Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (3. Senat) - 3 K 18/11

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer (KraftSt) gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung.

2

Mit Beschluss des Amtsgerichtes - Insolvenzgericht - vom 01.07.2010 wurde über das Vermögen der ... GmbH (GmbH) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger, Herr Rechtsanwalt A , zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Für die GmbH ist seit dem 02.01.2008 eine Zugmaschine mit einer zulässigen Gesamtmasse von 18.000 kg zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Die Zugmaschine hat den Emissionsschlüssel 0684 und die Schadstoff-/Geräuschklasse 1999/96/EG; B2, GKL: G1.

4

Mit Bescheid vom 20.07.2010 setzte das Finanzamt für den Zeitraum 02.01.2010 bis zum Stichtag vor Insolvenzeröffnung am 30.06.2010 die - ursprünglich für ein vollständiges Jahr festgesetzte - KraftSt (einschließlich Anhängerzuschlag) neu mit 458 € fest. Das sich aus diesem Bescheid auf Grund der bereits vollständig erfolgten Entrichtung der KraftSt ergebende Guthaben verrechnete das Finanzamt mit Umbuchungsmitteilung vom 27.07.2010 mit offenen Umsatzsteuerrückständen im Range von Insolvenzforderungen.

5

Am 20.07.2010 erging gleichzeitig ein Bescheid mit dem die KraftSt ab dem 01.07.2010 für einen neuen - wiederum ein volles Jahr umfassenden - Entrichtungszeitraum (einschließlich Anhängerzuschlag) in Höhe von 929 € festgesetzt wurde.

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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Mit nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 06.10.2010 setzte das Finanzamt die KraftSt für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung am 01.07.2010 bis zum Ende des ursprünglichen bzw. regulären Entrichtungszeitraums am 01.01.2011 auf 470 €, danach ab 02.01.2011 auf jährlich 929 € fest.

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Der Kläger begründete seinen Einspruch im Wesentlichen damit, dass durch die Insolvenzeröffnung weder ein Halterwechsel noch eine Unterbrechung des ursprünglichen Entrichtungszeitraumes erfolgt sei. Für die gegenteilige Auffassung biete das Kraftfahrzeugsteuergesetz keine Grundlage.

8

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2010 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

9

Hiergegen hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:

10

Der KraftSt-Bescheid vom 06.10.2010, bestätigt durch die Einspruchsentscheidung vom 10.12.2010, sei rechtswidrig, weil darin zu Unrecht davon ausgegangen werde, dass auf Grund der Insolvenzeröffnung mit Bestellung des Insolvenzverwalters durch Übergang der Vermögensverwaltungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter i. S. d. InsO kraftfahrzeugsteuerlich eine Abmeldung des Kfz fingiert werde. Dies sei jedoch nicht zutreffend und in keinster Weise durch die gesetzlichen Regelungen sowohl im KraftStG als auch in der InsO zu stützen.

11

Weder enthalte § 11 KraftStG einen Änderungstatbestand, der die vom Finanzamt erlassenen Bescheide für einen neuen Entrichtungszeitraum rechtfertige, noch sei aus den §§ 5, 6, 7 und 12 KraftStG zu folgern, dass sich der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer oder der Steuerschuldner durch die Insolvenzeröffnung geändert hätten. Schuldner der Kfz-Steuer sei die Person, auf die das Fahrzeug zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KfzStG). Bei einem Wechsel der Haltereigenschaft komme es ausschließlich auf die verkehrsrechtliche Zulassung an, so dass lediglich der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO noch keinen Halterwechsel herbeiführt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe somit weder eine Unterbrechung des regulären Besteuerungszeitraums noch einen Wechsel des Halters zur Folge.

12

Lediglich für den Fall, dass ein Fahrzeug vor Ablauf des ursprünglichen Entrichtungszeitraums abgemeldet wird, sei gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG tatsächlich eine Neufestsetzung durch Bescheid vorzunehmen. Jedoch sei die Festsetzung ab Beginn des regulären Entrichtungszeitraumes bis zur Abmeldung vorzunehmen.

