Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 407/15

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Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15. Juli 2015, Az. 1 Ca 326/15, abgeändert und der Klageantrag zu Ziff. I.2. abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht - soweit für die Berufung von Bedeutung - einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Rahmen einer Stufenklage geltend.

2

Die Klägerin betreibt einen Weinhandel, die Beklagte war bei ihr als Telefonverkäuferin beschäftigt. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB war nicht vereinbart worden. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.02.2012 fristlos, hilfsweise fristgerecht. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess (Az. 4 Ca 1095/12) einigten sich die Parteien in einem Prozessvergleich vom 23.01.2013 vor dem Arbeitsgericht Trier auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2012. In Ziff. 3 dieses Vergleichs - mit umgekehrtem Rubrum - ist folgendes geregelt:

3

"3. Die Klägerin erklärt, dass sie keine Kundenkontaktdaten, gleich in welcher Form, ob also schriftlich auf Karteikarte, gespeichert auf USB-Stick u.ä., von der Beklagten besitzt. Die Klägerin verpflichtet sich, die ihr erinnerlichen Kunden der Beklagten zu notieren, der Beklagten diese Liste zuzusenden und die darauf genannten Kunden künftig nicht zu kontaktieren. Das vorgenannte Kontaktierungsverbot für die auf der Liste stehenden Kunden gilt für die Klägerin nur, solange die dort genannten Kunden in einer laufenden Geschäftsbeziehung zur Beklagten stehen."

4

Die Beklagte gründete nach Vergleichsschluss unter der Bezeichnung "Wein & Fein Marketing" ebenfalls einen Telefonweinverkauf. Sie übergab der Klägerin am 05.03.2013 "wie gerichtlich beschlossen" eine Liste mit den Namen von 20 Kunden, die ihr noch erinnerlich seien.

5

In ihrer Klageschrift vom 02.10.2013 (ursprüngliches Az. 4 Ca 1578/13) kündigte die Klägerin folgende Klageanträge an:

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I. die Beklagte zu verurteilen,

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1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte über Weinverkauf sie in der Zeit vom 23.01.2013 bis zur Rechtshängigkeit mit Kunden, die ihr aufgrund ihrer Arbeitnehmertätigkeit für die Klägerin bekannt sind, geschlossen hat, sowie die schriftlichen Bestellungen hierüber vorzulegen,

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2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern,

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3. an sie Schadenersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

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II. die Beklagte zu verurteilen, es gegenüber ihren Kunden bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 50.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, zu behaupten, die Klägerin gäbe es nicht mehr und sie firmiere jetzt unter "Wein & Fein Marketing".

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Mit Schriftsatz vom 15.04.2014 kündigte sie folgenden Hilfsantrag an:

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die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte über Weinverkauf sie in der Zeit vom 23.01.2013 bis zur Rechtshängigkeit mit Kunden, die ihr aufgrund ihrer Arbeitnehmertätigkeit für die Klägerin bekannt wurden und deren Daten sie schriftlich, elektronisch oder in irgendeiner verkörperten Art besitzt, getätigt hat.

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Im Kammertermin vom 18.06.2014 stellte sie ausweislich der Sitzungsniederschrift folgende Anträge:

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den Antrag Ziff. I.1. aus der Klageschrift vom 02.10.2013 mit der Maßgabe, die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte über Weinverkauf sie nach von ihr ausgegangener Kontaktaufnahme getätigt hat in der Zeit vom 23.01.2013 bis zur Rechtshängigkeit mit Kunden, die ihr aufgrund ihrer Arbeitnehmertätigkeit für die Klägerin zugänglich wurden und deren Daten sie schriftlich, elektronisch oder in irgendeiner verkörperten Art besitzt
sowie die sonstigen Anträge aus der Klageschrift.

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Das Arbeitsgericht Trier hat mit - rechtskräftigem - Teilurteil vom 18.06.2014, Az. 4 Ca 1578/13, den Klageantrag zu Ziff. I.1. abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Auskunftsantrag sei unbegründet, weil die Beklagte die begehrte Auskunft bereits, ob zureichend oder nicht, erteilt habe. Sie habe sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie keine weiteren als in der Liste vom 05.03.2013 benannten Kundennamen in Erinnerung habe, mit diesen keine Geschäfte geschlossen habe und keinerlei verkörperten Kundendaten aus dem Stamm der Klägerin besitze.

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Nach Zustellung des Teilurteils am 26.06.2014 beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.03.2015 die Fortsetzung des Rechtsstreits (neues Az. 1 Ca 326/15). Im Kammertermin vom 15.04.2015 stellte sie ausweislich der Sitzungsniederschrift den Antrag Ziff. I.2. aus der Klageschrift mit der Maßgabe,

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die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihr getroffenen Aussage, sie habe keine Kunden kontaktiert und mit solchen Geschäfte abgeschlossen, deren Daten ihr aus ihrer Arbeitnehmertätigkeit bei der Klägerin bekannt sind oder dort zugänglich wurden und dass sie neben der Liste, welche sie im Anschluss an den Vergleichsschluss im Kündigungsschutzverfahren der Klägerin übergeben habe, keine verkörperten Kundendaten der Klägerin mehr besitze, an Eides Statt zu versichern.

