Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 44/15

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. November 2014, Az. 2 Ca 719/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen des Beklagten zu 1), das Vorliegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2), Vergütungsansprüche und darüber, ob die Klägerin von der Beklagten zu 2) weiterzubeschäftigen oder wiedereinzustellen ist.

2

Die 1969 geborene Klägerin war seit September 1997 bei der E. Bordnetzsysteme GmbH (Schuldnerin) zu einem monatlichen Festlohn von zuletzt € 2.065,00 brutto beschäftigt. Am 31.08.2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (9 IN 29/12) und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Der Beklagte zu 1) hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2012 zum 28.02.2013 gekündigt. Im Betrieb waren damals 98 Arbeitnehmern beschäftigt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage der Klägerin mit - rechtskräftigem - Urteil vom 16.05.2013 (Az. 2 Ca 1739/12) stattgegeben. In diesem Rechtsstreit hat die Klägerin in der Klageschrift vom 12.12.2012 neben der Kündigungsschutzklage zusätzlich eine eigenständige allgemeine Feststellungsklage erhoben.

4

Am 21.02.2013 schloss der Beklagte zu 1) mit einem vermeintlich bestehenden, aber nicht mehr existenten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf den verwiesen wird. Sodann erstattete er der Agentur für Arbeit am 21.02.2013 eine Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG. Er zeigte an, dass er alle 91 Arbeitnehmer wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung entlassen wolle. Mit Schreiben vom 22.02.2013 kündigte er - mit Ausnahme der Klägerin, die aufgrund eines Sekretariatsfehlers vergessen worden war - allen Arbeitnehmern, die keinen besonderen Kündigungsschutz genossen, zum 31.05.2013 erneut.

5

Am 15.05.2013 zeigte der Beklagte zu 1) dem Insolvenzgericht gem. § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an. Mit Schreiben vom 23.05.2013 kündigte er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum zweiten Mal, diesmal ordentlich zum 31.08.2013. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete er vor Ausspruch dieser Kündigung nicht mehr. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klageerweiterung vom 22.10.2013.

6

Die Beklagte zu 2), die ihren Geschäftsbetrieb im September 2013 aufgenommen hat, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23.08.2013 gegründet. Mit Schriftsatz vom 22.10.2013 erweiterte die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 2). Sie begehrt die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Außerdem verlangt sie Abrechnung, Feststellung und Zahlung von Vergütung für die Monate von Dezember 2012 bis März 2013 von den Beklagten als Gesamtschuldner.

7

Nachdem im Kammertermin vom 03.04.2014 für beide Beklagten niemand aufgetreten ist, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß folgendes Versäumnisurteil erlassen:

8
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Dezember 2012 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.01.2013 gezahlter € 860,70 netto zusteht.
9
2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Januar 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.02.2013 gezahlter € 172,14 netto sowie weiterer am 01.02.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 853,55 netto zusteht.
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3. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Februar 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2013 abzüglich von der JR P. GmbH gezahlter € 975,24 netto zusteht.
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4. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für März 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.04.2013 abzüglich von der JR P. GmbH gezahlter € 939,24 netto zusteht,
12
5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 nicht zum 31.08.2013 aufgelöst wird.
13
6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 31.08.2013 hinaus fortbesteht.
14
7. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
15
8. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die Klägerin als Maschineneinrichterin auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 16.11.2006 in der Betriebsstätte in E-Stadt als Arbeiterin zu einem durchschnittlichen Monatslohn von zuletzt € 2.291,32 bei einer 40-Stunden-Woche zzgl. Weihnachts- und Urlaubsgeld weiterzubeschäftigen.
16
9. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Dezember 2012 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.01.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.01.2013 gezahlter € 860,70 netto zu zahlen.
17
10. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Januar 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.02.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.02.2013 gezahlter € 172,14 netto sowie weiterer am 01.02.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 853,55 netto zu zahlen.
18
11. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Februar 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2013 abzüglich am 01.03.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 975,24 netto zu zahlen.
19
12. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für März 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.04.2013 abzüglich am 01.04.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 939,24 netto zu zahlen.
20

Gegen dieses Versäumnisurteil, das ihr am 15.04.2014 zugestellt worden ist, hat die Beklagte zu 2) bereits am 15.04.2014 Einspruch eingelegt. Der Beklagte zu 1) hat gegen das ihm am 17.04.2014 zugestellte Versäumnisurteil am 24.04.2014 Einspruch eingelegt.

21

Mit Schreiben vom 24.06.2014 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorsorglich nochmals, diesmal zum 30.09.2014. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.07.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung.

