Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (2. Kammer) - 2 Sa 272/12

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14. 05. 2012 - 3 Ca 1926/11 E - abgeändert. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 01. 01. 2011 - 30. 04. 2012 5.641,44 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf die jeweilige monatliche Differenz von 351,60 € in der Zeit von Januar 2011 - Juli 2011 und auf die jeweilige monatliche Differenz von 353,36 € für die Zeit von August 2011 - April 2012 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 01. 05. 2012 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe E 10 Stufe 5 TVöD-VKA zu zahlen und die monatlichen Differenzen zwischen der Stufe 5 und der gezahlten Vergütung (jeweils brutto-Betrachtungsweise) mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz jeweils seit der monatlichen Fälligkeit zu verzinsen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 20,5 % und die Beklagte 79,5 %.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - nach Klageänderung vom 22.11.2011 - über Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab dem 01.01.2011 in Höhe der Differenz zwischen der Entgeltgruppe E 10 Stufe 4 und Stufe 6 (hilfsweise Stufe 5) TVöD-VKA.

2

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) seit August 1986 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet u. a. der TVöD-VKA Anwendung. Die Klägerin war ursprünglich in der Kernverwaltung der Beklagten als Sachbearbeiterin im Sozial- und Wohnungsamt tätig. Seit dem 01.05.1995 war sie nach erfolgreicher Bewährungszeit in die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT-O eingruppiert.

3

Auf der Grundlage der Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft und Übertragung von Aufgaben gem. § 44 b SGB II wurden durch die Beklagte und die Agentur für Arbeit M. die Arbeitsgemeinschaft M. GmbH (ARGE) gegründet, Bl. 71 ff. d. A.

4

In § 15 Abs. 2 S. 2 und 3 der Vereinbarung heißt es:

5

„Die Wahrnehmung der übrigen Aufgaben nach dieser Vereinbarung durch die ARGE beginnt am 01. Januar 2005 und ist zunächst auf die Dauer von sechs Jahren befristet. Die Vertragspartner können den Vertrag einvernehmlich um jeweils drei weitere Jahre verlängern.“

6

§ 15 Abs. 3 der Vereinbarung lautet:

7

„Wenn die Stadt von der Option des § 6 a SGB II Gebrauch machen möchte, ist sie berechtigt, diese Vereinbarung erstmals mit Wirkung zum 31. Dezember 2010 zu kündigen. Anschließend kann dieses Kündigungsrecht jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres ausgeübt werden. Eine Kündigung nach diesem Absatz muss schriftlich bis zum 31. März des Jahres, in welchem die Kündigung wirksam werden soll, der Agentur erklärt werden. Der Agentur steht das gleiche Kündigungsrecht zu.“

8

Die Agentur für Arbeit und die Beklagte stellen gem. § 4 Abs. 5 der Vereinbarung jeweils 50 % des notwendigen Personals für die ARGE bereit. Die Angestellten der Landeshauptstadt wurden der ARGE nach § 12 BAT-O überlassen. Art, Umfang und Qualifikation des von der ARGE benötigten Personals wurden in einem Organisations- und Qualifikationsplan festgelegt und den jeweiligen Aufgabenbereichen des Vertrages zugeordnet. Die ARGE nahm die ihr nach Maßgabe des Vertrages übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende wahr. Dabei nahm die ARGE gem. § 44 b Abs. 3 S. 1 SGB II a. F. sämtliche der Agentur für Arbeit nach dem SGB II obliegenden Aufgaben wahr. Die Stadt übertrug der ARGE die Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 - 4 SGB II, die Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II, die Einziehung von Forderungen aus den übertragenen Aufgaben, die Bearbeitung von Widersprüchen und Erstellung von Widerspruchsbescheiden und die Prozessvertretung von gerichtlichen Angelegenheiten nach dem SGB II.

9

Mit Schreiben vom 20.12.2004 (vgl. Bl. 9 f d. A.) wurde die Klägerin durch die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 aus betrieblichen Gründen der ARGE zugewiesen. Mit Schreiben vom 23.12.2009 und vom 19.02.2010 wurde die Zuweisung bis zum 30.06. bzw. 31.12.2010 einvernehmlich gem. § 4 TVöD-VKA verlängert, (Bl. 102 ff. d. A). Dabei wurde die Klägerin als Fallmanagerin eingesetzt, was einer höherwertigen Arbeit im Vergleich zur vorherigen Tätigkeit entsprach. Die Aufgaben einer Fallmanagerin entsprachen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT-O (= E 10 TVöD-VKA nach übereinstimmender Auffassung der Parteien). Für die Dauer der Tätigkeit wurde der Klägerin eine Besitzstandszulage gem. § 24 Abs. 1 BAT-O in Höhe der Differenz der Vergütungsgruppen V b und IV a BAT-O gezahlt.

