutung zu (Art. 4 Nr. 15 MK; so auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23.7.2001 11 K 223/97, juris, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 17.7.2002 I B 119/01, BFH/NV 2002, 1600). Deshalb besteht jedoch keine feste Rangfolge. Eine solche bestimmende allgemeine Rangfolge würde gerade auch der notwendigen zusammenfassenden Wertung zuwiderlaufen (BFH-Beschluss vom 28.11.2007 I B 79/07, juris, Rn. 10). Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, welches Merkmal für die Person die vorrangige Bindungswirkung hat (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 69 m.w.N.).
208 
Die wirtschaftlichen Beziehungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen aus (BFH-Urteil vom 31.10.1990 I R 24/89, BStBl II 1991, 562, Rn. 13). Dazu gehören auch die Orte sowohl der regelmäßigen als auch der nur gelegentlichen Berufsausübung. Den genannten Merkmalen kann im Einzelfall unterschiedliche Bedeutung zukommen, ohne dass deshalb zwischen ihnen eine feste Rangfolge bestünde. Es sind auch die finanziellen Interessen zu berücksichtigen. Allerdings können der Ort der Belegenheit von Vermögen und der Ort seiner Verwaltung auseinanderfallen, ohne dass von vornherein gesagt werden kann, welchem die größere Bedeutung beizumessen ist. Dies kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 70 m.w.N.).
209 
Persönliche und wirtschaftlich Beziehungen müssen nicht kumulativ vorliegen. Sie bilden nur differenzierte Prüfungskriterien. Bestehen zum Beispiel die engeren persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat, die engeren wirtschaftlichen dagegen zum anderen, kommt es darauf an, welcher der beiden Orte für den Steuerpflichtigen der bedeutungsvollere ist (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 195 m.w.N.).
210 
(bb) Es ist mithin eine alle Einzelumstände (persönliche und wirtschaftliche) in den Blick nehmende zusammenfassende Gesamtwertung durchzuführen.
211 
Danach bestehen die stärkeren persönlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland.
212 
Hier lebt seine Ehefrau, von welcher der Kläger -entgegen seinem Vortrag-- wie bereits ausgeführt, familienrechtlich nicht getrennt ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft besteht trotz der beruflichen bedingten räumlichen Trennung fort. Die Eheleute begehen die wichtigen Feste zusammen und verbringen die Ferienzeit der Kinder entweder in China oder in Deutschland. Sie entscheiden über größere Anschaffungen -wie den Hausbau in H und G- gemeinsam und erwerben jeweils gemeinsames Eigentum.
213 
Der minderjährige Sohn K 2 besuchte in den Streitjahren die Schule in Deutschland. Auch aufgrund des engen Bandes zu seinem einzigen leiblichen Sohn, schafft dies aus Sicht des Senats einen persönlichen Schwerpunkt des Klägers in Deutschland. Dem steht nicht entgegen, dass sich sein Stiefsohn K 1 von 2013 bis 2017 in X aufhielt und dort die Deutsche Schule besuchte. Denn erstens ist K 1 nicht sein leiblicher Sohn und zweitens kehrte dieser nach Abschluss der Schule in X im Jahr 2017 unmittelbar nach Deutschland zurück, um Informatik und Wirtschaftspsychologie in S zu studieren. Auch sein leiblicher Sohn K 2, der von 2019 die Deutsche Schule in X besuchte, möchte nach seinem [ ___ ] bestandenen Abitur in Deutschland studieren.
214 
Der Lebensmittelpunkt des Klägers liegt nicht etwa deshalb in China, weil seine Eltern und der Bruder mit seiner Familie dort leben. Die familiäre Bindung gegenüber den Eltern und Geschwistern ist -nach der Lebenserfahrung- nicht annährend so stark ausgeprägt, wie die zu der Ehefrau und den leiblichen, insbesondere minderjährigen Kindern, die noch einen größeren Fürsorge beider Eltern bedürfen (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.3.2009  4 K 251/09, rkr., EFG 2009, 904 und Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 71). Der Kläger trägt im Übrigen alle wesentlichen Aufwendungen, die das Leben der Familie in Deutschland ermöglichen.
215 
Überdies unterhält der Kläger freundschaftliche Beziehungen zu Personen in Deutschland, die er seit seiner Studienzeit kennt. Zu nennen ist z.B. ein [ ___ ] (Geschäftsführer der Werk-P. GmbH; vgl. Anlage K5a zum Schriftsatz vom 11.4.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 173), der laut den Ausführungen des Klägers auch heute noch einer seiner besten Geschäftspartner ist und den er seit Abschluss seines Studiums in G seit etwa 20 Jahren gut kennt. Zahlreiche Arztbesuche in Deutschland zeugen des Weiteren davon, dass der Kläger dem deutschen Gesundheitssystem und den ihm bekannten Ärzte vertraut und hier verankert ist (BMO, Bl. 154 ff.).
216 
Der Kläger bezeichnet seine Wohnstätte in Deutschland selbst als Rückzugsort im Falle einer Krise der Politik in China. Damit wird deutlich, dass Deutschland auch gesellschaftlich und politisch ganz offenkundig seine Heimat ist. Nicht zuletzt zeigt sich die kulturelle Beziehung des Klägers zu Deutschland daran, dass er K 1 und K 2 zwar jeweils etwa vier bzw. drei Jahre die Schule in China besuchen lässt, aber dort die Deutsche Schule auswählt, damit die Kinder einen deutschen Schulabschluss erhalten. So heißt es auch auf der Homepage der Deutschen Schule X: „… im Fokus: ein guter Anschluss aus und in das deutsche Bildungssystem (abrufbar unter [ ___ ], zuletzt eingesehen am 20.5.2022).
217 
Selbst im Ausland greift der Kläger soweit wie möglich auf deutsches Know-how und deutsche Firmen zurück. So ließ er seine Villa in X von der Firma Möbel K GmbH, O / Deutschland einrichten, welche die Einrichtungsgegenstände in einem logistischen Kraftakt eigens von Deutschland nach China verbrachte, worüber sogar die örtliche Presse berichtete ([ ___ ], Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 77). Zwar liegt dieses Ereignis außerhalb des Streitzeitraums, dennoch beruft sich der Kläger in seinen Schriftsätzen im Streitfall selbst darauf, leitet lediglich gegenteilige Schlüsse daraus ab. Sein Fuhrpark besteht ausschließlich aus Fahrzeugen deutscher Produktion (Mercedes, Maybach und BMW).
218 
(cc) Die wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers bestehen in gleichem Maße sowohl zu Deutschland als auch zu China. Ein Überwiegen der wirtschaftlichen Bindungen zu China -wie der Kläger vorträgt- kann der Senat in einer Gesamtschau nicht feststellen.
219 
Zwar hat der Kläger seit dem Jahr 2001 ein Firmengeflecht in X und auch in Taiwan aufgebaut, dass nach der Anzahl der Mitarbeiter und wohl auch nach der Gewinn- und Vermögenssituation (obwohl der Kläger zu letzteren keine konkreten Angaben macht) die deutschen Firmen des Klägers übertrifft. Nichtsdestotrotz sind die deutschen Firmen des Klägers von großer strategischer Bedeutung. So ist insbesondere die M GmbH für deutsche Firmen, die den Eintritt in den chinesischen Markt anstreben, die erste Anlaufstelle. Damit wird auch auf der Homepage der M GmbH geworben, wenn es heißt, dass durch den Standort in Deutschland ein Service in Kundennähe angeboten werde und man zu den üblichen Arbeitszeiten immer erreichbar sei. Von Deutschland aus bestehe der Zugriff auf die wichtigsten Industrieregionen Deutschlands. Man baue Unternehmen in Deutschland eine Brücke nach China.
220 
Der Kläger vertritt überdies ausschließlich deutsche Firmen im Ausland. Deshalb ist es auch die Aufgabe der M GmbH, Maschinen-, Ersatzteil- und Werkzeugbeschaffungen für den chinesischen Markt zu organisieren (EA II, Bl. 401). Die Werkzeug GmbH hat die Aufgabe, den Vertrieb der in China produzierten Werkzeuge im Wesentlichen auf dem deutschen Markt sicherzustellen (EA II, Bl. 402 f.). Die Bedeutung sowohl der M GmbH als auch der Werkzeug GmbH für die Firmengruppe belegen nicht zuletzt die hohen Ausgangsumsätze, die diese Firmen tätigen (Werkzeug GmbH jährlich ansteigend mit 1,86 Mio. Euro in 2018 und M GmbH mit durchschnittlich 3,27 Mio. Euro pro Jahr; vgl. Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 593 f.).
221 
Aufgrund dieser zentralen Funktionen liegen deshalb Steuerung und Kontrolle seiner inländischen Unternehmen nicht ohne Grund in der Familie. Fremdgeschäftsführer blieben nur für eine relativ kurze Zeit (max. etwa zwei Jahre). Obwohl die Ehefrau jeweils die Geschäftsführung innehat, hat der Kläger seinen Zugriff auf die deutschen Firmen nicht aufgegeben. Die Geschäftsführung stimmte sich mit ihm ein- bis zweimal die Woche über unternehmerische Entscheidungen ab (EA II, Bl. 402 und Bl. 412). Mit seiner Beteiligung von jeweils 90 Prozent kann er überdies als Mehrheitsgesellschafter über seine Weisungsbefugnis (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) seine unternehmerischen Vorstellungen hinsichtlich der laufenden Geschäftsführung und auch Satzungsänderungen mangels Sperrminorität der Ehefrau (vgl. § 53 Abs. 2 GmbHG) allein durchsetzen. Auch steht ihm die Verfügungsbefugnis über die Konten der M GmbH und der Werkzeug GmbH zu (Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 12 ff., 40 und 71 f.; Nachträgliche Vereinbarung mit der Bank II vom 24.10.2013, EA II, Bl. 70). Wirtschaftliche Berechtigte über das Konto der M GmbH ist die Ehefrau (EA II, Bl. 13) und hinsichtlich des Kontos des Werkzeug GmbH der Kläger (EA II, Bl. 12).
222 
In den Streitjahren hat der Kläger zudem nicht nur seine wirtschaftlichen Aktivitäten in China, sondern auch in Deutschland erweitert. So war die M GmbH von Oktober 2015 bis Juli 2018 an einer Werkmaschinen GmbH & Co. KG, Deutschland -einer europaweiten Einkaufsgesellschaft- mit einer Einlage i.H. von 60.000 Euro beteiligt (Auszug aus dem Handelsregister des AG [ ___ ]).
223 
Wenn seine chinesischen Firmen Finanzmittel benötigen, greift der Kläger nachweislich auf sein Vermögen und seine Firmen in Deutschland zurück. So nahm die M GmbH mit Vertrag vom 26.4.2018 bei der Bank II ein Darlehen i.H. von 3,5 Mio. Euro auf. Besichert wurde das Darlehen durch eine auf dem Grundstück [ ___ ] Straße Y in G eingetragene Grundschuld i.H. von 3,5 Mio. Euro, welche die Eheleute am 26.3.2018 gemeinsam bewilligten (Zweckerklärung vom 26.4.2018, sog. Sicherungsabrede, EA II, Bl. 140 f.). Die Darlehensvaluta wurde sodann mit Wertstellung am 16.5.2018 als Überweisungsgutschrift der M GmbH auf dem Privatgirokonto Nr.  xxxxx des Klägers gutgeschrieben (BMO, Bl. 32). Von dort tätigte der Kläger am 16.5.2018 und 12.6.2018 jeweils Überweisungen i.H. von 1.000.151,50 Euro, die als Investment bezeichnet wurden, sowie am 13.6.2018 i.H. von 627.955,53 Euro und am 9.8.2018 i.H. von 500.151,50 Euro an seine chinesische Firmengruppe (z.B. an die Gew Ltd.; vgl. Kontoauszüge des Klägers, BMO, Bl. 32 ff.). Nach den Angaben des Klägers diente das Darlehen zur Finanzierung eines „Großprojekts“ in China (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, S. 2 und Niederschrift zum Erörterungstermin vom 1.6.2022, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 569 und Bl. 587).
