Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 388/16

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 28.07.2016 - Az.: 8 Ca 205/16 - wie folgt abgeändert und neugefasst:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin entsprechend ihrer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 5 TVöD zu unveränderten vertraglichen Bedingungen in der Verwaltung der Beklagten weiter zu beschäftigen.

2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf tatsächliche Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis.

2

Die Klägerin (59 Jahre alt, GdB von 50%) war zunächst ab dem 24.10.1996 beim kommunalen Gebietsrechenzentrum und im Anschluss daran bei der neu gegründeten Gesellschaft für kommunale Informationsverarbeitung beschäftigt. Sie wechselte im Rahmen eines Betriebsübergangs zum 01.01.2002 in den Dienst der beklagten Stadt. Sie ist in die Entgeltgruppe 5 TVöD eingruppiert und erhält eine monatliche Vergütung in Höhe von etwa 2.200,-- EUR brutto.

3

In den vergangenen Jahren wurde die Klägerin in 18 verschiedenen Organisationseinheiten der Beklagten beschäftigt. Dabei war sie unter anderem ab dem 01.08.2012 in der Stadtbibliothek tätig. Mit Schreiben vom 03.09.2012 (Bl. 48 f. d.A.) baten die dortigen Vorgesetzten die Arbeitserprobung der Klägerin zu beenden, da sie auch nach 3 Wochen Einarbeitung nicht in der Lage sei, einfachste bzw. Routinetätigkeiten (zB. Einstellen von Romanen nach Verfasseralphabet) selbständig ohne permanente Anleitung und Überprüfung korrekt durchzuführen.

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Anschließend wurde die Klägerin ab dem 18.02.2013 bis zum 08.04.2013 beim Post- und Scandienst eingesetzt, wobei die Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2013 (Bl. 52ff. d.A.) die hohe Fehlerquote (viele Postsendungen seien falsch sortiert worden) und den „patzigen“ Ton der Klägerin gegenüber Arbeitskollegen monierte.

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Ab 09.04.2013 wurde die Klägerin sodann von der Arbeitsleistung freigestellt.

6

Zuletzt wurde die Klägerin ab dem 06.01.2014 im Bereich Personalwesen eingesetzt. Dort wurde sie wegen Fehlverhalten mit Schreiben vom 05.06.2014 (Bl. 55 f. d.A.), 18.07.2014 (Bl. 57 f. d.A.), 15.08.2014 (Bl. 59 f. d.A.) und 29.10.2014 (Bl. 61 ff. d.A.) abgemahnt.

7

Mit E-Mail vom 03.09.2015 bat der stellvertretende Bereichsleiter Personal die Mitarbeiter um Mitteilung, ob sie Arbeiten zu erledigen hätten, die sie der Klägerin übertragen können. Die Mitarbeiter äußerten sich ablehnend.

8

Nach Gewährung des Resturlaubs für das Jahr 2015 wurde die Klägerin von der Beklagten ab dem 04.01.2016 bis auf weiteres durchgehend von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt.

9

Mit der beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 04.02.2016 sodann eingegangenen Klage begehrt die Klägerin ihre tatsächliche Beschäftigung.

10

Die Klägerin hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen,
sie sei nicht gemäß ihrer Qualifikation beschäftigt worden, sondern immer mit geringer wertigen Tätigkeiten. In keiner der zugewiesenen Arbeitspositionen sei ihr die Möglichkeit gegeben worden, sich über einen längeren Zeitraum einzuarbeiten. Sofern sie länger in einer Abteilung gewesen sei, z.B. in der Personalabteilung, habe man ihr immer wieder andere Aufgabenfelder zugewiesen.

11

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

12

Die Beklagte zu verurteilten, die Klägerin als Verwaltungsfachangestellte mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung zu im Übrigen unveränderten Bedingungen in der Verwaltung der Beklagten weiter zu beschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten,
dass ihr eine weitere Beschäftigung der Klägerin aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Schlechtleistungen sowie aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht zumutbar sei. Sie sehe keine Möglichkeit, die Klägerin zu beschäftigen, ohne dass dadurch die Arbeit der anderen Mitarbeiter in Mitleidenschaft gezogen werde.

