Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 292/17

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29. März 2017, Az. 1 Ca 1156/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.

2

Der am 1950 geborene Kläger war zuletzt bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom 11.08.2005, der in der linken Textspalte in deutscher Sprache und in der rechten Textspalte in englischer Sprache abgefasst ist, enthält - auszugsweise - folgende Regelungen:

3

"§ 1 Beginn des Anstellungsverhältnisses

4

Das Anstellungsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Angestellten beginnt am 11. August 2005 und ersetzt alle früheren Rechtsverhältnisse der Parteien. ...
...

5

§ 5 Vergütung, Nebenleistungen

6

...
(3) Die Pensionszusage ist in Anlage 1 beschrieben.
...

7

§ 11 Schlussbestimmungen

8

...
(6) Dieser Vertrag ist in deutscher und englischer Sprache abgeschlossen. Bei Widersprüchen ist der deutsche Vertragstext allein maßgeblich."

9

Die Anlage 1 zum Anstellungsvertrag vom 11.08.2005 enthält ebenfalls mit deutscher und englischer Textspalte - auszugsweise - folgende Pensionszusage:

10

"Zu Gunsten des [Klägers] besteht seit dem 01.12.1984 eine Pensionszusage und hierzu gehörende Rückdeckungsversicherungen ...

11

[Die Beklagte] verpflichtet sich, die bislang bestehende Pensionszusage und die hierzu bestehenden Rückdeckungsversicherungen der Höhe nach unverändert unter folgenden Vertragsbedingungen weiter zu führen:

12

[Dem Kläger] wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente seitens der [Beklagten] gewährt in Höhe von 5.000,00 DM = 2.556,46 € zuzüglich 1,50 % der Vorjahresrente für jedes nach dem 01.12.2000 zurückgelegte Dienstjahr. Bei Eintritt der Berufsunfähigkeit wird eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe der erreichten Anwartschaft auf Altersrente gewährt, mindestens jedoch von monatlich 4.660,00 DM = 2.352,00 €.

13

Nach dem Tod erhält die überlebende Ehefrau ...

14

Die Renten werden monatlich im Voraus gezahlt. Auf die betrieblichen Renten werden keine anderweitigen Renten angerechnet. Bei vorzeitigem Ausscheiden bleibt die Anwartschaft auf Leistungen für [den Kläger] oder seine Ehefrau erhalten.

15

Der dann zu zahlende Teil bemisst sich nach dem Verhältnis der tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit zu jener Dienstzeit, die ohne das vorzeitige Ausscheiden insgesamt bis zum 65. Lebensjahr erreichbar gewesen wäre. Beginn der Pensionszusage ist der 01.12.1984. Pensionszusage erfolgt unwiderruflich.

16

Invalidenrente

17

Wird [der Kläger] vor Erreichen der Altersgrenze berufsunfähig, so erhält er für die Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Einsetzen der Altersrente die zugesagte Berufsunfähigkeitsrente.

18

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn ...

19

Ist [der Kläger] länger als 6 Monate infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls mindestens 50 % außerstande gewesen, den zuletzt bei Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Beruf - so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war - nachzugehen, so gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit. ...

20

Scheidet [der Kläger] infolge Berufsunfähigkeit aus den Diensten aus und dauert die Berufsunfähigkeit bis zu seinem Ableben bzw. bis zum Eintritt des Versorgungsfalles (65. Jahre) bleiben die Versorgungsansprüche in voller Höhe erhalten.
..."

21

Der Kläger war seit dem 01.09.2007 ununterbrochen erkrankt und iSd. Pensionszusage berufsunfähig. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 20.05.2010 zum 31.05.2011 ordentlich gekündigt. Die Beklagte zahlte dem Kläger bis zum Einsetzen der Altersrente eine Berufsunfähigkeitsrente nach der Pensionszusage. Seit Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers am 11.09.2015 zahlt sie ihm eine betriebliche Altersrente iHv. monatlich € 2.786,54. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigt sie die Zeit der Berufsunfähigkeit des Klägers vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2011 nicht als rentensteigernde Dienstjahre iSd. Pensionszusage.