224 
Die Gewinnausschüttungen seiner chinesischen Gesellschaften und jeglichen Zahlungsverkehr wickelte der Kläger über sein inländisches Privatgirokonto Nr.  xxxxx bei der Bank I ab. Das Konto wurde vom Kläger am 29.11.1991 [ ___ ] eröffnet (EA II, Bl. 31). Mit Vertrag vom 15.5.2012 wurde dessen Betreuung durch Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Kläger von der Bank II übernommen. Als Anschrift des Klägers war der [ ___ ]-weg x in H angegeben (EA II, Bl. 96 und Bl. 247). Im Rahmen einer Plausibilisierungsaktion 2014 („Status Ausländer“) bei der Bank II wurde die Anschrift vom zuständigen Berater, einem BR, auf die Ladungsanschrift des Klägers in China geändert (vgl. Auskunft vom 7.9.2020, EA II, Bl. 256 und Bl. 258). Am 28.12.2015 verfügte der Kläger gegenüber der Bank II mit der [ ___ ] Straße Y in G für dieses Konto jedoch eine „besondere Postanschrift“ (EA II, Bl. 260), so dass alle Benachrichtigungen, Abrechnungen und Kontoauszüge seitdem nur noch an die inländische Anschrift versandt werden. Außerdem nutzt der Kläger dieses Konto, um erhebliches Geldvermögen zu deponieren. Am Tag der Durchsuchung wies es ein Guthaben von 3,2 Mio. Euro auf. Insgesamt hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben i.H. von 3,66 Mio. Euro bei der Bank I (Rb-Akte, Bl. 10).
225 
Auch die Kreditkartenabrechnungen ließ er sich ab April 2013 an seine inländischen Anschriften (zunächst H und ab November 2016 G) senden ([ ___ ] vom 15.8.2019, welche die Kreditkarten von 2011 bis 2018 betreute und bei welcher der Kläger zuletzt als wohnhaft in der [ ___ ] Straße Y in G geführt wurde; EA II, Bl. 14 und EA II, Bl. 148 und Bl. 253). Der Ausgleich der aus dem Einsatz der Kreditkarten resultierenden negativen Salden erfolgte über das Konto des Klägers bei der Bank I (Nr. xxxxx; vgl. Kreditkartenvertrag vom 25.1.2005, EA II, Bl. 276).
226 
(dd) In einer zusammenfassenden Wertung zeigt sich damit, dass in Deutschland und China zumindest gleichwertige wirtschaftliche (einschließlich der finanziellen) Beziehungen des Klägers bestehen.
227 
Da die persönlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland überwiegen und die wirtschaftlichen Beziehungen in Deutschland und China in gleichem Maße ausgeprägt sind, überwiegen in einer Gesamtschau die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland, so dass hier der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt.
228 
(c) Selbst wenn sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht feststellen ließe --was der Senat nur hilfsweise unterstellt-, hätte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in Deutschland als auch in China, so dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit auch in diesem Fall als in Deutschland ansässig gelten würde (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China).
229 
Für die Auslegung des Terminus des gewöhnlichen Aufenthalts ergibt sich aus seiner Funktion, den -anders nicht zu bestimmenden- Mittelpunkt der Lebensinteressen zu konkretisieren, dass ein Aufenthalt in dem Maße gewöhnlich ist, in dem er der Verwirklichung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dient (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 204). Aus Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China folgt, dass eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch in beiden oder in keinem der beiden Vertragsstaaten haben kann. Insofern darf also nicht eine isolierende Gewichtung nur der Aufenthaltszeiten in den beiden Vertragsstaaten erfolgen. Vielmehr muss auch die qualitative Komponente des gewöhnlichen Aufenthalts geprüft werden (Art. 4 Nr. 19 MK; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 75 m.w.N.; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 204; Frotscher in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., 2016, Art. 4 Rn. 112 m.w.N.).
230 
Selbst wenn daher -entgegen der obigen Darstellungen- kein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland angenommen werden könnte, weil die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu Deutschland und China insgesamt als gleichwertig anzusehen wären, wäre bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts dennoch zu berücksichtigen, dass der Kläger qualitative Anknüpfungspunkte sowohl zu Deutschland als auch China hat. Zwar hält sich der Kläger berufsbedingt öfters in China auf. Dennoch beträgt seine Aufenthaltszeit in Deutschland im Durchschnitt fast ein Drittel der Aufenthaltszeiten in beiden Ländern. Aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts seiner Ehefrau und seines (in den Streitjahren) minderjährigen, leiblichen Kindes im Inland, wird das zeitmäßige Überwiegen der chinesischen Aufenthalte durch die Qualität der inländischen Kontakte bei seinen Aufenthalten in Deutschland zumindest aufgewogen.
231 
Selbst wenn also aufgrund einer alternativen Prüfung ein Lebensmittelpunkt nicht festzustellen wäre, würde der Kläger im Streitfall -aufgrund des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland und China- aufgrund seiner seit 2003 bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China in Deutschland ansässig sein.
232 
Daher ist der Kläger auf jeden Fall (unter mehreren abkommensrechtlichen Gesichtspunkten) im Inland und nicht in China ansässig.
233 
d) Das Besteuerungsrecht für die Gewinnausschüttungen der chinesischen Ltd.‘s steht Deutschland zu.
234 
Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-China können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft (China) an eine im anderen Vertragsstaat (Deutschland) ansässige Person zahlt, im anderen Staat (Deutschland) besteuert werden (sog. Verteilungsnorm).
235 
Der verwendete Ausdruck „Dividenden“ bedeutet Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen oder anderen Rechten -ausgenommen Forderungen- mit Gewinnbeteiligung oder sonstige Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Gesellschaftsanteilen steuerlich gleichgestellt sind (Art. 10 Abs. 3 DBA-China).
236 
Dem Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft steht grundsätzlich ein der Höhe nach begrenzter Quellensteuerabzug zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-China).
237 
e) Die Gewinnausschüttungen sind nicht in Deutschland von der Besteuerung freigestellt.
238 
Nach Art. 24 Abs. 2 DBA-China (Art. 23 Abs. 2 DBA-China) wird eine mögliche Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt vermieden (sog. Methodenartikel).
239 
Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden grundsätzlich die Einkünfte aus China sowie die in China gelegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach diesem Abkommen in China besteuert werden können (sog. Freistellungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China).
240 
Für Einkünfte aus Dividenden gilt die vorstehende Bestimmung aber nur dann, wenn Dividenden an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in China ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 Prozent (25 Prozent) unmittelbar der deutschen Gesellschaft zuzuordnen ist (sog. Schachtelprivileg; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China]).
241 
In den übrigen Fällen, d.h. bei Zahlung einer Dividende an eine natürliche Person, wird die nach chinesischem Recht und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlte ausländische Steuer auf die deutsche Steuer unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts angerechnet (sog. Anrechnungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. b (i) DBA-China]).
242 
Da China vorliegend von seinen Quellensteuerrecht aus Gründen der Ansiedlung von ausländisch investierten Gesellschaften keinen Gebrauch gemacht hat, scheidet eine Anrechnung, die nach deutschen Steuerrecht auf der Grundlage von § 32d Abs. 5 EStG durchzuführen wäre, aus.
243 
4. Der mit Bescheid vom 28.6.2021 festgesetzte Verspätungszuschlag für 2018 i.H. von 25.000 Euro ist nicht zu beanstanden.
244 
a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Abweichend davon ist ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs abgegeben wurde (§ 152 Abs. 2 Nr. 1 AO).
245 
Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO). Auf ein Verschulden kommt es nach der Gesetzesbegründung nicht an. Da § 152 Abs. 2 AO eine gegenüber § 152 Abs. 1 AO selbständige Sonderregelung trifft, ist die Verschuldensregelung des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO nicht anwendbar (Bundestags-Drucksache 18/7457, S. 80; Schober in Gosch, AO, Stand 1.6.2021, § 152 Rn. 41).
246 
Bei Nichtabgabe der Steuererklärung ist der Verspätungszuschlag für einen Zeitraum bis zum Ablauf desjenigen Tages zu berechnen, an dem die erstmalige Festsetzung der Steuer wirksam wird (§ 152 Abs. 9 Satz 1 AO). Der Verspätungszuschlag ist auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25.000 Euro betragen (§ 152 Abs. 10 AO).
247 
§ 152 AO in der am 1.1.2017 geltenden Fassung ist erstmals auf Steuererklärungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind (Art. 97 § 8 Abs. 4 Satz 1 EGAO). Dies sind Steuererklärungen für Veranlagungszeiträume ab einschließlich 2018, da diese nach § 149 Abs. 2 AO zum 31.7.2019 bzw. --bei beratenen Steuerpflichtigen- nach § 149 Abs. 3 AO zum 2.3.2020 einzureichen sind (Rätke in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 152 Rn. 2).
248 
b) Auf dieser Grundlage hat das FA zutreffend einen Verspätungszuschlag für 2018 i.H. von 25.000 Euro festgesetzt.
249 
Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung für 2018 nicht bis zum 2.3.2020 abgegeben. Hierzu war er nach § 25 Abs. 1 und Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG verpflichtet. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde -so wie vorliegend- die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO).
250 
Abzüglich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge wurde mit Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 28.6.2021 eine Steuer i.H. von 827.328 Euro (863.400 Euro ./. Steuerabzug vom Lohn der Ehefrau i.H. von 36.072 Euro) festgesetzt. Daher beträgt der maßgebliche Zeitraum 16 Monate (März 2020 bis Juni 2021). Der sich daraus errechnende Verspätungszuschlag von 33.093,12 Euro (827.328 Euro x 0,25 Prozent x 16 Monate) ist auf den gesetzlichen Höchstbetrag von 25.000 Euro begrenzt.
251 
Der Kläger durfte nicht im Sinne von § 152 Abs. 5 Satz 3 AO davon ausgehen, dass er keine Steuererklärung abzugeben hatte. Zwar teilt das FA mit Schreiben vom 5.7.2010 mit, dass er nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei. Darauf durfte er aber nicht vertrauen, denn er behauptete wahrheitswidrig gegenüber dem FA von seiner Ehefrau getrennt zu sein und fast ausschließlich in China zu leben. Vor dem Hintergrund der von Rechtsanwalt R im August 2017 eingeholten Rechtsauskunft und den weiteren oben genannten Tatumständen ergibt sich vielmehr, dass die Eheleute familienrechtlich nicht getrennt sind und sich der Kläger nur aus beruflichen Gründen in China aufhält. Auch der Erwerb des gemeinsamen Grundstücks in G, die „Millionen-Investition“ in das dort errichtete Gebäude sowie sein weiterhin bestehendes erhebliches wirtschaftliches und finanzielles Engagement in Deutschland zeigen, dass der Kläger hier -anders als er ausführt-- unbeschränkt steuerpflichtig und auch ansässig ist. Den daraus resultierenden Steueranspruch kannte der Kläger dem Grunde und der Höhe nach oder hielt ihn zumindest für möglich und wollte ihn durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Streitjahre verkürzen (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 171 m.w.N.).
252 
Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger (zumal nur für die Jahre 2012 bis 2016) hindert den Senat nicht an diesen Feststellungen, denn die Einstellungsverfügung entfaltet keine Bindungswirkung für das finanzgerichtliche Verfahren. Vielmehr haben die Finanzgerichte selbständig und aufgrund freier Beweiswürdigung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 155 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO). Sie sind selbst an Feststellungen in einem Strafurteil nicht gebunden (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 81 Rn. 11 m.w.N.). Diese fehlende Bindungswirkung gilt umso mehr für Feststellungen in einer Einstellungsverfügung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, denn ihr kommt keinerlei Rechtskraftwirkung zu. Das Ermittlungsverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 28.2.2012 VI ZR 79/11, NJW 2012, 1659, Rn. 12; Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., 2019, § 170 Rn. 6 m.w.N.).
253 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FGO.
254 
Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Maß des Unterliegens bzw. Obsiegens ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Anträgen und dem endgültig Erreichten (BFH-Urteil vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121).
255 
Der Kläger begehrte die Aufhebung der Vollziehung von festgesetzten Beträgen i.H. von 3.063.574,03 Euro und obsiegt i.H. von 208.520 Euro, d.h. i.H. von 6,8 Prozent; überwiegend, d.h. i.H. von 93,2 Prozent obsiegt das FA.
256 
Die Voraussetzungen von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO liegen nicht vor. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein geringfügiges Unterliegen ist aber nur dann anzunehmen, wenn der andere Teil weniger als 5 Prozent der Kosten zu tragen hat (Ratschow in Gräber, 9. Aufl., 2019, § 136 Rn. 6 m.w.N.).
257 
6. Die Revision wird nicht zugelassen, da keine Revisionsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich sind.
258 
7. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 ZPO.
259 
8. Aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Streitfalles wird die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt. Ein entsprechender Antrag wurde gestellt (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 11.4.2022, S. 1, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 46).