22

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23
1. das Versäumnisurteil vom 03.04.2014 aufrechtzuerhalten,
24
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06.2014 zum 30.09.2014 aufgelöst wird,
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3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 30.09.2014 hinaus fortbesteht.
26

Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt,

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das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

28

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 27.11.2014 (dort Seite 2 bis 8) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat mit dem genannten Urteil das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8 bis 17 des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

29

Gegen das am 08.01.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 06.02.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 09.03.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

30

Sie macht geltend, die Kündigungen des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 und vom 24.06.2014 seien unwirksam. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass an der vollständigen Betriebsstilllegung keine Zweifel bestünden, denn es fehle an hinreichendem Vortrag der Beklagten zur behaupteten Betriebseinstellung sowie deren konsequenter Umsetzung. Das LAG Rheinland-Pfalz habe in Parallelverfahren gegen den Beklagten zu 1) mit Urteilen vom 05.06.2014 (2 Sa 430/13 - Juris) klargestellt, dass keine Betriebsstilllegung vorgelegen habe. Das Arbeitsgericht habe streitige Sachverhalte hinsichtlich der Einstellung des Geschäftsbetriebs zu Unrecht als unstreitig behandelt. Sie habe bestritten, dass andere Investoren nicht mehr zur Verfügung standen, insb. dass die H. GmbH & Co. KG bereits im März 2013 von der Übernahme der Schuldnerin Abstand genommen habe. Sie habe ihre Behauptung, auch im Mai 2013 hätten noch mehrere Investoren Interesse gehabt, nicht "ins Blaue hinein" aufgestellt. Auch diesbezüglich habe das Arbeitsgericht ihre Einwände und Beweisangebote nicht berücksichtigt. Die Kündigung vom 23.05.2013 sei auch mangels Massenentlassungsanzeige unwirksam, § 17 KSchG. Am 23.05.2013 seien noch 44 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Der Beklagte zu 1) habe 16 Kündigungen erklärt, so dass eine Anzeigepflicht bestanden habe.

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Es sei festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei. Sie habe maßgebliche Indizien für einen Betriebsübergang dargelegt und unter Beweis gestellt. Diesen Beweisangeboten sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen. Die Beklagte zu 2) sei verpflichtet, sie zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Aufgrund des Betriebsübergangs und der fehlenden betrieblichen Gründe sowie des Umstands, dass die Kündigung vom 23.05.2013 das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, verfolge sie auch die Feststellung weiter, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die dritte Kündigung vom 24.06. zum 30.09.2014 beendet worden sei. Für den Fall, dass ihren Kündigungsschutzanträgen nicht stattgegeben werden sollte, mache sie hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) geltend.

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Für ihre Anträge gegen den Beklagten zu 1) auf Feststellung ihrer Vergütungsansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 bestehe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein Feststellungsinteresse, denn die Höhe ihrer Forderungen sei streitig.

33

Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 09.03.2015 und vom 08.07.2015 Bezug genommen.

34

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

35

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.11.2014, Az. 2 Ca 719/13, abzuändern und

36
1. das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03.04.2014, Az. 2 Ca 719/13, im Tenor zu Ziff. 1 bis 12, aufrechtzuerhalten,
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06.2014 zum 30.09.2014 aufgelöst wird,
38
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 30.09.2014 hinaus fortbesteht,
39
4. die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldner aufzuerlegen,
40
5. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Kündigungsschutzanträgen, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sie als Maschineneinrichterin auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 16.11.2006 in der Betriebsstätte in E-Stadt als Arbeiterin zu einem durchschnittlichen Monats-gehalt von € 2.291,32 bei einer 40-Stunden-Woche zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld wiedereinzustellen.
41

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

42

die Berufung zurückzuweisen.

43

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 30.03.2015 und vom 14.04.2015, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

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Auch im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 2 Ca 1739/12 (2 Sa 293/13).

Entscheidungsgründe

45

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- sowie fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts gerade noch zu entnehmen, obwohl sie sich überwiegend darauf beschränkt, auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen.

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II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat sämtliche Klageanträge zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) ist durch die Kündigung vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden. Damit bleibt auch die Klage gegen die vorsorgliche Kündigung vom 24.06. zum 30.09.2014 erfolglos. Die Anträge auf Feststellung bestimmter Lohnansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 gegen den Beklagten zu 1) sind unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Gegen die Beklagte zu 2) bestehen daher keine Ansprüche.

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Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt.

