Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 500/15
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. Juni 2015 - 1 Ca 2076/14 - abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2013 zu zahlen.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6, mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts N-Stadt am Rhein entstandenen Kosten, die der Kläger zu tragen hat.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schmerzensgeld.
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Der Kläger und der Beklagte waren Arbeitskollegen im G. in A-Stadt. Dort kam es am 24. Oktober 2013 zu einem Gespräch zwischen den Parteien, nach dem der Kläger auf dem Boden lag. Die Einzelheiten dieses Vorfalls vom 24. Oktober 2013 sind zwischen den Parteien streitig.
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Mit seiner am 13. Mai 2014 beim Amtsgericht N-Stadt am Rhein eingegangenen Klage hat der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 EUR und die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR geltend gemacht. Mit - rechtskräftigem - Beschluss vom 18. August 2014 hat das Amtsgericht N-Stadt am Rhein den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Mainz verwiesen. Den auf Erstattung von Anwaltskosten gerichteten Klageantrag zu 2) hat der Kläger im Kammertermin vom 04. März 2015 vor dem Arbeitsgericht Mainz sodann zurückgenommen.
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Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. Juni 2015 - 1 Ca 2076/14 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. Dezember 2013 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 10. Juni 2015 - 1 Ca 2076/14 - hat das Arbeitsgericht Mainz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe nicht ausreichend substantiiert und widerspruchsfrei dargetan, dass der Beklagte ihn vorsätzlich verletzt habe. Der Kläger habe seinen Vortrag hierzu mehrfach geändert. Zwar habe der Kläger zuletzt mit seinem Schriftsatz vom 16. April 2015 vorgetragen, er habe sein Oberkörper schon vollständig gedreht und mit dem linken Fuß bereits einen ersten Schritt von dem Beklagten weggemacht, als dieser ihn unbemerkt von hinten auf den rechten Fuß getreten sei. Dabei habe der Beklagte ihn noch gegen den Oberkörper gestoßen. Bei dieser Schilderung hätte es dann, wenn der Beklagte den Kläger von hinten gegen den Rücken gestoßen hätte, zwar dazu kommen können, dass dieser auf die Knie gestürzt wäre. Diese dritte Version der Sachverhaltsschilderung habe der Kläger aber nicht unter Beweis gestellt. Hinzu komme, dass das Vorbringen des Klägers insgesamt widersprüchlich und damit prozessual unzulässig sei. Der Beweiserhebung über ein widersprüchliches und ersichtlich unvollständiges Vorbringen einer Prozesspartei bedürfe es nicht, ohne dass hierin eine unzulässige Beweisantizipation hinsichtlich der Frage der Glaubwürdigkeit einer erwarteten Zeugenaussage liege.
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Gegen das ihm am 05. November 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. November 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 05. Januar 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
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Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die gebotene Beweisaufnahme nicht durchgeführt. Er habe bereits mit seiner Klageschrift vorgetragen, dass sich der Beklagte ihm am 24. Oktober 2013 gegen 17:35 Uhr auf den rechten Fuß gestellt habe, als er gerade im Begriff gewesen sei, sich umzudrehen und wegzugehen. Gleichzeitig habe der Beklagte ihn vor den Oberkörper gestoßen, wodurch er gestürzt und auf beide Knie sowie auf die linke Hand gefallen sei, mit der er sich habe abstützen wollen. Lediglich auf den zeitlich vorgelagerten Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 13. März 2015 habe er seinen eigenen Vortrag dann in Bezug auf das Geschehen kurz vor der streitgegenständlichen Tat erweitert und präzisiert. Hierbei sei es zunächst zu einem Missverständnis zwischen ihm und seinen Prozessbevollmächtigten gekommen. Daher sei umgehend mit Schriftsatz vom 16. April 2015 eine Richtigstellung seines Vortrages vom 15. April 2015 erfolgt. Zusammengefasst habe er zuletzt vorgetragen, dass er seinen Oberkörper im Weggehen schon vollständig gedreht gehabt und mit seinem linken Fuß bereits einen ersten Schritt vom Beklagten weggemacht habe, als dieser von hinten von ihm unbemerkt an ihn herangetreten und ihm auf den rechten Fuß getreten habe. Dabei habe der Beklagte ihn gegen den Oberkörper gestoßen, wodurch er gestürzt und auf beide Knie sowie auf die linke Hand gefallen sei, mit der er sich habe abstützen wollen. Kurz zuvor habe sich der