16

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 28.07.2016 der Klage stattgegeben und dieses im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin aus den Artikeln 1 und 2 GG und dem Sozialstaatprinzip sowie ferner aus den §§ 611, 613, 242 BGB einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis habe, da keine ganz überwiegenden und schutzwürdigen Interessen der Beklagten der tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin entgegenstünden.

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Das Urteil ist der Beklagten am 12.08.2016 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 30.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit einem innerhalb der bis zum 14.11.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht mit Schriftsatz vom 08.11.2016 begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Klägerin am 22.11.2016 zugestellt, die sodann mit beim Landesarbeitsgericht am 22.12.2016 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums Anschlussberufung eingelegt und im Wege der Klageerweiterung einen Hilfsantrag gestellt hat.

18

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 270 ff. d. A.), macht die Beklagte zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

19

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Beschäftigung als Verwaltungsfachangestellte mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung, da sie weder eine entsprechende Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte noch über ein abgeschlossenes betriebswirtschaftliches Studium verfüge. Aber auch im Übrigen sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise zum Ergebnis gelangt, dass eine Beschäftigungspflicht bestünde. Es habe bei seiner Entscheidung ausgeblendet, dass das Verhalten und die Arbeitsleistung der Klägerin eine erfolgreiche Zusammenarbeit unmöglich machten, da sich die Schlechtleistungen und das abgemahnte Verhalten der Klägerin seit dem Wechsel zur Beklagten im Januar 2002 durchzögen und die Beschäftigung der Klägerin auch von keinem (wirtschaftlichen) Nutzen sei.

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Die Beklagte beantragt,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 28.07.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Klägerin beantragt ferner im Wege der Anschlussberufung hilfsweise,

25

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin entsprechend ihrer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5 TVöD zu unveränderten vertraglichen Bedingungen in der Verwaltung der Beklagten weiter zu beschäftigen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

28

Die Klägerin erwidert, dass die Beklagte selbst sie als Verwaltungsangestellte mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung etwa im Bereich Personal eingesetzt habe. Jedenfalls sei sie aber zumindest entsprechend ihrer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5 TVöD zu beschäftigen, da die Beklagte ihr nie dauerhaft die Möglichkeit gegeben habe sich in ein ihr übertragenes Tätigkeitsgebiet einzuarbeiten. Zu Recht sei daher das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten ausgehe und die Klägerin tatsächlich zu beschäftigen sei.

29

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

30

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO). Ebenso ist die Anschlussberufung der Klägerin zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 ZPO). Sie erfordert keine eigenständige Beschwer (BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 766/14 - Rn. 14, juris).

II.

31

Sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Anschlussberufung der Klägerin hatten Erfolg. Zwar hat die Klägerin keinen Anspruch auf Beschäftigung als Verwaltungsfachangestellte mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung. Doch war ihr im Wege der Anschlussberufung hierzu gestellte Hilfsantrag auf Beschäftigung entsprechend der Entgeltgruppe 5 TVöD in der Verwaltung der Beklagten nach §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB begründet.

32

1. Ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis und damit korrespondierend eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers wird aus den §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB hergeleitet.

33

Er beruht auf der arbeitsvertraglichen Förderungspflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG zum Persönlichkeitsschutz (vgl. grundlegend bereits BAG 10.11.1955 – AZR 591/54, NJW 1956, 359 ff.).

34

Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig (vgl. zuletzt BAG 09.04.2014 – 10 AZR 637/13- Rn. 14, NZA 2014, 719 ff. m.w.N.). Der Anspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (std. Rspr. vgl. grundlegend BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - zu C I 3 der Gründe, BAGE 48, 122; ErfK/Preis 17. Aufl. § 611 BGB Rn. 563).

