Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 626/11

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.9.2011 - 7 Ca 632/11 - teilweise wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 6.10.2010 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.655,- € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 400,- € seit dem 1.11.2010, 1.12.2010, 1.1.2011, 1.2.2011, 1.3.2011 und 1.4.2011 sowie aus 255,- € seit dem 1.10.2010.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren letztlich noch um Arbeitsentgeltansprüche des Klägers.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.08.2010 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.

3

Mit seiner am 18.02.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 29.03.2011 erweiterten Klage hat der Kläger die Beklagte u.a. auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für den Zeitraum von September 2010 bis März 2011 in Anspruch genommen. Die Beklagte hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens u.a. geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei durch eine innerhalb der Probezeit mit Schreiben vom 06.10.2010 (Bl. 10 d.A.) unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen erklärten Kündigung beendet worden.

4

Der Kläger hat erstinstanzlich bezüglich seiner Zahlungsansprüche im Wesentlichen geltend gemacht, bei Abschluss des Arbeitsvertrages sei die Zahlung eines monatlichen Fixums von 400,00 Euro brutto vereinbart worden, wobei er seine Arbeitsleistung jeweils auf Abruf habe erbringen sollen. Dementsprechend habe er für August 2010 noch eine Arbeitsvergütung von der Beklagten in der vereinbarten Höhe von 400,00 Euro erhalten. Für September 2010 habe ihm die Beklagte jedoch lediglich 145,00 Euro ausgezahlt, so dass noch 255,00 Euro brutto offenstünden. Im Oktober 2010 habe er nicht mehr gearbeitet, weil die Beklagte seine Arbeitsleistung nicht mehr abgerufen habe. Er habe seine Arbeit jedoch mehrfach angeboten. Bereits in einem Gespräch mit der Beklagten am 21.09.2010 habe er sich darüber beschwert, dass er nicht zur Arbeit eingeteilt werde.

5

Der Kläger hat beantragt,

6

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Oktobergehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen,

7

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Novembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 zu zahlen,

8

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Dezembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen,

9

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Januargehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen,

10

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 255,00 EUR brutto (Rest Septembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2011 zu zahlen,

11

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum August 2010 bis März 2011 Lohnabrechnungen zu erteilen,

12

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Februargehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2011 zu zahlen,

13

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 EUR brutto (Märzgehalt) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen,

14

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 06.10.2010 innerhalb der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen beendet worden ist, sondern weiterhin fortbesteht.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen,

17

und im Wege der Widerklage beantragt,

18

den Kläger zu verurteilen, es zu unterlassen die wahrheitswidrige Behauptung zu verbreiten, sein Arbeitslohn sei von der Beklagten aufgrund von Liquiditätsproblemen nicht gezahlt worden,

19

dem Kläger anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein angemessenes Zwangsgeld gegen ihn festgesetzt wird,

20

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte ein angemessenes, den Betrag von 2.500,00 EUR nicht unterschreitendes Schmerzensgeld zu zahlen.

21

Die Beklagte hat erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, der Kläger habe auf Basis eines von der ARGE geförderten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses in den Monaten August und September insgesamt 543,00 Euro verdient. Arbeit auf Abruf sei nicht vereinbart worden.

22

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.09.2011 (Bl. 68 - 72 d.A.).

23

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 15.09.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 06.10.2011 aufgelöst worden ist und die Klage des Klägers im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 12 dieses Urteils (= Bl. 73 - 78 d.A.) verwiesen.

24

Gegen das ihm am 14.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.11.2011 Berufung eingelegt und diese am 14.12.2011 begründet.

25

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, in dem zwischen ihm und der Beklagten geführten Einstellungsgespräch sei ein Fixgehalt von 400,00 Euro und eine wöchentliche Arbeitszeit von 14 Stunden vereinbart worden, wobei der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt worden sei, die Arbeitszeit frei einzuteilen und abzurufen. Dieser Inhalt des auf Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses ergebe sich auch aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 17.07.2010 sowie aus deren Vermittlungsvorschlag vom 25.06.2010 und letztlich auch aus einem von ihm - dem Kläger - an das Jobcenter A-Stadt gerichteten Schreiben, in dem ebenfalls sowohl die Arbeitsvergütung von 400,00 Euro monatlich als auch die wöchentliche Arbeitszeit von 14 Stunden dokumentiert worden sei. Entsprechend dieser Vereinbarung habe er im Monat August 2010 für die Beklagte gearbeitet und hierfür das vereinbarte Gehalt in Höhe von 400,00 Euro in bar erhalten. Für den Monat September 2010 habe die Beklagte lediglich noch 145,00 Euro ausgezahlt. Bereits in einem Gespräch vom 21.09.2010 habe er sich bei der Beklagten darüber beschwert, dass er nicht mehr zur Arbeit eingeteilt werde. Auch im Oktober 2010 habe er mehrfach bei der Beklagten telefonisch um Arbeitseinteilung gebeten. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte seinen Sachvortrag weder bezüglich des Inhalts des Arbeitsvertrages noch hinsichtlich des am 21.09.2010 geführten Gesprächs bestritten habe.