Gründe

 
105 
Die Klage hat teilweise Erfolg.
106 
1. Soweit sich der Kläger gegen die Festsetzung von Solidaritätszuschlag für die Streitjahre wendet, ist die Klage unzulässig.
107 
Mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag kann nach § 51a Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 1 Abs. 5 Satz 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG) weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Wird nämlich die Bemessungsgrundlage geändert, ändert sich kraft Gesetzes der Solidaritätszuschlag entsprechend (§ 51a Abs. 5 Satz 2 EStG und § 1 Abs. 5 Satz 2 SolZG; vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 51a Rn. 8).
108 
Der Kläger wendet sich darüber hinaus nicht gegen die Höhe des Solidaritätszuschlags. Auch erging die Festsetzung insoweit auf der Grundlage von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig, so dass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 10.11.1993 X B 83/93, BStBl II 1994, 119 und vom 22.3.1996 III B 173/95, BStBl II 1996, 506, Rn. 28).
109 
2. Die Zinsbescheide werden geändert (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO).
110 
Sie sind rechtswidrig, soweit eine Verzinsung i.H. von 0,5 Prozent im Monat ab dem 1.1.2019 erfolgt.
111 
a) Nach § 238 Abs. 1a i.V.m. § 233a AO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der AO und des Einführungsgesetzes zur AO (EGAO) durch das sog. Zinsanpassungsgesetz vom 12.7.2022 (BGBl I 2022, 1142) betragen die Zinsen in den Fällen des § 233a AO abweichend von § 238 Abs. 1 Satz 1 AO rückwirkend ab dem 1.1.2019 für jeden Monat 0,15 Prozent, d.h. 1,8 Prozent pro Jahr. Das Zinsanpassungsgesetz wurde am 21.7.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat nach dessen Art. 3 am Tag nach der Verkündung --mithin am 22.7.2022-- in Kraft.
112 
Aufgrund dessen sind die Zinsbescheide wie folgt zu ändern (vgl. Anlage des Schreibens des FA vom 26.7.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 173):
113 
Jahr   
Zinsen (bisher)
Zinsen (bisher)
Zinsen (neu)
Zinsen (neu)
        
insgesamt
bis 31.12.2018
ab 1.1.2019
insgesamt
                                            
2013   
54.862 Euro
32.917 Euro
6.583 Euro
39.500 Euro
2014   
157.673 Euro
82.591 Euro
22.524 Euro
105.115 Euro
2015   
170.072 Euro
70.030 Euro
30.012 Euro
100.042 Euro
2016   
18.534 Euro
4.277 Euro
4.277 Euro
8.554 Euro
2017   
24.509 Euro
0 Euro
7.352 Euro
7.352 Euro
2018   
62.047 Euro
0 Euro
18.614 Euro
18.614 Euro
                                            
Summe 
487.697 Euro
189.815 Euro
89.362 Euro
279.177 Euro
114 
b) Anders als das FA meint, steht einem Erfolg der Klage in dieser Höhe auch nicht Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO entgegen (Schreiben des FA vom 26.7.2022, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 161).
115 
Danach sind § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 und Abs. 2 sowie § 171 Abs. 8 AO auf nach dem 21.7.2022 erlassene Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 entsprechend anzuwenden, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des § 238 Abs. 1a AO in der am 22.7.2022 geltenden Fassung noch nicht vorliegen.
116 
Nach dem dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsgedanken -so das FA- seien weiterhin die Voraussetzungen für die vorläufigen Zinsfestsetzungen gegeben, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des neuen, geringeren Zinssatzes noch nicht vorlägen. Ein Rechtsbehelf sei daher mangels Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
117 
§ 165 AO liege der Gedanke zugrunde, dass das FA aus verschiedenen Gründen an einer endgültigen Festsetzung des Anspruchs gehindert sein kann. Das betreffe u.a. die Anhängigkeit eines Musterverfahrens (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) und den Zeitraum bis zu einer erforderlichen gesetzlichen Neuregelung (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO). Die Regelung des Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO erweitere diesen Gedanken auf den Zeitraum, den die Finanzverwaltung als Massenverwaltung für die technische Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung benötige. Das sei aus Sicht des rechtsschutzsuchenden Steuerpflichtigen natürlich „nicht optimal“. Dem Steuerpflichtigen sei allerdings für einen überschaubaren Zeitraum ein weiteres Zuwarten zumutbar. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Zweijahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 2 AO, bei der der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen sei, die Finanzverwaltung könne nach einem erfolgreichen Musterverfahren nicht sofort in allen vorläufigen Fällen Änderungsbescheide erlassen. Im Streitfall entstehe dem Kläger auch kein finanzieller Nachteil durch ein weiteres Zuwarten, da die Zinsen noch nicht entrichtet worden seien.
118 
c) Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
119 
Zunächst wäre es vorliegend unstreitig möglich gewesen, sog. manuelle Bescheide zu erlassen, so dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung von § 238 Abs. 1a AO im Einzelfall vorliegen. Auch verfolgt Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO den Zweck, dass die Finanzverwaltung im steuerlichen Massenverfahren (wie bisher) Zinsfestsetzungen vorläufig erlassen kann, obwohl die Voraussetzungen von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO nach dem Inkrafttreten des Zinsanpassungsgesetzes nicht mehr vorliegen (vgl. Baum, NWB 2022, 2112, 2121). Darum geht es aber vorliegend nicht, sondern um die Rechtmäßigkeitsprüfung von Verwaltungsakten.
120 
Soweit das FA daher beantragt, das Verfahren wegen der Zinsfestsetzungen abzutrennen und auszusetzen, bis die Finanzverwaltung die Voraussetzungen für eine automationsgestützte Anwendung von § 238 Abs. 1a AO geschaffen hat, ist dies abzulehnen.
121 
Die Trennung von Verfahren nach § 73 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 und Abs. 1 Satz 2 FGO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Insoweit lässt sich der Senat von prozessökonomischen Gründen leiten (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 73 Rn. 22 f.).
122 
Solche Zweckmäßigkeitsgründe, die für eine Trennung sprechen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind die verschiedenen Antragsgegenstände entscheidungsreif. Daher kann eine Trennung nicht erfolgen (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 73 Rn. 24).
123 
Überdies könnte ein abgetrenntes Verfahren nicht ausgesetzt werden, da keine Vorgreiflichkeit eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 74 FGO gegeben ist.
124 
3. Die Einkommensteuerbescheide vom 28.6.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
125 
a) Der Kläger ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.
126 
Er hat seinen Wohnsitz im Inland.
127 
aa) Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG).
128 
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).
129 
Ob im Einzelfall eine solche Benutzung vorliegt, ist unter Würdigung der Gesamtumstände nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu beurteilen. Dabei entfalten die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzugeben, die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde allein keine unmittelbare steuerliche Wirkung (BFH-Urteil vom 14.11.1969 III R 95/68, BStBl II 1970, 153, Rn. 6). Hat der Steuerpflichtige eine Wohnung inne, die nach objektiven Maßstäben dauerhaft genutzt und beibehalten werden soll, kommt einem etwaigen Willen des Steuerpflichtigen, an diesem Platz keinen Wohnsitz begründen oder beibehalten zu wollen, keine Bedeutung zu. Maßgeblich sind alleine die tatsächlichen Lebensverhältnisse (BFH-Urteil vom 23.11.1988 II R 139/87, BStBl II 1989, 182, Rn. 11).
130 
Ein Steuerpflichtiger kann gleichzeitig mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze haben. Diese können im Inland und/oder im Ausland gelegen sein. Zur Begründung eines steuerlichen Wohnsitzes im Inland ist nicht Voraussetzung, dass sich dort auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet oder dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen Arbeit nachgeht (BFH-Urteile vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447, Rn. 10 und vom 18.12.2013 III R 44/12, BStBl II 2015, 143, Rn. 8).
131 
Mit einer Wohnung im Sinne des § 8 AO sind stationäre Räumlichkeiten gemeint, die --mindestens im Sinne einer bescheidenen Bleibe- auf Dauer zum Wohnen geeignet sind. Weil „Bewohnen“ mehr ist als „Aufenthalt“ oder „Übernachtung“, erfüllt eine nur kurzfristige, lediglich vorübergehende oder eine notdürftige Unterbringungsmöglichkeit den Wohnungsbegriff nicht. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit. In rechtlicher Hinsicht reicht es aus, wenn die Wohnung mit einfachsten Mitteln ausgestattet ist (vgl. ebenso Anwendungserlass zur AO --AEAO-- zu § 8 Nr. 2).
132 
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung zudem innehaben. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht), als Bleibe zur Verfügung stehen. An der objektiven Eignung fehlt es bei sog. Standby-Wohnungen oder -Zimmern, wenn auf Grund von Vereinbarungen oder Absprachen zwischen den Wohnungsnutzern die Nutzungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen derart beschränkt ist, dass er die Wohnung oder das Zimmer nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt nutzen kann (BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046, Rn. 11).
133 
Die Nutzung muss zu Wohnzwecken, aber weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen. Erforderlich ist allerdings eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte oder unregelmäßige kurze Aufenthalte zu Erholungs- oder Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 10.4.2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909, Rn. 16). Die ausschließliche Nutzung als Betriebsstätte, Büro, Ladengeschäft, Warenlager oder Ähnliches stellt keine Nutzung zu Wohnzwecken dar (BFH-Urteil vom 8.5.2014 III R 21/12, BStBl II 2015, 135). Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr zu Wohnzwecken in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl 1997, 447). Eine Nutzung zu Wohnzwecken kann auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung innerhalb eines Kalenderjahrs nicht nutzt (vgl. ebenso AEAO zu § 8 Nr. 4.1).
134 
Bei einem Familienwohnsitz ist die Frage für jede Person gesondert zu prüfen (BFH-Urteil vom 7.4.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, Rn. 13). Ein Ehegatte, der nicht dauernd getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt (BFH-Urteil vom 6.2.1985 I R 23/82, BStBl II 1985, 331, Rn. 10 m.w.N.). Diese Vermutung gilt regelmäßig unabhängig davon, welche räumliche Entfernung zwischen den Ehegatten besteht. Deshalb ist eine inländische Wohnung, die von einem Ehegatten gelegentlich zu Wohnzwecken genutzt wird, auch dann ein Wohnsitz, wenn er sich zeitlich überwiegend im Ausland aufhält (vgl. ebenso AEAO zu § 8 Nr. 5.2).
135 
Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet, hat auch im Inland einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO, sofern er die inländische Wohnung weiterhin unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, sie beibehalten und benutzen zu wollen (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447).
136 
bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger im Streitzeitraum stets einen Wohnsitz im Inland; zunächst im [ ___ ]-weg x in H und ab 2016 mit der Fertigstellung des Gebäudes in der [ ___ ] Straße Y in G.
137 
Ihm standen jederzeit Räumlichkeiten zur Verfügung, die über eine lediglich kurzfristige, vorübergehende oder eine bloß notdürftige Unterbringungsmöglichkeit weit hinausgehen. Auch war bzw. ist er hälftiger Miteigentümer der jeweiligen Wohnungen, so dass ihm ein Anspruch auf Nutzung zustand bzw. zusteht (vgl. § 743 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-). Seine Nutzungsmöglichkeiten waren weder durch Vereinbarungen noch durch Absprachen derart beschränkt, dass er die Wohnung nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt hätte nutzen können. Wer -wie der Kläger zuletzt in G-- in einer Bleibe jedenfalls über eine Schlafgelegenheit, ein Ankleidezimmer und einen Stellplatz für einen stets zur Nutzung vorgehaltenen Pkw verfügt, hat einen Wohnsitz im Inland. Dass der Kläger bei Aufenthalten in Deutschland nur zur Ersparnis von Hotelkosten in seinen ihm mitgehörenden Räumlichkeiten übernachtet haben will, ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Von seiner jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit machte der Kläger auch Gebrauch. In jedem Jahr des Streitzeitraums verbrachte er -bis auf das Jahr 2017- mehr als 90 Tage in Deutschland und davon ganz überwiegend --zunächst in H, ab 2016 in G- in seinen Räumlichkeiten. Selbst wenn er von hier aus einige Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands unternommen haben sollte, bleibt ein substantieller Anteil an Aufenthalten in der Immobilie in G.