22

Der Kläger verlangt ab Oktober 2015 eine Betriebsrente iHv. monatlich € 2.923,03, die er wie folgt berechnet:

23

Dienstjahr

+ 1,5 %

2000   

2.556,46

2001   

2.556,46

2002   

2.594,81

2003   

2.633,73

2004   

2.673,23

2005   

2.713,33

2006   

2.754,03

2007   

2.795,34

2008   

2.837,27

2009   

2.879,83

2010   

2.923,03

24

Er ist der Ansicht, die Beklagte zahle ihm seit Oktober 2015 monatlich € 136,49 zu wenig. Der Rückstand für die Monate von Oktober 2015 bis Februar 2017 belaufe sich auf € 2.320,33 (17 x 136,49) brutto. Zu den rentensteigernden Dienstjahren iSd. Pensionszusage zählten auch die Jahre, in denen er infolge Berufsunfähigkeit tatsächlich nicht mehr für die Beklagte gearbeitet habe.

25

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

26

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.320,33 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

27

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab März 2017 eine monatliche Betriebsrente iHv. € 2.923,03 brutto zu zahlen.

28

Die Beklagte hat beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 29.03.2017 Bezug genommen.

31

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Zeit der Berufungsunfähigkeit des Klägers vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2011 sei auf die für die Steigerung der betrieblichen Altersrente maßgeblichen Dienstjahre anzurechnen. Weder dem Wortlaut noch dem Gesamtzusammenhang der Pensionszusage lasse sich entnehmen, dass nur tatsächlich geleistete Dienstzeiten auf die Dienstjahre des Klägers anzurechnen seien. Weder aus dem Wort "zurückgelegt" noch aus dem Wort "Dienstjahr" lasse sich ableiten, dass der Kläger tatsächlich eine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht haben müsse. "Zurückgelegt" sei ein Dienstjahr auch dann, wenn es durch Zeitablauf verstrichen sei. Ein "Dienstjahr" sei jedes Jahr, das der Kläger in den Diensten der Beklagten gestanden habe. Bestätigt werde diese Auslegung durch den englischen Text der Pensionszusage. Das "zurückgelegte Dienstjahr" sei ins Englische übersetzt worden mit "for each year of employment". Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Pensionszusage lasse sich das von der Beklagten gewünschte Ergebnis nicht ableiten. Denn auch an anderer Stelle sei von der "tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit", nicht jedoch von den tatsächlich geleisteten Diensten die Rede. Wenn die Beklagte Rentensteigerungen für Dienstjahre, in denen der Kläger berufsunfähig gewesen sei, hätte ausschließen wollen, hätte sie die rentenfähige Dienstzeit in der Pensionszusage entsprechend definieren müssen. Dies sei nicht geschehen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

32

Gegen das am 15.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 13.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 14.07.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