48

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) durch die ordentliche Kündigung vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden ist.

49

a) Zwar gilt die Kündigung nicht gem. § 7 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung (§ 4 Satz 1 KSchG) nicht versäumt. Die Frist ist durch den mit der Klageschrift vom 12.12.2012 im abgetrennten Rechtsstreit (Az. 2 Ca 1739/12) angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag gewahrt, den die Klägerin zusätzlich zur Klage gegen die konkret bezeichnete erste Kündigung vom 29.11.2012 gestellt hat. Sie konnte im Rahmen des allgemeinen Feststellungsantrags die zweite Kündigung vom 23.05.2013 noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist am 22.10.2013 in den Prozess einführen und sich auf deren Unwirksamkeit berufen (vgl. ausführlich BAG 26.09.2013 - 2 AZR 682/12 - Juris).

50

b) Die Kündigung vom 23.05.2013 ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

51

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, der auch die Berufungskammer folgt, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig stillzulegen (BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465; LAG Rheinland-Pfalz 05.06.2014 - 2 Sa 430/13 - Rn. 23, Juris).

52

bb) Im Streitfall lag im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 23.05.2013, der zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung maßgeblich ist, ein endgültiger Beschluss des Beklagten zu 1) vor, den Betrieb stillzulegen.

53

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beklagte zu 1) die ihn treffende Darlegungslast für das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt erfüllt hat. Entgegen der Ansicht der Berufung hat er substantiiert dargelegt, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus hat er substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten.

54

Diesem Befund steht nicht entgegen, dass die 2. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz in mehreren Urteilen vom 05.06.2014 (zB. 2 Sa 430/13 - Juris) in den Kündigungsschutzverfahren anderer Arbeitnehmer festgestellt hat, dass die Kündigungen des Beklagten zu 1) vom 22.02.2013 nicht sozial gerechtfertigt waren, weil er zu diesem Zeitpunkt noch mit der H. GmbH & Co. KG in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes gestanden und gewissermaßen "auf Vorrat" gekündigt habe. Die Klägerin kann aus diesen Entscheidungen für sich nichts Günstiges ableiten, weil der Beklagte zu 1) ihr Arbeitsverhältnis erst am 23.05.2013 gekündigt hat. Im Mai 2013 stellte sich die Sachlage anders dar, weil die Schließung des Betriebs ernstlich und endgültig beschlossen war.

55

Der Beklagte zu 1) hat substantiiert vorgetragen, dass ihm kein Interessent ein Kaufangebot zum Unternehmenserwerb unterbreitet oder um konkrete Vertragsverhandlungen über einen Erwerb gebeten habe. Es seien nur allgemeine Interessenbekundungen erfolgt, die sich nach Durchführung der sog. due-diligence-Prüfung erledigt haben. Nur ein Interessent, die H. GmbH & Co. KG, habe ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt. Deren Interesse sei jedoch erloschen, nachdem er ihr mit E-Mail vom 20.03.2013 die Anzahl der Arbeitnehmer mitgeteilt habe, die gegen die Kündigungen Klage erhoben haben. Der Beklagte zu 1) hat diesen Vortrag durch Nennung der Firmennamen und den Ablauf der jeweiligen Korrespondenz untermauert.

56

Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht hinreichend konkret bestritten. Es bestand auch für die Berufungskammer kein Grund, die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen oder eine Ortsbesichtigung durchzuführen. Aus den vom Beklagten zu 1) zur Akte gereichten Unterlagen wird deutlich, dass er im Mai 2013 mit keinem Investor, auch nicht mehr mit der Fa. H. GmbH & Co. KG, in Kontakt stand. Die Klägerin hat keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die ihre erkennbar "ins Blaue" hinein erfolgte Behauptung rechtfertigen könnte, der Beklagte zu 1) habe noch im Mai 2013 beabsichtigt, den Betrieb an die H. GmbH & Co KG oder einen anderen interessierten Investor zu veräußern.