138 
Insbesondere die Bebauung des Grundstücks in der [ ___ ] Straße Y in G mit einem Wohngebäude von 2013 bis 2016 erfolgte -genauso wie zuvor in H- unter Beteiligung des Klägers, der den Kaufvertrag im Jahr 2013 über das Grundstück genauso eigenhändig unterschrieb wie den Vertrag mit der Baufirma über die Ausführung des Baus. Der Kläger nahm mehrmals an Besprechungen mit dem zuständigen Projektleiter, einem PL, teil, die auch auf der Baustelle durchgeführt wurden (EA II, Bl. 342 f.). Dadurch beeinflusste er die Gestaltung des Familienheims wesentlich, auch wenn die Planung und Ausführung der Außenanlagen von der Ehefrau beauftragt und beaufsichtigt wurden (EA II, Bl. 351 f.). Seine Einflussnahme zeigte sich auch bei der Inneneinrichtung. Er unterschrieb den Auftrag über die „gesamte Möblierung“ für 390.000 Euro gemeinsam mit seiner Ehefrau (EA II, Bl. 376). Exemplarisch ist auch Folgendes: Auf eine E-Mail der Firma Möbel K GmbH in O / Deutschland, welche eine detaillierte Zusammenstellung der für die Räumlichkeiten gewünschten Einrichtungsgegenstände (EA II, Bl. 372 f.) und einen Vorschlag über das Arrangement des Esstisches in Eiche und der Bestuhlung in der Küche enthielt (EA II, Bl. 374 f.), antwortete der Kläger am 25.8.2015 zustimmend („[ ___ ]; EA II, Bl. 374).
139 
Für den Kläger wurde laut einer Aufstellung der Firma Möbel K GmbH --die auch die Villa in X ausgestattet hat-- für das Gebäude in der [ ___ ] Straße Y in G ein speziell für seine Bedürfnisse gefertigtes Bett mit Beleuchtung an der Bettseite und zwei Nachttischen mit drei Schubladen vorgesehen (EA II, Bl. 390). Die Planung und Gestaltung des Weinkellers für rund 17.000 Euro war dem Kläger ebenfalls besonders wichtig und lief unmittelbar über ihn. In einer E-Mail der Firma Möbel K GmbH an ihn heißt es: „Hallo Herr A, in der Anlage habe ich einen Entwurf für Ihren Weinkeller. … Ich hoffe, dass Ihnen der Vorschlag gefällt (EA II, Bl. 381). Mit einer weiteren E-Mail wurden dem Kläger Bilder von Weinregalen übersandt (EA II, Bl. 388).
140 
Auch trug der Kläger die laufenden Kosten für das Haus in G (Rundfunkgebühren, Strom, Wasser, Gas und Abwasser). Diese Aufwendungen wurden von seinem Privatgirokonto bei der Bank I Nr. xxxxx abgebucht (Kontoauszüge, BMO, Bl. 26 ff.),
141 
Der Kläger lebte auch nicht --wie von ihm behauptet-- seit 2006 im familienrechtlichen Sinne von seiner Ehefrau getrennt.
142 
Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben Ehegatten nur getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Legaldefinition setzt sich damit aus zwei Komponenten -einer objektiven (keine häusliche Gemeinschaft) und einer subjektiven (Trennungswillen)- zusammen. Ein Getrenntleben liegt nur vor, wenn beide Komponenten kumulativ vorliegen. Unter häuslicher Gemeinschaft ist das Bestehen eines gemeinsamen räumlichen Mittelpunkts der privaten ehelichen Lebensführung zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft ist dabei nicht mit der Wahl einer bestimmten Wohnsituation verknüpft. Die häusliche Gemeinschaft kann beispielsweise auch bestehen, wenn die Ehegatten in verschiedenen Wohnungen leben. Die Gründe für getrennte Wohnungen können nämlich vielfältig sein. Zu berücksichtigen sind die individuellen Lebensverhältnisse und die sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen auf die Lebensführung. Insbesondere berufsbedingt getrennte Wohnungen gehen nicht mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft einher. Entscheidend ist, ob die Ehegatten selbst einen oder mehrere Wohnstätten als gemeinsamen ehelichen Lebensmittelpunkt ansehen (Preisner in Erman, BGB, 16. Aufl., 2020, § 1567 Rn. 6).
143 
In einer Gesamtschau besteht zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine häusliche Gemeinschaft. Sie feiern alle wichtigen Festtage und persönlichen Anlässe gemeinsam mit den Kindern und betreiben ihre Unternehmen in Deutschland gemeinsam. Sie regeln alle wichtigen Fragen das Haus betreffend (Bebauung und Einrichtung) einvernehmlich. Größere Investitionen trägt der einkommenstärkere Kläger allein. Die Ehefrau ist als Geschäftsführerin der deutschen Firmen verantwortlich und der Kläger für die chinesischen Firmen.
144 
Der Kläger hat überdies seit 1.10.2004 ohne Unterbrechung Verfügungsbefugnis über das private Konto der Ehefrau (Konto Nr. xxxxx bei der Bank I; Änderungsvertrag vom 1.10.2004, EA II, Bl. 63 und Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 13). Umgekehrt kann die Ehefrau seit 7.9.2004 zeitlich ununterbrochen über das Privatkonto des Klägers (Konto Nr.  xxxxx bei der Bank I) verfügen (Änderungsvertrag vom 7.9.2004, EA II, Bl. 29 und Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 12). Bei einem familienrechtlich getrennten Ehepaar entspricht dies nicht der Lebenswirklichkeit.
145 
Auch spricht nichts dafür, dass sich zumindest einer der Ehegatten subjektiv von der Ehe gelöst hat. Dafür wäre der erkennbare Wille Voraussetzung, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil die eheliche Lebensgemeinschaft abgelehnt wird. Die sowohl vom Kläger als auch von der Steufa eingereichten Fotos zeugen jedoch vom ganzen Gegenteile. Beide Eheleute kümmern sich auch im Übrigen um die gemeinsamen familiären, finanziellen und unternehmerischen Belange.
146 
Gegen eine Trennung, die mit dem Wegzug nach China im Jahr 2006 erfolgt sein soll, spricht des Weiteren, dass der Kläger und seine Ehefrau zur Vorbereitung einer Rechtsauskunft einem Rechtsanwalt R im Jahr 2017 den tatsächlichen Sachverhalt dahin schilderten, dass sie familienrechtlich nicht getrennt leben. Dieser gibt nämlich den Sachverhalt in Abgrenzung zu einer Entscheidung des FG Berlin vom 28.1.2003  5 K 5267/01, juris so wieder, dass die Eheleute (anders als im dortigen Streitfall) scheidungsrechtlich gerade nicht voneinander getrennt lebten. Es handele sich beim Kläger und seiner Ehefrau lediglich um eine berufliche Trennung. Allein die Berufsausübung in China --so der um Rechtsrat ersuchte Rechtsanwalt weiter-- zwinge den Kläger dazu, teilweise nicht in Deutschland zu leben (Schreiben vom 31.8.2017, S. 2 f., BMO, Bl. 225 f.).
147 
Überdies entspricht es nicht der Lebenswirklichkeit einer familienrechtlichen Trennung, dass die Eheleute noch gemeinsam erhebliche Investitionen tätigen. So wurde die Villa in X noch im September 2007 für rund 900.000 Euro von beiden zu je hälftigem Miteigentum erworben. Auch wenn im chinesischen Güterrecht die sog. Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand eingreift, wonach bei Anschaffungen während der Ehe ein Sondervermögen entsteht, das sich aus dem Gesamtgut zusammensetzt, an dem beide Ehegatten dinglich beteiligt sind, war der Kläger nicht gezwungen, überhaupt eine Immobilie in China zu erwerben (vgl. https://www.heckschen-vandeloo.de/aktuelle-fachbeitraege/aktueller-fachbeitrag/internationales-gueterrecht-die-europaeischen-gueterrechtsverordnungen.html, zuletzt eingesehen am 3.6.2022). Er hätte schlicht eine Wohnung mieten können. Dabei lässt es der Senat offen, ob dieser besondere Güterstand nach den Regelungen des Internationalen Privatrechts für die im Jahr 2000 in Deutschland geschlossene Ehe überhaupt maßgeblich ist.
148 
Jedenfalls bestand -bei einer unterstellten Trennung ab dem Jahr 2006- keine Veranlassung für den Kläger im Jahr 2013 das Grundstück in der [ ___ ] Straße Y in G gemeinsam mit seiner Ehefrau zu erwerben und aufwändig zu bebauen.
149 
Zudem schilderte die Steuerberaterin der Eheleute noch im Schreiben an das FA vom 14.1.2009, dass der Kläger seinen Wohnsitz weiter in Deutschland habe und somit den Eheleuten die Eigenheimzulage weiter zu gewähren sei (Rb-Akte, Bl. 48).
150 
Nicht zuletzt sind die Eheleute trotz der vermeintlichen Trennung im Jahr 2006 bis heute weder geschieden noch ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Eine neue Lebenspartnerin hat der Kläger nicht.
151 
cc) Dem steht nicht entgegen, dass das FA der Ehefrau mit Schreiben vom 5.7.2010 (ESt-Akte, vor Lasche 2008, Bl. 2) mitteilte, dass der Kläger nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei, da sich sein Wohnsitz im Ausland befinde. Denn damit hat es keine Auskunft mit bindender Wirkung für die Streitjahre erteilt.
152 
Grundsätzlich kann eine Finanzbehörde neben der gesetzlich geregelten Auskunft im Anschluss an eine Außenprüfung (§§ 204 bis 207 AO) auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (Zusage) erteilen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das FA durch einen für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständige Amtsträger (Sachgebietsleiter oder Vorsteher) vertreten wird (BFH-Urteile vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274, Rn. 19 und vom 26.11.1997 III R 109/93, BFH/NV 1998, 808 - Leitsatz; FG Hamburg, Urteil vom 30.4.2013 – 2 K 81/12, rkr., juris, Rn. 24 m.w.N.). Schon daran mangelt es vorliegend.
153 
Zudem ist das Schreiben nur als die Mitteilung des Ergebnisses einer vorläufigen Prüfung im Veranlagungsverfahren für die Jahre 2008 und 2009 zu sehen. Eine Bindungswirkung für die zukünftige steuerliche Behandlung des Klägers -unabhängig von der weiteren Entwicklung des Sachverhalts- kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger den unzutreffenden Eindruck erweckte, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebt und keinen Wohnsitz mehr im Inland hat. Beides trifft aber nicht zu.
154 
Auch hat der sachkundig beratene Kläger zu der von ihm beanspruchten Eigenheimzulage die anderenfalls nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 AO gebotene Berichtigung nicht erklärt.
155 
b) Unstreitig bezog der Kläger steuerbare Bezüge aus den Gewinnausschüttungen seiner (ausländischen) Kapitalgesellschaften (Werkzeug Ltd., Gew Ltd. und T Ltd. jeweils X), die den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen sind und die mangels Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen.
156 
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Genossenschaften sowie an einer optierenden Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Zu den sonstigen Bezügen gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
157 
Die Beteiligungsbezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften unterfallen dann § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn die ausländische Gesellschaft und das zum Bezug führende ausländische Beteiligungsrecht ihrer Struktur nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallenden inländischen Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entsprechen. Dies ist nach dem sog. Typenvergleich festzustellen (Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 20 Rn. 30 m.w.N.).
158 
Die chinesische Ltd. ist mit einer GmbH vergleichbar.
159 
Die ganz überwiegende Zahl der ausländisch investierten Unternehmen in China wird in der Form der Limited Liability Company („Co., Ltd.") gegründet. Es handelt sich dabei um eine Kapitalgesellschaft mit einer beschränkten Haftung im Außenverhältnis, die im Wesentlichen im chinesischen Gesellschaftsrecht (PRC Company Law) geregelt ist. Das PRC Company Law schreibt in der seit dem 1.1.2006 geltenden Fassung ein Mindeststammkapital von 30.000 Yuan und bei Ein-Personen-Gesellschaften von 100.000 Yuan vor. Ein entsprechender Businessplan muss im Rahmen einer Machbarkeitsstudie bei der zuständigen Behörde vorgelegt werden und unterliegt der Genehmigungspflicht (vgl. https://cms.law/en/media/local/cms-china/files/publications/publications/business-legal-structure-in-china, S. 9, zuletzt besucht am 16.5.2022). Seit 1.3.2014 kann eine chinesische Ltd. auch mit einem Stammkapital von 1 Yuan errichtet werden. Die Gesellschaftsrechte des Inhabers ähneln dem eines GmbH-Gesellschafters.
160 
Der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG wurde zutreffend nicht abgezogen, da der Kläger keine Einkommensteuererklärung abgegeben hat und daher nicht ersichtlich ist, inwieweit der Kläger den Sparer-Pauschbetrag bereits im Zusammenhang mit möglichen weiteren Einkünften aus Kapitalvermögen in Anspruch genommen hat.