33

Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Jahre ohne Arbeitsleistung wegen Berufsunfähigkeit des Klägers als Dienstjahre im Rahmen der Steigerung der betrieblichen Altersrente zu berücksichtigen seien. Für die Auslegung der Vereinbarung sei nicht nur der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang, sondern auch deren Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Sinn und Zweck der Vereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und über deren Steigerung nach der Anzahl zurückgelegter Dienstjahre sei nicht die steigernde Berücksichtigung einer Erhöhung des Lebensalters, sondern die Gewährung einer Gegenleistung für erbrachte Dienstleistungen. Auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung seien Bestandteil des Entgelts als Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Dienstleistungen. Schon daraus folge, dass für längere Zeiträume von mehreren Jahren, in denen Dienstleistungen wegen Berufsunfähigkeit nicht erbracht worden seien, auch der Sinn und Zweck als Leistung mit Entgeltcharakter nicht erfüllt werden könne. Schließlich habe der Kläger für die Jahre seiner Berufsunfähigkeit kein Gehalt, sondern die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente erhalten. Zu Unrecht meine das Arbeitsgericht auch, der Formulierung "zurückgelegte Dienstjahre" sei keine Beschränkung auf die Berücksichtigung von Dienstjahren mit tatsächlicher Arbeitsleistung zu entnehmen. Der Begriff der "zurückgelegten Dienstjahre" knüpfe schon vom Wortlaut an eine Aktivität des Klägers an, weil andernfalls nur der Begriff der Dienstjahre hätte verwendet werden können. Bereits durch die Wortwahl sei zum Ausdruck gebracht worden, dass es nicht nur um das passive Erleiden eines Alterungsprozesses gehen solle. Soweit das Arbeitsgericht annehme, auch aus der englischen Übersetzung "for each year of employment" ergebe sich eine Bestätigung dafür, dass eine tatsächliche Dienstleistung nicht erforderlich sei, stehe diese Argumentation nicht im Einklang mit der Vereinbarung der Parteien. Bei der Versorgungszusage handele es sich um die Anlage 1 zum Anstellungsvertrag. Dieser enthalte in § 11 Abs. 6 die Regelung, dass bei Widersprüchen zwischen deutschem und englischem Text "der deutsche Vertragstext allein maßgeblich" sei. Daraus folge, dass aus der englischen Formulierung keine Rückschlüsse gezogen werden können, die mit der Auslegung des deutschen Vertragstextes nicht übereinstimmten. Nicht richtig sei auch der weitere Hinweis des Arbeitsgerichts, die in der Regelung der Konsequenzen aus einer Berufsunfähigkeit vereinbarten Folge, dass die Versorgungsansprüche in voller Höhe erhalten bleiben, mit einer Berücksichtigung der Jahre einer Berufsunfähigkeit im Rahmen der Steigerung der Rentenansprüche voll im Einklang stünden. Das sei nicht der Fall. Richtig sei vielmehr, dass dieser Absatz keine gestaltende Regelung darüber beinhalte, wie die Versorgungsansprüche bei einem Ausscheiden infolge Berufsunfähigkeit und deren Andauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls berechnet werden sollen. Die Regelung könne daher nur so verstanden werden, dass zunächst aus den übrigen Regelungen der Vereinbarung ermittelt werden müsse, welche Versorgungsansprüche zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls entstanden seien und dass diese auch für den Fall des Ausscheidens infolge Berufsunfähigkeit in voller Höhe erhalten bleiben sollen. Für die Entscheidung der Frage, ob die Berufsunfähigkeit im Rahmen der Steigerung der Rente zu berücksichtigen sei, gebe diese Formulierung nichts her.

34

Der Kläger habe unter Androhung der Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil die Zahlung der titulierten Beträge verlangt. Dem habe sie zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung entsprochen. Mit der Widerklage mache sie ihren Rückzahlungsanspruch aus § 717 ZPO geltend.

35

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

36

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.03.2017, Az. 1 Ca 1156/16, abzuändern und die Klage abzuweisen,

37

im Wege der Widerklage,

38

2. den Kläger zu verurteilen, an sie € 2.320,83 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 1.637,88 seit 13.10.2016 und aus weiteren € 682,45 seit 30.03.2017 zu zahlen,

39

3. den Kläger zu verurteilen, an sie weitere € 818,94 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 136,49 seit 30.03., 30.04., 31.05., 30.06., 31.07.2017 und 31.08.2017 zu zahlen.

40

Der Kläger beantragt,

41

die Berufung zurückzuweisen.

42

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe überzeugend dargelegt, dass auch die Zeiten seiner Berufsunfähigkeit zu einer Steigerung der betrieblichen Altersversorgung führten. Weder das Wort "zurückgelegt" noch das Wort "Dienstjahr" lasse einen Rückschluss darauf zu, dass in der fraglichen Zeit eine Arbeitsleistung erbracht worden sein müsse. Der streitgegenständliche Vertrag sei von der Beklagten als Arbeitgeberin formuliert und ihm vorgelegt worden. Bei der Auslegung sei daher die Sichtweise eines durchschnittlichen Arbeitnehmers heranzuziehen. Ungenauigkeiten gingen zu Lasten der Beklagten als Klauselverwenderin. Die Gestaltung der Betriebsrente für jedes "zurückgelegte Dienstjahr" enthalte eine Treuekomponente, die losgelöst von einer Arbeitstätigkeit die Erhöhung der Betriebsrente zusage.