10

Wirtschaftlich war die Klägerin ab dem 01.01.2005 somit so gestellt, als erhielte sie eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT-O.

11

Zum 01. Oktober 2005 wurde die Klägerin vom BAT-O in den TVöD-VKA i. V. m. dem TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe E 9 mit einer individuellen Erfahrungsstufe 4 + übergeleitet. Die Klägerin erhielt ihre Zulage nach § 24 BAT-O nach Überleitung in den TVöD als Besitzstandszulage in Höhe der bisherigen Zahlung weiterhin, § 10 Abs. 1 S. 1 TVÜ-VKA. Ab dem 01.10.2007 erhielt sie eine Vergütung nach der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA.

12

Ab 01. Oktober 2007 wäre nach § 10 Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA die Zulage neu zu berechnen gewesen. Die Klägerin hätte gem. § 17 Abs. 4 TVöD-VKA a. F. ab dem 01.10.2007 statt einer Zulage in Höhe von 471,57 € lediglich den sehr viel geringeren Garantiebetrag erhalten. Da der TVöD-Garantiebetrag geringer gewesen wäre als die Zulage nach dem BAT-O, wurde im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits im Jahre 2006 von der Beklagten beim Ministerium des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt ein Ausnahmeantrag gem. § 73 Abs. 3 GO LSA gestellt und die Möglichkeit einer Höhergruppierung trotz nur vorübergehender Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheiden des Ministeriums des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt und des KAV zunächst abgelehnt.

13

Nach Modifizierungen des o. g. Antrages durch die Beklagte genehmigten beide die Gewährung von Zulagen nach den bis zum 30.09.2007 geltenden tariflichen Bestimmungen, (vgl. Bl. 93 f und 95 d. A). Die Klägerin erhielt aufgrund des geschilderten Sachverhalts auch über den 30.09.2007 hinaus eine Zulage in Höhe der BAT-O Zulage von 471,57 € monatlich. Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 16. November 2006 (vgl. Bl. 96 d. A.) mitgeteilt. Diese Zulage wurde ihr bis zum 31.12.2010 gezahlt.

14

Mit Schreiben vom 11.06.2009 wandte sich die Klägerin gemeinsam mit anderen Beschäftigten der ARGE schriftlich an die Beklagte und fragte den Sachstand im Hinblick auf die Eingruppierung zum 01.01.2005 ab, Bl. 97 f. d. A.. Darin bat u. a. die Klägerin um Mitteilung, ob und wann höhere Eingruppierungen, wie ursprünglich beabsichtigt, vorgesehen seien. Mit weiterem Schreiben vom 26.08.2010 (Bl. 99 d. A.) beantragte die Klägerin ihre Verwendung innerhalb der Kernverwaltung der Beklagten. Daraufhin fand am 30.09.2009 eine Mitarbeiterversammlung für die Beschäftigten in der ARGE statt. In Ergänzung der Mitarbeiterbesprechung wurden die Beschäftigten der ARGE, darunter auch die Klägerin, zu persönlichen Gesprächen eingeladen. In diesen Gesprächen ging es einerseits darum, die Beschäftigten zu einer weiteren Zuweisung bis zum 31.12.2010 anzuhören sowie die Beschäftigten hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen einer Eingruppierung nach dem TVöD-VKA anlässlich der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeiten zu informieren. Das Personalgespräch mit der Klägerin fand am 04. November 2009 statt. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, zwischen der Möglichkeit unter Weiterzahlung der Besitzstandszulage in Höhe von 471,57 € monatlich in ihrer bisherigen Vergütungsgruppe zu verbleiben oder die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT-O (E 10 TVöD-VKA) ab dem 01.01.2007 anzustreben, zu entscheiden. In diesem Zusammenhang wurde der Klägerin auch der rückwirkende Wegfall der Besitzstandszulage erläutert. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass eine rückwirkende Eingruppierung die Rückzahlung der im Rahmen einer Rückrechnung ermittelten überzahlten Beträge unter Berücksichtigung des § 37 TVöD-VKA zur Folge habe.

15

Die Klägerin traf in diesem Personalgespräch keine Entscheidung zur Eingruppierungsfrage. Mit einer weiteren Zuweisung an die ARGE war die Klägerin zunächst bis zum 30.06.2010 und später bis zum 31.12.2010 einverstanden.

