Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Kammer) - 2 Sa 59/17

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund - Kammern Neubrandenburg – vom 21. März 2017 (13 Ca 83/16) teilweise abgeändert und im Übrigen zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 30. September 2017 angefallenen Arbeitsstunden der Klägerin in der Zeit zwischen 23.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens mit einem Aufschlag von 20 Prozent auf das pro Stunde zustehende Entgelt zu vergüten, soweit sich nicht aus dem Arbeitsvertrag ein höherer Zuschlag ergibt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle in der Zeit ab dem 1. Oktober 2017 angefallenen und zukünftig anfallenden Arbeitsstunden der Klägerin in der Zeit zwischen 23.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens mit einem Aufschlag von 20 Prozent auf das pro Stunde zustehende Entgelt zu vergüten, wahlweise der Klägerin Arbeitsbefreiung ohne Wegfall der Vergütung im Umfang von 20 Prozent einer Stunde für jede Arbeitsstunde in der Zeit zwischen 23.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens zu gewähren, soweit sich nicht aus dem Arbeitsvertrag ein höherer Zuschlag ergibt.

3. Es wird festgestellt, dass auf die Verpflichtung nach Ziffern 1 und 2 der arbeitsvertraglich vereinbarte Nachtzuschlag als Teilerfüllungshandlung nur angerechnet werden kann, soweit dieser Zuschlag für Arbeiten in der Zeit zwischen 23.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens gewährt wurde oder zukünftig gewährt wird.

II.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 1/5 und im Übrigen die Beklagte.

IV.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe des angemessenen Zuschlags für die Nachtarbeit nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), die die Klägerin im Rahmen ihrer Altenpflegetätigkeit leistet. Soweit das Gericht die Revision zugelassen hat, dreht sich der Streit um die Frage, ob die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist für Ansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2015 vor dem Gesetz Bestand hat.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in A-Stadt seit 2011 als Pflegefachkraft beschäftigt. Die nicht tarifgebundene bundesweit aktive Beklagte betreibt in A-Stadt unter anderem die Einrichtungen W. und H.. Die Klägerin ist regulär in der W. eingesetzt, vertretungsweise wird sie auch im H. tätig.

3

Das Haus W. ist auf die Pflege und Betreuung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen ausgerichtet. Hier wohnen in der Regel 40 Menschen aller Altersstufen und verschiedenster Pflegegrade, die aufgrund geistiger Erkrankungen oder ihrer Behinderungen nicht selbständig leben können. Die Bewohner leiden beispielsweise an Schizophrenie oder Epilepsie. Einzelne Patienten weisen krankheitsbedingt ein hohes Gewaltpotential auf, andere müssen gelegentlich wegen ihrer Spastiken mit erheblichem Kraftaufwand versorgt werden. Die Einrichtung besteht aus fünf auf dem Grundstück verteilten alleinstehenden Gebäuden.

4

Tagsüber ist jedes der 5 Häuser mindestens mit einer Pflegefachkraft und einer Pflegehilfskraft besetzt. Nachts sind eine Pflegefachkraft und eine Hilfskraft für alle 5 Häuser allein zuständig. Wegen der teilweise schweren körperlichen Arbeiten und zum Eigenschutz sind die beiden nachts tätigen Kräfte ausschließlich gemeinsam unterwegs.

5

Während der Nachtschicht gibt es planbare Arbeiten und Arbeiten in Reaktion auf unplanbare Ereignisse aus dem Bereich der Bewohner. Da die dort wohnenden Personen häufig Ein- und Durchschlafschwierigkeiten haben, wird die Anzahl der nicht planbaren Einsatzereignisse in der Nachtschicht von den Beschäftigten als sehr hoch eingeschätzt.

6

Außerhalb der besonderen Vorkommnisse müssen nachts einzelnen Patienten Medikamente verabreicht werden und es gibt Kontrollgänge durch die Gebäude. Da nachts in der Einrichtung nur die zwei Arbeitnehmerinnen mit der pflegerischen Aufgabenstellung beschäftigt sind, müssen diese bei Bedarf auch Aufgaben eines Hausmeisters oder einer Reinigungskraft wahrnehmen, etwa wenn im Winter bei Schneefall die Wege zwischen den Gebäuden frei geschaufelt werden müssen oder wenn in den Gebäuden außer der Reihe mal etwas geputzt oder weggewischt werden muss. Viele der nachts dort eingesetzten Pflegekräfte nutzen die Nachtzeit zusätzlich dafür, tagsüber liegengebliebene Schreibarbeiten (notwendige Dokumentationsarbeiten) zu erledigen.

7

In der Einrichtung W. wird nach Dienstplan in Wechselschicht rund um die Uhr gearbeitet. Einige Dienstplanparameter sind durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 9. Mai 2005 vorgegeben. Danach können bis zu vier Nachtschichten in Folge angeordnet werden und nach einem Nachtschichtblock müssen mindestens zwei freie Tage gewährt werden. Die Nachtschicht weist eine Bruttoschichtlänge von 10,5 Stunden (19:45 Uhr bis 06:15 Uhr) auf. Nach den Dienstplänen ist in ihr eine Pause von 45 Minuten, die nach Mitternacht liegt, ausgewiesen. Das Arbeitsgericht hat für seine Streitwertentscheidung die Anzahl der Nachtschichten der Klägerin auf 30 bis 35 pro Kalenderjahr geschätzt. Dem ist keine der Parteien im Berufungsrechtszug entgegengetreten.

8

Die Bruttovergütung der mit 35 Wochenstunden teilzeitbeschäftigten Klägerin beträgt derzeit 1.800,00 Euro. Die Klägerin arbeitet nach Dienstplan in Wechselschicht mit Früh-, Spät- und Nachtschichten.

9

In § 5 Nr. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien aus August 2012 ist für Arbeit während der Zeit von 22:00 Uhr abends bis 06:00 Uhr morgens ein Zuschlag in Höhe von 1,00 Euro brutto pro Stunde vereinbart. Außerdem hat die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am 9. Mai 2005 eine Gesamtbetriebsratsvereinbarung abgeschlossen, deren Ziffer 11 auszugsweise wie folgt lautet:

10

"Den gesamten Mitarbeitern wird arbeitgeberseitig zugesagt, soweit nicht individualvertraglich eine günstigere Regelung besteht, dass neben der Zeitgutschrift für die tatsächliche Arbeitsleistung folgende Zeitzuschläge gewährt werden:

11

a) Für Nachtarbeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr 1,00 Euro pro Stunde

b) ..."

12

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält außerdem eine Regelung zum Verfall von Ansprüchen mittels Ausschlussfristen. Nach § 12 des Arbeitsvertrages verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

13

Die Klägerin hat gemeint, der ihr gewährte Nachtarbeitszuschlag sei nicht angemessen im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG, ihr stünde ein Nachtzuschlag in Höhe von 25 Prozent zu. Die Klägerin hat ihr Begehren mit der vorliegenden Klage in Form von Feststellungsanträgen gerichtlich geltend gemacht, eine vorherige außergerichtliche schriftliche Geltendmachung ist nicht vorgetragen. Die Klage ist im Juni 2016 beim Arbeitsgericht eingegangen und wurde der Beklagten noch im Juni 2016 zugestellt. Die Klägerin macht mit der Klage ihren Anspruch auf weiteren Nachtzuschlag für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 geltend.