35

2. Der Anspruch ist danach auf die vertragsgemäße Beschäftigung gerichtet. Deren Konkretisierung obliegt gemäß § 106 GewO dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann bestimmen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags und der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen zu erbringen hat BAG 09.04.2014 – 10 AZR 637/13- Rn. 15, NZA 2014, 719 ff. m.w.N.).

36

Die Klägerin konnte jedoch nicht darlegen, dass eine vertragsgemäße Beschäftigung allein eine solche als Verwaltungsfachangestellte mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung ist, so dass ihr dahingehender Hauptantrag als unbegründet abzuweisen war. So konnte sie bereits keinen entsprechenden Arbeitsvertrag vorlegen, aus dem sich ergibt, dass ihre zu erbringende Arbeitsleistung entsprechend vertraglich festgelegt wurde. Auch hat sie keine dahingehende Vereinbarung dargelegt. Ihr Verweis darauf, dass sie in der Personalabteilung eingesetzt werde, genügt dafür nicht, zumal sie auch über keine entsprechende Qualifikation verfügt. Vielmehr besitzt sie entsprechend den Unterlagen in ihrer Personalakte eine Erlaubnis die Krankenpflege unter der Berufsbezeichnung Krankenschwester auszuüben (vgl. Urkunde von 1977) und einen hierauf aufbauenden erfolgreich absolvierten Weiterbildungslehrgang „ Leitung einer Station oder Abteilung“ aus dem Jahr 1986, schließlich studiert sie entsprechend ihren eigenen Angaben im Kammertermin im Berufungsverfahren am 14.03.2017 erst derzeit Betriebswirtschaft.

37

3. Hingegen war der im Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung gestellte Hilfsantrag auf tatsächliche Beschäftigung entsprechend ihrer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 5 TVöD in der Verwaltung der Beklagten begründet.

38

a) Insoweit bestand zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz Einigkeit, dass eine vertragsgemäße Beschäftigung jedenfalls in der Zuweisung von Tätigkeiten entsprechend der Eingruppierung in der Entgeltgruppe 5 TVöD liegt. Hingegen durfte die Beklagte vorliegend nicht ohne Einwilligung der Klägerin diese ausnahmsweise einseitig von der Erbringung der Arbeitsleistung bis auf weiteres freistellen. Es fehlt insoweit an dem hierfür nötigen überwiegenden Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Beklagte die tatsächliche Beschäftigung vorliegend nicht unzumutbar ist. Die hiergegen mit der Berufung seitens der Beklagten vorgebrachten Einwände verfangen nicht.

39

(1) Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muss er nur dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Deshalb bedarf es, wenn der Arbeitgeber wegen im Einzelfall entgegenstehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdig ist und überwiegt. Das kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen. Andererseits kann sich auf Seiten des Arbeitnehmers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse im Einzelfalle noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärken (vgl. ausführlich hierzu BAG 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985, 702, 703). Darlegungs- und beweispflichtig für die die sofortige Freistellung rechtfertigenden Gründe ist der Arbeitgeber (LAG München 07.05.2003 – 5 Sa 344/03, NZA 1993, 1130).

40

(2) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze geht die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten aus. Denn es lassen sich im Streitfall keine überwiegenden berechtigten Interessen der Beklagten feststellen.

41

Auf Seiten der Klägerin sind neben dem Schutz ihres Persönlichkeitsrechts auch der ihr aufgrund ihrer Schwerbehinderung ferner zukommende Schwerbehindertenschutz und die daraus resultierenden besonderen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, die ihren Ausdruck in dem betrieblichen Eingliederungsmanagement bzw. dem Präventionsverfahren nach § 84 SGB IX finden.