57

Die Klägerin vernachlässigt die objektiver Faktenlage, wenn sie den Vortrag des Beklagten zu 1), dass er am 05.04.2013 alle früheren und aktuellen Kunden mit einem gleichlautenden Serienschreiben über die Einstellung des Geschäftsbetriebs informiert habe, nicht zur Kenntnis nimmt. Auch auf den Vortrag, dass der Beklagte zu 1) Produktionsanfragen von Kunden, soweit nicht die Ausproduktion betroffen gewesen sei, unter Hinweis auf die Einstellung des operativen Geschäfts abgelehnt habe, geht die Klägerin nicht ein. Der Beklagte zu 1) hat weiterhin - von der Klägerin unwidersprochen - vorgetragen und durch Urkunden belegt, was mit den Betriebsmitteln geschehen ist, die er in Übersichten detailliert aufgeführt hat. Danach stand das Gros des Sachanlagevermögens im Eigentum Dritter, nämlich der H. St. GmbH & Co. KG (Holding) und der Schwestergesellschaften. Nur am kleineren Standort hätten verschiedene Vermögensgegenstände im Eigentum der Schuldnerin gestanden. Hier sei er in die Einzelverwertung eingetreten, insb. auch deshalb, weil er vom Zwangsverwalter des Objekts zur Räumung aufgefordert worden sei. Mit der Verwertung habe er ein externes Verwertungsunternehmen beauftragt. Aus der bislang erfolgten Verwertung habe er einen Erlös von ca. € 20.700,- erzielt. Die Verwertung der übrigen Vermögensgegenstände dauere noch an. Die Klägerin hat auf diesen Sachvortrag nicht ausreichend erwidert.

58

Es sind auch zweitinstanzlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die zumindest in ihrer Gesamtschau dafür sprechen könnten, dass der Beklagte zu 1) im Mai 2013 nicht endgültig beabsichtigt haben könnte, den Betrieb stillzulegen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe der Klägerin haben keinen Erfolg.

59

In der Regel liegt ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber - wie hier - den Stilllegungsbeschluss gegenüber Kunden usw. bekannt gibt, weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder -veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, Geschäftsbeziehungen in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will. Erst Recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss (BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 51, NZA-RR 2012, 465).

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c) Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 ist nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Ein Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagten zu 2) liegt nicht vor. § 613a Abs. 4 BGB lässt eine Kündigung unberührt, die aus "anderen" Gründen als wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde. Zu diesen Gründen gehört - wie oben ausgeführt - die auf eine Stilllegung des Betriebs gestützte Kündigung.

61

d) Die Kündigung vom 23.05.2013 ist schließlich nicht wegen fehlender Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

62

Es ist unerheblich, dass die der Massenentlassungsanzeige vom 21.02.2013 beigefügte Liste der zur Entlassung vorgesehenen 91 Arbeitnehmer den Namen der Klägerin nicht enthält, weil die Klägerin am 22.02.2013 (aufgrund eines Fehlers) nicht entlassen worden ist. Am 23.05.2013 war der Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, der Agentur für Arbeit erneut Anzeige zu erstatten, weil der für den betrieblichen Geltungsbereich maßgebende Schwellenwert nicht überschritten war. Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der "in der Regel" in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Das waren vorliegend 92 Arbeitnehmer (91 und die Klägerin).

63

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wurde entgegen der Ansicht der Berufung nicht im Zusammenhang mit der Massenentlassung der übrigen Arbeitnehmer des Beklagten zu 1) erklärt. Sie fiel nicht in die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach dem 22.02.2013 und war nicht anzeigepflichtig. Dem stehen Sinn und Zweck der richtlinienkonform auszulegenden §§ 17, 18 KSchG nicht entgegen, obwohl der Beklagte zu 1) die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ebenfalls auf seine Stilllegungsentscheidung stützt. §§ 17, 18 KSchG sollen Massenentlassungen vermeiden oder ihre Folgen mildern. Fällt eine Kündigung - wie hier - nicht mehr in den zeitlichen Zusammenhang einer Massenentlassung, muss diesen Zwecken nicht genügt werden (BAG 25.04.2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 158 mwN, AP InsO § 343 Nr. 1).

64

Am 23.05.2013 und in der 30-Tages-Frist danach hat der Beklagte zu 1) ausweislich der von ihm in der Berufungserwiderung nochmals aufgeführten Liste (nur) 6 Arbeitnehmern gekündigt; nämlich neben der Klägerin noch den Arbeitnehmerinnen A.-B., K., Kr., Th. und W.. Damit war der in § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG genannte relevante Schwellenwert - 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten 92 Arbeitnehmer - nicht überschritten.

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Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es für die Berechnung des Schwellenwerts nicht darauf an, ob zwischen dem Beklagten zu 1) und insgesamt 44 Arbeitnehmern am 23.05.2013 noch ein (gekündigtes) Arbeitsverhältnis bestand. Es ist auch unerheblich, ob sich noch insgesamt 16 dieser 44 Arbeitnehmer gegen die bereits im Dezember 2012, im Februar 2013 oder nach Zustimmung des Integrationsamts im März 2013 ausgesprochenen Kündigungen gerichtlich zur Wehr gesetzt haben.