16

Am 12.11.2010 fand ein erneutes Personalgespräch mit der Klägerin statt. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass die Errichtung des JobCenters ab dem 01.01.2011 eine dauerhafte Übertragung der ihr zugewiesenen Aufgaben nach der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT-O (E 10 TvöD-VKA) zur Folge habe und die Zulagengewährung in der bisherigen Form entfalle.

17

Am 01.12.2010 fand mit dem Oberbürgermeister der Beklagten ein Gespräch mit der Klägerin und sechs weiteren Kollegen statt. Im Ergebnis dieses Gespräches wurde vereinbart, nochmals beim Ministerium des Inneren eine Ausnahme zu beantragen, um eine den übertragenen Tätigkeiten entsprechende rückwirkende Eingruppierung mit Gründung der ARGE ab dem 01.01.2005 zu erwirken. Mit Schreiben vom 06.12.2010 beantragte die Beklagte gem. § 73 Abs. 3 GO LSA beim Ministerium des Inneren, die Beschäftigten der ARGE den übertragenen Tätigkeiten entsprechend ab 01.01.2005 rückwirkend höher einzugruppieren. Mit Schreiben vom 23.12.2010 lehnte das Ministerium den Antrag der Beklagten ab. Hierüber wurde die Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 18.01.2011 abschließend abschlägig beschieden, (Bl. 113 d. A.).

18

Mit Wirkung vom 01.01.2011 wurde das Jobcenter ... e. G. gebildet. Träger dieser gemeinsamen Einrichtung sind die Beklagte und die Bundesanstalt für Arbeit.

19

Mit Schreiben vom 29.11.2010 wurde der Klägerin ihre bisherige Tätigkeit im neuen Jobcenter unter Zuweisung für 5 Jahre dauerhaft übertragen, Bl. 106 d. A. Sie wurde in die Entgeltgruppe E 10 Erfahrungsstufe 4 TVöD-VKA eingruppiert. Die vorherige BAT-O Zulage entfiel; es wurde nur noch ein Garantiebetrag von 58,42 Euro brutto bzw. 58,36 Euro gezahlt, der wesentlich geringer war als die vorherige Zulage, Bl. 109 f. d. A..

20

Mit Schreiben vom 24.02.2011 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 10 TVöD-VKA ab dem 01.07.2005, hilfsweise ab dem 01.07.2007 (nach der Klageschrift per 01. 01. 2007) geltend; Bl. 119 f. d. A. Dem ist die Beklagte mit Schreiben vom März 2011 entgegengetreten, (Bl. 22 f. d. A.). Die Klägerin sei ab 2005 bzw. ab dem 01.07.2007 in die Vergütungsgruppe IV a BAT-O (= E 10 TvöD-VKA) dauerhaft eingruppiert.

21

Die Klägerin behauptet:

22

Der Ausübung billigen Ermessens hätte es seinerzeit lediglich entsprochen, der Klägerin die höherwertigen Tätigkeiten nur bis zum 30.06.2005 vorübergehend zu übertragen. Aber jedenfalls ab dem 01.01.2007 (Bl. 8 d. A.) sei die Klägerin in die höhere Vergütungsgruppe IV a BAT-0 dauerhaft eingruppiert worden. Hierbei sei das Schreiben der Beklagten vom 04.03.2005 zu berücksichtigen, in dem es in Ziffer 2 (vgl. Bl. 11 f. d. A.) - insoweit unstreitig - heißt:

23

„Nach Ablauf einer Einarbeitungs- und Bewährungszeit von zwei Jahren in der höheren Vergütungsgruppe werden die Mitarbeiterinnen zu 1. in die neue Vergütungsgruppe eingruppiert.“

24

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts widerspreche es billigem Ermessen, wenn eine höherwertige Tätigkeit nach einer Erprobung bloß vorübergehend übertragen werde. Jedenfalls spätestens nach Ablauf von rd. zwei Jahren hätten der Klägerin - wenn nicht bereits nach Ablauf von sechs Monaten - die höherwertigen Tätigkeiten auf Dauer übertragen werden müssen, da sich die Beklagte durch das Schreiben vom 04.03.2005 auf eine zweijährige Einarbeitungszeit selbst gebunden habe.