Beklagte noch etwa zwei Meter von ihm entfernt befunden. Sein Vortrag sei daher nicht widersprüchlich. Insbesondere sei auch zu beachten, dass sich der Vorfall innerhalb weniger Sekunden abgespielt habe und einen komplexen Bewegungsablauf mit einer Drehbewegung beschreibe. Ebenso sei zu beachten, dass der Beklagte seinen Sturz absichtlich herbeigeführt und damit auch zielgerichtet agiert habe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei er nicht beweisfällig geblieben, weil als Beweis die Vernehmung des Zeugen E. angeboten worden sei, der den vorgetragenen Sachverhalt aus eigener Wahrnehmung bestätigen könne. Die schmerzhaften Folgen des Angriffs und die erfolgten Verletzungen habe er ebenfalls dargestellt und unter Beweis gestellt. Auch auf den vorgetragenen Umstand, dass der Beklagte seine Vorgehensweise bereits mehrfach, auch bei dem benannten Zeugen versucht habe, sei das Arbeitsgericht nicht eingegangen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. Juni 2015 - 1 Ca 2076/14 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. Dezember 2013 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er erwidert, auch den Ausführungen im Rahmen der Berufungsbegründung lasse sich kein konkreter Verlauf der Geschehnisse entnehmen. Vielmehr sei die Schilderung lebensfremd. Wenn der Kläger seinen Schwerpunkt durch einen Schritt nach unten verlegt habe und ihm jemand auf einem Fuß stehe, könnte auch ein starker Stoß, den es zu keiner Zeit gegeben habe, nicht dazu führen, dass er nach vorne auf die Knie falle. Entgegen der Darstellung des Klägers habe er weder zielgerichtet agiert noch einen Sturz absichtlich herbeigeführt. Wenn bereits der Tatsachenvortrag nicht nachvollziehbar sei, so verbiete sich die Vernehmung des angebotenen Zeugen, weil hierdurch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis erhoben würde. Das Arbeitsgericht habe lediglich die unterschiedlichen Verlaufsschilderungen des Klägers zusammengestellt und herausgearbeitet, dass die beschriebenen Folgen zumindest bei zwei der drei Darstellungen denklogisch nicht hätten eintreten können. Bei einer Schilderung wäre ein solcher Sturz nach Auffassung des Arbeitsgerichts zwar grundsätzlich denkbar, allerdings habe sich insoweit eine Beweisaufnahme verboten, weil bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Festlegung des Klägers auf einen konkreten Geschehensablauf erfolgt sei. Auch in der Berufungsbegründung werde dieses Versäumnis nicht nachgeholt. Unabhängig davon würde seine Verurteilung an § 105 Abs. 1 SGB VII scheitern.
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Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02. Juni 2016 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
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Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB wegen Verletzung seines Körpers und seiner Gesundheit einen Anspruch gegen den Beklagten auf Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 EUR.
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1. Der Kläger hat zur Begründung des von ihm geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs in der Klageschrift ausgeführt, dass sich der Beklagte ihm am 24. Oktober 2013 gegen 17:35 Uhr auf den rechten Fuß gestellt habe, als er gerade im Begriff gewesen sei, sich umzudrehen und wegzugehen. Gleichzeitig habe er ihn vor den Oberkörper gestoßen, wodurch er gestürzt und auf beide Knie sowie auf die linke Hand gefallen sei, mit der er sich habe abstützen wollen. Zwar hat er mit Schriftsatz vom 15. April 2015 u.a. vorgetragen, dass der Beklagte sich auf seinen rechten Fuß gestellt und ihn vor die Brust gestoßen habe. Mit Schriftsatz vom 16. April 2015 hat er dann aber sogleich zur Klarstellung ausgeführt, dass er den Oberkörper beim Weggehen schon vollständig gedreht und mit dem linken Fuß bereits einen ersten Schritt von dem Beklagten weggemacht habe, als dieser ihm von hinten unbemerkt auf den rechten Fuß getreten habe. Dabei habe er ihn gegen den Oberkörper gestoßen. Kurz zuvor habe sich der Beklagte noch etwa zwei Meter von ihm entfernt befunden. In der Berufungsbegründung hat er seinen Vortrag dahingehend zusammengefasst, dass er seinen Oberkörper im Weggehen schon vollständig gedreht gehabt und mit seinem linken Fuß bereits einen ersten Schritt von dem Beklagten weggemacht habe, als dieser von hinten, von ihm unbemerkt, an ihn herangetreten und ihm auf den rechten Fuß getreten habe. Dabei habe der Beklagte ihm gegen den Oberkörper gestoßen, wodurch er gestürzt und auf beide Knie sowie auf die linke Hand gefallen sei, mit der er sich habe abstützen wollen. Kurz zuvor habe sich der Beklagte noch etwa zwei Meter von ihm entfernt befunden.