14

Das Arbeitsgericht Stralsund – Kammern Neubrandenburg – hat mit Urteil vom 21. März 2017 (13 Ca 83/16) in der Hauptsache – bei Klageabweisung im Übrigen – festgestellt, dass der Klägerin für die Zeit ab Januar 2013 ein Ausgleichsanspruch im Umfang von 20 Prozent zustehe, der nach Wahl der Beklagten als Zuschlag auf das Entgelt oder als Freizeitausgleich auf die geleistete Arbeitszeit zu leisten sei. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 1.246,00 Euro festgesetzt und der Beklagten 70 Prozent der Kosten auferlegt. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

15

Gegen dieses Urteil hat allein die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Die Berufung ist rechtzeitig eingelegt und fristgemäß begründet worden. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte nach wie vor das Ziel, die Klage vollständig abzuweisen.

16

Die Klägerin hat ihren Klageantrag im Berufungsrechtszug auf Anregung des Gerichts neu formuliert. Die Beklagte ist der Antragsänderung nicht entgegengetreten.

17

Die Beklagte hält die Klage bereits für unzulässig, da es der Klägerin zumindest für die Vergangenheit möglich sei, den Klageantrag zu beziffern und Leistungsklage zu erheben. Die Beklagte beruft sich wegen der älteren Teil-Ansprüche zudem auf die Ausschlussfrist aus dem Arbeitsvertrag.

18

Der Sache nach hilfsweise meint die Beklagte, der von ihr geleistete Nachtzuschlag in Höhe von 1,00 Euro pro Stunde sei angemessen im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG. Mit diesem Zuschlag werde ein Ausgleich von etwas über 10 Prozent auf das Entgelt während der Nachtstunden gewährt. Das sei angesichts der Unvermeidbarkeit der Nachtarbeit im Bereich der Beklagten ein angemessener Ausgleich im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG.

19

Der angemessene Nachtzuschlag sei im Bereich der pflegerischen Tätigkeiten mit 10 Prozent zu bemessen. Das Bundesarbeitsgericht sei in einer Entscheidung den Wachdienst betreffend zu der Einschätzung gekommen, dass 10 Prozent Nachtzuschlag ausreichend seien, wenn der Zweck, die Nachtarbeit zu verteuern, um sie möglichst zu vermeiden, keine Rolle spielen könne, da die Tätigkeit grundsätzlich nicht tagsüber erfolgen könne (Verweis auf BAG 11. Februar 2009 — 5 AZR 148/08). Auch in seinem Urteil vom 31. August 2005 (5 AZR 545/04) habe das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass für Angehörige des Rettungsdienstes ein Nachtzuschlag im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG in Höhe von 10 Prozent des Arbeitsverdienstes angemessen sei. Durch den Zuschlag sollen für den Personenkreis nur die mit der Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse abgegolten werden. Der Zweck, die Nachtarbeit einzuschränken, sei – so das Gericht – im Rettungsdienst nicht erreichbar, da der Rettungsdienst der öffentlichen Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung diene. Zutreffend habe daher auch das LAG Köln in seiner Entscheidung vom 2. September 2005 — 12 Sa 132/05 — allein das Kriterium des Gesundheitsschutzes für Zeitungszusteller bewertet und daher den angemessenen Ausgleich für die Nachtarbeit ebenfalls mit 10 Prozent bemessen. Diese zutreffende Argumentation des Bundesarbeitsgerichts und des LAG Köln müsse auch auf die Bewertung der Nachtarbeit in der Pflege übertragen werden. Hier sei für eine Sanktionierung im Sinne einer Verteuerung, um die Nachtarbeit einzudämmen und auszuschließen, kein Raum. Der Sanktionierungsaspekt müsste daher unberücksichtigt bleiben.

20

Vorliegend könne daher nur der Aspekt des Gesundheitsschutzes zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Dieser sei mit einem Ausgleich im Umfang von 10 Prozent angemessen bewertet.

21

Im Übrigen sei es ein erhebliches Indiz für die Angemessenheit des vorliegend gewährten Nachtzuschlags, dass die Betriebsparteien mit Gesamtbetriebsvereinbarung vom 9. Mai 2005 es als angemessen ansehen haben, den Nachtzuschlag mit 1,00 Euro pro Nachtarbeitsstunde zu bewerten.

22

Dabei müsse auch die Zusatzvergütung, die für die Spätarbeit vor 23:00 Uhr gezahlt werde, einbezogen werden, da auch damit ein Ausgleich für die Nachtarbeit geleistet werde. Verteile man vorliegend den bisher gezahlten Zuschlag von 1,00 Euro für 8 Stunden Nachtarbeit, auf die siebenstündige gesetzliche Nachtarbeitszeit, werde durch die Beklagte bereits derzeit ein Nachtzuschlag annähernd in der hier verlangten Höhe gezahlt. Bei der Berechnung müsse man zusätzlich beachten, dass die Klägerin und ihre Kolleginnen tatsächlich nur 6,25 Stunden Nachtarbeit pro Nachtschicht leisten, da in die Zeit zwischen 23 Uhr abends und 6 Uhr morgens auch die 45-minütige nicht vergütungspflichtige Pause falle. Die Klägerin werde also für 6,25 Nachtstunden Arbeit mit 8,00 Euro Nachtzuschlag entschädigt, was bei dem Stundenlohn, der sich auf 11,69 Euro belaufe, höher als die gesetzlich gebotenen 10 Prozent liege.

23

Weder in der W. noch im H. seien die Belastungen während der Nachtarbeit als ungewöhnlich hoch zu bewerten.

24

Nicht berücksichtigt werden könnten von vornherein die Arbeiten, die die Pflegekräfte eigentlich tagsüber zu erledigen haben, die sie jedoch in die Nachtzeit schieben (insb. die Pflegedokumentation und sonstige Büroarbeiten). Es gebe keine Anweisung der Beklagten, entsprechend zu verfahren. Hilfsweise müsse berücksichtigt werden, dass diese Arbeiten nicht in jeder Nachtschicht anfallen würden.

25

Die Belastungen während der Nachtarbeit würden die Belastungen, die die pflegerische Tätigkeit ohnehin mit sich bringe, nicht übersteigen. Generell würde nachts weniger Arbeit anfallen, da die Bewohner schlafen. Bei den psychisch erkrankten Bewohnern sei zwar mit gewissen Verhaltensauffälligkeiten auch in den Nachtzeiten zu rechnen, das sei jedoch eine betriebstypische Belastung, die auch tagsüber auftrete. Kennzeichnend für die Nachtarbeit seien daher im Wesentlichen nur die routinemäßigen nächtlichen Kontrollgänge. Diese mögen zeitaufwendig sein, sie erhöhten die Belastung, die mit der Arbeit in der Nacht verbunden ist, jedoch nicht wesentlich. Die geringere Besetzung mit Personal werde durch den geringeren Anfall von Arbeit in den Nachtstunden ausgeglichen. In der Nacht sei die Belastung des Personals keinesfalls höher als tagsüber, allenfalls könne man von einer gleichwertigen Belastung sprechen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – vom 21. März 2017 (13 Ca 83/16) abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

Die Klägerin beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen und nach den umgestellten Anträgen nunmehr wie folgt zu erkennen:

1.

