Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Kammer) - 1 Sa 149/07

Tenor

1. Auf die klägerische Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichtes abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 921,89 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2002 sowie Mahnkosten in Höhe von 10,00 EUR zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Vorliegend klagt eine Versicherung im Regresswege auf Zahlung von knapp 1.000,00 EUR. Der Beklagte hatte als ehemaliger Auszubildender mit einem betrieblich genutzten Kraftfahrzeug seines Arbeitgebers, das bei der Klägerin haftpflichtversichert war, einen Unfall verursacht.

2

Der Beklagte war Auszubildender bei der Firma Elektroinstallation O. Z. in T.. Am 05.10.1999 war der Beklagte auf einer Baustelle in Berlin eingesetzt. Während einer betrieblich veranlassten Fahrt, bei der der Beklagte am Steuer saß, fiel ein Staubsauger von der Ladefläche. Der herabfallende Staubsauger beschädigte das am Straßenrand geparkte Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen B-... des Herrn S. aus Berlin. Der Beklagte bemerkte den Verlust des Staubsaugers, hielt den Wagen an und nahm den Staubsauger wieder auf. Dabei wurde er von dem Zeugen Herrn H. darauf aufmerksam gemacht, dass der Staubsauger einen Pkw beschädigt habe. Dessen ungeachtet begab sich der Beklagte wieder zum Wagen und setzte seine Fahrt fort.

3

Ob der Beklagte den Schadensfall seinem Arbeitgeber gemeldet hat, ist unbekannt. Der Arbeitgeber hat jedenfalls den Schadensfall seiner Versicherung nicht freiwillig gemeldet und erst auf Anfrage der Versicherung Monate später eine Stellungnahme abgegeben. Der Geschädigte Herr S. hat Anzeige erstattet. Daraufhin ist gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrerflucht eröffnet worden, das im Februar 2000 zur Anklage gebracht wurde. Das Strafverfahren wurde sodann im Juli 2000 nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von rund 100,00 EUR eingestellt.

4

Gegenüber der Klägerin hat der Geschädigte den Schaden erstmals im September 2000 geltend gemacht. Nach Einholung einer Stellungnahme des Versicherungsnehmers - des Herrn Z. - und weiterer Recherchen wurde der Schaden durch die Klägerin im März 2001 in voller Höhe (921,89 EUR) reguliert. Die Klägerin hat den Beklagten im März 2001 davon unterrichtet, dass er zur Regresszahlung verpflichtet sei und ihn mit Schreiben vom 18.12.2001 mit Zahlungsziel 18.01.2002 zur Zahlung aufgefordert. Mit einem Mahnbescheidsantrag, der am 20.12.2003 beim Amtsgericht Euskirchen eingegangen war, hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten 921,89 EUR zuzüglich 150,89 EUR Kosten und Nebenforderungen zuzüglich Zinsen geltend gemacht.

5

Das Amtsgericht Euskirchen hat die Klägerin sodann mit Monierungsschreiben vom 06.01.2004 darauf hingewiesen, das zuständige Mahngericht sei das Amtsgericht in Hamburg (vgl. Blatt 58).

6

Daraufhin hat die Klägerin die Abgabe bzw. Verweisung an das zuständige Amtsgericht Hamburg verlangt. Der Mahnbescheidsantrag ist dann am 02.02.2004 - vermittelt durch das Amtsgericht Euskirchen - beim Amtsgericht Hamburg eingegangen. Der Mahnbescheid ist am 04.02.2004 erlassen und am 06.02.2004 dem Beklagten zugestellt worden. Unter dem 13.02.2004 hat der Beklagte Widerspruch eingelegt.

7

Mit klagebegründendem Schriftsatz vom 26.04.2004 hat die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreites an das Amtsgericht Ueckermünde beantragt, die dann auch erfolgt ist. Da das Amtsgericht Ueckermünde die Adresse des Beklagten falsch in die EDV aufgenommen hatte (Wohnort Ueckermünde statt T., vgl. Blatt 29), entstand der Eindruck, man könne den Beklagten nicht laden. Daher erging nach öffentlicher Zustellung am 01.02.2005 Versäumnisurteil gegen den Beklagten, das unter einer neuen Adresse des Beklagten zugestellt werden konnte.