25

Das Vergleichsentgelt der Klägerin in der Vergütungsgruppe IV a BAT-O Stufe 9 habe im September 2005 3.221,77 € brutto betragen. Nach Anlage 1 zum TVÜ-VKA sei die Vergütungsgruppe IV a BAT-O der Entgeltgruppe 10 TVöD zuzuordnen. Anhand der bisher gezahlten Vergütung - des Vergleichsentgeltes - hätte sich ab dem 01.10.2005 für die Klägerin eine individuelle Zwischenstufe innerhalb der Entgeltgruppe 10 ergeben. Das Vergleichsentgelt der Klägerin hätte zwischen den Erfahrungsstufen 5 und 6 (EG 10 Stufe 5 = 3.177,-- € brutto und Stufe 6 = 3.262,-- € brutto) gelegen. Mit dem 01.10.2007 wäre die Klägerin sodann gem. § 6 Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA von der Erfahrungsstufe 5 der Entgeltstufe 10 in die Stufe 6 der Entgeltstufe 10 aufgestiegen. Das Entgelt dieser Stufe hätte die Klägerin auch ab dem 01.01.2011 beanspruchen können.

26

Das Differenzgehalt zwischen den Stufen 4 und 6 der Entgeltgruppe E 10 von Januar bis Juli 2011 hätte 448,72 € brutto und von August 2011 bis April 2012 450,96 € brutto sowie bzgl. der Sonderzuwendung 2011 € 266,78 brutto betragen.

27

Die Beklagte habe ihr Ermessen, die höherwertige Tätigkeit der Klägerin über eine Dauer von sechs Jahren lediglich vorübergehend zu übertragen, nicht richtig ausgeübt. Dies habe zur Folge, dass die Klägerin entweder ab dem 01.07.2005 oder hilfsweise ab dem 01.01.2007 dauerhaft höherwertig beschäftigt worden wäre.

28

Auf die (befristete) Vereinbarung zur Errichtung der ARGE könne sich die Beklagte hinsichtlich der Ausübung ihres Ermessens nicht stützen. Von einer Prognose, dass die ARGE nach sechs Jahren, also mit dem 31.12.2010 entfallen würde, könne angesichts § 15 Abs. 2 der Vereinbarung, wonach die ARGE lediglich zunächst auf die Dauer von sechs Jahren befristet sei, keine Rede sein, weil die Vertragspartner den Vertrag einvernehmlich um jeweils drei weitere Jahre verlängern konnten.

29

Außerdem sei die bloß vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten nicht von billigem Ermessen getragen, weil dies zur Folge hätte, dass das Beschäftigungsrisiko einseitig auf die Beschäftigten abgewälzt werde. Grundsatz sei die Tarifautomatik; die befristete vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten sei die Ausnahme. Ein besonderer Grund für die lediglich vorübergehende Übertragung habe nach Ablauf der von der Klägerin genannten Daten nicht mehr bestanden.

30

Auch die Gesetzgebungsgeschichte zu § 44 b SGB II a. F. spreche für die Auslegung der Klägerin. Es sei nicht vorgesehen gewesen, die Arbeitsgemeinschaften nach § 44 b SGB II a. F. in ihrer Wirksamkeit zunächst einmal zu erproben. Insoweit sei ein Unterschied zu § 6 a SGB II a. F. festzustellen. Die Tätigkeit der ARGE gem. § 44 b SGB II a. F. sei nicht befristet gewesen. Hier seien Daueraufgaben wahrgenommen worden.

31

Die Ansprüche der Klägerin seien nicht gem. § 37 TVöD verfallen. Sie seien auch nicht verjährt. Es gehe um Ansprüche aus dem Jahr 2011, die bereits im Februar 2011 geltend gemacht worden seien.

32

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

33
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Differenzlohn für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.04.2012 in Höhe von insgesamt 7.466,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die monatliche Bruttodifferenzen zwischen den Entgelten der Stufe 6 und 4 der Entgeltgruppe 10 TVöD VKA seit ihrer monatlichen Fälligkeit und aus 266,78 € brutto seit dem 30.11.2011 zu zahlen,

34
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Zeitraum ab 01.05.2012 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 6 TVöD zu zahlen und auszusprechen, dass die monatlichen Entgeltbruttodifferenzen zwischen dem von der Klägerin verlangten und dem hier gezahlten Entgelt mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der jeweiligen monatlichen Fälligkeit zu verzinsen sind.

35

Hilfsweise wird beantragt,

36

den oben genannten Feststellungsantrag für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD auszusprechen.

37

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die der Klägerin ab dem 01.01.2005 übertragenen höherwertigen Tätigkeiten einer Fallmanagerin bis Ende 2010 vorübergehend übertragen werden konnten.

40

Der Klägerin habe daher lediglich die Zahlung einer Zulage zugestanden, jedoch nicht die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe/Entgeltgruppe IV a BAT-O/E10 TVöD-VKA. Zwar sei es zutreffend, dass die vorübergehende Übertragung in entsprechender Anwendung von § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen habe. Die Grundsätze der Billigkeit seien jedoch gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und sowohl die Interessen des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung als auch die Interessen des Arbeitnehmers an einer dauerhaften Übertragung angemessen berücksichtigt seien. Die lediglich vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit habe billigem Ermessen entsprochen.

