Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 53/17

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen hat.

2

Mit Schreiben vom 25.07.2016 teilte das Finanzamt Hamburg-1 der Finanzbehörde Hamburg mit, dass der Kläger seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Seine Steuererklärungen würden durchweg verspätet eingereicht. Für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 lägen bis dato noch keine Erklärungen vor. Die Besteuerungsgrundlagen für 2013 und 2014 seien geschätzt und sachgerecht anhand der vorangemeldeten Umsätze inklusive eines Unsicherheitszuschlags ermittelt worden; sie lägen innerhalb des Ermessensspielraums. Hinsichtlich der Schätzung für 2013 liege ein unbegründeter Einspruch vom 24.03.2016 vor. Der Aufforderung, seinen Einspruch zu begründen und die Erklärungen 2013 einzureichen, sei der Kläger bislang nicht nachgekommen. Auch auf die Zwangsgeldandrohungen und auf die folgenden Zwangsgeldfestsetzungen vom 17.06.2016 habe der Kläger bislang nicht reagiert. Zudem seien nicht alle festgesetzten Lohnsteuern bezahlt worden. Per Kontostand vom 21.07.2016 bestünden für den Kläger Rückstände i. H. v. ... €. Dieses Schreiben wurde der Beklagten am 04.08.2016 übermittelt.

3

Zu diesem Zeitpunkt verzeichnete das Schuldnerverzeichnis für den Kläger einen Eintrag von sieben Aktenzeichen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.

4

Mit Schreiben vom 10.08.2016 teilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), § 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) und §§ 882b ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) mit, dass sich aus dem Vollstreckungsportal vom selben Tage ergebe, dass er, der Kläger, in sieben Fällen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen sei. Zudem habe die Finanzbehörde Hamburg darauf hingewiesen, dass gegen ihn unbeglichene Steuerforderungen i. H. v. ... € einschließlich Säumniszuschläge bestünden. Der Umstand von Steuerschulden in dieser Höhe sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass er, der Kläger, sich in Vermögensverfall befinde. Ihm werde gemäß § 46 Abs. 4 StBerG Gelegenheit gegeben, sich in dieser Angelegenheit zu äußern und ggf. darzulegen, dass entweder ein Vermögensverfall nicht bestehe oder aber durch den eingetretenen Vermögensverfall Interessen seiner Mandanten ausnahmsweise nicht gefährdet würden. Die Beklagte wies zudem darauf hin, dass nach Ablauf der zum 02.09.2016 gesetzten Frist der Kammervorstand nach Aktenlage über den Widerruf seiner, des Klägers, Bestellung als Steuerberater zu entscheiden habe.

5

Der Kläger erläuterte mit Schreiben vom 02.09.2016 die nicht vollständige Bedienung seiner Verbindlichkeiten sowie das Nichtnachkommen seiner steuerlichen Erklärungspflichten damit, dass er im Jahr 2011 mehrere Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus erworben und fremdfinanziert habe. Sie hätten einzeln weiterveräußert werden sollen. Er habe jedoch eine Wohnung, die der Verkäufer selbst bewohnt habe, zunächst weder veräußern noch durch Mieteinnahmen seine Kreditverbindlichkeiten bedienen können, da der Verkäufer entgegen den vertraglichen Absprachen weder ausgezogen sei noch Miete gezahlt habe. Erst Anfang Juli 2016 habe er für die Wohnung den geplanten Kaufpreis erzielen können. Zudem sei der Verwalter des Gemeinschaftseigentums seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Dadurch sei der Verwalter seines Sondereigentums seinerseits nicht in der Lage gewesen, die Einzelwohngeldabrechnungen rechtzeitig zu erstellen. Dies habe dazu geführt, dass er, der Kläger, nicht in der Lage gewesen sei, seiner Erklärungspflicht hinsichtlich der Einkommensteuer rechtzeitig nachzukommen. Wegen der fehlenden Mieteinnahmen hätten die Steuerforderungen zunächst nicht bedient werden können.

6

Die Verbindlichkeiten, die zu den Eintragungen in das Vermögensverzeichnis geführt hätten, seien Anfang August 2016 vollständig erfüllt worden. Er, der Kläger, habe den Gerichtsvollzieher um die Herausgabe der Vollstreckungstitel bzw. um Hergabe einer Erledigungserklärung gebeten, um das Löschungsverfahren gemäß § 822e ZPO (wohl § 882e ZPO) betreiben zu können. Aufgrund der chronischen Überlastung der Hamburger Gerichtsvollzieher habe er bisher noch keine entwerteten Titel erhalten.