13

Der 7. Senat des BFH komme in seinem Urteil vom 16.11.2004 (VII R 62/03) für den Fall, dass die KraftSt für den bei Verfahrenseröffnung laufenden Entrichtungszeitraum noch nicht entrichtet sei, zu dem Ergebnis, dass die rückständige KraftSt für den Zeitraum bis zur Verfahrenseröffnung eine Insolvenzforderung und für die Zeit danach eine Masseverbindlichkeit darstelle. Sei die KraftSt dagegen schon entrichtet, entstünde zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Erstattungsanspruch für den auf den nachinsolvenzlichen Teilzeitraum entfallenden Steueranteil, gegen den das Finanzamt mit Insolvenzforderungen aufrechnen dürfe. Dies sei unabhängig davon, ob der Verwalter das Fahrzeug abmelde oder weiter für die Masse nutze. In letzterem Fall sei für die Zeit nach Verfahrenseröffnung die KraftSt aus der Masse erneut (!) zu entrichten. Soweit die Steuer demnach eine Masseverbindlichkeit darstelle, sei sie in gesondertem an den Insolvenzverwalter zu richtenden Bescheid festzusetzen. Je nach Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung sei unter Umständen nahezu das Doppelte der eigentlichen Jahressteuer zu entrichten.

14

Dieses eigenwillig anmutende Ergebnis - insbesondere im Falle der vorinsolvenzlich bereits vollständig entrichteten Steuer bei Weiternutzung des Fahrzeugs für die Masse - erreiche der BFH mit der Differenzierung zwischen der KraftSt-Zahlungsschuld, die nach § 6 KraftStG mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entstehe, und der KraftSt (dem Kfz-Steuertatbestand) selbst, die durch das fortdauernde, sich ständig erneuernde Halten des Kfz tageweise verwirklicht und damit auch tageweise begründet werde. Damit lasse sich indessen für den Entrichtungszeitraum der Verfahrenseröffnung das gewünschte Ergebnis keinesfalls rechtfertigen. Zwar sei eine Steuer unabhängig von ihrem Entstehen insolvenzrechtlich begründet, wenn ihr Rechtsgrund gelegt sei, hier also mit jedem neuen Tag. Insolvenzrechtlich sei indessen nur auf die Steuerzahlungsschuld abzustellen, denn auf diese werde geleistet. Und für sie gelte eine wichtige Ausnahme: Werde die Steuerzahlungsschuld abweichend vom Üblichen vor der Erfüllung aller Merkmale des Steuertatbestands, also vor dem Entstehen der Steuer als solcher, fällig, sei sie insolvenzrechtlich mit dem Eintritt der Fälligkeit zwingend auch begründet, weil sie i. S. d. § 38 InsO einen "begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner" darstelle. Eine zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung - und sei es auch nur aus erhebungstechnischen Gründen - fällige Forderung sei stets Insolvenzforderung, auch wenn das Entstehen der Steuer erst danach eintrete. Gemessen daran überzeuge die Rechtsauffassung des BFH, insbesondere für den hier vorliegenden Fall, in dem keine zur Insolvenzeröffnung offene KraftSt-Zahlungsschuld existiere, nicht. Die KraftSt-Zahlungsschuld sei durch die erfolgte zweckgebundene Zahlung der KraftSt bereits ausgeglichen.

15

Sowohl nach abgabenrechtlich als auch insolvenzrechtlich korrekter Würdigung bleibe mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzschuldner Halter und damit Steuerschuldner eines massegebundenen Fahrzeugs. Sofern also das Fahrzeug nicht durch die Insolvenzmasse über den ursprünglichen - ausgeglichenen - Entrichtungszeitraum genutzt werde und nicht freigegeben bzw. abgemeldet werde, sei für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung bis zum Zeitpunkt der Abmeldung bzw. dem Ende des regulären Entrichtungszeitraum weder eine offene KraftSt-Zahlungsschuld im Range einer Masseverbindlichkeit vorhanden noch entstehe ein aufrechenbares Guthaben.