161 
c) Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinnausschüttungen steht nach dem einschlägigen DBA Deutschland zu. Eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG ist nicht vorzunehmen, da die Kapitalerträge in China nicht besteuert wurden.
162 
aa) Sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich des DBA-China sind eröffnet.
163 
Dabei gilt das (alte) DBA-China vom 10.6.1985 (BGBl II 1986, 446) bis zum 5.4.2016 und das (neue) DBA-China vom 28.3.2014 (BGBl II 2015, 1647) gilt ab 6.4.2016 (BGBl II 2016, 1005). Die Regelungen sind -soweit sie den Streitfall betreffen- weitgehend inhaltsgleich. Soweit das neue DBA-China Abweichungen enthält, werden diese im Folgenden kursiv hervorgehoben.
164 
Nach Art. 1 DBA-China gilt das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind und sachlich nach Art. 2 Abs. 1 DBA-China für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die in einem der Vertragsstaaten erhoben werden.
165 
bb) Der Kläger ist nur in Deutschland ansässig.
166 
(a) Im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-China) umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer allgemeinen Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-China umfasst der Ausdruck jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat oder mit in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
167 
Diese Voraussetzungen liegen nur in Deutschland, nicht dagegen in China vor.
168 
Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Er schränkt die Abkommensberechtigung auf solche Personen ein, die nach dem Recht zumindest eines der Vertragsstaaten aufgrund von ortsbezogenen Merkmalen in einem Vertragsstaat der Steuerpflicht unterliegen. Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrückliche Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 16).  Die Aufzählung der Kriterien, aus denen sich die Steuerpflicht ergeben kann, verdeutlicht, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht aus ortsbezogenen Merkmalen des nationalen Steuerrechts ableitet. Auf die tatsächliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat kommt es dagegen nicht an (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 16; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 29; Frotscher in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., 2016, Art. 4 Rn. 34 m.w.N.).
169 
Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige schon nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat ansässig ist (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 3). Nur bei einer sog. Doppelansässigkeit, d.h. bei Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten, wird durch Art. 4 Abs. 2 DBA-China bestimmt, in welchem Staat eine Person abkommensrechtlich als ansässig gilt. Der andere Vertragsstaat kann dann lediglich Quellenstaat sein.
170 
(b) Da der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland hat und damit der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, ist er nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansässig.
171 
Er ist nicht gleichzeitig in China ansässig.
172 
Nach chinesischem Steuerrecht ist für die dortige unbeschränkte, persönliche Steuerpflicht grundsätzlich maßgeblich, ob eine Person dauerhaft in China wohnhaft ist oder sich dort mindestens fünf Jahre ohne wesentliche Unterbrechung aufhält. Bis zum Ablauf von fünf Jahren wird eine Mischform von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht angewendet, wonach gewisse Einkünfte aus chinesischen Quellen vollumfänglich, Kapitaleinkünfte jedoch nur beschränkt steuerpflichtig sind (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 1 Rn. 31; Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 250 f.).
173 
Vorliegend ist aufgrund des Streitzeitraums auf den Rechtsstand des chinesischen Steuerrechts bis zum 31.12.2018 abzustellen, so dass die umfassende Reform des Einkommensteuerrechts in China mit Wirkung zum 1.1.2019 unbeachtlich ist.
174 
Das FG hat das ausländische Recht dabei nach § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 Satz 1 FGO von Amts wegen zu ermitteln, denn es ist im Verfahren nicht Recht im eigentlichen Sinne, sondern Tatsache, die Gegenstand tatrichterlicher Beweiserhebung bzw. Ermittlung ist. In diesem Rahmen sind nicht nur die einschlägigen Rechtsnormen des ausländischen Rechts heranzuziehen, sondern es ist auch die konkrete Ausgestaltung dieses Rechts in der ausländischen Rechtspraxis zu berücksichtigen. Der Umstand, dass das ausländische Recht sehr komplex ist, kann das FG nicht von seiner Ermittlungspflicht entbinden. Auf welche Weise sich das FG die erforderliche Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (Ratschow in Gräber, 9. Aufl., 2019, § 118 Rn. 61 m.w.N.).
175 
Im Streitfall verschafft sich der Senat die Kenntnisse über das chinesische Steuerrecht durch die allgemein verfügbaren Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, Kommentierungen und den Vortrag der Beteiligten.
176 
(c) Danach gibt es im chinesischen Steuerrecht in den Streitjahren zwei Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht.
177 
Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person in China setzt in den Streitjahren voraus,
              
→   
dass sie in China entweder, in Anlehnung an das Prinzip des „domicile“ aus dem Common Law nach Art. 1 Abs. 1, 1. Alt. des Individual Income Tax Law of the PRC (--IITL--, abrufbar auf der Homepage des Ministry of Commerce of the People’s Republic of China unter http://english.mofcom.gov.cn/aarticle/policyrelease/internationalpolicy/200703/ 20070304470171.html) i.V.m. Art. 2 der chinesischen Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (chin. EStDV; Rules for the Implementation of the Individual Income Tax Law, abrufbar unter http://www.asianlii.org/cn/legis/cen/laws/rftiotiitl560/) einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat, oder,
→   
dass sie sich ein Jahr oder länger in China aufhält (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art.  3 chin. EStDV).
178 
Der Begriff Domizil ist im Sinne einer dauerhaften Absicht, in dem jeweiligen Land zu verweilen, zu verstehen (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 250). Er ist einem qualifizierten Wohnsitz vergleichbar und kann nur an einem Ort bestehen („It is the place where you plan to live indefinitely. You can have more than one residence, but your domicile is your ´forever` home.“, abrufbar unter vgl. https://www.investopedia.com/terms/d/domicile.asp, zuletzt eingesehen am 19.5.2022). Nach Art. 2 chin. EStDV hat eine natürliche Person ihr Domizil in China, wenn sie aufgrund ihrer (städtischen) Registrierung, ihrer Familienverhältnisse sowie ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ihren gewöhnlichen Aufenthalt in China hat. Somit haben ausländische Bürger, die sich nur aufgrund ihrer Tätigkeit in China aufhalten, grundsätzlich keinen Wohnsitz in China, weil ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in China liegt (so Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 22). Hätte der Kläger allein aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse („economic interests“ nach Art. 2 chin. EStDV, vgl. Text, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 580) ein Domizil in China, wäre er dort unbeschränkt steuerpflichtig. Das vertritt aber selbst der Kläger im Ergebnis nicht, da er dann in China „domiciled“ wäre und nicht lediglich „fiscal resident“. Letzteres soll ihm aber die chinesische Steuerverwaltung bescheinigt haben („Chinese fiscal resident“).
179 
Der Aufenthalt von einem Jahr oder länger -der neben dem Domizil ebenfalls die unbeschränkte Steuerpflicht auslöst- meint einen Aufenthalt in China von 365 Tagen im Steuerjahr (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 chin. EStDV). Ein Steuerjahr in diesem Sinne entspricht dem Kalenderjahr (Art. 44 chin. EStDV). Lediglich vorübergehende Abwesenheitstage werden nicht berücksichtigt (Art. 3 Abs. 1 chin. EStDV). Vorübergehende Abwesenheitstage bedeutet einen Aufenthalt außerhalb Chinas von nicht mehr als 30 Tagen und bei mehreren Abwesenheiten von nicht mehr als 90 Tagen pro Steuerjahr (Art. 3 Abs. 2 chin. EStDV). Die Aufenthaltsdauer in China wird anhand des Einreise- und Ausreisedatums (via Stempel) im Reisepass festgestellt (Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 24).
180 
Demgegenüber sind natürliche Personen, die kein Domizil oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in China haben, weil sie sich weniger als 365 Tage in einem Steuerjahr in China aufhalten, nur mit ihren chinesischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig (Art. 1 Abs. 2 IITL; Heijenga in Wassermeyer, DBA-China, Januar 2015, Anh. Rn. 25).
181 
Eine Besonderheit besteht noch für Personen die sich für mehr als ein Jahr, aber weniger als fünf Jahre in China aufhalten (Art. 6 Satz 1 chin. EStDV). In diesem Fall besteht zwar eine persönliche, unbeschränkte Steuerpflicht. Insbesondere die Einkünfte aus Kapitalvermögen werden aber nur eingeschränkt besteuert (sog. beschränkte unbeschränkte Steuerpflicht; Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 11; Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 251). Hält sich eine Person mehr als fünf Jahre (jeweils nur unterbrochen durch vorübergehende Abwesenheiten) in China auf, wird sie ab dem sechsten Jahr einer vollständigen unbeschränkten Steuerpflicht mit ihrem Welteinkommen unterworfen (Art. 6 Satz 2 chin. EStDV).
182 
Aufgrund des Erfordernisses eines nur durch vorübergehende Abwesenheiten unterbrochenen Aufenthaltes in China von mindestens 365 Tagen können Ausländer die unbeschränkte Steuerpflicht durch sog. Unterbrechungsreisen vermeiden, in dem entweder ein Auslandsaufenthalt von mehr als 30 Tagen oder mehrere Auslandsaufenthalte von insgesamt mehr als 90 Tagen je Steuerjahr unternommen werden (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 251 und Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 11).
183 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass der Kläger einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht in China unterliegt. Seine Abwesenheitstage in China betragen -selbst nach den Schilderungen des Klägers- in jedem Streitjahr mehr als 90 Tage, so dass er eine persönliche Steuerpflicht im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IITL vermeidet. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger auch vor den Streitjahren in vergleichbarem Umfang, d.h. jährlich mehr als 90 Tage außerhalb Chinas aufgehalten hat. Denn weder hat der Kläger insoweit Abweichungen vorgetragen noch ergibt sich eine Änderung seines Reiseverhaltens aus den sonstigen Umständen.
184 
Die Bescheinigungen über eine Besteuerung seiner Arbeitseinkünfte stehen dem nicht entgegen, da diese der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Art. 1 Abs. 2 IITL i.V.m. Art. 5 Abs. 1 chin. EStDV; vgl. Hasbargen/Preising, IStR 2012, 143 f.) und damit nichts über eine unbeschränkte Steuerpflicht aussagen.
185 
Soweit der Kläger Bescheinigungen vorlegt, die ihn als „Chinese fiscal resident“ bezeichnen, folgt daraus keine Ansässigkeit des Klägers in China im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Steuerlich bescheinigte ihm nämlich ein Direktor der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk der bezirksfreien Stadt [ ___ ] in der chinesischen Provinz [ ___ ], für die Jahre 2013 bis 2018 die Eigenschaft eines „Chinese fiscal resident“ (Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 11.4.2022, Gerichtsakte zum 1 K 2898/21, Bl. 68 bis 73). Aus Sicht des Senats ist es jedoch zweifelhaft, ob die Steuerverwaltung von [ ___ ] überhaupt für die Ausstellung dieser Bescheinigungen zuständig ist. Denn [ ___ ] ist ein Stadtbezirk der Stadt [ ___ ], die rund 360 km von X entfernt ist. X als regierungsunmittelbaren Stadt hat eine eigene Steuerverwaltung. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Kläger für das Jahr 2019 eine gleichlautende Bescheinigung der Steuerverwaltung von [ ___ ], einem Stadtbezirk von X, vorgelegt hat (Rb-Akte, Bl. 14 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 539). Auch hinsichtlich der Besteuerung seines Lohn und Gehalts hat der Kläger für die Jahre 2012 bis 2019 Bescheinigungen des offensichtlich zuständigen Staatlichen Hauptfinanzamts der Stadt X, Stadtbezirk [ ___ ] vorgelegt (Gerichtsakte zu 1 K 2953/20, Bl. 110 und Bl. 113 und Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 573 ff.). Auch die Steuerzahlungsnachweise für die Gew Ltd., Werkzeug Ltd., Werk Ltd., M Ltd. und Th Ltd. für 2013 bis 2020 (M Ltd. nur für 2018 und 2019) bezüglich betrieblicher Einkommensteuer stammen vom Staatlichen Hauptfinanzamt der Stadt X, Stadtbezirk [ ___ ] (Anlage K15 zum Schreiben an das FA vom 16.11.2020, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 348 bis 354).
186 
Da offensichtlich die Steuerverwaltung der Stadt X steuerlich sowohl für den Kläger als auch für seine Kapitalgesellschaften zuständig ist, ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb die Steuerverwaltung der Stadt [ ___ ] für den Kläger eine Bescheinigung als „Chinese fiscal resident“ für die Streitjahre ausgestellt hat.