8

Im Rahmen des rechtzeitig eingelegten Einspruchs hat der Beklagte Verweisung an das Arbeitsgericht beantragt; dem hat das Amtsgericht Ueckermünde mit Beschluss vom 22.08.2005 entsprochen.

9

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat mit Urteil vom 07.12.2006 das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

10

Das Urteil ist der Klägerin am 03.05.2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung ist hier am 30.05.2007 eingegangen. Aufgrund eines am 21.06.2007 eingegangenen Antrages ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 27.07.2007 verlängert worden. Die Berufung ist am 24.07.2007 begründet worden.

11

Die Klägerin hält ihre Forderung noch nicht für verjährt, da sie alles unternommen habe, um nach der Angehung des unzuständigen Mahngerichtes Euskirchen die Sache so schnell wie möglich an das zuständige Mahngericht in Hamburg zu verweisen. Die Forderung selbst ergebe sich aus § 7 Nr. 1 AKB. Da weder der Versicherungsnehmer - Herr Z. - noch der Beklagte das Schadensereignis zeitnah gemeldet hätten, sei die Klägerin aufgrund des Versicherungsvertrages nicht zur Leistung verpflichtet gewesen. Sie habe daher allein aufgrund der gesetzlichen Ansprüche des geschädigten Verkehrsteilnehmers gezahlt. Die dafür getätigten Aufwendungen könne sie bis zur Höhe von 5.000,00 EUR vom Versicherungsnehmer oder dem Fahrer zurückfordern.

12

Da die Klägerin nicht aus übergegangenem Recht vorgehe, dürfe der Anspruch auch geltend gemacht werden, wenn dadurch der Versicherungsnehmer im Innenverhältnis zu seinem Arbeitnehmer zur Freistellung von den Ansprüchen der Versicherung verpflichtet sei.

13

Im Kammertermin haben beide Seiten übereinstimmend erklärt, aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichtes Ueckermünde vom 01.02.2005 keine Rechts herzuleiten. Die Klägerin beantragt daher,

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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 07.12.2006 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 921,89 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2002 zuzüglich 10,00 EUR Mahnkosten.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Wie das Arbeitsgericht hält auch der Beklagte den Anspruch für verjährt, da der Mahnbescheid erst im Februar 2004 zugestellt werden konnte. Im Übrigen behauptet der Beklagte, er habe bei der Aufnahme des Staubsaugers von der Straße nicht bemerkt, dass der Staubsauger einen dort parkenden Pkw beschädigt habe. Ihm könne daher nicht vorgeworfen werden, er habe Unfallflucht begangen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache Erfolg.

20

Die Klägerin hat gegen den Beklagten nach § 426 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 Pflichtversicherungsgesetz in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (§ 3 Ziffer 9 PflichtVG a. F.) einen noch nicht verjährten Anspruch gegen den Beklagten in Höhe des eingeklagten Betrages. Das arbeitsgerichtliche Urteil ist daher abzuändern.

I.

21

Die Forderung der Klägerin lässt sich sowohl auf § 426 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 PflichtVG a. F. als auch nach §§ 426 Abs. 2, 823 BGB stützen.

22

1. Der Beklagte hat mit dem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen UER-... am 05.10.1999 einen Verkehrsunfall verursacht und dabei den Pkw des Herrn S./Berlin mit dem amtlichen Kennzeichen B- ... beschädigt. Der Geschädigte hatte dadurch Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Fahrer nach § 823 BGB sowie § 18 StVG, gegen den Halter des Fahrzeuges (Arbeitgeber des Beklagten) nach § 7 StVG sowie gegen die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges nach § 3 Ziffer 1 PflichtVG a. F. erhalten. Diese drei Schuldner haften nach § 3 Ziffer 2 PflichtVG a. F. nunmehr als Gesamtschuldner, da der Geschädigte gegen die Klägerin als Versicherung vorgegangen ist und diese den Schaden reguliert hat.