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Dieser substantiierte Sachvortrag des Klägers ist ohne weiteres nachvollziehbar. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere auch zu berichtigen. Eine etwaige Widersprüchlichkeit kann nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden und rechtfertigt die Nichterhebung des angebotenen Beweises nicht (BGH 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09 - Rnr. 6, juris; BGH 13. März 2012 - II ZR 50/09 - Rn. 16, NJW - RR 2012, 728).
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2. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Beklagte den Kläger auf den Fuß getreten und diesen gleichzeitig geschubst hat, so dass dieser gestürzt ist und sich dabei verletzt hat.
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Der Beklagte hat im Termin vom 02. Juni 2016 selbst eingeräumt, dass er seinen Fuß auf den Fuß des Klägers gestellt habe. Zwar hat er bestritten, dass er den Kläger auch geschubst habe. Vielmehr habe der Kläger den Fuß rausgezogen, sich gedreht und sei dann gefallen.
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Aufgrund der Aussage des Zeugen E. steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte - entgegen seiner Einlassung - den Kläger - gemäß dessen Darstellung - geschubst und damit zu Fall gebracht hat. Das hat der Zeuge in sich widerspruchsfrei und in jeder Hinsicht glaubhaft bestätigt. Der Zeuge hat ausgesagt, dass sich der in seiner Ladung bezeichnete Vorfall im Lager ereignet habe. Er sei dort etwas am Bauen gewesen. Er sei auf die Parteien aufmerksam geworden, weil sie sich etwas lauter unterhalten hätten. Er habe gesehen, wie der Beklagte den Kläger "weggestumpt" habe und dieser gefallen sei. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, wie er gefallen sei. Er wisse jedenfalls, dass dem Kläger seine Knie wehgetan hätten. Er habe das beobachtet und sei dort sofort hingegangen. Der Kläger habe auf dem Boden gelegen und er habe ihm angesehen, dass er verletzt gewesen sei. Er habe den Beklagten angesprochen, er solle ihm helfen, ihn aufzuheben. Der Beklagte habe ihm nicht geholfen und nur gelacht. Der Kläger habe ihm gesagt, dass seine Knie wehgetan hätten. Erst später habe der Kläger ihm noch gesagt, dass der Beklagte seinen Fuß auf den Fuß des Klägers gestellt habe und ihn dann mit der Hand geschubst habe. Das mit dem Fuß habe er aus der Entfernung nicht sehen können. Er habe aber sehen können, dass der Beklagte den Kläger "gestumpt" habe.
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Unerheblich ist, dass der Zeuge nicht sehen konnte, ob der Beklagte seinen Fuß auf den Fuß des Klägers gestellt hat, weil der Beklagte dies im Termin vom 02. Juni 2016 selbst eingeräumt hat. Der Zeuge hat bei seiner Aussage keinerlei Belastungstendenz erkennen lassen, sondern sich darauf beschränkt, woran er sich bezüglich des Vorfalls noch erinnern konnte. Er hat auf Nachfrage nochmals ausdrücklich bestätigt, dass er selbst gesehen habe, wie der Beklagte den Kläger mit dem Arm geschubst habe. Gleichzeitig hat er eingeräumt, dass er das mit dem Fuß aus der Entfernung nicht habe sehen können, was für seine Glaubwürdigkeit spricht. Auf Nachfrage hat der Zeuge bekundet, dass der Beklagte das so ähnlich auch mit ihm selbst gemacht habe, allerdings wohl eher aus Spaß aus dessen Sicht. Der Beklagte habe sich auf seinen Fuß gestellt und ihn geschubst, ihn dabei aber an der Hand festgehalten, so dass er nicht umgefallen sei. Nach den uneingeschränkt glaubhaften Angaben des Zeugen ist das Gericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger geschubst und dadurch zu Fall gebracht hat und nicht etwa der Kläger ohne Zutun des Beklagten von selbst gefallen ist.
