Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 SaGa 2/14

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19.03.2014 - 4 Ga 7/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Verfügungskläger die Weiterbeschäftigung bei der Verfügungsbeklagten verlangen kann.

2

Der Kläger ist seit 1990 als Lkw-Fahrer bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Er hat zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von ca. 3.500,00 EUR erzielt.

3

Am 20.06.2013 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen des Verdachts eines Arbeitszeitbetruges außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.01.2014 gekündigt. Dagegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Das Verfahren ist im erstinstanzlichen Rechtszug durch Klage stattgebendes Urteil inzwischen abgeschlossen (Arbeitsgericht Trier, 4 Ca 836/13); die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt.

4

Erstinstanzlich hat der Kläger in diesem Kündigungsschutzverfahren allein die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt. Einen Weiterbeschäftigungsantrag hat er im gesamten Verlauf des Verfahrens - auch im zweitinstanzlichen Rechtszug - nicht gestellt. Im laufenden erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahren hat der Verfügungskläger allerdings im Wege eines Antrags auch im Wege seiner einstweiligen Verfügung seine Beschäftigung beantragt. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen mit der Begründung, dass ein Fall der offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung nicht gegeben sei und neben dem rein finanziellen, durch Annahmeverzugsansprüche ggf. abgesicherten Interesse des Klägers kein überwiegendes Interesse an seiner Beschäftigung bei der Beklagten im Rahmen des laufenden Rechtsstreits erkennbar gewesen sei.

5

Der Kläger hat vorgetragen,
wegen der erstinstanzlich festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung sei er nunmehr weiter zu beschäftigen.

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Der Kläger hat beantragt,

7

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Kläger unverzüglich weiter zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

9

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

10

Die Beklagte hat vorgetragen,
ein Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil der Kläger es verabsäumt habe, einen entsprechenden Antrag im Hauptsache-Kündigungsschutzverfahren zu stellen. Außerdem sei die Kündigung, wie sich im Berufungsverfahren erweisen werde, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, wirksam.

11

Das Arbeitsgericht Trier hat daraufhin durch Urteil vom 19.03.2014 - 4 Ga 7/14 - den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 125 bis 128 d. A. Bezug genommen.

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Gegen das ihm am 26.03.2014 zugestellte Urteil hat der Verfügungskläger durch am 16.04.2014 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung durch am 05.05.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

13

Der Verfügungskläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, aufgrund der erstinstanzlichen Feststellungsentscheidung im Hauptsacheverfahren bestehe nunmehr ein überwiegendes Interesse des Verfügungsklägers an der Weiterbeschäftigung. Demgegenüber habe die Beklagte Gründe, die geeignet seien, ihn trotz obsiegender erstinstanzlicher Kündigungsschutzklage weiterzubeschäftigen, weder dargetan, noch seien solche sonst wie tatsächlich vorhanden. Es sei zudem evident, dass die Berufung der Berufungsbeklagten durch das erstinstanzliche Urteil des Hauptsacheverfahrens erfolglos sein müsse. Des Weiteren habe er mittlerweile ein brennendes, zeitnahes vorrangiges Interesse an seiner Weiterbeschäftigung, da aufgrund der gesetzlichen Regelung der Anspruch des Berufungsklägers auf Bezug von Arbeitslosengeld im Juni 2014 auslaufe und er sodann nahtlos in den Bezug von Hartz IV überstellt werde.

14

Zur weiteren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens des Berufungsklägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.05.2014 (Bl. 146 bis 148 d. A.) Bezug genommen.

15

Der Berufungskläger beantragt,

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unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 19.03.2014 - 4 Ga 7/14 - die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Kläger unverzüglich weiter zu beschäftigen.

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Die Verfügungsbeklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die maßgebliche Interessenabwägung müsse eindeutig zugunsten der Beklagten ausfallen mit der Folge, dass schon deshalb ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers zu verneinen sei. Dem Kläger gehe es ausschließlich um finanzielle Belange. Die tatsächliche Ausübung seiner Tätigkeit stehe noch nicht einmal im Hintergrund, sie spiele für ihn überhaupt keine Rolle. Auch fehle es an der Eilbedürftigkeit der hier vorliegenden Entscheidung als zwingende gesetzliche Voraussetzung.

20

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten im zweitinstanzlichen Rechtszug wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.06.2014 (Bl. 153 bis 156 d. A.) Bezug genommen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

22

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.07.2014.

Entscheidungsgründe

I.

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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

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Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

25

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gerichtet auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten unbegründet ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch das Rechtsmittel der Berufung als unbegründet, so dass die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen ist.

26

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG (Großer Senat 27.02.1985 EzA § 626 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die wechselseitige Interessenlage nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung, die insbesondere auf der Ungewissheit der nachträglichen Feststellung von deren Unwirksamkeit beruht, ein aus §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB (ausgefüllt durch die Wertentscheidungen der Artikel 1, 2 GG) abgeleiteter allgemeiner Beschäftigungsanspruch besteht. Dies gilt auch für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses, wenn die umstrittene Kündigung des Arbeitsverhältnisses letztlich unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis deshalb auch während des Kündigungsschutzprozesses fortbesteht (ex-post-Betrachtung); Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Auflage 2014, Kap. 4, Rn. 1490 ff. = S. 2052 ff.).