30

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 30. September 2017 angefallenen Arbeitsstunden der Klägerin in der Zeit zwischen 23:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens mit einem Aufschlag von 20 Prozent auf das pro Stunde zustehende Entgelt zu vergüten;

2.

31

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle in der Zeit ab dem 1. Oktober 2017 angefallenen und zukünftig anfallenden Arbeitsstunden der Klägerin in der Zeit zwischen 23:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens mit einem Aufschlag von 20 Prozent auf das pro Stunde zustehende Entgelt zu vergüten, wahlweise der Klägerin Arbeitsbefreiung ohne Wegfall der Vergütung im Umfang von 20 Prozent einer Stunde für jede Arbeitsstunde in der Zeit zwischen 23:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens zu gewähren;

3.

32

festzustellen, dass auf die Verpflichtung nach Ziffern 1 und 2 der arbeitsvertraglich vereinbarte Nachtzuschlag als Teilerfüllungshandlung nur angerechnet werden kann, soweit dieser Zuschlag für Arbeiten in der Zeit zwischen 23:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens gewährt wurde oder zukünftig gewährt wird.

33

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie ist der Auffassung, ihr stehe ein Nachtzuschlag mindestens in der zugesprochenen Höhe von 20 Prozent zum arbeitsvertraglichen Bruttolohn zu. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Verweis auf BAG 9. Dezember 2015 — 10 AZR 423/14 – BAGE 153, 378 = NZA 2016, 426 = AP Nr. 14 zu § 6 ArbZG) sei im Regelfall davon auszugehen, dass Arbeitnehmer für Nachtarbeitszeiten ein 25-prozentiger Nachtzuschlag zu gewähren sei, daher seien die zugesprochenen 20 Prozent jedenfalls nicht zu hoch angesetzt. Gründe, die dafürsprechen, im vorliegenden Fall nach unten abzuweichen, lägen nicht vor.

34

Die Klägerin meint, die bisher gewährten Zuschläge würden keinen angemessenen Ausgleich für die Nachtarbeit darstellen. Das Bundesarbeitsgericht habe ausgeführt, der Zweck des § 6 Absatz 5 ArbZG sei unter anderem der Gesundheitsschutz, und die gesetzlichen Regelungen hätten auch einen Sanktionscharakter zur Vermeidung unnötiger Nachtarbeit. Diese beiden Kriterien seien jedoch nicht die einzigen ausschließlichen Kriterien die für die Angemessenheitsprüfung von Relevanz seien. Vielmehr handele es sich um Beispiele, was sich auch der Gesetzesbegründung des Arbeitszeitgesetzes entnehmen lasse. Neben der unbestreitbaren Gesundheitsbeeinträchtigung sei zu berücksichtigen, dass Nachtarbeit auch zu Beeinträchtigungen der familiären und sozialen Bindungen führe, die Wach- und Schlafzeiten störe und das Interesse der Familienmitglieder – insbesondere der Kinder – nach körperlicher und emotionaler Nähe verletze. Durch die Nachtarbeit könnten Kulturveranstaltungen nicht besucht werden und gemeinsame Familienzeit werde unmöglich. Ebenso würden Behördengänge bzw. Arztbesuche erschwert. Auch eine ehrenamtliche Tätigkeit sei bei wechselnden Arbeitszeiten mit Nachtdiensten nur eingeschränkt möglich.

35

Auch der von der Beklagten gezogene Vergleich zu den Berufsgruppen, zu denen bereits Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vorliegen, sei nicht überzeugend. Die Tätigkeit als Altenpflegerin sei nicht mit der Tätigkeit im Rettungsdienst vergleichbar. Im Gegensatz zu der Tätigkeit als Rettungssanitäter falle im Rahmen der Altenpflege nicht in erster Linie Rufbereitschaft an. Vielmehr seien die Nachtschichten besonders lang, besonders arbeitsintensiv und psychisch besonders belastend. Es komme außerdem zu einer Arbeitsverdichtung in der Nacht, da nachts bedeutend weniger Personal zur Verfügung stehe und der Verantwortungsbereich dementsprechend größer als tagsüber sei.

36

In der W. seien außerdem die Wege wegen der Verteilung der Zimmer auf 5 unterschiedliche Gebäude besonders weit. Der in der Nachtschicht vergrößerte Verantwortungsbereich verknappe die Zeit für die notwendigen pflegerischen Arbeiten zusätzlich.

37

Die Bewohner der W. hätten im Regelfall einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus oder zumindest Durchschlafstörungen und sie müssten daher nachts permanent beaufsichtigt und immer wieder betreut werden. Dazu komme, dass sich bei nur 2 eingesetzten Mitarbeitern, die sich zudem nur gemeinsam in den Häusern bewegen könnten, durch die umfangreichen Aufgaben eine Verdichtung der Arbeit im Vergleich zur Früh- und Spätschicht eintrete. Die Pausenzeiten müssten dementsprechend oft verlegt und verkürzt werden.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39

Die Berufung der Beklagten ist insgesamt zulässig, jedoch nur zu einem kleinen Teil begründet. Die inzwischen präzisierte Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Das hat das Arbeitsgericht mit überwiegend zutreffenden Erwägungen, denen sich das Berufungsgericht insoweit anschließt, begründet. Die Berufung ist nur erfolgreich, soweit die Beklagte das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrten Feststellungen bezogen auf die Jahre 2013 und 2014 verneint.

A.

40

Die Berufung ist zulässig.

41

Da das Arbeitsgericht die Berufung nicht gesondert zugelassen hat, kann sie nur aufgrund des Überschreitens des notwendigen Beschwerdewerts zulässig sein. Nach § 64 Absatz 2 Buchst. b) ArbGG muss dafür der Beschwerdewert mehr als 600 Euro betragen. Das ist hier der Fall.

42

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert des Urteils auf 1.246,00 Euro festgesetzt und hat der Beklagten 70 Prozent der Kosten auferlegt. Die Kostenquote ist zutreffend berechnet. Die Beklagte zahlt derzeit einen Aufschlag, den man – je nach Rechenweise – mit ungefähr 10 Prozent oder einem Prozentpunkt darüber oder darunter bewerten kann. Die Klägerin hat damit einen um rund 15 Prozentpunkte höheren Ausgleich eingeklagt und ihr ist ein Ausgleich, der rund 10 Prozentpunkte über dem derzeitigen Ausgleich liegt, zugesprochen worden. Sie hat daher überschlägig zu 2 Drittel gewonnen und zu 1 Drittel verloren.

43

Damit beträgt die Beschwer der Beklagten durch das angegriffene Urteil fast 900 Euro und liegt damit über dem notwendigen Schwellenwert aus § 64 Absatz 2 ArbGG.