23

2. Erfüllt einer von mehreren Gesamtschuldner die Forderung, hat er einerseits nach § 426 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ausgleich im Innenverhältnis. Andererseits erwirbt er mit der Zahlung den von ihm befriedigten Anspruch des Gläubigers (§ 426 Abs. 2 BGB) und kann nunmehr auch aus diesem Anspruch gegen die anderen Gesamtschuldner vorgehen. Beide Ansprüche des erfüllenden Gesamtschuldners sind unabhängig voneinander; dem erfüllenden Gesamtschuldner steht es frei zu entscheiden, auf welcher Grundlage er seine Rechte gegenüber den weiteren Gesamtschuldnern geltend machen will.

24

3. Vorliegend kann letztlich dahinstehen, auf welcher Anspruchsgrundlage die Klägerin tatsächlich vorgehen will, da sich die Klage auf beide Anspruchsgrundlagen stützten lässt.

25

a) Der Geschädigte Herr S. aus Berlin hatte ursprünglich einen eigenen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Sachschadens in der eingeklagten Höhe gegenüber dem Beklagten, denn der Beklagte hat das Fahrzeug des Herrn S. dadurch beschädigt, dass er während der Fahrt mit dem Kfz seines Arbeitgebers den Staubsauger verloren hatte und dieser das Fahrzeug des Herrn S. beschädigte.

26

Aus dem Sachvortrag des Beklagten geht nicht eindeutig hervor, ob er den Eintritt des Unfallereignisses auch bestreiten will oder nur bestreiten will, dass er den Unfall bemerkt hat. Eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes ist diesbezüglich überflüssig. Selbst wenn der Beklagte das Unfallereignis bestreiten wollte, wäre das bloße Bestreiten mit Nichtwissen prozessual unbeachtlich, denn der Beklagte räumt ein, dass er zum Unfallzeitpunkt an der Unfallstelle den Staubsauger während der Fahrt verloren hat. Es liegt nahe, dass Gegenstände, die von einem fahrenden Kfz fallen, beim Fall mit an der Straße parkenden Fahrzeugen in Berührung kommen können. Dies führt zu einem Anscheinsbeweis des Unfallereignisses, den der Beklagte nicht widerlegt hat.

27

Die Schadensverursachung war auch schuldhaft, denn als Fahrer des Kraftfahrzeuges hätte sich der Beklagte vergewissern müssen, dass die mitgeführte Ladung so fixiert ist, dass sie während der Fahrt nicht verlorengehen kann. Dass möglicherweise der Schadenseintritt auch durch schuldhaftes Verhalten des Fahrzeughalters (Duldung der Nutzung des Kfz trotz der mangelhaften Tür) mit begünstigt worden ist, spielt für die Verschuldenfeststellung im Verhältnis zwischen dem Fahrer und dem Unfallgeschädigten keine Rolle. Die Höhe des eingetretenen Schadens ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

28

b) Auch der weitere Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ausgleich der Gesamtschulden im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 BGB begründet die Klage.

29

Der Beklagte als Fahrer gehört zu der Gruppe der Gesamtschuldner, die zum internen Ausgleich der von der klagenden Versicherung erfüllten Schadensforderung nach § 426 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, denn er hat schuldhaft den Schaden verursacht (siehe oben). Der interne Ausgleich der Gesamtschuldner im Kfz-Haftpflichtrecht richtet sich nicht - wie in § 426 Abs. 1 BGB geregelt - nach Kopfteilen, sondern erfolgt nach den Sonderregelungen in § 3 PflichtVG. Diese gelten über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer, sondern beziehen stets auch den mitversicherten Fahrer mit ein (vgl. nur BGH vom 13.07. 1988, BGHZ 105, 140 = NJW 1988, 2734; BGH vom 10.06.1986, VersR 1986, 1010 = NJW-RR 1986, 1402; OLG Koblenz vom 09.01.2006, OLGR Koblenz 2006, 429; LAG Düsseldorf vom 12.02.2003, 12 Sa 1345/02, VersR 2004, 103 = LAGE § 611 BGB, Arbeitnehmerhaftung Nr. 27).