66

Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG hängt von der Zahl der "regelmäßig" beschäftigten Arbeitnehmer ab. Wird - wie hier - wegen Betriebsstillegung gekündigt, kommt nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Entscheidend ist, wann der Arbeitgeber noch eine regelmäßige Betriebstätigkeit entwickelt und wie viele Arbeitnehmer er hierfür eingesetzt hat. Entschließt sich der Arbeitgeber endgültig zur Stilllegung des Betriebes zu einem bestimmten Termin und entlässt er anschließend stufenweise Personal, so stellt der im Zeitpunkt dieser Beschlussfassung und nicht der spätere, verringerte Personalbestand die normale, den Betrieb kennzeichnende Belegschaftsstärke dar. Entlassungen, die vorgenommen werden, nachdem der Arbeitgeber sich endgültig zur Betriebsstillegung entschlossen hat, verändern die normale, für die Ermittlung der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG maßgebende Belegschaftsstärke nicht mehr (BAG 08.06.1989 - 2 AZR 624/88 - NZA 1990, 224).

67

2. Da die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist gem. § 113 InsO am 31.08.2013 beendet hat, bleibt die Klage gegen die vorsorgliche dritte Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06. zum 30.09.2014 schon deshalb ohne Erfolg.

68

Darüber hinaus ist sie unschlüssig, weil die Klägerin behauptet, der Betrieb sei am 31.08. bzw. 01.09.2013 und damit Monate vor dem Kündigungsausspruch am 24.06.2014 gem. § 613a BGB auf die Beklagten zu 2) übergegangen. Dies führt zur Unschlüssigkeit der Klage, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nämlich voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis besteht. Dies gilt auch im Falle des Betriebsübergangs. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach der Betriebsübertragung geht mangels eines mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere. Eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ist unbegründet, weil ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer - und zwar schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin - nicht mehr besteht (vgl. ausführlich BAG 26.07.2007 - 8 AZR 769/06 - NZA 2008, 112, mwN).

69

3. Die beiden Anträge auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen "auch über den 31.08.2013" bzw. "auch über den 30.09.2014" hinaus fortbesteht, sind unzulässig. Die beiden Anträge genügen bereits nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil nicht deutlich wird, mit welchem der beiden Beklagten ein Arbeitsverhältnis fortbestehen soll.

70

Außerdem fehlt das in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1) durch die Kündigungen vom 23.05.2013 und vom 24.06.2014 aufgelöst worden ist. Weiterer Auflösungsgründe berühmt sich der Beklagte zu 1) nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) behauptet, der am 31.08.2013 bzw. 01.09.2013 erfolgt sein soll. Deshalb beantragt sie mit einem gesonderten Antrag die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Für die beiden Feststellungsanträge auf "Fortbestand zu unveränderten Bedingungen" ist das angestrebte Rechtsschutzziel der Klägerin neben den anderen Anträgen nicht ersichtlich.

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4. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

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aa) Soweit die Klägerin die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist, kann gem. § 256 Abs. 1 ZPO Klage nur auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nicht auf die Feststellung einer Rechtsfolge erhoben werden. In seiner gebotenen Auslegung betrifft der Antrag allerdings ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Nach Lage der Dinge kommt als feststellbares Rechtsverhältnis nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) in Betracht. Eine Klage gegen den Betriebserwerber ist darauf zu richten, dass festgestellt wird, das Arbeitsverhältnis bestehe mit dem Betriebserwerber fort (BAG 22.07.2004 - 8 AZR 350/03 - NZA 2004, 1383). In dieser Auslegung ist der Antrag zulässig. Die Klägerin verfügt über das notwendige Feststellungsinteresse, denn die Beklagte zu 2) stellt sowohl das Vorliegen eines Betriebsübergangs als auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit ihr als Arbeitgeberin in Abrede.

73

bb) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht im Wege eines Betriebsübergangs vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Die Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg.

74

Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Das Arbeitsgericht hat die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG zutreffend aufgezeigt. Im Rahmen des § 613a BGB gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Nimmt der Arbeitnehmer den vermeintlichen Betriebsübernehmer in Anspruch, muss er die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs darlegen und beweisen (BAG 10.05.2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 28, NZA 2012, 1161).

75

Die vorzunehmende Gesamtwürdigung aller Umstände führt nicht zur Annahme eines Betriebsübergangs. Die Berufungskammer teilt die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass zwar möglicherweise ein Betriebsübergang von der insolventen E Modell- und Werkzeugbau GmbH, nicht aber vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) stattgefunden hat.