16

Eine Festsetzung der Kfz-Steuer gegen die Masse würde nur dann in Betracht kommen, wenn die bereits vor Insolvenzeröffnung entstandene KraftSt-Zahlungsschuld für den kompletten Entrichtungszeitraum von einem Jahr noch nicht getilgt gewesen sei. Vorliegend seien jedoch sämtliche KraftSt-Zahlungsschulden bereits zum Stichtag der Insolvenzeröffnung getilgt gewesen.

17

Auch in dem neuesten Urteil des BFH vom 13.04.2011 (II R 49/09) betreffend ein Insolvenzverfahren über eine natürliche Person sei es im Wesentlichen darum gegangen, dass bereits vor Insolvenzeröffnung die KraftSt nicht bezahlt worden sei. Aus allen Entscheidungen des BFH sei für den vorliegenden Fall jedenfalls zu entnehmen, dass grundsätzlich ein Halterwechsel, der dazu führe, dass die KraftSt ab Insolvenzeröffnung neu festzusetzen sei, nicht erfolge. Danach sei das Vorgehen des Finanzamts, mittels eines „fingierten“ Halterwechsels die bereits vor Insolvenzeröffnung geleisteten KraftSt-Zahlungen und erfolgten Tilgungen der KraftSt-Ansprüche, die über den Zeitraum der Insolvenzeröffnung hinausreichten, mit Insolvenzforderungen aufzurechnen und aus der Masse ein zweites Mal zu fordern, unrechtmäßig.

18

Der Kläger beantragt, den KraftSt-Bescheid für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... vom 20.07.2010, geändert durch Bescheid vom 06.10.2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2010 aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

20

Die KraftSt entstehe gemäß § 38 AO mit der Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Demnach entstehe die KraftSt regelmäßig (§ 1 Abs.1 Nr.1 KraftStG) durch das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Das Halten beginne mit der verkehrsrechtlichen Zulassung und endet grundsätzlich mit der verkehrsrechtlichen Abmeldung des Fahrzeuges (§ 5 Abs.1 Nr.1 KraftStG). Da der Besteuerungstatbestand durch das fortlaufende Halten des Fahrzeuges verwirklicht werde, entstehe die Steuer tageweise.

21

Davon zu unterscheiden sei die KraftSt-Zahlungsschuld. Diese entstehe mit Beginn der Steuerpflicht, bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums (§ 6 KraftStG). Die KraftSt sei für den - im Regelfall einjährigen - Entrichtungszeitraum im Voraus zu entrichten (§ 11 KraftStG). Die Steuer werde, wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht nicht feststeht, unbefristet, in allen anderen Fällen für einen bestimmten Zeitraum oder tageweise festgesetzt (§ 12 Abs.1 Satz 1 KraftStG).

22

Die zu Beginn des Entrichtungszeitraums im Voraus entrichtete Steuer sei eine Vorauszahlung auf eine noch nicht entstandene Steuer.

23

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs.1 InsO). Der Insolvenzverwalter sei Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 AO und habe damit die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters. Jedoch würden die Vorschriften des KraftStG durch die Vorschriften des Insolvenzrechts überlagert und modifiziert. Demnach sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraftfahrzeugsteuerlich wie eine Abmeldung des Fahrzeugs durch den bisherigen Halter und eine gleichzeitige Neuanmeldung des Fahrzeugs durch den Insolvenzverwalter zu behandeln. Der Insolvenzverwalter sei kraft dieser Rechtsstellung auch zur Abmeldung des Fahrzeuges befugt und habe es somit letztlich selbst in der Hand, die Verpflichtung zur Entrichtung von KraftSt für die Zeit nach Verfahrenseröffnung zu beenden. Trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibe der Schuldner nach außen hin Halter des Kraftfahrzeugs (§§ 1 Abs.1, 7 KraftStG).