7

Die Steuererklärungen seien entsprechend den angefügten Kopien nachgeholt worden; danach würden die Schätzungen jeglicher Grundlage entbehren.

8

Mit Schreiben vom 20.09.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es für die Beurteilung des Bestehens eines Vermögensverfalls nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht auf die Gründe für das Entstehen der negativen Vermögenssituation ankomme. Auch heute noch seien die sieben bereits erwähnten Verfahren in das Vollstreckungsportal eingetragen. Die Beklagte forderte den Kläger auf, bis zum 07.10.2016 seine Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen und ein Vermögensverzeichnis einzureichen, aus dem sich detailliert seine Vermögenssituation entnehmen lasse. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach.

9

Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 26.10.2016 legte der Kläger lediglich dar, offen gestanden hilflos zu sein und den Gerichtsvollzieher mehrfach aufgefordert zu haben, ihm einen Nachweis der Gläubigerbefriedigung bzw. die entwerteten Titel zu übermitteln. Dieser habe hierauf nicht reagiert, und er habe ihn erneut erinnert und werde eine Bestätigung zuleiten, sobald sie ihm vorliege. Auch mit diesem Schreiben kam der Kläger der Aufforderung der Beklagten, ein Vermögensverzeichnis einzureichen, nicht nach.

10

Mit Schreiben vom 23.01.2017 wandte sich die Beklagte erneut an die Finanzbehörde mit der Bitte um Mitteilung, ob der Kläger Steuerschulden habe, wie hoch diese seien und wie sich diese zusammensetzten. Mit Schreiben vom 26.01.2017 teilte das Finanzamt Hamburg-1 der Beklagten mit, dass zwar Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben würden, die Tilgung der Beträge jedoch sehr schleppend bis gar nicht erfolge. Die Einkommensteuererklärungen 2013 und 2014 seien bis auf eine fehlende Gewinnermittlung für den Betrieb "A" für 2013 abgegeben; entsprechende Veranlagungen seien erfolgt. Für 2015 stünden sämtliche Erklärungen aus. Der Kläger sei mit Schreiben vom 13.01.2010 an die Abgabe erinnert worden. Es bestünden ausweislich der beigefügten Rückstandsanzeige vom 26.01.2017 weiterhin Rückstände i. H. v. ... €.

11

Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 01.02.2017 teilte der Gerichtsvollzieher mit, dass es sich bei den von dem Kläger nicht beglichenen Forderungen um solche der B und C AG i. H. v. ... €, der Notarin D aus E i. H. v. ... € und um eine Arztrechnung (Dr. F) i. H. v. ... € handele.

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Mit Schreiben von 06.03.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich der Vorstand der G AG, Herr H, an sie gewandt habe wegen einer nicht beglichenen Forderung i. H. v. ... €. Das Amtsgericht J hatte der G AG, E, am 12.08.2016 mitgeteilt, dass dem Kläger am 08.08.2016 antragsgemäß ein Vollstreckungsbescheid über einen Gesamtbetrag von ... € zugestellt worden sei. Diesem liegt ein Schuldanerkenntnis seitens des Klägers zu Grunde.

13

Ebenfalls mit Schreiben vom 06.03.2017 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen Vermögensverfalls.

14

Am 05.04.2017 hat der Kläger Klage erhoben.

15

Mit Schreiben vom 07.08.2017 übersandte das Finanzamt Hamburg-1 eine Rückstandsanzeige für den Kläger über eine Gesamtsumme von ... €. Auf diese (Bl. 34 der Finanzgerichtsakten) wird Bezug genommen.

16

Mit Schreiben vom 22.09.2017 teilte die Beklagte mit, dass sie gegen den Kläger unter dem nämlichen Datum einen Rügebescheid gemäß § 81 Abs. 1 StBerG erlassen habe. Diesem liege zu Grunde, dass der Kläger gegenüber einer Mandantin durch die Nichterledigung erteilter Aufträge seine beruflichen Pflichten verletzt und dadurch einen bisher nicht beglichenen Schaden verursacht habe sowie gegenüber der Beklagten seine Pflichten als Steuerberater dadurch verletzt habe, dass er sich in der Beschwerdeangelegenheit trotz verbindlicher Auskunftsersuchen der Beklagten nach § 80 Abs. 1 StBerG nicht in der Sache geäußert habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Rügebescheid (Bl. 6 bis 8 Anlagenband) Bezug genommen.