30

Im Regelfall hat der Versicherer (die Klägerin) intern den gesamten Schaden zu tragen (§ 3 Ziffer 9 Satz 1 PflichtVG a. F.). Ausnahmsweise hat jedoch die mitversicherte Person im Innenverhältnis den Schaden zu tragen, nämlich dann, wenn die Versicherung nach dem Versicherungsvertrag nicht zur Leistung verpflichtet ist (§ 3 Ziffer 9 Satz 3 PflichtVG a. F.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Nach § 7 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), die dem Versicherungsverhältnis der Klägerin mit dem Halter des Kfz, Herrn Z., zugrunde liegen, ist die Versicherung bis zu einem Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer oder der Fahrer schuldhaft ihre Pflicht zur Anzeige des Schadens bei der Versicherung verletzen (§ 7 I 1 und 2 in Verbindung mit § 7 V AKB). Ein solcher Fall liegt hier vor, denn der Beklagte hat den Unfall der Klägerin nicht gemeldet. Dabei ist es unerheblich, dass der Beklagte meint, es sei gar nicht zum Unfall gekommen, denn er wusste jedenfalls, dass es zu einem unfallträchtigen Ereignis (Verlust des Staubsaugers während der Fahrt auf einer Straße mit parkenden Autos) gekommen ist.

31

Im vorliegenden Fall ist sogar von der erweiterten Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 7 V 2 AKB auszugehen, da der Beklagte Unfallflucht begangen hat. Der Beklagte hat zwar bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behauptet, er habe den Vorfall nicht bemerkt, daher scheide Unfallflucht, die Vorsatz voraussetzt, aus. Die Umstände des Unfallereignisses lassen dies jedoch als unbeachtliche Schutzbehauptung erscheinen, denn der Zeuge H., der den Unfall beobachtet haben soll, schildert den Unfallhergang und das Verhalten des Beklagten annähernd genau so, wie es der Beklagte schildert. Aufgrund dieser Detailkenntnisse des Zeugen muss man davon ausgehen, dass der Zeuge tatsächlich vor Ort zur Unfallzeit die Geschehnisse beobachtet hat.

32

Wenn dem so ist, so reicht es nicht aus, wenn der Beklagte im Zivilprozess lediglich behauptet, er sei vom Zeugen nicht angesprochen worden. Vielmehr hätte sich der Beklagte mehr dazu auslassen müssen, ob er den Zeugen wahrgenommen hat und wie dieser sich tatsächlich verhalten hat. Geht man davon aus, dass der Zeuge den Beklagten die Beschädigung des Pkw des Geschädigten vorgehalten hat, hat der Beklagte jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt, denn er hat bei seinem Verlassen des Unfallortes billigend in Kauf genommen, dass er sich der Unfallflucht schuldig macht.

33

Der Anspruch der Klägerin gegen den mitversicherten Beklagten besteht in voller Höhe. Er wird vorliegend nicht durch die arbeitsrechtlichen Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung eingeschränkt. Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB überhaupt zu berücksichtigen sind, denn selbst dann, wenn sie zu berücksichtigen wären, wäre der Beklagte als Arbeitnehmer ausnahmsweise verpflichtet, den gesamten Schaden zu tragen, da er durch seine Unfallflucht gleichzeitig seinem Arbeitgeber vorsätzlich durch Entzug des Versicherungsschutzes geschädigt hat (ebenso in einem vergleichbaren Fall: LAG Düsseldorf, a. a. O.).

II.

34

Die Verjährungseinrede des Beklagten greift nicht.

35

1. Beide Forderungen sind nicht vor dem 31.12.2003 verjährt gewesen.

36

a) Dem Beklagten ist der Nachweis nicht gelungen, dass der nach § 426 Abs. 2 BGB vom Geschädigten auf die Klägerin durch die Schadensregulierung übergegangene Schadensersatzanspruch inzwischen bereits verjährt ist. Das Verjährungsrecht ist zum 01.01.2002 - also zwischen dem Zeitpunkt des Schadensereignisses und dem Beginn des Rechtsstreites - grundlegend geändert worden. Nach Artikel 229 § 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) findet das neue Verjährungsrecht auf die bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche sofort Anwendung. Das trifft auf die streitige Forderung zu, denn sie kann zum 01.01.2002 unter keinen denkbaren Umständen bereits verjährt gewesen sein, denn zwischen dem Unfallereignis und dem 01.01.2002 liegen nur etwas mehr als zwei Jahre und nach § 852 BGB a. F. betrug die Verjährungsfrist drei Jahre. Zudem war für den Beginn der Verjährung nicht das schädigende Ereignis maßgeblich, sondern die Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger.