24

Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO seien Forderungen an die Masse, die durch deren Verwaltung durch den Verwalter begründet worden sind. Die KraftSt, die nach Ergehen des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, gehöre somit zu den Masseverbindlichkeiten. Die KraftSt sei vorliegend gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Bescheid vom 20.07.2010 bzw. 06.10.2010 geltend gemacht worden. Der Insolvenzverwalter sei Schuldner der Masseverbindlichkeit. Die gegen den Schuldner vor dem Eröffnungsbeschluss ergangene KraftSt-Festsetzung wirke nicht gegen den Insolvenzverwalter fort.

25

Dementsprechend wirke die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie die Abmeldung eines Fahrzeugs. Die KraftSt für den laufenden Entrichtungszeitraum sei vorliegend bereits vollständig beglichen gewesen. Der Abmeldebescheid habe zu einem Guthaben geführt. Dieses Guthaben habe gegen andere Insolvenzforderungen des Finanzamts aufgerechnet werden können. Hinsichtlich der ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden KraftSt (Masseverbindlichkeit) sei ein neuer KraftSt-Bescheid zu erlassen gewesen, der dem Verwalter bekanntzugeben war. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem von dem Kläger herangezogenen Urteil des BFH vom 16.11.2004 (VII R 62/03).

26

Die von dem Kläger gesehene Gefahr, dass die KraftSt doppelt zu Lasten der Insolvenzmasse gezahlt werde, bestehe nicht. Das Guthaben wäre auch an die Insolvenzmasse ausgekehrt worden, wenn nicht die Aufrechnungsmöglichkeit mit anderen Insolvenzforderungen bestanden hätte. Zu einer doppelten Festsetzung der KraftSt könne es unabhängig von dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht kommen.

27

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der beigezogenen Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

29

Der angegriffene KraftSt-Bescheid vom 20.07.2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.10.2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 10.12.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

30

Der Beklagte hat zu Recht ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Halterin der Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen ..., der GmbH, gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter die KraftSt für den restlichen Teil des Entrichtungszeitraums und danach jährlich neu festgesetzt.

31

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 Abs. 1 InsO) zu verwalten, auf den Insolvenzverwalter über und hat dieser als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 2011 II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944 m. w. N.).

32

Als Vermögensverwalter ist der Insolvenzverwalter Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Dezember 1988 V R 29/86, BFHE 155, 475, BStBl II 1989, 434, allgemein zu Vermögensverwalter) und richtiger Bekanntgabe- und Inhaltsadressat von Steuerbescheiden, mit denen eine Finanzbehörde bestehende Masseverbindlichkeiten geltend macht. Demgegenüber sind Steuerforderungen, die sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners richten, gegen den Schuldner festzusetzen (BFH-Urteil vom 13. April 2011 II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944).

33

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.07.2010 ging danach das Recht der GmbH, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten, auf den Kläger als Insolvenzverwalter über. Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren u. a. das gesamte Vermögen, das der GmbH zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörte. Zu dieser Insolvenzmasse zählte nach bisheriger Rechtsprechung des IX. Senats des BFH auch die Rechtsposition als Halter eines Fahrzeugs, so dass der Kläger aus diesem Grund die KraftSt als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO geschuldet hätte (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145). Diese Auffassung teilt der nunmehr für die KraftSt - nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH allein - zuständige II. Senat des BFH nicht. Die nach Insolvenzeröffnung begründete Kraftfahrzeugsteuer kann danach nicht mit der Begründung als Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO beurteilt werden, dass die Rechtsposition als Halter des Kfz zur Insolvenzmasse gehöre. Denn die Rechtsposition des Halters eines Kraftfahrzeugs ist kein „Vermögen“ i. S. des § 35 InsO.