43

Die Widerklage sei unbegründet. Die Zahlungen, die die Beklagte angebe, seien so nicht geleistet worden. Er habe am 11.05.2017 eine Nachzahlung auf die Betriebsrente iHv. € 2.022,41 erhalten. Mit der Betriebsrente im Mai sei gegenüber der Betriebsrente April eine Erhöhung von € 101,85 erfolgt; statt € 2.629,88 habe die Beklagte am 29.05.2017 für Mai € 2.731,73 gezahlt.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

45

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

46

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat einen einzelvertraglichen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte ab dem Monat Oktober 2015 monatlich eine um € 136,49 höhere Betriebsrente zahlt. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für 17 Monate vom 01.10.2015 bis zum 28.02.2017 insgesamt einen Betrag iHv. € 2.320,33 nachzuzahlen und für die Zeit ab 01.03.2017 eine monatliche Betriebsrente iHv. € 2.923,03 zu gewähren. Dementsprechend ist die von der Beklagten gem. § 717 Abs. 2 ZPO zweitinstanzlich erhobene Widerklage unbegründet.

47

1. Der Anspruch des Klägers auf eine höhere Betriebsrente folgt aus der Pensionszusage vom 11.08.2005. Darin hat sich die Beklagte verpflichtet, dem Kläger mit Vollendung des 65. Lebensjahres (am 11.09.2015) eine Altersrente iHv. € 2.556,46 zuzüglich 1,50 % der Vorjahresrente für jedes nach dem 01.12.2000 zurückgelegte Dienstjahr zu gewähren. In der Zeit vom Stichtag 01.12.2000 bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2011 hat der Kläger zehn volle Dienstjahre zurückgelegt, die allesamt rentensteigernd zu berücksichtigen sind. Es ist unerheblich, dass der Kläger in diesem Zeitraum dreidreiviertel Jahre vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2011 ununterbrochen berufsunfähig erkrankt war und von der Beklagten die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente bezogen hat. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen.

48

a) Die Pensionszusage vom 11.08.2005 ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäben auszulegen. Die Pensionsvereinbarung der Parteien enthält keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn sie ist nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden, sondern war nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten individuell nur für den Kläger konzipiert worden. Es handelt sich auch nicht um eine von der Beklagten vorformulierte sog. Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, die den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln unterläge. Der Kläger hätte darlegen und beweisen müssen, dass er auf den Inhalt der Pensionszusage keinen Einfluss nehmen konnte (zur Darlegungs- und Beweislast grundlegend BGH 15.04.2008 - X ZR 126/06 - Rn. 18 ff). Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass sie den Anstellungsvertrag und die Pensionszusage mit dem Kläger seinerzeit inhaltlich abgestimmt habe. Der Kläger hat für seine gegenteilige Behauptung nicht mit ausreichender Substanz vorgetragen und auch keinen Beweis angetreten.

49

b) Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen und widerspruchsfreien Ergebnis führt, das den Interessen beider Vertragspartner gerecht wird (vgl. BAG 17.05.2017 - 7 AZR 301/15 - Rn. 16 mwN; BAG 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 30 mwN).

50

c) Das Arbeitsgericht hat ausgehend vom Wortlaut der Pensionszusage rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit der Berufungsunfähigkeit des Klägers vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2011 rentensteigernd zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Berufung ändert auch der Umstand, dass der Kläger in diesem Zeitraum bereits eine Berufsunfähigkeitsrente aus der Pensionszusage erhalten hat, an diesem Verständnis nichts.

51

Die Pensionszusage vom 11.08.2005 stellt die Regel auf, dass sich jedes "zurückgelegte Dienstjahr" rentensteigernd auswirkt. Dienstjahre sind die Jahre, in denen der Kläger in den Diensten der Beklagten gestanden hat, also ein Arbeitsverhältnis bestand. Dem Wortlaut der Pensionszusage ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass Zeiten ohne Vergütung, insbesondere - wie hier - Ausfallzeiten infolge von Krankheit, sich nicht rentensteigernd auswirken sollen. Die Pensionszusage stellt allein auf die zurückgelegten Dienstjahre ab, dh. auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne, und nicht auf die tatsächliche Beschäftigung.