17

Der Kläger trägt vor:

18

Er, der Kläger, befinde sich nicht im Vermögensverfall gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG. Positive Feststellungen hierüber habe die Beklagte nicht getroffen. Sie stütze ihre Entscheidung allein auf die Vermutungswirkung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 2. HS StBerG, wonach der Eintrag des Steuerberaters in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis auf einen Vermögensverfall schließen lassen solle.

19

Es treffe zu, dass er, der Kläger, wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen sei. Die Gründe hierfür seien zwischenzeitlich weggefallen, da die Verbindlichkeiten erfüllt seien; lediglich das Löschungsverfahren sei noch nicht eingeleitet worden.

20

Die unbeglichenen Steuerforderungen resultierten allein aus Schätzungen des Finanzamts. Diese seien viel zu hoch angesetzt und nicht sachgerecht vorgenommen. Im Rahmen der Veranlagung seien von ihm, dem Kläger, Unterlagen angefordert worden, die nicht bzw. nicht vollständig hätten beigebracht werden können. Im Rahmen eines Strafverfahrens für einen Mandanten seien bei dem Kläger mehrere Ordner beschlagnahmt worden, in denen sich diese Unterlagen befänden; sie seien bisher nicht von der Staatsanwaltschaft herausgegeben worden. Zudem laufe zurzeit eine Betriebsprüfung für die geschätzten Jahre. Für die hohen Vorauszahlungen habe er, der Kläger, einen Herabsetzungsantrag gestellt, der aber wegen der fehlenden Unterlagen ebenfalls nicht bearbeitet werde.

21

Die von dem Finanzamt angebrachte Pfändungsmaßnahme könne von ihm derzeit nicht abgewendet werden, da eine andere Behörde sich weigere, die erforderlichen Unterlagen auszuhändigen.

22

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.03.2017 über den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater aufzuheben.

23

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte trägt vor:

25

Der Vermögensverfall des Klägers ergebe sich bereits aufgrund der Tatsache, dass er in acht Verfahren wegen der unterlassenen Abgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen sei. Dem übersandten aktuellen Ausdruck aus dem Vollstreckungsportal vom 18.07.2017 sei zu entnehmen, dass der Kläger zuletzt am 08.05.2017 und zuvor in sieben weiteren Verfahren in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei. Die Eintragungen seien sämtlich wegen der unterlassenen Abgabe der Vermögensauskunft erfolgt. Die beträchtlichen Steuerschulden des Klägers rechtfertigten darüber hinaus die positive Feststellung des Bestehens eines Vermögensverfalls.

26

Der Kläger habe bisher nicht das Bestehen eines Vermögensverfalls widerlegt oder substantiiert dargelegt, dass etwa trotz des bestehenden Vermögensverfalls Interessen seiner Mandanten nicht gefährdet sein könnten. Dies gelte sowohl für seine Einlassungen im Rahmen des Verfahrens zum Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater als auch für den klägerischen Vortrag innerhalb des jetzt geführten Rechtsstreits.

27

Mit prozessleitender Verfügung vom 04.08.2017 hat das Gericht den Kläger unter Hinweis auf die acht im Schuldnerverzeichnis eingetragenen Verfahren laut Abfrage vom 26.07.2017 gebeten, substantiiert Tatsachen darzulegen und anhand von Unterlagen zu beweisen, dass trotz der Eintragung im Schuldnerverzeichnis kein Vermögensverfall gegeben sei.

28

Mit Schriftsatz vom 25.08.2017 hat der Kläger vorgetragen, dass das Löschungsverfahren im Hinblick auf die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis eingeleitet sei. Die Rückstandsanzeige des Finanzamts besage nichts über die Höhe der Steuerschulden. Ihm, dem Kläger, aufgrund von Schätzungsbescheiden des Finanzamts, den darauf basierenden Pfändungsmaßnahmen und den in der Folge vorgenommenen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis die Existenzgrundlage zu entziehen, sei ermessensfehlerhaft. Der Kläger hat wieder konkrete Angaben zu den einzelnen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis unterlassen und auch keine Ausführungen zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht.

29

Am 27.09.2017 waren weiterhin neun Verfahren im Schuldnerverzeichnis eingetragen; das älteste Anordnungsdatum ist der 22.01.2016, das jüngste der 07.06.2017.

30

Am 27.09.2017 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen.