26

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 14.12.2011 (Bl. 134 - 136 d.A.) Bezug genommen.

27

Der Kläger beantragt,

28

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

29

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Oktobergehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.

30

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Novembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 zu zahlen.

31

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Dezembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

32

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Januargehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.

33

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 255,00 Euro brutto (Rest Septembergehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.

34

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Februargehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2011 zu zahlen.

35

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,00 Euro brutto (Märzgehalt) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Die Beklagte hat das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht erwidert.

39

Die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil ihrerseits am 08.11.2011 Berufung eingelegt, diese jedoch nicht begründet und in der Berufungsverhandlung vom 16.01.2013 zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

I.

40

Die statthafte Berufung des Klägers ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

II.

41

Die Zahlungsklage ist begründet.

42

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von September 2010 bis einschließlich März 2011 in Höhe von insgesamt 2.655,00 Euro brutto.

43

a) Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, nach dessen Inhalt der Kläger ab dem 01.08.2010 bei der Beklagten gegen eine Arbeitsvergütung von 400,00 Euro brutto monatlich und einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden beschäftigt war, wobei die Beklagte vereinbarungsgemäß zur freien Einteilung der Arbeitszeit ("Arbeit auf Abruf", § 12 TzBfG) berechtigt war.

44

Die diesbezüglichen, vom Kläger dargelegten Arbeitsbedingungen gelten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Nach dieser Vorschrift sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Entsprechendes gilt, wenn eine Partei ihrer Pflicht, sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachkommt (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 138 Rd.Ziff. 8).

45

Die Beklagte hat den Sachvortrag des Klägers weder bezüglich des vereinbarten Arbeitsentgelts (400,00 Euro brutto monatlich) noch bezüglich der vereinbarten Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit (14 Stunden) bestritten. Lediglich die Behauptung des Klägers, es habe sich um ein sog. Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG gehandelt, hat die Beklagte in Abrede gestellt. Aber auch insoweit ist die Beklagte ihrer Erklärungspflicht aus § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend nachgekommen, da sie ihrerseits keinerlei Angaben dazu gemacht hat, wie die Arbeitszeit des Klägers nach dem Vertragsinhalt verteilt werden sollte. Der gesamte Sachvortrag des Beklagten besteht insoweit in der Behauptung, der Kläger habe auf der Basis eines von der ARGE geförderten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses in den Monaten August und September insgesamt 543,00 Euro verdient. Dieses Vorbringen lässt weder erkennen, für welche geleistete Arbeitszeit diese Vergütung ausgezahlt wurde, noch aus welchen Gründen dem Kläger bereits ab einem im September 2010 gelegenen Zeitpunkt keine Arbeitsvergütung mehr zugestanden haben soll.

46

b) Soweit die Beklagte den Kläger im September 2010 nicht im arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang und ab Oktober 2010 überhaupt nicht mehr eingesetzt hat, ist sie mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers in Verzug geraten (§ 615 BGB). Die Beklagte befand sich auch unabhängig von einem wörtlichen oder tatsächlichen Arbeitskraftangebot des Klägers in Annahmeverzug, weil sie ihrer Mitwirkungsverpflichtung (§ 296 BGB) nicht gerecht geworden ist. Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitgeber, die geschuldete Arbeit zuzuweisen und dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots durch den Arbeitnehmer bedarf (vgl. BAG v. 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - AP Nr. 79 zu § 615 BGB). Dies gilt (auch) im ungekündigten Arbeitsverhältnis jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber - wovon vorliegend, wie bereits ausgeführt, auszugehen ist - den Abruf der Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall vorbehalten hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht zur Arbeitsleistung im vereinbarten Umfang bereit war, bestehen nicht. Vielmehr hat sich der Kläger unstreitig bereits am 21.09.2010 gegenüber der Beklagten über seine Nichteinteilung zur Arbeit beschwert und seine Leistungsbereitschaft dadurch hinreichend zum Ausdruck gebracht. Letztlich ist die Beklagte infolge der nach ihrer Behauptung erklärten, jedoch nach Maßgabe des insoweit rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils unwirksamen Kündigungserklärung vom 06.10.2011 mit Ablauf der dort genannten Kündigungsfrist von zwei Wochen ohnehin mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug geraten (vgl. BAG v. 19.01.1999, a.a.O.).

47

c) Die Beklagte schuldet dem Kläger daher für den Monat September 2010 restliche Arbeitsvergütung in Höhe von 255,00 Euro brutto und für die Monate Oktober 2010 bis einschließlich März 2011 jeweils 400,00 Euro brutto, wobei die einzelnen Beträge ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen sind.

III.

48

Nach alledem war der Zahlungsklage unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

50

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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