27

Unabhängig vom Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die insoweit angereichert werden durch prozessuale Überlegungen, kann der Arbeitnehmer den Antrag regelmäßig als unbedingten Hauptantrag ergänzend im Kündigungsschutzprozess stellen; eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bedarf es folglich in der Regel nicht (vgl. BAG 08.11.1988 EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 30). Daneben kann der Weiterbeschäftigungsanspruch zwar auch durch eine einstweilige Verfügung geltend gemacht werden; obwohl dieser Anspruch bereits ein überwiegendes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers voraussetzt, wird dadurch allerdings nicht bereits der Verfügungsgrund indiziert (Schäfer, Der einstweilige Rechtsschutz im Arbeitsrecht, Rn. 74), denn auch ein nach objektiven Kriterien als überwiegend einzustufendes Beschäftigungsinteresse ist im Wege der einstweiligen Verfügung nur sicherungsfähig, wenn es im Hauptsacheverfahren nicht ausreichend gesichert werden kann. Wegen der Möglichkeit, den Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsschutzverfahren zu verfolgen und der Abhängigkeit des Anspruchs vom Erfolg im Kündigungsschutzverfahren wird eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung allerdings in der Regel nicht in Betracht kommen; (LAG Köln 18.08.2000 NZA-RR 2001, 387; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Rn. 3511). Wird die einstweilige Verfügung zudem auf finanzielle Gründe gestützt, kann die erforderliche Dringlichkeit nur zur Abwehr einer sonst eintretenden wirtschaftlichen Notlage bejaht werden (LAG Hamm 26.10.2005 - 2 Sa 1682/05 -, EzA-SD 12/06, S. 14 LS). Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn der Arbeitnehmer bei Einreichung der Kündigungsschutzklage aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist, zeitgleich ein Weiterbeschäftigungsantrag anhängig zu machen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Beschäftigung Gründe in seiner Person (z. B. Arbeitsunfähigkeit) oder im Betrieb (z. B. zeitweilige Unmöglichkeit der Beschäftigung im Betrieb) entgegenstehen. In diesen Fällen kann sich erst nach Behebung der Beschäftigungshindernisse ein Verfügungsgrund ergeben. Zudem sind Fälle denkbar, in denen das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers so gewichtig ist, dass der vorläufige Rechtsschutz auch vor Erlass einer die Unwirksamkeit der Kündigung feststehenden Entscheidung erforderlich erscheint.

28

Diese Voraussetzungen sind vorliegend mit dem Arbeitsgericht ersichtlich nicht gegeben. Zum einen beruft sich der Verfügungskläger im Wesentlichen auf finanzielle Interessen, die durch den hier streitgegenständlichen Weiterbeschäftigungsanspruch weder unmittelbar berührt noch überhaupt geschützt sind. Um das ideelle Beschäftigungsinteresse geht es ihm ersichtlich nicht. Zum anderen sind Hinderungsgründe, den Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsschutzverfahren als Hauptantrag geltend zu machen, nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Wäre der Verfügungskläger so verfahren, hätte er mit der erstinstanzlichen Entscheidung auch einen vollstreckbaren Titel über die Weiterbeschäftigung streiten können. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Eilbedürftigkeit, die stets Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, auch nicht im Hinblick darauf bejahen, dass mit jedem Tag der Nichtbeschäftigung der Beschäftigungsanspruch für diesen Tag letztlich vereitelt wird. Denn zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer das Verfügungsverfahren nicht mit dem nötigen Nachdruck betreibt und insgesamt deutlich wird, dass ein Eilbedürfnis offenbar nicht besteht (vgl. LAG Nürnberg 17.08.2004, LAGE § 102 BetrVG 2001 Beschäftigungspflicht Nr. 2), kommt die Bejahung eines Verfügungsgrundes nicht in Betracht. Gleiches gilt dann, wenn der Arbeitnehmer 3 ½ Monate lang auf jeglichen Rechtsschutz gegen die Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verzichtet und erst fast 2 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigungsverfügung beantragt (LAG München 17.12.2003 NZA-RR 2005, 312 LS). Vor diesem Hintergrund kommt eine Eilbedürftigkeit aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Lebenssachverhalts ersichtlich nicht in Betracht. Denn der Verfügungskläger hat zum einen über einen langen Zeitraum die Geltendmachung des Verfügungsanspruchs verabsäumt, von der Möglichkeit, diesen im Hauptsacheverfahren mit der Möglichkeit eines entsprechenden vollstreckbaren Titels keinen Gebrauch gemacht und sich schließlich im Verfügungsverfahren selbst allein auf materielle Interessen berufen, die durch den Beschäftigungsanspruch in erster Linie gar nicht geschützt werden.

29

Vor diesem Hintergrund kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht.

30

Das Berufungsvorbringen des Verfügungsklägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tat-sachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht des Verfügungsklägers verständlich - deutlich, dass er der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Vorbringens der Parteien durch das Arbeitsgericht, die die Kammer für zutreffend hält, nicht folgt. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

31

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

33

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

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