31

Dem Gericht hat eine Akte "K - Mitgliedsakte -" vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die zulässige Klage ist unbegründet.

33

Der Kläger ist durch den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater mit Bescheid vom 06.03.2017 nicht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in seinen Rechten verletzt. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater lagen im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides vom 06.03.2017 vor. Die Aufhebung dieses Widerrufsbescheides kommt auch nicht aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht.

34

1. Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.

35

Ein Vermögensverfall wird nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO; § 882b ZPO) eingetragen ist.

36

Im Übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Schuldner (hier: der Steuerberater) in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ein Vermögensverfall ist insbesondere gegeben angesichts erheblicher Schulden (u. a. Steuerschulden), wenn keine Aktiva festgestellt werden können, die es dem Schuldner ermöglichen, die Schulden zu bezahlen (vgl. BFH Urteile vom 03.11.1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624, 625; vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909; vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 1598; Beschluss vom 09.04.2009 VII B 113/08, BFH/NV 2009, 1282).

37

Ein Vermögensverfall ist erst dann beseitigt, wenn der Schuldner mit den Gläubigern der titulierten Forderungen Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird (vgl. BGH Beschluss vom 09.12.1996 AnwZ (B) 35/96, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1997, 1558 zu der insoweit inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 7 Nr. 9 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -; BFH Urteil vom 06.06.2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2000, 741).

38

2. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids vom 06.03.2017 waren die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater gegeben.

39

a) Aufgrund der Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis gemäß § 26 Abs. 2 InsO i. V. m. § 882b ZPO im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 06.03.2017 in sieben Fällen war zu vermuten, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten ist. Diese gesetzliche Vermutung, dass der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, wenn er in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ist zwar widerlegbar (BFH Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Im Streitfall hat der Kläger die Vermutung jedoch nicht widerlegt.

40

aa) Mit Schreiben vom 10.08.2016 hatte die Beklagte den Kläger aufgefordert, sich zu der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls zu äußern und ggf. darzulegen, dass dieser entweder nicht bestehe oder aber Interessen der Mandanten des Klägers nicht gefährdet seien. Mit Schreiben vom 20.09.2016 forderte die Beklagte den Kläger ergänzend auf, seine Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen, indem er ein Vermögensverzeichnis einreiche, aus dem sich detailliert seine Vermögenssituation ergebe. Mit Schreiben vom 26.10.2016 teilte der Kläger lediglich mit, dass er den Gerichtsvollzieher mehrfach gebeten habe, ihm einen Nachweis der Gläubigerbefriedigung bzw. der entwerteten Titel zu übermitteln. Eine Substantiierung der angeblich geleisteten Zahlungen sowie die Vorlage entsprechender Unterlagen erfolgten nicht; auch ein Vermögensverzeichnis legte der Kläger nicht vor.

41

bb) Der sog. Entlastungsbeweis gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG erfordert einen substantiierten und glaubhaften Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (BFH Urteil vom 06.06.2000 VII R 68/99, HFR 2000, 741; Beschluss vom 04.03.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt dem vom Widerruf seiner Bestellung betroffenen Steuerberater (BFH Beschlüsse vom 18.11.2008 VII B 119/08, BFH/NV 2009, 614; Beschluss vom 05.06.2015 VII B 181/14, BFH/NV 2015, 1440).

42

Einen Nachweis, dass sich die Vermögensverhältnisse des Klägers nachhaltig gebessert haben, hat dieser nicht geführt. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis waren im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten noch nicht gelöscht worden. Für die gesetzliche Ausnahme von der Widerrufspflicht, dass die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind, bestanden keine Anhaltspunkte, da der Kläger vorangegangene Aufforderungen zur Stellungnahme unter Vorlage von Unterlagen nur mit unsubstantiierten Behauptungen beantwortet hat, ohne irgendwelche Unterlagen vorzulegen.

43

Erforderlich gewesen wäre jedoch ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen auf eine nunmehr geordnete Vermögenslage geschlossen oder mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr hätte ausgeschlossen werden können, dass der Kläger seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (vgl. BFH Beschlüsse vom 04.03.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016; vom 13.02.2014 VII B 109/13, BFH/NV 2014, 910). Hierzu hätte es zumindest der Vorlage von Unterlagen darüber, dass die im Schuldnerverzeichnis aufgeführten Forderungen gegen ihn beglichen wurden bzw. in überschaubarer Zeit beglichen würden werden können, bedurft.