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Weiterhin steht aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in Folge des durch den Beklagten vorsätzlich herbeigeführten Sturzes auf seine Knie gefallen und sich dabei verletzt hat. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er Ersthelfer sei und dem Kläger angesehen habe, dass er verletzt gewesen sei. Der Kläger habe ihm auch gesagt, dass seine Knie wehgetan hätten.
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Ausweislich des vorgelegten Durchgangsarztberichts vom 24. Oktober 2013 ist eine Prellung bezüglich der Knie und der linken Hand des Klägers diagnostiziert. Die darin enthaltenen Angaben des Klägers zum Unfallhergang decken sich mit seinem Vortrag im Prozess. Weiterhin wird dem Kläger aufgrund dieser Diagnose eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 24. Oktober 2013 bescheinigt, die ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 02. November 2013 angedauert hat.
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3. Aufgrund der vom Beklagten schuldhaft verursachten Verletzung des Körpers und der Gesundheit des Klägers erachtet das Berufungsgericht unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 EUR für angemessen. Im Streitfall fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beklagte den Kläger vorsätzlich zu Fall gebracht und damit die eingetretene Körper- bzw. Gesundheitsverletzung des Klägers billigend in Kauf genommen hat. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund dieses Vorfalles in der Zeit vom 24. Oktober bis 02. November 2013 arbeitsunfähig erkrankt war. Unter Würdigung aller Umstände ist das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 EUR als angemessen, aber auch ausreichend erscheint.
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4. Der Schmerzensgeldanspruch ist nicht nach § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen.
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Nach § 105 Abs. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Diese Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGB VII sind hier nicht erfüllt. Zum einen ist der Versicherungsfall nicht durch eine betriebliche Tätigkeit des Beklagten verursacht worden. Zum anderen hat der Beklagte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt.
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a) Entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses i.S.d. § 105 Abs. 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse ausgeführt wurde. Zwar umfasst der Begriff der betrieblichen Tätigkeit auch Tätigkeiten, die im nahen Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Maßgeblich für die Haftungsfreistellung ist aber, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit im dargestellten Sinne oder aber bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb durch den Schädiger verursacht wurde und folglich nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt. Die Betriebsbezogenheit einer Tätigkeit entfällt daher immer, wenn die schädigende Handlung nach ihrer Anlage und der Intention des Schädigers erst gar nicht auf die Förderung der Betriebsinteressen ausgerichtet ist oder ihnen gar zuwiderläuft (BAG 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 26 - 28, NZA 2005, 163). So liegt der Fall hier. Gemäß den obigen Ausführungen hat der Beklagte den Kläger vorsätzlich zu Fall gebracht, so dass die zum Schadensereignis führende Handlung des Beklagten nach ihrer Anlage und Intention eindeutig nicht auf die Förderung der Betriebsinteressen ausgerichtet war, sondern ihnen zuwidergelaufen ist.
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b) Zum anderen hat der Beklagte das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt. Zur Annahme eines Vorsatzes muss der Handelnde den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben; der Erfolg muss von dem Handelnden billigend in Kauf genommen sein, während nicht erforderlich ist, dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist. Allerdings genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, sondern dieser muss sich auch auf den Verletzungserfolg, den Personenschaden, erstrecken (BAG 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 36, NZA 2005, 163). Gemäß den obigen Ausführungen kam es dem Beklagten im Streitfall gerade darauf an, den Kläger mit seiner Vorgehensweise zu Fall zu bringen. Dementsprechend hat er neben der vorsätzlichen Herbeiführung des Sturzes auch eine mögliche Verletzung des Körpers bzw. der Gesundheit des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen, auch wenn dies von ihm nicht gewünscht oder beabsichtigt worden sein sollte.
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Mithin greift das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII nicht ein.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG. Nach §§ 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG, 12 a Abs. 1 Satz 3 ArbGG hat der Kläger die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts N-Stadt am Rhein entstandenen Kosten vollumfänglich zu tragen. Weiterhin war bezüglich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu berücksichtigen, dass der Kläger die Klage teilweise in Höhe der ursprünglich geltend gemachten Anwaltskosten von 147,56 EUR zurückgenommen hat, so dass ihm insoweit gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten aufzuerlegen waren. Im Übrigen hat der Beklagte die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen, weil der Kläger insoweit obsiegt hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der in zweiter Instanz vollumfänglich unterlegene Beklagte zu tragen.
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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
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