76

Unter dem 30.08.2013 haben die Beklagte zu 2) und Rechtsanwalt Wunderlich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der E Modell- und Werkzeugbau GmbH (9 IN 34/13) einen Kaufvertrag über Wirtschaftsgüter des (beweglichen) Anlagevermögens, der Bestände und den Firmenwert der insolventen E. Modell- und Werkzeugbau GmbH geschlossen. Die Beklagte zu 2) erklärte, zum 01.09.2013 die Leitungsmacht im Betrieb zu übernehmen. Der Hinweis der Klägerin auf den Inhalt der Internetseite der „E.-Gruppe“ hilft nicht weiter. Dort findet sich unter dem 01.09.2013 allein die Mitteilung, dass die Beklagte zu 2) im Rahmen eines „Asset Deals“ die Geschäftsaktivitäten der E. Modell- und Werkzeugbau GmbH übernommen habe. Die E. Modell- und Werkzeugbau GmbH und die E. Bordnetzsysteme GmbH sind rechtlich voneinander getrennte Gesellschaften, mögen sie auch unter der gleichen Anschrift geschäftsansässig und personell miteinander verflochten gewesen sein und eine gemeinsame Konzernmutter gehabt haben. Die rechtliche Trennung zeigt sich insb. auch daran, dass das Amtsgericht zwei Insolvenzverfahren eröffnet und zwei verschiedene Insolvenzverwalter bestellt hat.

77

An dem Kaufvertrag vom 30.08.2013 war der Beklagte zu 1) nicht beteiligt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) seinerseits der Beklagten zu 2) Betriebsmittel übertragen hat, erst Recht nicht eine wirtschaftliche Einheit iSd. § 613a BGB. Maßgebliche Indizien für einen Betriebsübergang hat die Klägerin auch zweitinstanzlich nicht vorgetragen. Die bloße Behauptung, das dem so sei, reicht zur Erfüllung ihrer Darlegungslast nicht aus.

78

5. Die Zahlungsanträge gegen die Beklagte zu 2) sind unbegründet. Die Beklagte zu 2) ist nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 zu zahlen, weil - nach den obigen Ausführungen - ein Betriebsübergang nicht vorliegt.

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6. Da ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) nicht vorliegt, sondern das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden ist, ist auch der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Antrag auf Weiterbeschäftigung unbegründet.

80

7. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung als Maschineneinrichterin (zu bestimmten Arbeitsbedingungen). Ein solcher Anspruch setzt einen Betriebsübergang iSd. § 613a BGB voraus, der nicht stattgefunden hat.

81

8. Die auf Feststellung bestimmter Lohnansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 gerichteten Anträge gegen den Beklagten zu 1) sind zwar zulässig, aber unbegründet.

82

aa) Die Feststellungsanträge sind entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zulässig. Das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus § 210 InsO, denn die Klägerin macht Masseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltend. Masseansprüche sind zwar wegen § 53 InsO grundsätzlich in Form einer Leistungsklage zu verfolgen. Das gilt aber nicht, wenn der Insolvenzverwalter - wie hier der Beklagte zu 1) am 15.05.2013 - nach § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BAG 22.11.2005 - 1 AZR 407/04 - NZA 2006, 736).

83

bb) Die Klageanträge sind jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gem. § 615 BGB für die Monate von Dezember 2012 bis März 2013 keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Verzugslohns als € 2.127,28 brutto monatlich. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Festlohn (€ 2.065,00), Kontoführungsgebühren (€ 1,28) und der betrieblichen Altersversorgung (€ 61,00).

84

Der Anspruch nach § 615 BGB umfasst den Verdienst, den die Klägerin erzielt hätte, wenn sie vom Beklagten zu 1) im Kündigungsschreiben vom 29.11.2012 nicht ab 01.12.2012 von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden wäre. Es mag sein, dass sich der Durchschnittsverdienst der Klägerin der letzten drei Monate vor dem 01.12.2012 wegen der Überstundenvergütung auf € 2.291,32 brutto belaufen hat. Auf diesen Durchschnittsverdienst kommt es nicht an, es gilt das Lohnausfallprinzip. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin, wenn sie von Dezember 2012 bis März 2013 beschäftigt worden wäre, Überstunden hätte leisten müssen. Gegen die Notwendigkeit von Überstunden spricht bereits die Freistellung der Klägerin.

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III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

86

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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