34

Maßgebend dafür, ob eine Masseverbindlichkeit vorliegt, ist nach Auffassung des II. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, vielmehr allein, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 2011 II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944; vom 8. September 2011 II R 54/10, BStBl II 2012, 149). Entgegen der Ansicht des IX. Senats kommt es dafür auch nicht auf eine Verwendungsmöglichkeit des Fahrzeugs "im Geschäft" des Schuldners und damit auf dessen Nutzung für die Insolvenzmasse an. Denn nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO ("durch die Verwaltung ... der Insolvenzmasse") liegen Masseverbindlichkeiten nur vor, wenn ein Massegegenstand verwaltet wird und daraus eine (Steuer-)Verbindlichkeit resultiert (BFH-Urteil vom 8. September 2011 II R 54/10, BStBl II 2012, 149). Diese Voraussetzung erfüllt die nach Insolvenzeröffnung entstandene KraftSt, wenn das Fahrzeug nach § 80 InsO der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall selbst über die weitere Verwendung und Verwertung des Fahrzeugs bestimmen. Er hat es in diesem Fall auch selbst in der Hand, das Fahrzeug z. B. zu veräußern oder außer Betrieb zu setzen und damit die Entstehung künftiger KraftSt zu verhindern (vgl. Pahlke, BFH/PR 2011, 464). Ebenso entfällt der Bezug der KraftSt zur Insolvenzmasse, wenn der Insolvenzverwalter eine echte Freigabe des Fahrzeugs erklärt (BFH-Urteil vom 8. September 2011 II R 54/10, BStBl II 2012, 149).

35

Gründe dafür, dass nach diesen Grundsätzen vorliegend das streitbefangene Fahrzeug nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Klägers unterläge, sind von diesem weder vorgetragen worden, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus den beigezogenen Akten.

36

Das Finanzamt hat auch zu Recht die KraftSt bereits ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (01.07.2010) für den restlichen (jährlichen) Entrichtungszeitraum gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festgesetzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt mit der Begründung, die Schuldnerin (GmbH) habe vor Insolvenzeröffnung die KrafSt für den laufenden, über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinausgehenden Entrichtungszeitraum bereits entrichtet gehabt, nicht erst eine Festsetzung ihm gegenüber ab dem folgenden Entrichtungszeitraum in Betracht.

37

Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. KraftSt entsteht demnach - von hier nicht interessierenden Sonderfällen abgesehen - durch das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen, das mit der verkehrsrechtlichen Zulassung des betreffenden Fahrzeuges beginnt und nach näherer Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG bis zu dessen verkehrsrechtlicher Abmeldung andauert. Der kraftfahrzeugsteuerrechtliche Besteuerungstatbestand wird also durch das fortdauernde Halten des Kraftfahrzeugs verwirklicht (BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 1973 II B 79/72, BFHE 108, 56, 58, BStBl II 1973, 197; vom 8. Juli 1997 VII B 89/97, BFH/NV 1998, 86). Die KraftSt entsteht mithin vorbehaltlich des § 5 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbsatz KraftStG tageweise (BFH-Beschluss vom 8. Juli 1997 VII B 89/97, BFH/NV 1998, 86).

38

Hiervon ist nach der Rechtsprechung des BFH (VII. Senat) die KraftSt-Zahlungsschuld zu unterscheiden (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 12/92, BFHE 170, 300, 302, BStBl II 1994, 207), die mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums (§ 6 KraftStG) entsteht. Entrichtungszeitraum ist nach § 11 Abs. 1 KraftStG grundsätzlich ein Jahreszeitraum; denn nach dieser Vorschrift ist die Steuer im Allgemeinen für die Dauer eines Jahres im Voraus zu entrichten. Es handelt sich dabei indes um eine gesetzlich vorgeschriebene Vorauszahlung auf eine noch nicht entstandene Steuer.

39

Hieraus folgt ferner, dass die Tatsache, dass der Schuldner die KraftSt bereits für Tage entrichtet hat, in denen sein Vermögen (später) einem Insolvenzverfahren unterliegt, nichts für die Frage besagt, ob er auch für diese Tage Schuldner der KraftfSt ist (bleibt) oder ob er die KraftSt insoweit ohne Rechtsgrund (voraus-)geleistet hat - und er folglich einen Erstattungsanspruch hat, weil er für diese Tage nicht KraftSt-Schuldner ist - und nunmehr, d. h. ab Insolvenzeröffnung, stattdessen der Insolvenzverwalter Schuldner der KraftSt (aus der Insolvenzmasse) ist.