44

Es besteht auch kein Anlass, bei der Berechnung der Beschwer von dem ausgeurteilten Streitwert abzuweichen. Das Arbeitsgericht hat die Herleitung des Streitwertes zwar nicht begründet, sondern nur mitgeteilt, man habe die kalenderjährliche Anzahl der Nachtschichten auf 30 bis 35 geschätzt. Die von der Klägerin verlangte Erhöhung der Zulage um rund 15 Prozentpunkte kann man überschlägig mit 1,50 Euro pro Nachtstunde bewerten, was unten noch näher ausgeführt wird. Wenn man aufgrund des erstinstanzlichen klägerischen Antrags von 8 Nachtstunden ausgeht, lässt sich der wirtschaftliche Wert des Streits der Parteien pro Jahr mit einem Wert zwischen 360,00 Euro und 420,00 Euro ausdrücken. Maßgebend für die Streitwertberechnung dürfte in Anlehnung an § 42 GKG der Dreijahreswert sein, der sich nach der vorliegenden überschlägigen Berechnung auf 1.080,00 Euro oder mehr beläuft. Selbst wenn man nur diesen Wert zu Grunde legt, ist die Beklagte durch das teilweise stattgebende Urteil mit mehr als 600 Euro beschwert. Ein Abschlag des Wertes in Hinblick auf die gestellten Feststellungsanträge ist nicht geboten. Denn es ist damit zu rechnen, dass die Beklagte, sollte der Rechtsstreit zu ihren Lasten ausgehen, die Konsequenzen tragen und entsprechende Zahlungen vornehmen wird.

B.

45

Die Berufung ist jedoch nur zu einem kleinen Teil begründet, nämlich für die begehrten Feststellungen bezogen auf die Teilansprüche aus den Jahren 2013 und 2014. Im Übrigen ist sie nicht begründet.

I.

46

Die Klage ist zulässig soweit sich die begehrten Feststellungen auf das Jahr 2015 und die Folgejahre bezieht.

1.

47

Die beantragten Feststellungen sind ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 ZPO.

48

Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sich der Antrag auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Absatz 5 ArbZG bezieht. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens und der Höhe des Ausgleichsanspruchs für in der gesetzlichen Nachtzeit (§ 2 Absatz 3 ArbZG) geleistete Arbeitsstunden in näher bezeichnetem Umfang.

49

Den Geltungsbereich der begehrten Feststellung haben die Parteien zu Protokoll des Gerichts dadurch klargestellt, dass diese nur für die Zeit der Teilnahme der Klägerin an der Wechselschicht gelten soll.

50

Die Parteien haben auf Anregung des Gerichts ohne Niederschlag im Protokoll auch erklärt, dass die begehrte Feststellung den eventuell gegebenen Anspruch auf höhere Zuschläge (beispielsweise bei Nachtarbeit an Feiertagen) nicht einschränken soll.

2.

51

Der so verstandene Klageantrag ist auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Absatz 1 ZPO gerichtet, nämlich auf die Angemessenheit des Ausgleichs für im Arbeitsverhältnis geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 6 Absatz 5 ArbZG. Eine Feststellungsklage nach § 256 Absatz 1 ZPO kann sich auch auf einzelne Ansprüche eines umfassenderen Rechtsverhältnisses beschränken (Elementfeststellungsklage, vgl. beispielsweise BAG 15. April 2015 – 10 AZR 250/14 – AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

3.

52

Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen im Sinne von § 256 Absatz 1 ZPO soweit sie das Jahr 2015 und die Folgejahre betreffen. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob die Beklagte mit den von ihr gewährten Zuschlägen auf den Bruttostundenlohn einen angemessenen Ausgleich im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG gewährt hat oder ob der Klägerin für ihre geleistete Nachtarbeit ein weitergehender Ausgleichsanspruch zusteht.

53

Der Umfang der Leistungsverpflichtung der Beklagten wird durch die begehrte Feststellung abschließend geklärt. Der Feststellungsantrag ist daher geeignet, den Rechtsfrieden im Arbeitsverhältnis der Parteien wiederherzustellen.

54

Dem steht nicht entgegen, dass sich in der Anwendung des durch die gerichtliche Feststellung fixierten angemessenen Ausgleichs für die Nachtarbeit weitere Probleme ergeben können, die sich bereits jetzt abzeichnen. Dabei geht es im Einzelnen unter anderem um die Frage, ob die in den Dienstplänen ausgewiesene Pause als Pause im Sinne von § 4 ArbZG anerkannt werden kann und um die weitere Frage, wie man die Höhe des der Klägerin zustehenden Stundenlohns, der Basis für einen prozentual bestimmten Aufschlag, bestimmen muss. Obwohl es sich bereits im hiesigen Rechtsstreit abzeichnet, dass die Auffassungen der Parteien in diesen Fragen nicht übereinstimmen, ergibt sich dagegen kein Argument gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages, da mit der begehrten Feststellung jedenfalls die Grundfragen der Bemessung des angemessenen Ausgleichs für die Belastungen der Nachtarbeit geklärt werden.

55

Urteil

56

Wegen der ausreichenden Befriedungsfunktion der begehrten Feststellung bestehen auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass sich die Feststellung auch auf vergangene Zeiträume bezieht; eine Rechtspflicht, zum Leistungsantrag überzugehen, besteht nicht (BAG 9. Dezember 2015 — 10 AZR 423/14 — BAGE 153, 378 = NZA 2016, 426 = AP Nr. 14 zu § 6 ArbZG).

4.

57

Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO kann für die Teilansprüche aus 2015 und anteilig aus 2016 auch nicht mit dem Argument verneint werden, die möglichen Teil-Ansprüche aus diesem Zeitraum seien ohnehin verfallen, so dass es überflüssig wäre, dazu gerichtliche Feststellungen zu treffen. Denn der Beklagten kann nicht gefolgt werden, soweit sie meint, diese Teil-Ansprüche seien verfallen.

a)

58

Der fehlende Verfall der Ansprüche ergibt sich allerdings – entgegen der Begründung des Arbeitsgerichts – nicht bereits aus dem Umstand, dass die Ansprüche noch gar nicht fällig sind. Das Arbeitsgericht hat argumentiert, dass der Arbeitgeber nach dem Gesetz die Wahl habe, ob er den angemessenen Ausgleich für die Nachtarbeit in Form von Zahlungen oder in Form von bezahlter Freizeit oder in Form einer Kombination aus beidem leiste. Da er erst aufgrund des Urteils zur Leistung von weiteren Ausgleichsmaßnahmen gezwungen werde, könne er sein Wahlrecht auch für die Vergangenheit noch ausüben. Daraus folgert das Arbeitsgericht, da die Beklagte bisher ihr Wahlrecht für die Zeiträume in der Vergangenheit noch nicht ausgeübt habe, sei der klägerische Anspruch auf zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG noch gar nicht fällig.

59

Dieser Argumentation schließt sich das Berufungsgericht nicht an. Die Beklagte hat sich für alle in der Vergangenheit liegenden Abrechnungszeiträume stets für den Ausgleich in Form einer Zahlung entschieden. Wenn diese nicht angemessen ist, hat der betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf ergänzende Zahlung (BAG 9. Dezember 2015 aaO Randnummer 52 ff). Er wird fällig spätestens mit der jeweiligen Fälligkeit des unzureichend hohen tatsächlich gewährten Ausgleichs.

b)

60

Die schon in der Vergangenheit fällig gewordenen Teil-Ansprüche auf weiteren Nachtzuschlag können von der Klägerin – jedenfalls für das Jahr 2015 und die Folgejahre – noch durchgesetzt werden, da die arbeitsvertragliche Verfallklausel, auf deren Eingreifen sich die Beklagte beruft, unwirksam ist.