44

b) Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides war von dem Kläger auch nicht dargelegt worden, dass er das Finanzamt als seinen Hauptgläubiger wegen seiner Steuerschulden würde befriedigen können. Zwar sind Schulden für sich allein gesehen unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert ist und sie nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (BFH Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, in der Lage zu sein, die gegenüber dem Finanzamt fälligen Steuerrückstände in Höhe von mehr als ... € in überschaubarer Zeit tilgen zu können. Da nicht ersichtlich war und der Kläger selbst nicht vorgetragen hat, dass sich diese - für einen Steuerberater untragbare - desolate Finanzlage in absehbarer Zeit ändern werde, hat die Beklagte zu Recht auch aus diesem Grunde angenommen, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten ist.

45

3. In der Zeit zwischen dem Ergehen des Widerrufsbescheides der Beklagten vom 06.03.2017 und der Entscheidung durch den erkennenden Senat haben sich die dem Widerrufsbescheid zu Grunde liegenden Verhältnisse des Klägers nicht in der Weise verändert, dass nunmehr einem Antrag auf Wiederbestellung gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 StBerG stattzugeben und der Widerrufsbescheid aus diesem Grunde aufzuheben wäre.

46

Zwar würde die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung durch die Beklagte gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie den Widerruf noch in einem Zeitpunkt verteidigte, in dem sie einem Antrag auf Wiederbestellung stattgeben müsste (vgl. BFH Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Im Streitfall dauert der Vermögensverfall jedoch noch an; die Vermögensverhältnisse des Klägers haben sich nicht etwa nachhaltig verbessert.

47

a) Aufgrund der Abfrage des entscheidenden Senats bei dem Vollstreckungsportal am Tag der mündlichen Verhandlung (27.09.2017) hat sich ergeben, dass der Kläger nach wie vor für neun Verfahren im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist; die Anordnungen datieren vom 22.01.2016 bis 07.06.2017. Damit ist die gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG unverändert gegeben.

48

Auch im finanzgerichtlichen Verfahren hat der Kläger zwar mit Schriftsatz vom 12.06.2017 behauptet, dass er wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen gewesen sei, zwischenzeitlich jedoch die der Eintragung zu Grunde liegenden Verbindlichkeiten erfüllt habe und lediglich das Löschungsverfahren noch nicht eingeleitet worden sei. Eine Konkretisierung der Eintragungen und einen Nachweis der Erfüllung der Verbindlichkeiten hat der Kläger jedoch nicht erbracht. Mit Abfrage vom 26.07.2017 war der Kläger für acht Verfahren im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Das Anordnungsdatum der letzten Eintragung ist der 08.05.2017. Auch am 27.09.2017 sind neun Verfahren im Schuldnerverzeichnis eingetragen, davon sind immer noch sieben mit identischem Anordnungsdatum entsprechende Eintragungen vorhanden; zwei weitere Eintragungen sind im Mai und Juni 2017 hinzugekommen.

49

Danach kommt eine Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater bereits unter Berücksichtigung seiner Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nicht in Betracht, da der Vermögensverfall noch andauert. Denn es steht nicht zweifelsfrei fest, dass sich die Vermögensverhältnisse nachhaltig gebessert haben und der Kläger in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, § 48 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 2 Nr.1 StBerG. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen nur dann vor, wenn der Bewerber über regelmäßige Einkünfte verfügt und die Ausgaben die Einkünfte nicht übersteigen. Dabei sind Schulden für sich allein gesehen unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert ist und sie nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (vgl. BFH Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Mangels Vorlage geeigneter Unterlagen, zu der der Kläger aufgrund der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG verpflichtet ist, ist es dem Gericht allein auf der Grundlage der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis verwehrt, im Streitfall von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers auszugehen.

50

b) Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das für den Kläger zuständige Finanzamt Hamburg-1 mit Schreiben vom 07.08.2017 mitgeteilt, dass die Steuerschulden des Klägers einschließlich Säumniszuschläge ... € betragen. Darunter befinden sich auch erhebliche Lohnsteuer- und Umsatzsteuerrückstände, die einen Zugriff des Klägers auf diesem nicht zustehende Gelder belegen. Damit befindet sich der Kläger auch aus diesem Grund in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen. Das Gericht geht mangels gegenteiliger Darstellungen und Nachweise davon aus, dass der Kläger diese Rückstände in absehbarer Zeit nicht wird ordnen können und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Senat hat auch keine Hinweise dafür, dass Vermögen des Klägers vorhanden wäre, das es ihm ermöglichen könnte, die Schulden zu bezahlen. Ein Vermögensverzeichnis hat der Kläger nicht vorgelegt.