187 
Zudem haben Ansässigkeitsbescheinigungen eines anderen Vertragsstaats keine Bindungswirkung. Ob Umstände vorliegen, die im anderen Vertragsstaat nach dessen Recht eine Ansässigkeit begründen, muss jeder Staat selbständig prüfen (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 87 f. m.w.N.).
188 
Im Übrigen existiert in China ein fast unüberschaubares Geflecht an verschiedenen Einzelsteuern. Zudem werden einzelne Steuern aufgrund der abweichenden lokalen Praxis nicht überall angewendet oder überlagern sich zum Teil (Pfaar, Unternehmensbesteuerung in China nach der Steuerreform, Rechtsstand Juni 2009, S. 19). Bei der Sichtung von Bescheinigungen und Rechtsquellen ist zudem zu beachten, dass die chinesische Steuerverwaltung aus mehreren Ebenen besteht. Dabei gibt es dem Zentralstaat zustehende Steuern, den Provinzen zustehende Steuern sowie Gemeinschaftssteuern. Für die Bearbeitung der Steuererklärungen und die Steuererhebung sind grundsätzlich die örtlichen Steuerbehörden zuständig. Die lokalen Niederlassungen sind dabei berechtigt, unterschiedliche Durchführungsbestimmungen zu erlassen, sofern höherrangiges nationales Recht nicht verletzt wird. Darüber hinaus können sie Provinzsteuern reduzieren oder komplette Steuerbefreiungen aussprechen. Die Umsetzung der chinesischen Steuergesetze funktioniert deshalb in der Praxis nicht einheitlich. Die entsprechenden Finanzbehörden der verschiedenen Provinzen üben ihren großen Ermessensspielraum unterschiedlich aus. Die steuerliche Behandlung von ausländischen Steuerpflichtigen ist oft das Ergebnis von umfangreichen Verhandlungen mit der chinesischen Steuerverwaltung (Pittmann B. Potter in Michael J. Moser und Yu Fu, Doing Business in China, Release 25, 2014, Volume 2, Section III, Chapter § 3.2.01 - Taxation of Individuals; verfügbar unter https://books.google.de/).
189 
Nur ergänzend -ohne dass dies streitentscheidend wäre- weist der Senat darauf hin, dass die Gewinnausschüttungen der chinesischen Kapitalgesellschaften des Klägers, die in China nach Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 7 IITL im Grundsatz beschränkt steuerpflichtig sind, aufgrund einer Verwaltungsregelung von der Quellenbesteuerung i.H. von 20 Prozent (Art. 3 Nr. 5 IITL) befreit wurden (vgl. Art. 2 Nr. 8 Cai Shui Zi [Finanzsteuerregelungen] vom 13.5.1994, No. 20, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 582).
190 
So heißt es auch in den notariell beglaubigten Erläuterungen zu den Ausschüttungen der Werkzeug Ltd. i.H. von 3.325.073,18 Euro für die Jahre 2013 bis 2015 und der Gew Ltd. i.H. von 2.170.880,18 Euro für die Jahre 2014 bis 2016 an den Kläger, dass diese mit Zustimmung der Steuerverwaltung X/ [ ___ ] steuerfrei auf dessen deutsches Konto gezahlt wurden, da diese von einem aus dem Ausland investierten Unternehmen („foreign invested enterprise“) an den Kläger als Ausländer („foreigner“) ausgeschüttet worden seien (BMO, Bl. 1 ff. und Bl. 5 ff. sowie EA I, Bl. 84 ff.).
191 
cc) Selbst wenn der Kläger aber in China aufgrund einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht besteuert werden würde und damit -neben Deutschland- auch in China ansässig wäre, würde er nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China nur als in Deutschland ansässig gelten, denn er hat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland.
192 
Ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt nach Art. 4 Abs. 2 DBA-China das Folgende:
        
„a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
        
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
        
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der beiden Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
        
d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keiner der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.“
193 
Die Kriterien in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a bis d DBA-China sind der Reihenfolge nach zu prüfen. Die Prüfung des nächsten Buchstabens kommt lediglich in Betracht, wenn der vorhergehende nicht zu einer Entscheidung über die abkommensrechtliche Ansässigkeit geführt hat. Die Kriterien sind abkommensrechtlich auszulegen und nicht nach dem jeweiligen nationalen Steuerrecht, was einen Unterschied im Vergleich zu Art. 4 Abs. 1 DBA-China darstellt (Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, DBA-China, Stand Oktober 2016, Art. 4 Rn. 23; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 170). Während die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China die Abkommensberechtigung begründet, konkretisiert Art. 4 Abs. 2 DBA-China die Rechtsfolgen der Abkommensberechtigung. Er bestimmt, welcher der beiden Vertragsstaaten die nach seinem innerstaatlichen Recht in seinem Gebiet ansässige natürliche Person als Ansässigkeitsstaat und welcher der beiden sie als Quellenstaat besteuern darf (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 168).
194 
Die für Art. 4 DBA-China maßgebenden Kriterien müssen grundsätzlich während desjenigen Zeitabschnitts gegeben sein, um dessen Besteuerung es sich handelt. Dies gilt z.B. für die Frage, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für Zwecke der Bestimmung des Gesamtbilds nicht auch ein längerer Betrachtungszeitraum angezeigt sein kann, d.h. insbesondere die Entwicklung der hierbei zu berücksichtigenden persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen einzubeziehen sein kann. Auch soweit es darauf ankommt, wo sich der Steuerpflichtige gewöhnlich aufhält, kann ebenso die Berücksichtigung eines darüber hinausreichenden Zeitabschnitts geboten sein (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 172). Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass sich die Umstände während des Betrachtungszeitraums nicht wesentlich verändert haben (Art. 4 Nr. 19.1 Musterkommentar der OECD zum DBA-Musterabkommen 2017 -MK-).
195 
(a) Der Kläger verfügt sowohl in Deutschland als auch in China über eine ständige Wohnstätte im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-China.
196 
Der Ausdruck ständige Wohnstätte ist ein abkommensrechtlicher Begriff, der autonom entsprechend seiner gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Funktion des Art. 4 Abs. 2 DBA-China als sog. Tie-Breaker-Rule bei doppelansässigen natürlichen Personen nur durch eine einheitliche Auslegung der maßgeblichen Begrifflichkeiten sichergestellt werden kann. Daher sind die Ausdrücke ständige Wohnstätte und Wohnsitz im Sinne des § 8 AO nicht deckungsgleich. Zwar setzen sowohl die ständige Wohnstätte als auch der Wohnsitz zum Wohnen geeignete Räume voraus, die der potentiell ansässigen natürlichen Person zur Verfügung stehen. Der Ausdruck ständige Wohnstätte bringt jedoch die subjektive Bestimmung der in ihr wohnenden natürlichen Person zum Ausdruck, die Stätte zum ständigen und nicht nur zu einem gelegentlichen Wohnen nutzen zu wollen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 53).
197 
Als Wohnstätte qualifizieren zunächst alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Dabei kommt jede Form einer Wohnstätte in Betracht, also sowohl die eigene als auch die gemietete Wohnung (bzw. das Haus) oder auch nur gemietete möblierte Zimmer. Ein qualitativer Mindeststandard ist insofern nicht erforderlich (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 54 m.w.N.). Über diese muss die natürliche Person verfügen. Sie muss die tatsächliche, nicht notwendigerweise auch die rechtliche Verfügungsmacht über die Wohnstätte innehaben (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 60 m.w.N.).
198 
Neben diesen objektiven Voraussetzungen wird der Begriff zudem durch ein subjektives qualitatives Element geprägt. Zum einen muss die Person daher Vorkehrungen dafür getroffen haben, dass ihr die Wohnstätte jederzeit und nicht nur gelegentlich zur Verfügung steht. Die Ständigkeit bezieht sich insofern auf das Zur-Verfügung-Stehen und nicht auf die Dauer der tatsächlichen Nutzung. Zum anderen muss die Art und Intensität der Nutzung dergestalt sein, dass sie die Wohnung als eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle der Person erscheinen lässt (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 55 m.w.N.).
199 
Dabei darf die Frage, ob eine ständige Wohnstätte vorliegt, nicht mit der Frage vermengt werden, wo die natürliche Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat. Eine ständige Wohnstätte setzt gerade nicht voraus, dass sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Person befindet. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen gerade beim Vorliegen von zwei ständigen Wohnstätten gem. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, 2. Halbs. DBA-China den Ausschlag gibt. Wäre er dagegen bereits Voraussetzung für die Annahme einer ständigen Wohnstätte, könnten insofern nie zwei ständige Wohnstätten gleichzeitig bestehen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 55 m.w.N.).
200 
Verfügt eine Person über je einen Wohnsitz in beiden Vertragsstaaten, so werden nur ausnahmsweise beide als ständige Wohnstätte beurteilt werden können. In der Regel liegt das Zentrum des eigenen häuslichen Lebens nur bei einem Wohnsitz. Es wird häufig durch den Ort bestimmt, an dem die Familie lebt. Nur bei ledigen Personen kann der Wohnung, von der aus sie ihrer täglichen Arbeit nachgeht, eine ähnliche Bedeutung zukommen. Sind allerdings beide Wohnsitze zum ständigen dortigen Wohnen bestimmt, so kann zwischen ihnen nicht mehr nach der überwiegenden Nutzung zum Wohnen unterschieden werden. Vielmehr hat die natürliche Person in einem solchen Fall zwei ständige Wohnstätten in den Vertragsstaaten (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 57 m.w.N.).
201 
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger sowohl in Deutschland als auch in China eine ständige Wohnstätte.
202 
In beiden Vertragsstaaten hält der Kläger dauerhaft Räumlichkeiten vor, die er jederzeit nutzen kann. Beide Wohngebäude (in X und G bzw. zuvor in H) sind zu einem großen Teil auf seine Bedürfnisse angepasst und stehen in seiner (Mit-)Verfügungsbefugnis. Dass er sich -rein zeitlich- überwiegend in China aufhält, steht dem nicht entgegen. Eine Wohnung wird nämlich nicht durch die intensivere Nutzung, sondern durch die objektiv zu ihr bestehenden persönliche Bindungen zur ständigen Wohnstätte. Zwar weist eine ständige Nutzung indiziell auf die Existenz einer ständigen Wohnstätte hin. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass Räumlichkeiten, die seltener genutzt werden, keine ständige Wohnstätte sein könnten (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 59 m.w.N.).
203 
Der Kläger hat Bindungen zu beiden Wohnstätten. Auch nutzt er die Wohnung in Deutschland nicht nur gelegentlich, sondern durchschnittlich mehr als ein Viertel des Jahres. Dass er die Wohnstätte in X häufiger nutzt, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Bindungen nach China überwiegend aus beruflichen Notwendigkeiten resultieren. Die familiären Bindungen nach Deutschland zu der Ehefrau und dem minderjährigen leiblichen Sohn K 2 sind dagegen enger, so dass die Aufenthalte im Inland eine höhere Qualität haben.
204 
(b) Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers liegt in Deutschland, da er hier die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
205 
Beim Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt es sich ebenfalls um einen abkommensrechtlichen Ausdruck. Dies folgt bereits aus der Funktion dieses Begriffs, beim Vorliegen von zwei ständigen Wohnstätten in den Vertragsstaaten einen der beiden zum Ansässigkeitsstaat zu bestimmen. Der Begriff ist somit abkommensautonom auszulegen (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 66 m.w.N.).
206 
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen (BFH- Urteil vom 31.10.1990 I R 24/89, BStBl II 1991, 562, Rn. 13). Unbehelflich sind dagegen die subjektiven Befindlichkeiten des Steuerpflichtigen, und zwar weder, was die Einbeziehung eines Umstandes in die gebotene Gesamtbetrachtung noch was die Bewertung eines einzubeziehenden Umstands im Rahmen der Gesamtbewertung angeht (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 67 m.w.N.).
207 
(aa) Die persönlichen Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung einer natürlichen Person. Dazu gehören familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Bindungen. Unter diesen Merkmalen kommt in der Regel der familiären Bindung eine besondere Bedeutung zu (Art. 4 Nr. 15 MK; so auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23.7.2001 11 K 223/97, juris, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 17.7.2002 I B 119/01, BFH/NV 2002, 1600). Deshalb besteht jedoch keine feste Rangfolge. Eine solche bestimmende allgemeine Rangfolge würde gerade auch der notwendigen zusammenfassenden Wertung zuwiderlaufen (BFH-Beschluss vom 28.11.2007 I B 79/07, juris, Rn. 10). Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, welches Merkmal für die Person die vorrangige Bindungswirkung hat (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 69 m.w.N.).