61

§ 12 des im August 2012 unterzeichneten Arbeitsvertrages der Parteien, der heute noch maßgeblich ist, sieht folgende Regelungen zum Verfall von Ansprüchen vor:

62

"§ 12 Ausschlussfristen

1.

63

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

2.

64

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

3.

65

Dies gilt nicht für Ansprüche aus strafbaren Handlungen. …"

66

Diese arbeitsvertragliche Regelung ist mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes zum 1. Januar 2015 unwirksam geworden, da sie gegen das Transparenzgebot aus § 307 Absatz 1 BGB verstößt.

67

Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff BGB) ist auf den Arbeitsvertrag der Parteien anzuwenden, da es sich um einen von der Beklagten vorformulierten Vertragstext handelt, der – was das Gericht aus den zahlreichen Parallelverfahren weiß – in einer Vielzahl von Fällen zur Anwendung gekommen ist.

68

Nach § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung auch aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden (BAG 24. August 2016 – 5 AZR 703/15 – AP Nr. 1 zu § 9 AEntG = NZA 2016, 1539; 21. Januar 2015 – 10 AZR 84/14 – AP Nr. 8 zu § 92 HGB = NJW 2015, 2364; BAG 17. August 2011 – 5 AZR 406/10 – AP Nr. 55 zu § 307 BGB = NJW 2012, 552 = DB 2011, 2550). Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BGH 25. November 2015 – VIII ZR 360/14 – BGHZ 208, 52 = NJW 2016, 936; BGH 5. Oktober 2005 – VIII ZR 382/04 – NJW 2006, 211).

69

Hieran gemessen ist die Ausschlussfristenregelung des § 12 des Arbeitsvertrags der Parteien intransparent. Die Klausel stellt die Rechtslage irreführend dar und suggeriert dem durchschnittlichen Arbeitnehmer, er müsse auch seinen Anspruch auf Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) innerhalb der dort vorgesehenen Fristen außergerichtlich und gerichtlich geltend machen. Damit besteht die Gefahr, dass bei Verstreichen dieser Fristen der Arbeitnehmer den Anspruch auf Mindestlohn nicht mehr durchsetzt, obwohl nach § 3 MiLoG noch kein Verfall eingetreten ist. Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss im Anwendungsbereich des MiLoG – hier zutreffend – der Anspruch auf den Mindestlohn nach § 1 MiLoG von einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel klar und deutlich ausgenommen werden (BAG 28. August 2016 aaO mit weiteren Nachweisen zu der vergleichbaren Regelung über den Mindestlohn in der Pflegebranche).

70

Diese notwendige Klarstellung fehlt in der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung der Parteien.

71

Es ist unerheblich, dass die Parteien vorliegend nicht um Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz streiten, denn die intransparente Regelung bezogen auf die klägerischen Ansprüche aus diesem Gesetz führt zur vollständigen Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Verfallsklausel, denn sie kann nicht sinnvoll in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufgeteilt werden. Das liegt daran, dass der Klausel eine einschränkende Formulierung fehlt, wie sie in § 12 Punkt 3 des Arbeitsvertrages für den Fall von Ansprüchen aus strafbaren Handlungen ausdrücklich aufgenommen wurde.

72

Eine zusätzliche Einschränkung der zu weitgehend formulierten Ausschlussfrist mittels ergänzender Vertragsauslegung einzufügen, kommt vorliegend nicht in Betracht. Dies würde voraussetzen, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und das Unterbleiben der Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet. Der Wegfall der Klausel muss den Verwender über Gebühr benachteiligen und umgekehrt den Vertragspartner in einem Maße begünstigen, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist (BAG 24. August 2016 aaO). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die bei Wegfall der Verfallklausel greifenden Verjährungsregeln bieten einen hinreichenden Interessenausgleich.

II.

73

Die Berufung ist im Umfang der Zulässigkeit der Feststellungsanträge (2015 und Folgejahre) nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der angemessene Nachtzuschlag im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG im Falle der Klägerin nicht unterhalb von 20 Prozent angesetzt werden kann. Die dagegen vorgetragenen Angriffe der Beklagten rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.

1.

74

Die Höhe des angemessenen Ausgleichs für die Nachtarbeit der Klägerin nach § 6 Absatz 5 ArbZG beträgt mindestens 20 Prozent pro geleisteter Nachtarbeitsstunde im Sinne von § 2 Absatz 3 ArbZG (23 Uhr abends bis 6 Uhr morgens).

75

Die Klägerin kann Ansprüche aus § 6 Absatz 5 ArbZG geltend machen, da sie Nachtarbeitnehmerin im Sinne von § 2 Absatz 5 ArbZG ist, denn sie arbeitet nach Dienstplan in Wechselschicht. Ihr steht ein angemessener Ausgleich für die Nachtarbeit zu, da eine tarifliche Regelung nicht besteht. Weder ist die Beklagte tarifgebunden, noch haben die Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag die Geltung eines Tarifwerks vereinbart.

76

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass im Betrieb der Beklagten und für die Arbeitsaufgabe der Klägerin ein Ausgleich in Höhe von 20 Prozent auf jede Stunde der Nachtarbeit oder eine entsprechende bezahlte Freistellung angemessen im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG ist. Da die Klägerin diese Feststellung nicht mit Rechtsmitteln angegriffen hat, kann und braucht das Berufungsgericht nicht zu entscheiden, ob der angemessene Ausgleich für die Nachtarbeit unter Umständen auch noch höher hätte bewertet werden können.

77

Der Auffassung der Beklagten, das Arbeitsgericht habe den Ausgleich für die Nachtarbeit mit 20 Prozent zu hoch bemessen, kann jedenfalls nicht gefolgt werden.

a)

78

Nach § 6 Absatz 5 ArbZG ist der Arbeitgeber, soweit – wie vorliegend – eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht, verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Absatz 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Absatz 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt.

79

Im Regelfall führt ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von zusätzlichen bezahlten freien Tagen zu einem angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG (BAG 9. Dezember 2015 — 10 AZR 423/14 — BAGE 153, 378 = NZA 2016, 426 = AP Nr. 14 zu § 6 ArbZG). Davon kann es Abweichungen nach oben wie nach unten geben.

80

Im Einzelfall maßgeblich ist die mit der Nachtarbeit verbundene Belastung. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich damit nach der Gegenleistung, für die er bestimmt ist (BAG 9. Dezember 2015 aaO). Die Höhe des Zuschlags auf den Bruttolohn für geleistete Nachtarbeit oder die Anzahl bezahlter freier Tage kann sich gegenüber dem Regelwert in Höhe von 25 Prozent erhöhen, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Aspekten die normalerweise mit Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. In anderen Fällen kann nach § 6 Absatz 5 ArbZG ein geringerer Ausgleich ausreichend sein, nämlich dann, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil beispielsweise in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt oder es sich um einen nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist.

b)

81

Gemessen an diesem Kriterium gibt es vorliegend keinen Anlass, den angemessenen Nachtzuschlag geringer anzusetzen als im Regelfall.

82

Die Beklagte räumt ein, dass die Belastung der in der Nachtschicht eingesetzten Pflegekräfte mit den Belastungen der Pflegekräfte in der Früh- und Spätschicht vergleichbar sei. Die Verringerung der in der Nacht geforderten Leistungen gleiche sich in etwa mit der Erweiterung des Verantwortungsbereichs durch die geringere Personalbesetzung aus.