51

c) Ob sich der Vermögensverfall des Klägers auch aus weiteren Schulden, für die ausweislich der Mitgliedsakte der Beklagten mehrere Hinweise vorhanden sind, ergibt, kann dahingestellt bleiben. Die Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis und die Höhe der Steuerrückstände allein begründen bereits den Vermögensverfall des Klägers.

52

4. Der Kläger hat auch nicht nachweisen können, dass durch den Vermögensverfall Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährdet sind.

53

a) Aus dem Vermögensverfall des Klägers ergibt sich eine potenzielle Gefährdung der Interessen seiner Auftraggeber. Der Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist indes nicht schon mit der Tatsache des Vermögensverfalls oder mit der Begründung der Vermutung für den Vermögensverfall erfüllt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist vielmehr der Nachweis gestattet, dass durch den Vermögensverfall des Steuerberaters eine Gefährdung der Interessen seiner Auftraggeber im konkreten Fall nicht gegeben ist. Die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand aber obliegt dem Steuerberater (BFH Urteil vom 04.04.2000 VII R 24/99, BFH/NV 2000, 1141).

54

Das Vorbringen des Klägers ist im Streitfall in keiner Weise geeignet, die nach dem Wortlaut des Gesetzes bestehende Vermutung, dass sein Vermögensverfall die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet, auszuräumen. Die Beklagte hat vielmehr zu Recht eine konkrete Gefährdung der Auftraggeberinteressen als gegeben angesehen. Konkrete Umstände für eine Nichtgefährdung hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.

55

Eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen besteht insbesondere deshalb, weil der Kläger nicht nur seine eigene Steuer nicht pünktlich und vollständig entrichtet, sondern darüber hinaus auch in beträchtlichem Umfang die von den Arbeitslöhnen seiner Mitarbeiter einbehaltene Lohnsteuer nicht abgeführt hat. Diese Verletzungen seiner sich aus dem Einkommensteuergesetz ergebenden Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer (§ 41a EStG) steht im deutlichen Zusammenhang mit dem Vermögensverfall des Klägers. Sie lassen erkennen, dass der Kläger bereit ist, sich wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten über die ihm von Gesetzes wegen gezogenen Grenzen hinweg zu setzen und für eigene Zwecke ihm nicht zustehende fremde Gelder zu nutzen. Aus diesem Grund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger sich auch seinen Auftraggebern gegenüber pflichtwidrig verhält. Denn ebenso, wie er steuerrechtliche Vorschriften missachtet hat, könnte der Kläger auch vertragliche Absprachen mit seinen Auftraggebern unbeachtet lassen, wenn er sich dazu durch seine infolge des Vermögensverfalls schlechten finanziellen Verhältnisse gezwungen sieht (vgl. BFH Beschluss vom 11.10.1994 VII B 129/94, BFH/NV 1995, 441; Urteil vom 04.04.2000 VII R 24/99, BFH/NV 2000, 1141). Dies bildet sich insbesondere in dem neuerlich von der Beklagten übersandten Rügebescheid vom 22.09.2017 ab. Darin wird aufgezeigt, dass der Kläger abredewidrig ein Ordnungsgeld in Höhe von ... € nicht beglichen hat, das gegen seine Mandantin verhängt worden war, weil er es versäumt hatte, die auftragsgemäß für seine Mandantin erstellten Bilanzen und Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 bei dem Finanzamt sowie die Jahresabschlüsse beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen.

56

b) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Klägers bei der Ausübung seines Berufs haben kann, zu der er nach § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse seiner Auftraggeber verpflichtet ist. Eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Klägers besteht im Streitfall auf Grund der erheblichen eigenen Steuerschulden von über ... €. Dadurch wird der Handlungsrahmen, den der Kläger als Steuerberater seiner Auftraggeber gegenüber der Finanzverwaltung braucht, entscheidend eingeschränkt. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass er im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftritt und nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, die sonst im Interesse seiner Auftraggeber geboten wären. Auch deshalb bedeutet der Vermögensverfall des Klägers eine konkrete Gefahr für die Interessen der Auftraggeber, deren Bestehen er nicht widerlegt hat (vgl. BFH Beschluss vom 08.02.2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992).

II.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

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