40

Steuerschuldner ist nach § 7 Nr. 1 KraftStG grundsätzlich derjenige, für den das Fahrzeug zum Verkehr (verkehrsbehördlich) zugelassen ist. Betrachtet man diese Vorschrift für sich genommen, ließe sich die Rechtsauffassung vertreten, dass der Schuldner Steuerschuldner (jedenfalls) für den über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinausgehenden Entrichtungszeitraum bleibt. Bei dieser Betrachtungsweise würde jedoch übersehen, dass die Vorschriften des KraftStG durch die Vorschriften des Insolvenzrechts überlagert und, ohne dass dies ausdrücklich geregelt wäre, modifiziert werden (vgl. hierzu Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 23.39 ff.). Denn der dem Insolvenzrecht zugrunde liegende Rechtsgedanke verlangt, dass der Steuerfiskus aufgrund der - in der Regel ohne Rücksicht auf den Insolvenzfall konzipierten - steuerrechtlichen Regelungen keinen Vorteil gegenüber anderen Insolvenzgläubigern erlangt, aber auch keinen Nachteil. Deshalb kann, so bereits der VII. Senat des BFH (BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03, BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309), nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass Steuerschulden, die erst nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens begründet werden, ebenso wie aus Rechtsgeschäften des Insolvenzverwalters bezüglich dieses Vermögens entstehende Forderungen nicht als Insolvenzforderungen anteilig zu befriedigen sind, sondern Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) darstellen, während Verbindlichkeiten, die aufgrund eines dem Schuldner auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens außerhalb desselben gestatteten rechtsgeschäftlichen oder steuerpflichtigen Handelns (vgl. § 80 Abs. 1 InsO) entstehen, aus der Masse überhaupt nicht (weder bevorrechtigt als Masseverbindlichkeit noch anteilig als Insolvenzforderung) befriedigt werden dürfen.

41

Deshalb ist vor Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer, wenn sie noch nicht bezahlt worden ist, Insolvenzforderung (§ 38 InsO), nach Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer jedoch aus der Masse zu befriedigen, wenn das Fahrzeug nach § 80 InsO der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Folglich hat es der BFH gebilligt, dass die KraftSt für die Zeit vor und nach der Insolvenzeröffnung ungeachtet des Laufs des Entrichtungszeitraums aufgeteilt wird und dass für die Zeit von der Insolvenzeröffnung an bis zum Tage einer etwaigen Abmeldung des Fahrzeuges entstehende Kraftfahrzeugsteuer gegen den Insolvenzverwalter durch KraftSt-Bescheid festgesetzt (und nicht etwa als Insolvenzforderung angemeldet) wird (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 1997 VII B 89/97, BFH/NV 1998, 86).

42

Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden Streitfall zwar darin, dass dort die KraftSt für den in das Insolvenzverfahren hineinragenden Entrichtungszeitraum zur Gänze noch nicht entrichtet war. Das hat indes, wie der BFH bereits in seinem Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03 (BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309) ausgeführt hat und sich auch aus vorstehenden Darlegungen zur Unterscheidung zwischen der Begründung der KraftSt-Schuld und der (fehlenden) Bedeutung der KraftSt-Entrichtungsschuld für das InsO-Verfahren ohne weiteres ergibt, keine rechtliche Bedeutung (vgl. auch Strodthoff, KraftStG, Stand November 2011, § 5 Rn. 33). So lag auch der letztgenannten Entscheidung des BFH ein Fall zugrunde, in dem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die KraftSt für den laufenden, in den Insolvenzzeitraum hineingehenden Entrichtungszeitraum bereits von dem Schuldner gezahlt worden war. Eine Aufteilung der Kraftfahrzeugsteuer auf die beiden bezeichneten Zeiträume ist auch in diesem Fall um einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger willen geboten.