83

Legt man diese Feststellung zu Grunde, gibt es keinen Anlass, den angemessenen Nachtzuschlag abweichend vom Regelfall mit weniger als 25 Prozent zu bemessen. Denn der Bezugspunkt für den notwendigen wertenden Vergleich ist nicht die Belastung der Früh- und Spätschicht in den Einrichtungen der Beklagten, sondern die übliche Belastung während der Nachtschicht in anderen Betrieben und Branchen. Da die Belastungen in der Nachtschicht in vielen Bereichen durch Überwachungstätigkeiten und Wartezeiten geprägt ist, die nur gelegentliches anlassbezogenes aktives Arbeiten erfordern, reicht schon das Eingeständnis der Beklagten, die Belastung in der Nachtschicht sei mit den Belastungen in der Früh- und Spätschicht vergleichbar, aus, um zu der Feststellung zu gelangen, die Belastungen in der Nachtschicht bei der Beklagten sei höher als die übliche Belastung bei Nachtschichtarbeit.

c)

84

Eine Herabsetzung der Höhe des angemessenen Ausgleichs für die Nachtarbeit mit Rücksicht auf ihre Unvermeidbarkeit in den Pflegeeinrichtungen der Beklagten ist nicht möglich.

85

Von Arbeitgeberseite wird immer wieder – so auch hier – argumentiert, der Nachtzuschlag aus § 6 Absatz 5 ArbZG habe auch eine Steuerungsfunktion. Mit ihm solle die Nachtarbeit verteuert werden, damit Nachtarbeit möglichst nur dort eingerichtet wird, wo dies unvermeidbar sei. Versage diese Steuerungsfunktion, weil es sich um Arbeiten handele, die notwendig allein in den Nachtstunden erledigt werden können, müsse der angemessene Nachtzuschlag um den Anteil des Nachtzuschlags gemindert werden, der auf diese Steuerungsfunktion entfällt. Es gehe also nur noch um den Ausgleich der persönlichen Unannehmlichkeiten der Nachtarbeit für den Arbeitnehmer; ein Zuschlag von 10 Prozent für die Nachtarbeit sei daher im Regelfall ausreichend.

86

Das Berufungsgericht hält dieses Argument nicht für tragfähig. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten hilfsweise davon ausgehen mag, dass die Verteuerung der Nachtarbeit durch § 6 Absatz 5 ArbZG einen Steuerungseffekt hat, könnte dieser bei der Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs für Nachtarbeit allenfalls mit zwei oder drei Prozentpunkten des angemessenen Aufschlags Berücksichtigung finden.

aa)

87

Die gesetzliche Regulierung der Nachtarbeit in § 6 ArbZG beruht auf der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis, dass regelmäßige Nachtarbeit gesundheitsschädlich ist. Die Schädigung tritt allerdings nicht im engen zeitlichen Zusammenhang zur Nachtarbeit auf, sondern sie wirkt sich im Regelfall erst Jahre oder gar Jahrzehnte später aus. Das erhöht die Gefahr, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber die gesundheitlichen Fernwirkungen regelmäßiger Nachtarbeit unterschätzen.

88

Die gesundheitlichen Spätfolgen regelmäßiger Nachtarbeit können nach derzeitigem Stand der Erkenntnis der Arbeitswissenschaften dadurch vermieden oder zumindest abgeschwächt werden, dass Arbeitnehmer, die regelmäßig Nachtarbeit leisten müssen, weniger Stunden in der Woche arbeiten, als andere Arbeitnehmer. Durch die dadurch gewonnenen zusätzlichen Ruhezeiten bekommt der Körper die Chance, sich wieder auf den biologischen Tag-Nacht-Rhythmus einzupendeln. Vor diesem Hintergrund verfolgt § 6 Absatz 5 ArbZG in erster Linie und von seiner gesetzlichen Konzeption her Ziele des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

89

Es bedarf keiner tiefen Begründung, dass die nach dem Gesetz auch mögliche Bezahlung eines Zuschlags in Geld für die Stunden der Nachtarbeit, das mit der Regelung verfolgte Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes konterkariert. Denn die Ausbezahlung eines Nachtzuschlags an Stelle der gesundheitspolitisch gebotenen Gewährung zusätzlicher Freizeit begünstigt das Ausblenden der tatsächlichen gesundheitlichen Risiken der regelmäßigen Nachtarbeit durch alle Beteiligten. Die Auszahlung des Zuschlags führt zu gesundheitspolitischen Fehlentwicklungen, die auf Kosten der betroffenen Arbeitnehmer gehen und im weiteren Sinne damit auch auf Kosten der Sozialversicherungsträger. Wenn man schon die Nachtarbeit verteuern will, hätte man eigentlich konsequenterweise die Beitragspflicht für Nacharbeitnehmer erhöhen müssen.

90

Das Bundesarbeitsgericht hat diese offensichtliche Schwäche der gesetzlichen Arbeitsschutzregelung zur Nachtarbeit erkannt. Das Gericht formuliert seine Kritik sehr vorsichtig und sagt, der Geldzuschlag könne dem Gesundheitsschutz jedenfalls noch mittelbar dienen. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers werde verteuert und das trage dazu bei, Nachtarbeit einzudämmen. Die Nachtarbeit solle damit für Arbeitgeber weniger attraktiv werden (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG = DB 2003, 1175 unter Bezugnahme auf BAG 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - AP Nr. 74 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = NZA 1998, 441).

91

Es mag sein, dass es diesen Zusammenhang zwischen den Kosten der Nachtarbeit und der Häufigkeit der Einrichtung von Nachtarbeit gibt. Das kann aber nicht dazu führen, dass der angemessene Ausgleich für Nachtarbeit, die unvermeidbar ist, geringer ausfällt, als bei nachts durchgeführten Arbeiten, die man auch tagsüber erledigen lassen könnte, denn die gesundheitlichen Risiken der Nachtarbeit ändern sich dadurch nicht. Bezugspunkt der gesetzlichen Ausgleichsregelung in § 6 Absatz 5 ArbZG ist sowohl bei den zusätzlichen freien Tagen als auch bei dem Zuschlag auf das Entgelt die Gesundheit des Arbeitnehmers. Während man durch die freien Tage die Gesundheit des Arbeitnehmers zielgerichtet schützt, gleicht man mit dem Zuschlag in Geld die gesundheitlichen Risiken finanziell aus, die der Arbeitnehmer durch regelmäßiger Nachtarbeit ohne verkürzte Arbeitszeit in Form der Spätfolgen eingeht.

92

Die Steuerungsfunktion des Zuschlags auf das Entgelt bezogen auf die Häufigkeit der Einrichtung von Nachtarbeit tritt als möglicher zusätzlicher Effekt lediglich neben den eigentlichen Zweck des Zuschlags, den Arbeitnehmer für die Übernahme des Risikos wahrscheinlicher gesundheitlicher Spätfolgen zu entschädigen. Fällt der Steuerungseffekt bei Nachtarbeiten, die notwendig nachts zu erledigen sind, weg, berührt das in keiner Weise die Bemessung der angemessenen Entschädigung des Arbeitnehmers für die Übernahme des Gesundheitsrisikos.

bb)

93

Selbst wenn man der Steuerungsfunktion des Zuschlags auf das Entgelt mit der Beklagten eine eigene Bedeutung beimessen wollte, könnte dies keinesfalls dazu führen, den im Regelfall als angemessen anzusehenden Zuschlag in Höhe von 25 Prozent bei unausweichlicher Nachtarbeit zu halbieren oder gar noch weiter abzusenken.