37

Da zum 01.01.2002 § 852 BGB a. F. ersatzlos gestrichen wurde, richtet sich die Verjährung deliktischer Forderungen nunmehr nach dem allgemeinen Recht. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB); sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis der maßgeblichen Umstände erlangt hat oder hätte erlangen können (§ 199 Abs. 1 BGB). Zwar wäre demnach die Forderung verjährt, wenn man nur auf die Entstehung des Anspruches abstellt (§ 199 Abs. 1 Ziff. 1 BGB), da der Anspruch am 05.10.1999 entstanden war und daher zum 31.12.2002 verjährt wäre.

38

Die Verjährungseinrede ist jedoch unschlüssig, da sich der Beklagte nicht mit § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB auseinander gesetzt hat. Danach beginnt die Verjährung erst dann, wenn der Geschädigte (der Gläubiger - hier: Herr S. aus Berlin) von der Person des Schuldners (des Schädigers - hier: des Beklagten) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. Zu diesem Merkmal hat die Beklagte nicht ausdrücklich vorgetragen. Aus den Umständen ergibt sich jedoch, dass der Geschädigte Herr S. erst im Jahre 2000 Kenntnis von der Person des Fahrers erhalten hat bzw. erhalten konnte.

39

Wenn der Beklagte darauf hinweist, dass der Geschädigte zeitnah zum Unfall durch die Mitteilung des Zeugen H. Kenntnis vom amtlichen Kennzeichen des Unfall-Kfz erhalten hat, ergibt sich daraus allein die Möglichkeit, den Halter des Fahrzeuges ohne größeren Aufwand zu ermitteln. Der Beklagte war jedoch nicht der Halter, sondern der Fahrer des Kfz. Kenntnis von der Person des Fahrers konnte der Geschädigte also nur aus dem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren wegen der Fahrerflucht erlangen. Da der Geschädigte selbst Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Unfalls gestellt hat, kann man davon ausgehen, dass er über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die Anklageerhebung gegen den Beklagten Kenntnis erlangt hat; jedenfalls hätte er ohne größeren Aufwand Kenntnis erlangen können. Aus dem Umstand, dass das Strafverfahren im Juli 2000 eingestellt wurde, kann man schließen, dass der Geschädigte also im Jahre 2000 Kenntnis von der Person des Beklagten erhalten hat und daher der Anspruch gegen den Beklagten nach § 199 Abs. 1 BGB erst zum 31.12.2003 verjährt wäre. Der Beklagte hat jedenfalls nicht vorgetragen, dass die Kenntnis über die Person beim Geschädigten bereits im Jahre 1999 eingetreten ist.

40

Nach Artikel 229 § 6 Abs. 3 EGBGB wäre es ausnahmsweise auf das alte Verjährungsrecht angekommen, wenn die Verjährungsfrist nach neuem Recht länger als die nach dem alten Recht wäre. Es kann letzten Endes offenbleiben, ob die alte Verjährungsfrist nach § 852 BGB a. F. kürzer war, denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Forderung nach § 852 BGB a. F. vor dem 31.12.2003 verjährt gewesen wäre. Nach § 852 BGB a. F. kam es für den Beginn der Verjährung allein auf die positive Kenntnis der Person des Schädigers an und nicht wie heute alternativ auf den Zeitpunkt der Möglichkeit der Kenntniserlangung. Die Feststellung der Verjährung des Anspruches nach altem Recht würde daher die Feststellung erfordern, dass der Geschädigte positive Kenntnis von der Person des Beklagten noch im Jahre 1999 erhalten hat. Das ist weder vorgetragen noch gibt es dazu Anhaltspunkte.