42

Die Beklagte macht hingegen als der Beschäftigung entgegenstehenden Interessen ihrerseits geltend, dass zum einem die Klägerin aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Arbeitsleistungen eine erfolgreiche Zusammenarbeit unmöglich mache und zum anderen, dass eine Freistellung auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoller sei als die tatsächliche Beschäftigung.

43

Das von der Beklagten geltend gemachten Fehlverhalten der Klägerin und auch die eingewandten Schlechtleistungen der Klägerin mögen selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des entsprechenden Vortrags jedoch kein überwiegendes Interesse begründen. Kommt es zu Fehlverhalten und/oder Schlechtleistungen, so kann der Arbeitgeber hierauf mit arbeitsrechtlichen Sanktionen wie z.B. Abmahnungen bis hin zur Kündigung reagieren. Eine Freistellung vermögen Fehlverhalten und Schlechtleistungen des Arbeitnehmers hingegen nur dann rechtfertigen, wenn sie eine erhebliche Gefährdung für den Betrieb darstellen oder die Gefahr schwerwiegender Vertragsverletzungen begründen. Beides ist vorliegend nicht von der Beklagten dargetan, vielmehr verweist die Beklagte in der Berufungsinstanz erneut darauf, dass das Arbeitsverhältnis nunmehr schon seit dem Jahr 2002 nicht störungsfrei und auch nicht von wirtschaftlichem Nutzen für die Beklagte sei. Beides reicht jedoch nicht aus, um ausnahmsweise eine Freistellung zu rechtfertigen. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit verweist die Beklagte darauf, dass die Arbeit der Klägerin ihr im Hinblick auf die Schlechtleistungen und die benötigte Aufsicht letztlich keinen geldwerten Vorteil bringe und zudem Mehraufwand für die übrigen Arbeitnehmer bedeute. Dies vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da sie bei bezahlter Freistellung der Klägerin ebenfalls keine Gegenleistung erhält, worauf bereits auch das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat.

44

Nach alledem war vorliegend kein überwiegendes Interesse an der Freistellung der Klägerin gegeben, weshalb es auch keiner Entscheidung bedurfte, ob die erfolgte Freistellung im vorliegenden Fall nicht auch schon deshalb ungerechtfertigt war, weil sie von vornherein nicht nur auf eine Überbrückung eines vorübergehenden relativ kurzen überschaubaren Zeitraums angelegt war, sondern bis auf weiteres ohne zeitliche Begrenzung gelten sollte. Die Kammer hat gegen eine letztlich dauerhafte Freistellung grundsätzliche Bedenken, da es ihr als in keiner Weise zu rechtfertigender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitsnehmers erscheint. Es kann einem Arbeitnehmer wohl kaum zugemutet werden, trotz weiter bestehender Bindung an das Arbeitsverhältnis die Beschäftigung zeitlich unbegrenzt nicht ausüben zu können. Auch die Literatur steht einer solch weitgehenden einseitigen Freistellung, die letztlich ohne Einverständnis des Arbeitnehmers zum Leerlaufen des Arbeitsverhältnisses führt, kritisch und ablehnend gegenüber (vgl. Küttner/Kania, Beschäftigungspflicht Rn. 7, MüKo-BGB/Hesse, Vor § 620 BGB, Rn. 45).

45

b) Die Klägerin hat daher Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung in der Entgeltgruppe 5 TVöD in der Verwaltung der Beklagten. An der Begründetheit dieses Antrags ändert schließlich auch nichts, dass die Beklagte mittlerweile die Klägerin tatsächlich entsprechend beschäftigte. Denn die zum Zeitpunkt des Kammertermins im Berufungsverfahren zwischenzeitlich wieder erfolgte Beschäftigung der Klägerin war unstreitig nicht vorbehaltlos, sondern basierte lediglich auf dem Obsiegen der Klägerin in der 1. Instanz und sollte allein eine mögliche Zwangsvollstreckung abwenden, so dass kein das Begehren der Klägerin erledigendes Ereignis gegeben ist.

III.

46

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

47

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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