94

Denn die Vorstellung, man könne betriebswirtschaftlich geprägte Entscheidungen zur Einrichtung von Nachtarbeit dadurch beeinflussen, dass man die Nachtarbeit um 25 Prozent oder einen Aufschlag in ähnlicher Größenordnung verteuert, geht an der Realität vollständig vorbei. Angesichts der Vorteile, die längere Laufzeiten für teure hochtechnisierte Maschinen mit sich bringen, könnte man auf die Entscheidungen der Unternehmen allenfalls dann Einfluss nehmen, wenn man die Nachtarbeit – um einmal eine Zahl zu greifen – um den Faktor 3 bis 5 verteuern würde. Da dies an der derzeitigen Gesetzeslage weit vorbeigeht, kann umgekehrt auch der mit der derzeitigen Gesetzeslage unter Umständen nebenbei verbundene Steuerungseffekt nur als vernachlässigbar gering eingeschätzt werden. Wenn man ihn beziffern wollte, könnte man ihn vielleicht mit 2 oder 3 Prozentpunkten aus dem gesamten für angemessen erachteten Nachtzuschlag bemessen. Eine Kürzung des im Regelfall angemessenen Nachtzuschlags in Höhe von 25 Prozent könnte in Bereichen, in denen die Nachtarbeit unvermeidbar anfällt, also allenfalls dazu führen, dass sich der im Regelfall angemessene Zuschlag auf 22 oder 23 Prozent reduziert.

cc)

95

In diesem Zusammenhang ist es auch nicht zutreffend zu argumentieren, auch das Bundesarbeitsgericht halte eine Absenkung des Nachtzuschlags für Arbeiten, die notwendig nachts zu erledigen sind, für geboten oder jedenfalls für möglich. Denn in der jüngsten Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Dezember 2015 (aaO) hatte dieser Aspekt keine Rolle gespielt und das Gericht fasst lediglich die dazu bisher ergangene Rechtsprechung kursorisch zusammen und schließt diesen Teil seiner Ausführungen mit dem Bemerken ab, dass ein Nachtzuschlag in Höhe von 10 Prozent jedenfalls die absolute Untergrenze für alle dahingehenden Gedankenspiele sein müsse (Randnummer 29).

96

Der Umstand, dass die Nachtarbeit in den beiden Einrichtungen der Beklagten in A-Stadt, unvermeidbar ist, kann daher hier nicht dazu führen, den vom Arbeitsgericht als angemessen angesehenen Ausgleichssatz von 20 Prozent noch weiter abzusenken.

d)

97

Selbst wenn man – abermals hilfsweise – das Argument der Beklagten aufgreift und für unvermeidbare Nachtarbeit eine Reduzierung des regelmäßigen Nachtzuschlags in Höhe von 25 Prozent um ungefähr 10 bis 15 Prozentpunkte für denkbar hält, würde das im vorliegenden Falle nicht zu einem teilweisen Obsiegen mit der Berufung führen. Denn die tatsächlichen Belastungen der Beschäftigten der Beklagten in den beiden Einrichtungen in A-Stadt rechtfertigen eine Anhebung des für den Regelfall angemessenen Aufschlags von 25 Prozent um mindestens 5 Prozentpunkte.

98

Im Gegensatz zu einer Nachtwache in einem Krankenhaus – um einmal einen Vergleich zu ziehen – ist die Nachtschicht in den beiden Einrichtungen in A-Stadt nicht durch die Bereitschaftszeiten, sondern durch die tatsächlichen Arbeitseinsätze geprägt. Das liegt zum einen an den chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bewohner oder an ihren geistigen und körperlichen Behinderungen, die beide dazu führen, dass man nicht von einer regelmäßigen Nachtruhe in den Einrichtungen ausgehen kann.

99

Zum anderen ist die Personalbesetzung in der Nacht in den Einrichtungen der Beklagten ausgesprochen gering. Das zeigt sich besonders in der psychiatrischen Einrichtung W., in der beide Mitarbeiterinnen wegen der Gefahren und der unter Umständen anfallenden Arbeiten stets nur gemeinsam als Team unterwegs sind. Dieses eine Team muss 40 Bewohner in 5 einzelnstehende Gebäuden sowohl bezüglich der vorgeschriebenen Routinen wie auch bezüglich der täglichen Überraschungen ordnungsgemäß durch die Nacht bringen.

100

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch auf die psychische Belastung während der Nachtschichten abgestellt. In der Nacht ist der Verantwortungsbereich, für den die Klägerin zuständig ist, gemessen an der Zahl der ihr anvertrauten Bewohner um den Faktor 5 vergrößert. Ihr obliegt die Gesamtverantwortung für alle Bewohner, was die psychische Belastung der Tätigkeit enorm steigert. Gleichzeitig ist ein fokussiertes Abarbeiten von Routineaufgaben dadurch erschwert, dass ständig parallel dazu die Überwachungsaufgabe weiter erfüllt werden muss.

101

Im Gegensatz zum Arbeitsgericht hält das Berufungsgericht auch die nächtliche Erledigung von Arbeiten, die tagsüber liegengeblieben sind (Pflegedokumentation und sonstige Büroarbeit), für belastungserhöhend. Es mag sein, dass diese Aufgabe eigentlich zu den Aufgaben der Früh- und Spätschicht gehören. Die Beklagte hat sich aber auf das Argument der Klägerin, in der Früh- und Spätschicht sei die Belastung so groß, dass solche Arbeiten gelegentlich liegen bleiben bzw. in die Nachtschicht geschoben würden, nicht substantiiert eingelassen. Das Gericht muss also davon ausgehen, dass in den anderen Schichten nicht genügend Zeit für die Erledigung dieser Aufgaben verbleibt. Da die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die Klägerin diese Aufgaben nicht zu erledigen braucht, müssen sie bei der Bewertung der Belastungen in der Nachtschicht mitberücksichtigt werden. Da es sich um Arbeiten handelt, die nicht notwendig in der Nachtschicht erledigt werden müssen, rechtfertigt allein schon diese ungeschickte Betriebsorganisation einen sichtbaren Aufschlag.

102

Dass das Arbeitsgericht in der Gesamtabwägung der Faktoren, die die Angemessenheit des Zuschlags im vorliegenden Falle steigern oder abschwächen können, zu dem Ergebnis gelangt, dass jedenfalls ein Zuschlag von 20 Prozent als angemessen anzusehen ist, ist vor dem geschilderten Hintergrund nicht zu kritisieren. Neue Gesichtspunkte, die eine weitere Reduzierung des als angemessen anzusehenden Zuschlags rechtfertigen, sind im Berufungsrechtszug nicht vorgetragen worden.

e)

103

Die von der Beklagten als Hilfs-Abwägungskriterium angeführte Gesamtbetriebsvereinbarung, nach der allen Beschäftigten zugesagt wird, für Nachtarbeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr ein Zuschlag in Höhe von 1,00 Euro brutto pro Stunde zu gewähren, ist für die Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs nach § 6 Absatz 5 ArbZG ohne eigenen Erkenntniswert.