43

Etwas anderes ergibt sich vorliegend, entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, auch nicht aus insolvenzrechtlichen Grundsätzen, d. h. insbesondere § 38 InsO. Nach dieser Vorschrift dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Zwar bestand hier im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 01.07.2010 gegen den Schuldner, die GmbH, ein - von dieser im Voraus beglichener - Vermögensanspruch auf - bezogen auf das Entrichtungsjahr - restliche KraftSt für das Fahrzeug... . § 38 InsO verlangt aber nicht nur einen Vermögensanspruch, sondern einen „begründeten“ Vermögensanspruch. Im Sinne des Insolvenzrechts (§ 38 InsO) ist eine Steuerforderung immer dann Insolvenzforderung, d. h. „begründete“ Vermögensforderung, wenn der ihr zugrundeliegende (zivilrechtliche) Tatbestand, der zur Entstehung des Steueranspruchs führt, vom Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung verwirklicht, d. h. vollständig erfüllt und materiellrechtlich abgeschlossen worden war (vgl. Nerlich/Römermann, InsO, Stand: November 2011, § 38 Rn. 15; Kübler/Prütting, InsO, § 38, Rn. 12 m. w. N.; Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 10, Rz. 97 ff.); der Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs ist dabei ohne Bedeutung (Gottwald, Insolvenzrecht-Handbuch, § 112 Rn. 1 ff. m. w. N.). Wird der steuerrelevante Sachverhalt dagegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, kann es sich bei den daraus resultierenden Steueransprüchen nicht um Insolvenzforderungen handeln, sondern entweder um Masseforderungen (Tatbestandverwirklichung durch den Insolvenzverwalter) oder um insolvenzfreie Forderungen (Tatbestandsverwirklichung durch den Gemeinschuldner) (vgl. Gottwald, Insolvenzrecht-Handbuch, § 112 Rn. 1).

44

Auch aus insolvenzrechtlicher Sicht liegen damit hier (ebenfalls) die Voraussetzungen für eine Insolvenzforderung nicht vor. Denn der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen (Grund-)Tat-bestand und damit sowohl das (steuerrechtliche) Entstehen der Steuerforderung als auch das (insolvenzrechtliche) „Begründetsein“ gemäß § 38 InsO wird, wie bereits festgestellt, durch das fortdauernde Halten des Kraftfahrzeugs verwirklicht, also monats-, unter Umständen tageweise (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 1997 VII B 89/97, BFH/NV 1998, 86 mit umfangreichen Nachweisen; BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03, BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309; vgl. auch Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rn. 2534).

45

Die Aufteilung hat die rechtslogische Folge, dass der vor Verfahrenseröffnung vorausgezahlte Betrag vom Finanzamt der Masse zu erstatten ist, sofern dieses nicht mit Insolvenzforderungen aufrechnen kann und aufrechnen will. Denn sofern das Kraftfahrzeug nach Verfahrenseröffnung nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt, sondern beispielsweise dem Schuldner frei gegeben wird oder wegen Unpfändbarkeit kraft Gesetzes nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist (§ 36 Abs. 1 InsO), ist die Steuer von dem Schuldner aus dem insolvenzfreien Vermögen oder Erwerb zu tragen; der im Voraus entrichtete Betrag hingegen muss an die Masse zurückgelangen bzw., wenn aufgerechnet wird, durch die Verminderung der Insolvenzforderungen den konkurrierenden Insolvenzgläubigern - wenn auch in geringerem Umfang als bei Auszahlung des Erstattungsbetrages zugunsten der Masse - mittelbar zugute kommen.

46

Aber auch wenn das Fahrzeug, wie vorliegend, der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalter unterliegt und dieser folglich aus der Insolvenzmasse die Kraftfahrzeugsteuer als Masseforderung ungekürzt entrichten muss, erübrigt sich eine Festsetzung der während des Insolvenzverfahrens entstehenden KraftSt und eine Erstattung der im Voraus entrichteten KraftSt nicht. Denn die Steuerschuld des Insolvenzverwalters und die im Voraus befriedigte, damals noch nicht entstandene Schuld des Schuldners sind nur der Höhe nach identisch, wesensmäßig jedoch verschieden (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03, BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309).

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

48

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.


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