208 
Die wirtschaftlichen Beziehungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen aus (BFH-Urteil vom 31.10.1990 I R 24/89, BStBl II 1991, 562, Rn. 13). Dazu gehören auch die Orte sowohl der regelmäßigen als auch der nur gelegentlichen Berufsausübung. Den genannten Merkmalen kann im Einzelfall unterschiedliche Bedeutung zukommen, ohne dass deshalb zwischen ihnen eine feste Rangfolge bestünde. Es sind auch die finanziellen Interessen zu berücksichtigen. Allerdings können der Ort der Belegenheit von Vermögen und der Ort seiner Verwaltung auseinanderfallen, ohne dass von vornherein gesagt werden kann, welchem die größere Bedeutung beizumessen ist. Dies kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 70 m.w.N.).
209 
Persönliche und wirtschaftlich Beziehungen müssen nicht kumulativ vorliegen. Sie bilden nur differenzierte Prüfungskriterien. Bestehen zum Beispiel die engeren persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat, die engeren wirtschaftlichen dagegen zum anderen, kommt es darauf an, welcher der beiden Orte für den Steuerpflichtigen der bedeutungsvollere ist (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 195 m.w.N.).
210 
(bb) Es ist mithin eine alle Einzelumstände (persönliche und wirtschaftliche) in den Blick nehmende zusammenfassende Gesamtwertung durchzuführen.
211 
Danach bestehen die stärkeren persönlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland.
212 
Hier lebt seine Ehefrau, von welcher der Kläger -entgegen seinem Vortrag-- wie bereits ausgeführt, familienrechtlich nicht getrennt ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft besteht trotz der beruflichen bedingten räumlichen Trennung fort. Die Eheleute begehen die wichtigen Feste zusammen und verbringen die Ferienzeit der Kinder entweder in China oder in Deutschland. Sie entscheiden über größere Anschaffungen -wie den Hausbau in H und G- gemeinsam und erwerben jeweils gemeinsames Eigentum.
213 
Der minderjährige Sohn K 2 besuchte in den Streitjahren die Schule in Deutschland. Auch aufgrund des engen Bandes zu seinem einzigen leiblichen Sohn, schafft dies aus Sicht des Senats einen persönlichen Schwerpunkt des Klägers in Deutschland. Dem steht nicht entgegen, dass sich sein Stiefsohn K 1 von 2013 bis 2017 in X aufhielt und dort die Deutsche Schule besuchte. Denn erstens ist K 1 nicht sein leiblicher Sohn und zweitens kehrte dieser nach Abschluss der Schule in X im Jahr 2017 unmittelbar nach Deutschland zurück, um Informatik und Wirtschaftspsychologie in S zu studieren. Auch sein leiblicher Sohn K 2, der von 2019 die Deutsche Schule in X besuchte, möchte nach seinem [ ___ ] bestandenen Abitur in Deutschland studieren.
214 
Der Lebensmittelpunkt des Klägers liegt nicht etwa deshalb in China, weil seine Eltern und der Bruder mit seiner Familie dort leben. Die familiäre Bindung gegenüber den Eltern und Geschwistern ist -nach der Lebenserfahrung- nicht annährend so stark ausgeprägt, wie die zu der Ehefrau und den leiblichen, insbesondere minderjährigen Kindern, die noch einen größeren Fürsorge beider Eltern bedürfen (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.3.2009  4 K 251/09, rkr., EFG 2009, 904 und Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 71). Der Kläger trägt im Übrigen alle wesentlichen Aufwendungen, die das Leben der Familie in Deutschland ermöglichen.
215 
Überdies unterhält der Kläger freundschaftliche Beziehungen zu Personen in Deutschland, die er seit seiner Studienzeit kennt. Zu nennen ist z.B. ein [ ___ ] (Geschäftsführer der Werk-P. GmbH; vgl. Anlage K5a zum Schriftsatz vom 11.4.2021, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 173), der laut den Ausführungen des Klägers auch heute noch einer seiner besten Geschäftspartner ist und den er seit Abschluss seines Studiums in G seit etwa 20 Jahren gut kennt. Zahlreiche Arztbesuche in Deutschland zeugen des Weiteren davon, dass der Kläger dem deutschen Gesundheitssystem und den ihm bekannten Ärzte vertraut und hier verankert ist (BMO, Bl. 154 ff.).
216 
Der Kläger bezeichnet seine Wohnstätte in Deutschland selbst als Rückzugsort im Falle einer Krise der Politik in China. Damit wird deutlich, dass Deutschland auch gesellschaftlich und politisch ganz offenkundig seine Heimat ist. Nicht zuletzt zeigt sich die kulturelle Beziehung des Klägers zu Deutschland daran, dass er K 1 und K 2 zwar jeweils etwa vier bzw. drei Jahre die Schule in China besuchen lässt, aber dort die Deutsche Schule auswählt, damit die Kinder einen deutschen Schulabschluss erhalten. So heißt es auch auf der Homepage der Deutschen Schule X: „… im Fokus: ein guter Anschluss aus und in das deutsche Bildungssystem (abrufbar unter [ ___ ], zuletzt eingesehen am 20.5.2022).
217 
Selbst im Ausland greift der Kläger soweit wie möglich auf deutsches Know-how und deutsche Firmen zurück. So ließ er seine Villa in X von der Firma Möbel K GmbH, O / Deutschland einrichten, welche die Einrichtungsgegenstände in einem logistischen Kraftakt eigens von Deutschland nach China verbrachte, worüber sogar die örtliche Presse berichtete ([ ___ ], Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 77). Zwar liegt dieses Ereignis außerhalb des Streitzeitraums, dennoch beruft sich der Kläger in seinen Schriftsätzen im Streitfall selbst darauf, leitet lediglich gegenteilige Schlüsse daraus ab. Sein Fuhrpark besteht ausschließlich aus Fahrzeugen deutscher Produktion (Mercedes, Maybach und BMW).
218 
(cc) Die wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers bestehen in gleichem Maße sowohl zu Deutschland als auch zu China. Ein Überwiegen der wirtschaftlichen Bindungen zu China -wie der Kläger vorträgt- kann der Senat in einer Gesamtschau nicht feststellen.
219 
Zwar hat der Kläger seit dem Jahr 2001 ein Firmengeflecht in X und auch in Taiwan aufgebaut, dass nach der Anzahl der Mitarbeiter und wohl auch nach der Gewinn- und Vermögenssituation (obwohl der Kläger zu letzteren keine konkreten Angaben macht) die deutschen Firmen des Klägers übertrifft. Nichtsdestotrotz sind die deutschen Firmen des Klägers von großer strategischer Bedeutung. So ist insbesondere die M GmbH für deutsche Firmen, die den Eintritt in den chinesischen Markt anstreben, die erste Anlaufstelle. Damit wird auch auf der Homepage der M GmbH geworben, wenn es heißt, dass durch den Standort in Deutschland ein Service in Kundennähe angeboten werde und man zu den üblichen Arbeitszeiten immer erreichbar sei. Von Deutschland aus bestehe der Zugriff auf die wichtigsten Industrieregionen Deutschlands. Man baue Unternehmen in Deutschland eine Brücke nach China.
220 
Der Kläger vertritt überdies ausschließlich deutsche Firmen im Ausland. Deshalb ist es auch die Aufgabe der M GmbH, Maschinen-, Ersatzteil- und Werkzeugbeschaffungen für den chinesischen Markt zu organisieren (EA II, Bl. 401). Die Werkzeug GmbH hat die Aufgabe, den Vertrieb der in China produzierten Werkzeuge im Wesentlichen auf dem deutschen Markt sicherzustellen (EA II, Bl. 402 f.). Die Bedeutung sowohl der M GmbH als auch der Werkzeug GmbH für die Firmengruppe belegen nicht zuletzt die hohen Ausgangsumsätze, die diese Firmen tätigen (Werkzeug GmbH jährlich ansteigend mit 1,86 Mio. Euro in 2018 und M GmbH mit durchschnittlich 3,27 Mio. Euro pro Jahr; vgl. Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 593 f.).
221 
Aufgrund dieser zentralen Funktionen liegen deshalb Steuerung und Kontrolle seiner inländischen Unternehmen nicht ohne Grund in der Familie. Fremdgeschäftsführer blieben nur für eine relativ kurze Zeit (max. etwa zwei Jahre). Obwohl die Ehefrau jeweils die Geschäftsführung innehat, hat der Kläger seinen Zugriff auf die deutschen Firmen nicht aufgegeben. Die Geschäftsführung stimmte sich mit ihm ein- bis zweimal die Woche über unternehmerische Entscheidungen ab (EA II, Bl. 402 und Bl. 412). Mit seiner Beteiligung von jeweils 90 Prozent kann er überdies als Mehrheitsgesellschafter über seine Weisungsbefugnis (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) seine unternehmerischen Vorstellungen hinsichtlich der laufenden Geschäftsführung und auch Satzungsänderungen mangels Sperrminorität der Ehefrau (vgl. § 53 Abs. 2 GmbHG) allein durchsetzen. Auch steht ihm die Verfügungsbefugnis über die Konten der M GmbH und der Werkzeug GmbH zu (Auskunft der BaFin vom 11.3.2019, EA II, Bl. 12 ff., 40 und 71 f.; Nachträgliche Vereinbarung mit der Bank II vom 24.10.2013, EA II, Bl. 70). Wirtschaftliche Berechtigte über das Konto der M GmbH ist die Ehefrau (EA II, Bl. 13) und hinsichtlich des Kontos des Werkzeug GmbH der Kläger (EA II, Bl. 12).
222 
In den Streitjahren hat der Kläger zudem nicht nur seine wirtschaftlichen Aktivitäten in China, sondern auch in Deutschland erweitert. So war die M GmbH von Oktober 2015 bis Juli 2018 an einer Werkmaschinen GmbH & Co. KG, Deutschland -einer europaweiten Einkaufsgesellschaft- mit einer Einlage i.H. von 60.000 Euro beteiligt (Auszug aus dem Handelsregister des AG [ ___ ]).
223 
Wenn seine chinesischen Firmen Finanzmittel benötigen, greift der Kläger nachweislich auf sein Vermögen und seine Firmen in Deutschland zurück. So nahm die M GmbH mit Vertrag vom 26.4.2018 bei der Bank II ein Darlehen i.H. von 3,5 Mio. Euro auf. Besichert wurde das Darlehen durch eine auf dem Grundstück [ ___ ] Straße Y in G eingetragene Grundschuld i.H. von 3,5 Mio. Euro, welche die Eheleute am 26.3.2018 gemeinsam bewilligten (Zweckerklärung vom 26.4.2018, sog. Sicherungsabrede, EA II, Bl. 140 f.). Die Darlehensvaluta wurde sodann mit Wertstellung am 16.5.2018 als Überweisungsgutschrift der M GmbH auf dem Privatgirokonto Nr.  xxxxx des Klägers gutgeschrieben (BMO, Bl. 32). Von dort tätigte der Kläger am 16.5.2018 und 12.6.2018 jeweils Überweisungen i.H. von 1.000.151,50 Euro, die als Investment bezeichnet wurden, sowie am 13.6.2018 i.H. von 627.955,53 Euro und am 9.8.2018 i.H. von 500.151,50 Euro an seine chinesische Firmengruppe (z.B. an die Gew Ltd.; vgl. Kontoauszüge des Klägers, BMO, Bl. 32 ff.). Nach den Angaben des Klägers diente das Darlehen zur Finanzierung eines „Großprojekts“ in China (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31.5.2022, S. 2 und Niederschrift zum Erörterungstermin vom 1.6.2022, S. 3, Gerichtsakte zu 1 V 2435/21, Bl. 569 und Bl. 587).