104

Dem Betriebsrat steht bei der Bemessung der richtigen Höhe des angemessenen Zuschlags im Sinne von § 6 Absatz 5 ArbZG kein Mitbestimmungsrecht zu (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – AP Nr. 74 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = NZA 1998, 441). Eine gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat in einer Betriebsvereinbarung verschriftliche Zusage des Arbeitgebers, Nachtzuschläge in einem gewissen Mindestumfang zu leisten, hat daher keinerlei Aussagekraft in Bezug auf die Angemessenheit des angebotenen Ausgleichs. Es ist und bleibt eine einseitige Zusage des Arbeitgebers.

2.

105

Die Beklagte hat den klägerischen Anspruch auf Leistung eines Zuschlags auf das Entgelt für die Stunden der Nachtarbeit in Höhe von 20 Prozent bisher nicht annähernd erfüllt.

106

Die Klägerin bezieht ein regelmäßiges Monatseinkommen in Höhe von 1.800,00 Euro brutto Dem regelmäßigen Entgelt steht eine wöchentliche Arbeitspflicht der Klägerin im Umfang von 35 Stunden gegenüber. Geht man von 13 Wochen im Quartal aus, ergibt sich daraus ein Wochenentgelt in Höhe von 415,38 Euro brutto. Daraus ergibt sich ein Stundenlohn in Höhe von 11,87 Euro brutto.

107

20 Prozent von 11,87 Euro berechnen sich auf 2,37 Euro. Dieser Aufschlag steht der Klägerin pro Stunde der gesetzlichen Nachtarbeitszeit zu. Die Beklagte hat bisher lediglich 1,00 Euro pro Stunde als Aufschlag gezahlt, so dass die Klägerin einen unerfüllten Anspruch auf weiteren Zuschlag in Höhe von 1,37 Euro pro Stunde Arbeit während der gesetzlichen Nachtarbeitszeit hat.

3.

108

Für die Zuschläge auf das Entgelt bis zu dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Beklagte ihr Wahlrecht ausgeübt. Sie hat sich für die Zahlung eines angemessenen Zuschlags auf das Entgelt für die Stunden der Nachtarbeit entschlossen. Daher ist der auf die Vergangenheit bezogene Urteilstenor zu 1 auf weitere Zahlung gerichtet.

109

Für die Zuschläge, die ab dem Datum der gerichtlichen Entscheidung im Oktober 2017 fällig werden, steht der Beklagten noch das Wahlrecht zu. Der Urteilstenor zu 2 ist daher auf wahlweise Zahlung oder Freistellung gerichtet.

4.

110

Auch der Feststellungsantrag zu 3 ist begründet.

111

Zwischen den Parteien besteht Streit, in welchem Umfang die Beklagte berechtigt ist, die von ihr gezahlten Zuschläge wegen Nachtarbeit aus den Arbeitszeiten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens auf die gesetzliche Nachtarbeit von 23 Uhr bis 6 Uhr morgens anzurechnen.

112

Insoweit ist festzustellen, dass die Beklagte nur solche Zahlungen auf den gesetzlich geschuldeten Nachtzuschlag als Teilerfüllungshandlung anrechnen kann, die für die gesetzlich definierte Nachtzeit geleistet werden. Da die gesetzliche Nachtzeit erst um 23 Uhr beginnt, kann die Beklagte einen Zeitzuschlag, den sie ausdrücklich für die Zeit von 22 Uhr bis 23 Uhr leistet, auf den geschuldeten Zuschlag nicht verrechnen (vgl. BAG 9. Dezember 2015 aaO Randnummer 51).

III.

113

Die Berufung ist lediglich erfolgreich, soweit sich die Beklagte dagegen zur Wehr setzt, dass das Arbeitsgericht die begehrten Feststellungen auch für die Jahre 2013 und 2014 getroffen hat.

114

Die Klage ist insoweit unzulässig. Das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung fehlt für die Teilansprüche aus 2013 und 2014, da die Klägerin aus ihrem Obsiegen für diese Zeit keine Zahlungsansprüche mehr ableiten könnte, da diese verfallen sind. Damit würde sich die begehrte Feststellung auf eine gutachterliche Stellungnahme ohne praktische Konsequenzen reduzieren, was das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO entfallen lässt.

115

Bis zum Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1. Januar 2015 hatte die Ausschlussklausel der Parteien aus dem Arbeitsvertrag aus August 2012 vor dem Gesetz Bestand. Sie hält die Mindestlaufzeit von 3 Monaten ein, und sie ist mit dem Bundesarbeitsgericht dahin einschränkend auszulegen, dass von ihr in Anlehnung an das gesetzliche Leitbild aus § 202 Absatz 1 BGB keine Ansprüche aus Vorsatzhaftung erfasst sein sollten (BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12 – AP Nr. 14 zu § 305 BGB = DB 2013, 2452 = NJW 2013, 3741). Neben den allgemeinen Überlegungen, die das Bundesarbeitsgericht für diese einschränkende Auslegung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung angeführt hat, kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die Arbeitsvertragsparteien das Gewollte auch bereits dadurch indirekt zum Ausdruck gebracht haben, dass nach § 12 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages die Ausschlussfrist nicht gelten soll für "Ansprüche aus strafbaren Handlungen."

116

Das erkennende Gericht schließt sich aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts in der zitierten Entscheidung an. Der hier eingenommene Standpunkt weicht allerdings von Entscheidungen eines anderen Landesarbeitsgerichts ab (LAG Hamm 1. August 2014 – 14 Ta 344/14; LAG Hamm 11. Oktober 2011 – 14 Sa 543/11 – NZA-RR 2011, 75). In den zitierten Entscheidungen des LAG Hamm wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Standpunkt eingenommen, dass es nicht möglich sei, eine Allgemeine Geschäftsbedingung wie sie hier in Form der Ausschlussfristenregelung vorliegt, gegen ihren Wortlaut einschränkend auszulegen. Vielmehr sei eine zu weitgehend formulierte Geschäftsbedingung generell unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion durch Auslegung finde nicht statt. In einer Entscheidung, die erst nach Verkündung des vorliegenden Urteils veröffentlicht wurde, hat sich das Bundesarbeitsgericht nochmals und ablehnend mit dem Standpunkt des LAG Hamm auseinandergesetzt (BAG 28. September 2017 – 8 AZR 67/15 – Randnummer 61 ff; Vorinstanz LAG Hamm 25. November 2014 – 14 Sa 463/14).

C.

117

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu 4/5 zu tragen, da das von ihr eingelegte Rechtsmittel bei wertender Betrachtung weit überwiegend keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO). Den übrigen Anteil trägt die Klägerin aufgrund ihres Unterliegens mit den Teilansprüchen aus den Jahren 2013 und 2014.

118

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) sind bezogen auf die Bestimmung der Höhe des angemessenen Nachtzuschlags nach § 6 Absatz 5 ArbZG nicht erfüllt, da sich die vorliegende Entscheidung an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Dezember 2015 (aaO) ausrichtet. Die Revision hat das Gericht lediglich für die Klägerin zugelassen, und zwar nur in dem Umfang, in dem die Berufung der Beklagten erfolgreich war (oben B.III der Entscheidungsgründe).

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