18

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

19

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 15.07.2015 (1 Ca 326/15) dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

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Sie trägt vor, sie habe sich vollumfänglich an die in Ziff. 3 des Vergleichs vom 23.01.2013 eingegangene Verpflichtung gehalten und der Klägerin eine Liste übersandt, auf der sie die Namen der ihr erinnerlichen Kunden notiert habe. Sie habe keine Kunden kontaktiert, die auf der Liste aufgeführt seien. Für den ausgeurteilten Antrag gebe es keine Anspruchsgrundlage. Die Klägerin könne eine eidesstattliche Erklärung allenfalls in den Grenzen von Ziff. 3 des Vergleichs vom 23.01.2013 verlangen. Die Klägerin versuche mit allen Mitteln, einen erlaubten Wettbewerb im Weinhandel zu unterbinden, so habe sie mit einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Trier vom 29.07.2015 bereits angeregt, Ermittlungen wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung aufzunehmen, obwohl das erstinstanzliche Urteil nicht rechtskräftig sei und sie bisher keine eidesstattliche Erklärung abgegeben habe.

21

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

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das Teilurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.07.2015, Az. 1 Ca 326/15, abzuändern und den Klageantrag zu Ziff. I.2. abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

27

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Dies führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Teilurteils und zur Abweisung des Klageantrags zu Ziff. I.2.

28

Die Voraussetzungen für einen Anspruch gem. § 259 Abs. 2 BGB liegen nicht vor. Das Gesetz ordnet bei einem zur Auskunft verpflichteten Schuldner in § 259 Abs. 2 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung an. Eine Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung setzt voraus, dass eine rechtliche Auskunftspflicht besteht. Diese besteht im Streitfall nicht, weil das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Teilurteil vom 18.06.2014 (Az. 4 Ca 1578/13) die Auskunftsklage (Stufe 1) abgewiesen hat.

29

Die Klägerin hat ausdrücklich eine Stufenklage gem. § 254 ZPO erhoben. Ebenfalls ausdrücklich und folgerichtig hat sie den Antrag zu I.1. (Auskunft) der ersten Stufe, den Antrag zu I.2. (eidesstattliche Versicherung) der zweiten Stufe und den Antrag zu I.3. (Schadensersatz) der dritten Stufe zugeordnet. Dies hat aufgrund der prozessualen Besonderheiten der Stufenklage zur Folge (sofern die Klage nicht insgesamt abgewiesen wird), dass zunächst ein Teilurteil ausschließlich über die begehrte Auskunft ergehen darf (Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 254 Rn. 9). Eine Fortsetzung des Rechtsstreits über die weiteren Anträge darf nur auf Antrag einer Partei und erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Auskunftsklage stattfinden (Zöller/Greger aaO. Rn. 11). Wird die Auskunftsklage - wie hier - rechtskräftig abgewiesen, ist es prozessual verfehlt, der Klage auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft stattzugeben.

30

Da die Beklagte nach dem rechtskräftigen Teilurteil vom 18.06.2014 (Stufe 1) nicht verpflichtet war, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, "welche Geschäfte über Weinverkauf sie nach von ihr ausgegangener Kontaktaufnahme getätigt hat in der Zeit vom 23.01.2013 bis zur Rechtshängigkeit mit Kunden, die ihr aufgrund ihrer Arbeitnehmertätigkeit für die Klägerin zugänglich wurden und deren Daten sie schriftlich, elektronisch oder in irgendeiner verkörperten Art besitzt", kommt ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (Stufe 2) über den Inhalt einer derartigen Auskunft nicht in Betracht. Durch ein klageabweisendes streitiges Teilurteil wird zugleich das Nichtbestehen der Auskunftspflicht festgestellt.

31

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte, was sie nunmehr beantragt, eidesstattlich versichert, dass sie "keine Kunden kontaktiert und mit solchen Geschäfte abgeschlossen hat, deren Daten ihr aus ihrer Arbeitnehmertätigkeit bei der Klägerin bekannt sind oder dort zugänglich wurden und dass sie neben der Liste, welche sie im Anschluss an den Vergleichsschluss im Kündigungsschutzverfahren der Klägerin übergeben hat, keine verkörperten Kundendaten der Klägerin mehr besitzt." Ein derartiger Auskunftsanspruch, der durch eidesstattliche Versicherung bekräftigt werden soll, besteht nicht. Die Klägerin kann einen Anspruch nicht aus Ziff. 3 des Prozessvergleichs vom 23.01.2013 ableiten. In Ziff. 3 hat sich die Beklagte (dort Klägerin) verpflichtet, die ihr erinnerlichen Kunden der Klägerin (dort Beklagten) zu notieren, der Klägerin diese Liste zuzusenden und die darauf genannten Kunden künftig nicht zu kontaktieren. Aus Ziff. 3 des Vergleichs lässt sich jedoch keine Pflicht der Beklagten ableiten, keine Kunden zu kontaktieren und mit ihnen Geschäfte abzuschließen, deren Daten ihr aus ihrem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bekannt sind. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht die Unterlassung von Wettbewerb verlangen, weil die Parteien kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot iSd. § 74 HGB vereinbart haben. Auch aus der Verschwiegenheitspflicht folgt kein Verbot, Kunden des ehemaligen Arbeitgebers zu umwerben. Insoweit bedarf es einer Wettbewerbsabrede, wenn dies verhindert werden soll. Einem früheren Angestellten, zu dessen Pflichten die Förderung des Warenumsatzes seines Arbeitgebers gehörte, ist gestattet, seinem bisherigen Arbeitgeber Konkurrenz zu machen und auch in seinen Kundenstamm einzudringen. Dies entspricht gerade einer freien Wettbewerbswirtschaft (vgl. zum Weinvertrieb BAG 16.08.1988 - 3 AZR 664/87 - Juris).

III.

32

Der Klägerin werden gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung auferlegt. Da das Teilurteil des Arbeitsgerichts ohne Kostenentscheidung ergangen ist, bleibt die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten dem Schlussurteil vorbehalten.

33

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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