224 
Die Gewinnausschüttungen seiner chinesischen Gesellschaften und jeglichen Zahlungsverkehr wickelte der Kläger über sein inländisches Privatgirokonto Nr.  xxxxx bei der Bank I ab. Das Konto wurde vom Kläger am 29.11.1991 [ ___ ] eröffnet (EA II, Bl. 31). Mit Vertrag vom 15.5.2012 wurde dessen Betreuung durch Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Kläger von der Bank II übernommen. Als Anschrift des Klägers war der [ ___ ]-weg x in H angegeben (EA II, Bl. 96 und Bl. 247). Im Rahmen einer Plausibilisierungsaktion 2014 („Status Ausländer“) bei der Bank II wurde die Anschrift vom zuständigen Berater, einem BR, auf die Ladungsanschrift des Klägers in China geändert (vgl. Auskunft vom 7.9.2020, EA II, Bl. 256 und Bl. 258). Am 28.12.2015 verfügte der Kläger gegenüber der Bank II mit der [ ___ ] Straße Y in G für dieses Konto jedoch eine „besondere Postanschrift“ (EA II, Bl. 260), so dass alle Benachrichtigungen, Abrechnungen und Kontoauszüge seitdem nur noch an die inländische Anschrift versandt werden. Außerdem nutzt der Kläger dieses Konto, um erhebliches Geldvermögen zu deponieren. Am Tag der Durchsuchung wies es ein Guthaben von 3,2 Mio. Euro auf. Insgesamt hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben i.H. von 3,66 Mio. Euro bei der Bank I (Rb-Akte, Bl. 10).
225 
Auch die Kreditkartenabrechnungen ließ er sich ab April 2013 an seine inländischen Anschriften (zunächst H und ab November 2016 G) senden ([ ___ ] vom 15.8.2019, welche die Kreditkarten von 2011 bis 2018 betreute und bei welcher der Kläger zuletzt als wohnhaft in der [ ___ ] Straße Y in G geführt wurde; EA II, Bl. 14 und EA II, Bl. 148 und Bl. 253). Der Ausgleich der aus dem Einsatz der Kreditkarten resultierenden negativen Salden erfolgte über das Konto des Klägers bei der Bank I (Nr. xxxxx; vgl. Kreditkartenvertrag vom 25.1.2005, EA II, Bl. 276).
226 
(dd) In einer zusammenfassenden Wertung zeigt sich damit, dass in Deutschland und China zumindest gleichwertige wirtschaftliche (einschließlich der finanziellen) Beziehungen des Klägers bestehen.
227 
Da die persönlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland überwiegen und die wirtschaftlichen Beziehungen in Deutschland und China in gleichem Maße ausgeprägt sind, überwiegen in einer Gesamtschau die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland, so dass hier der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt.
228 
(c) Selbst wenn sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht feststellen ließe --was der Senat nur hilfsweise unterstellt-, hätte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in Deutschland als auch in China, so dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit auch in diesem Fall als in Deutschland ansässig gelten würde (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China).
229 
Für die Auslegung des Terminus des gewöhnlichen Aufenthalts ergibt sich aus seiner Funktion, den -anders nicht zu bestimmenden- Mittelpunkt der Lebensinteressen zu konkretisieren, dass ein Aufenthalt in dem Maße gewöhnlich ist, in dem er der Verwirklichung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dient (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 204). Aus Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China folgt, dass eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch in beiden oder in keinem der beiden Vertragsstaaten haben kann. Insofern darf also nicht eine isolierende Gewichtung nur der Aufenthaltszeiten in den beiden Vertragsstaaten erfolgen. Vielmehr muss auch die qualitative Komponente des gewöhnlichen Aufenthalts geprüft werden (Art. 4 Nr. 19 MK; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD-MA 2017, Stand Januar 2022, Art. 4 Rn. 75 m.w.N.; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., 2021, Art. 4 Rn. 204; Frotscher in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., 2016, Art. 4 Rn. 112 m.w.N.).
230 
Selbst wenn daher -entgegen der obigen Darstellungen- kein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland angenommen werden könnte, weil die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu Deutschland und China insgesamt als gleichwertig anzusehen wären, wäre bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts dennoch zu berücksichtigen, dass der Kläger qualitative Anknüpfungspunkte sowohl zu Deutschland als auch China hat. Zwar hält sich der Kläger berufsbedingt öfters in China auf. Dennoch beträgt seine Aufenthaltszeit in Deutschland im Durchschnitt fast ein Drittel der Aufenthaltszeiten in beiden Ländern. Aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts seiner Ehefrau und seines (in den Streitjahren) minderjährigen, leiblichen Kindes im Inland, wird das zeitmäßige Überwiegen der chinesischen Aufenthalte durch die Qualität der inländischen Kontakte bei seinen Aufenthalten in Deutschland zumindest aufgewogen.
231 
Selbst wenn also aufgrund einer alternativen Prüfung ein Lebensmittelpunkt nicht festzustellen wäre, würde der Kläger im Streitfall -aufgrund des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland und China- aufgrund seiner seit 2003 bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China in Deutschland ansässig sein.
232 
Daher ist der Kläger auf jeden Fall (unter mehreren abkommensrechtlichen Gesichtspunkten) im Inland und nicht in China ansässig.
233 
d) Das Besteuerungsrecht für die Gewinnausschüttungen der chinesischen Ltd.‘s steht Deutschland zu.
234 
Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-China können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft (China) an eine im anderen Vertragsstaat (Deutschland) ansässige Person zahlt, im anderen Staat (Deutschland) besteuert werden (sog. Verteilungsnorm).
235 
Der verwendete Ausdruck „Dividenden“ bedeutet Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen oder anderen Rechten -ausgenommen Forderungen- mit Gewinnbeteiligung oder sonstige Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Gesellschaftsanteilen steuerlich gleichgestellt sind (Art. 10 Abs. 3 DBA-China).
236 
Dem Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft steht grundsätzlich ein der Höhe nach begrenzter Quellensteuerabzug zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-China).
237 
e) Die Gewinnausschüttungen sind nicht in Deutschland von der Besteuerung freigestellt.
238 
Nach Art. 24 Abs. 2 DBA-China (Art. 23 Abs. 2 DBA-China) wird eine mögliche Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt vermieden (sog. Methodenartikel).
239 
Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden grundsätzlich die Einkünfte aus China sowie die in China gelegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach diesem Abkommen in China besteuert werden können (sog. Freistellungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China).
240 
Für Einkünfte aus Dividenden gilt die vorstehende Bestimmung aber nur dann, wenn Dividenden an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in China ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 Prozent (25 Prozent) unmittelbar der deutschen Gesellschaft zuzuordnen ist (sog. Schachtelprivileg; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China]).
241 
In den übrigen Fällen, d.h. bei Zahlung einer Dividende an eine natürliche Person, wird die nach chinesischem Recht und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlte ausländische Steuer auf die deutsche Steuer unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts angerechnet (sog. Anrechnungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. b (i) DBA-China]).
242 
Da China vorliegend von seinen Quellensteuerrecht aus Gründen der Ansiedlung von ausländisch investierten Gesellschaften keinen Gebrauch gemacht hat, scheidet eine Anrechnung, die nach deutschen Steuerrecht auf der Grundlage von § 32d Abs. 5 EStG durchzuführen wäre, aus.
243 
4. Der mit Bescheid vom 28.6.2021 festgesetzte Verspätungszuschlag für 2018 i.H. von 25.000 Euro ist nicht zu beanstanden.
244 
a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Abweichend davon ist ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs abgegeben wurde (§ 152 Abs. 2 Nr. 1 AO).
245 
Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO). Auf ein Verschulden kommt es nach der Gesetzesbegründung nicht an. Da § 152 Abs. 2 AO eine gegenüber § 152 Abs. 1 AO selbständige Sonderregelung trifft, ist die Verschuldensregelung des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO nicht anwendbar (Bundestags-Drucksache 18/7457, S. 80; Schober in Gosch, AO, Stand 1.6.2021, § 152 Rn. 41).
246 
Bei Nichtabgabe der Steuererklärung ist der Verspätungszuschlag für einen Zeitraum bis zum Ablauf desjenigen Tages zu berechnen, an dem die erstmalige Festsetzung der Steuer wirksam wird (§ 152 Abs. 9 Satz 1 AO). Der Verspätungszuschlag ist auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25.000 Euro betragen (§ 152 Abs. 10 AO).
247 
§ 152 AO in der am 1.1.2017 geltenden Fassung ist erstmals auf Steuererklärungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind (Art. 97 § 8 Abs. 4 Satz 1 EGAO). Dies sind Steuererklärungen für Veranlagungszeiträume ab einschließlich 2018, da diese nach § 149 Abs. 2 AO zum 31.7.2019 bzw. --bei beratenen Steuerpflichtigen- nach § 149 Abs. 3 AO zum 2.3.2020 einzureichen sind (Rätke in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 152 Rn. 2).
248 
b) Auf dieser Grundlage hat das FA zutreffend einen Verspätungszuschlag für 2018 i.H. von 25.000 Euro festgesetzt.
249 
Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung für 2018 nicht bis zum 2.3.2020 abgegeben. Hierzu war er nach § 25 Abs. 1 und Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG verpflichtet. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde -so wie vorliegend- die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO).
250 
Abzüglich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge wurde mit Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 28.6.2021 eine Steuer i.H. von 827.328 Euro (863.400 Euro ./. Steuerabzug vom Lohn der Ehefrau i.H. von 36.072 Euro) festgesetzt. Daher beträgt der maßgebliche Zeitraum 16 Monate (März 2020 bis Juni 2021). Der sich daraus errechnende Verspätungszuschlag von 33.093,12 Euro (827.328 Euro x 0,25 Prozent x 16 Monate) ist auf den gesetzlichen Höchstbetrag von 25.000 Euro begrenzt.
251 
Der Kläger durfte nicht im Sinne von § 152 Abs. 5 Satz 3 AO davon ausgehen, dass er keine Steuererklärung abzugeben hatte. Zwar teilt das FA mit Schreiben vom 5.7.2010 mit, dass er nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei. Darauf durfte er aber nicht vertrauen, denn er behauptete wahrheitswidrig gegenüber dem FA von seiner Ehefrau getrennt zu sein und fast ausschließlich in China zu leben. Vor dem Hintergrund der von Rechtsanwalt R im August 2017 eingeholten Rechtsauskunft und den weiteren oben genannten Tatumständen ergibt sich vielmehr, dass die Eheleute familienrechtlich nicht getrennt sind und sich der Kläger nur aus beruflichen Gründen in China aufhält. Auch der Erwerb des gemeinsamen Grundstücks in G, die „Millionen-Investition“ in das dort errichtete Gebäude sowie sein weiterhin bestehendes erhebliches wirtschaftliches und finanzielles Engagement in Deutschland zeigen, dass der Kläger hier -anders als er ausführt-- unbeschränkt steuerpflichtig und auch ansässig ist. Den daraus resultierenden Steueranspruch kannte der Kläger dem Grunde und der Höhe nach oder hielt ihn zumindest für möglich und wollte ihn durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Streitjahre verkürzen (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 171 m.w.N.).
252 
Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger (zumal nur für die Jahre 2012 bis 2016) hindert den Senat nicht an diesen Feststellungen, denn die Einstellungsverfügung entfaltet keine Bindungswirkung für das finanzgerichtliche Verfahren. Vielmehr haben die Finanzgerichte selbständig und aufgrund freier Beweiswürdigung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und § 155 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO). Sie sind selbst an Feststellungen in einem Strafurteil nicht gebunden (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 81 Rn. 11 m.w.N.). Diese fehlende Bindungswirkung gilt umso mehr für Feststellungen in einer Einstellungsverfügung gemäß § 170 Abs. 2 StPO, denn ihr kommt keinerlei Rechtskraftwirkung zu. Das Ermittlungsverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 28.2.2012 VI ZR 79/11, NJW 2012, 1659, Rn. 12; Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., 2019, § 170 Rn. 6 m.w.N.).
253 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FGO.
254 
Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Maß des Unterliegens bzw. Obsiegens ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Anträgen und dem endgültig Erreichten (BFH-Urteil vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121).
255 
Der Kläger begehrte die Aufhebung der Vollziehung von festgesetzten Beträgen i.H. von 3.063.574,03 Euro und obsiegt i.H. von 208.520 Euro, d.h. i.H. von 6,8 Prozent; überwiegend, d.h. i.H. von 93,2 Prozent obsiegt das FA.
256 
Die Voraussetzungen von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO liegen nicht vor. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein geringfügiges Unterliegen ist aber nur dann anzunehmen, wenn der andere Teil weniger als 5 Prozent der Kosten zu tragen hat (Ratschow in Gräber, 9. Aufl., 2019, § 136 Rn. 6 m.w.N.).
257 
6. Die Revision wird nicht zugelassen, da keine Revisionsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich sind.
258 
7. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 ZPO.
259 
8. Aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Streitfalles wird die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt. Ein entsprechender Antrag wurde gestellt (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 11.4.2022, S. 1, Gerichtsakte zu 1 K 2898/21, Bl. 46).

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