Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (10. Kammer) - 10 Ta 203/11

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30. August 2011, Az.: 7 Ca 851/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Die Beklagte beschäftigt sich hauptsächlich mit der Vermittlung von Immobilien. Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 28./29.01.2010 eine „Vereinbarung über eine freie, selbständige Vertriebspartner-Kooperation“. Die Beklagte kündigte dieses Vertragsverhältnis am 01.09.2010 fristlos. Mit Rechnung vom 01.03.2011 verlangt sie von der Klägerin die Zahlung von € 11.090,80 wegen verschiedener Serviceleistungen (Einarbeitung zweitägiges Basis-Seminar € 2.490,00, Einrichtung eines User-Accounts € 180,00; Nutzung des Internetportals mtl. € 290,00; Organisation, Administration, Vertriebspartner-Hotline, technischer und kaufmännischer Support mtl. € 375,00, zzgl. Mehrwertsteuer). Inzwischen ist die Klägerin als Immobilienmaklerin in einem Z. Immobiliencenter in Y.-Stadt tätig. An die Adresse dieses Centers richtet die Beklagte ihre Post an die Klägerin.

3

Mit ihrer am 25.05.2011 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage beantragt die Klägerin im Wesentlichen,

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festzustellen, dass die Beklagte gegen sie keinen Zahlungsanspruch in Höhe von € 11.095,80 hat,
der Beklagten zu verbieten, mit ihr über Kontaktdaten der Firma Z. X. W. V. per Post, elektronisch oder in sonstiger Weise zu korrespondieren oder korrespondieren zu lassen, wie per Post an Z. X. W. V., U.-Straße, Y.-Stadt geschehen.

5

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs.

6

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.08.2011 (Bl. 122-141 d.A.) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der ihr am 09.09.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.09.2011 sofortige Beschwerde eingelegt.

7

Zur Begründung führt sie aus, die Gerichte für Arbeitssachen seien nach § 5 Abs. 3 ArbGG zuständig, denn ihr sei im Sinne des § 92a Abs. 1 HGB nach Art und Umfang der von ihr verlangten Tätigkeit nicht möglich gewesen, für einen anderen Unternehmer tätig zu werden. Der Vertriebspartnervertrag sei auf den Aufbau einer Vollexistenz gerichtet worden. Es habe einer vollschichtigen Tätigkeit bedurft, die keine Tätigkeit in anderen Branchen oder anderen Geschäftsfeldern oder gar bei anderen Arbeitgebern zugelassen habe. Immerhin habe sie nach der dreimonatigen Probezeit im Durchschnitt drei Vermietungen oder einen Verkauf Mindestumsatz je Kalendermonat erreichen müssen. Um diesen Durchschnitt zu erreichen, habe es erheblicher Vorlaufzeiten, intensiver Werbung, Telefongesprächen mit Interessenten, Besichtigungsterminen etc. bedurft. Im Übrigen spreche für ihre ausschließliche Tätigkeit für die Beklagte bereits die Pflicht des Handelsvertreters zur Wahrnehmung der Interessen des Unternehmers.

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Mit Beschluss vom 27.09.2011 (Bl. 151-153 d.A.) hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

9

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

10

Die nach §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 Abs. 1, 78 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.

11

Das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg verwiesen. Das Beschwerdegericht folgt uneingeschränkt den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss und stellt dies in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen fest. Die Ausführungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift vom 19.09.2011 und im Schriftsatz vom 14.10.2011 rechtfertigen keine Abänderung der Entscheidung.

12

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist weder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG noch nach § 5 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 3 S. 1 ArbGG eröffnet.

13

1. Das Arbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG anzusehen ist. Nach dieser Vorschrift ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen auch für solche Personen gegeben, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

14

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. An die Stelle der das Arbeitsverhältnis prägenden persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Wirtschaftliche Abhängigkeit ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist (BAG 21.12.2010 - 10 AZB 14/10 - m.w.N). Der wirtschaftlich Abhängige muss außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein.

15

Die Klägerin war nach diesen Kriterien keine arbeitnehmerähnliche Person. Ihre wirtschaftliche Existenz bestimmte sich nach Art und Umfang der selbständig ausgeübten Tätigkeit als Immobilienmaklerin. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte sich die Klägerin „aussuchen“ für wen sie Maklerleistungen erbringt. Sie war nicht von der Beklagten abhängig und erhielt von ihren Kunden eine Maklercourtage, von der ihr ein Anteil von mindestens 85 % zustehen sollte.

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2. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG. Danach gelten Handelsvertreter (ausnahmsweise) dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als € 1.000,00 aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Zu diesem Personenkreis gehörte die Klägerin nicht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin für die Beklagte nicht als Handelsvertreterin im Sinne des § 84 HGB tätig war. Die Klägerin hat keine Geschäfte für die Beklagte vermittelt oder in deren Namen abgeschlossen. Sie hat vielmehr auf eigene Rechnung und in eigenem Namen gehandelt.

III.

17

Die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

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Die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.

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