52

Eine eigene Definition des Begriffs "für jedes (...) zurückgelegte Dienstjahr" fehlt in der Pensionszusage. Die Regelung ist nach dem Sprachgebrauch so zu verstehen, dass auch Zeiten der Nichttätigkeit infolge Krankheit zu den zurückgelegten Dienstjahren zählen. Es kommt nach dem Wortlaut nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. Hätte die Beklagte die zurückgelegten Dienstjahre rein tätigkeitsbezogen verstanden wissen und nur die tatsächlich ausgeübte (aktive) Tätigkeit rentensteigernd berücksichtigen wollen, wie die Berufung annimmt, hätte sie dies deutlich machen müssen. Auch dies hat das Arbeitsgericht richtig erkannt.

53

Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers normalerweise nicht um ihrer selbst willen honoriert wird, sondern im Hinblick auf die im Betrieb tatsächlich geleistete Arbeit. Andererseits entspricht die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht genau dem Umfang der während dieser Zeit für den Betrieb tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Diese tatsächliche Arbeitsleistung kann wegen einer Vielzahl von Umständen während dieser Zeit ausgefallen sein. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, des Urlaubs oder persönliche Arbeitsverhinderungen aus sonstigen Gründen können die während der Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung erheblich mindern. Dabei ist es gleichgültig, ob für diese Zeiten der Nichtarbeit das Arbeitsentgelt fortzuzahlen oder - wie hier - eine Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen ist. Eine tatsächliche Arbeitsleistung liegt für diese Zeiten nicht vor.

54

Entgegen der Ansicht der Berufung kann in den Begriff "zurückgelegte Dienstjahre" nicht der Satz hineingelesen werden, dass eine tatsächliche Arbeitsleistung Voraussetzung für den Anspruch auf Steigerung der betrieblichen Altersrente sein soll. Es kann als bei Vertragsschluss bekannt vorausgesetzt werden, dass der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht lückenlos mit Zeiten tatsächlicher Arbeit für den Betrieb ausgefüllt sein muss und dass Zeiten fehlender Arbeitsleistung anfallen können. Es war der Beklagten bei Abgabe der Pensionszusage am 11.08.2005 überlassen zu bestimmen, inwieweit Zeiten, in denen - gleich aus welchen Gründen - der Kläger eine tatsächliche Arbeitsleistung für den Betrieb nicht erbringt, sich nicht rentensteigernd auswirken sollen. Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung ggf. aus rechtlichen Gründen nicht als "rentenschädlich" bewertet werden dürfen. Wird von den Vertragsparteien - wie hier - keine Regelung für bestimmte Fälle fehlender tatsächlicher Arbeitsleistung getroffen, entspricht es der richtig verstandenen Interessenlage, dass Zeiten fehlender Arbeitsleistung für den Anspruch auf Steigerung der Rente ohne Bedeutung sein sollen.

55

Der Interpretation der Berufung, dass unter "zurückgelegte Dienstjahre" nicht nur das "passive Erleiden eines Alterungsprozesses", sondern eine tatsächliche Arbeitsleistung zu verstehen sei, steht bereits der von den Parteien gewählte Wortlaut entgegen. Das Erfordernis einer tatsächlichen Arbeitsleistung kann nicht als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung lediglich daraus hergeleitet werden, dass mit der betrieblichen Altersversorgung auch im Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll. Die Beklagte hatte es seinerzeit in der Hand, im Einzelnen zu bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich nicht rentensteigernd auswirken sollen. Da sie davon keinen Gebrauch gemacht hat, verbleibt es bei den vereinbarten Zahlungsansprüchen.

56

Mit Rücksicht auf dieses eindeutige Auslegungsergebnis kann offen bleiben, ob die Kritik der Berufung berechtigt ist, dass das Arbeitsgericht nicht zusätzlich noch den englischen Text der Pensionszusage und die Regelungen über die Berechnung der Betriebsrente bei vorzeitigem Ausscheiden zur Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen heranziehen durfte.

57

2. Die zweitinstanzliche Widerklage ist unbegründet, weil das arbeitsgerichtliche Urteil nicht aufgehoben worden ist, so dass nach § 62 Abs. 2 ArbGG iVm. § 717 Abs. 2 ZPO kein Schadensersatzanspruch der Beklagten besteht.

III.

58

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

59

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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