41

b) Der Anspruch der Klägerin aus § 426 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten als mithaftendem Gesamtschuldner ist ebenfalls nicht vor Ablauf des 31.12.2003 verjährt. Nach § 3 Ziffer 11 PflichtVG a. F. verjährt der Ausgleichsanspruch gegenüber den anderen Gesamtschuldnern nach zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Versicherung die Forderung erfüllt hat (März 2001). Danach kann die Verjährung erst nach Ende des Jahres 2003 eingetreten sein.

42

2. Beide Forderungen sind bisher nicht verjährt, obwohl der 31.12.2003 bereits seit langem vergangen ist, da der Lauf der Verjährungsfrist noch vor Ablauf des 31.12.2003 gehemmt wurde.

43

Nach § 204 Abs. 1 Ziff. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheides im Mahnverfahren. Vorliegend ist dem Beklagten der Mahnbescheid der Klägerin zwar erst am 06.02.2004 und damit anscheinend nach Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2003 zugestellt worden. Unter Berücksichtigung von § 691 Abs. 2 ZPO wirkt diese Zustellung jedoch zurück auf den Zeitpunkt des Eingangs des Mahnbescheids beim Gericht (30.12.2003 beim Amtsgericht Euskirchen). Nach § 691 ZPO kommt es nicht auf das Zustelldatum an, sondern auf den Tag der Anhängigmachung des Mahnantrages bei Gericht, wenn der Mahnantrag wegen Mängeln vom Mahngericht zurückgewiesen wird und der Antragsteller innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses Klage einreicht und diese demnächst zugestellt wird. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da weder das nicht zuständige Amtsgericht den Mahnbescheidsantrag förmlich zurückgewiesen hat noch die Klägerin daraufhin Klage erhoben hat.

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jedoch § 691 Abs. 2 ZPO analog auf die Fälle anzuwenden, in denen das Amtsgericht als Mahngericht einen Mangel rügt und der Antragsteller daraufhin den Mangel behebt, so dass eine förmliche Zurückweisung überflüssig wird. Die Wirkung der Verjährungshemmung ist aber nur dann gewahrt, wenn zwischen der Rüge des Gerichtes und der Behebung des Mangels höchstens ein Monat liegt (§ 691 Abs. 2 ZPO analog; so BGHZ 150, 221 = NJW 2002, 2794, unter Aufgabe der älteren strengeren Rechtsprechung).

45

Vorliegend hat das zunächst angegangene unzuständige Amtsgericht Euskirchen mit Monierungsschreiben vom 06.01.2004 auf seine fehlende Zuständigkeit hingewiesen. Das Schreiben ist am 12.01.2004 bei den Prozessbevollmächtigen der Klägerin eingegangen (vgl. überreichte Kopie, Blatt 58). Daraufhin hat die Klägerin Abgabe an das zuständige Amtsgericht Hamburg beantragt, die dann auch erfolgte. Das zuständige Amtsgericht Hamburg hat den Mahnbescheid am 04.02. 2004 erlassen und er sich bereits am 06.02.2004 zugestellt worden, also noch weit vor Ablauf der Monatsfrist aus § 691 Abs. 2 ZPO analog.

III.

46

Die Klage ist auch hinsichtlich der Nebenforderungen begründet.

47

Der Zinsanspruch entspricht der Höhe nach dem gesetzlichen Verzugszins. Der Beklagte ist außergerichtlich mit Schreiben vom 18.12.2001 mit Frist zum 18.01.2002 zur Zahlung aufgefordert worden, daher stehen der Klägerin Verzugszinsen seit dem 19.01.2002 zu.

48

Der Klägerin stehen auch die pauschalen außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von 10,00 EUR als Kosten der Rechtsverfolgung zu. Dem steht § 12a ArbGG schon deshalb nicht entgegen, da es sich vorliegend nicht um eine arbeitsgerichtliche Streitigkeit handelt (vgl. dazu eingehend: LAG Düsseldorf, a. a. O.) und die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit nur deshalb den Streit entscheiden, weil er durch fehlerhaften Beschluss des Amtsgerichts Ueckermünde an die Arbeitsgerichtsbarkeit verwiesen wurde.

IV.

49

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

50

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

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