41

Die Träger der Leistungen nach dem SGB II hätten 2004 vor einer neuen Herausforderung gestanden, die es kurzfristig und ohne entsprechende Erfahrung umzusetzen gegolten habe. Vor diesem Hintergrund seien die Vereinbarungen über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft und die Übertragung von Aufgaben gem. § 44 b SGB II a. F. zwischen der Beklagten und der Agentur für Arbeit M. zunächst nur befristet für sechs Jahre geschlossen worden.

42

Darüber hinaus hätten von Anfang an Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Ermächtigungsgrundlage bestanden. Schließlich habe die Beklagte aufgrund eines den Beschäftigten nach einer Vereinbarung mit dem Personalrat - unstreitig - eingeräumten Rückkehrrechts für die Dauer des Bestandes der ARGE jederzeit mit einem Umsetzungsantrag der Klägerin zurück in die Kernverwaltung rechnen müssen.

43

Das Schreiben der Beklagten vom 04.03.2005 stehe nicht entgegen. Hierbei habe es sich lediglich um ein Informationsschreiben bzw. eine Absichtserklärung gegenüber der Geschäftsleitung der ARGE gehandelt.

44

Die Geltendmachung des Anspruches verstoße gegen § 242 BGB. Die Beklagte sei dazu bereit gewesen, die Klägerin in Umsetzung des Schreibens vom 04.03.2005 übertariflich ab dem 01.01.2007 in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT-O einzugruppieren. Allerdings hätte der Beklagten dann unter Beachtung von § 37 TVöD ein Rückzahlungsanspruch zugestanden. Dies sei der Klägerin in einem Personalgespräch im Dezember 2011 ausdrücklich erläutert worden. In Auswertung des vorgezeichneten Gesprächs und des späteren Verlaufs habe die Beklagte jedoch im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin davon ausgehen müssen, dass für diese eine übertarifliche Höhergruppierung zum 01.01.2007 nicht in Betracht komme.

45

Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin sei im Übrigen gem. § 37 TVöD-VKA verfallen. Auch sei der Anspruch verjährt.

46

Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.05.2012 ist der Klägerin z. H. ihrer Prozessbevollmächtigten am 07.06.2012 zugestellt worden. Hiergegen haben diese mit am 05.07.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ging am 31.07.2012 (Bl. 219 ff. d. A.) ein.

47

Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch u. a. auf der Grundlage der Schriftsätze vom 30.07.2012, 12.04.2013, 26.04.2013 und vom 01.10.2013 weiter.

48

Das Arbeitsgericht habe die beiderseitigen Interessen nicht zutreffend berücksichtigt. Das Interesse der Klägerin sei es, entsprechend der ausgeübten Tätigkeit eingruppiert zu sein und nicht nur bei Beibehaltung der ursprünglichen Eingruppierung eine Zulage zu erhalten sowie Vertrauen darauf haben zu können, dass ein Entzug der höherwertigen Tätigkeit nicht ohne effektiven Rechtsschutz möglich sei und ihr dadurch eine verlässliche Lebensplanung ermöglicht werde. Gerade im öffentlichen Dienst sei von dem Grundsatz auszugehen, dass die Tarifautomatik gelte. Die Beibehaltung der niedrigeren Eingruppierung bei Zahlung einer Zulage während der Dauer der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten sei der Ausnahmefall.

49

Zum Zeitpunkt der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ab dem 01.01.2005 habe die Beklagte von keiner Unsicherheit über den dauerhaften Bestand der neuen Organisationsform in der Arbeitsförderung für die Hilfe bedürftiger Arbeitssuchender ausgehen können. Die Wahrnehmung der Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften sei nicht befristet gewesen. Hierfür spreche auch die Gesetzgebungsgeschichte des § 44 b SGB II a. F. Vielmehr sei eine Befristung lediglich für sogenannte Optionskommunen nach § 6 a SGB II a. F. vorgesehen gewesen.

50

Dies gelte auch für die Erwägung des angefochtenen Urteils, der Arbeitsanfall in den Arbeitsgemeinschaften habe sich nicht abschätzen lassen. Der Beklagten habe zweifellos bekannt sein müssen, dass die Grundsicherung für Arbeitssuchende sowohl wegen der Zahl der betroffenen Bürger als auch hinsichtlich der Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften erhebliches Gewicht haben würde. Eine Prognose, dass die Zahl der Bürger, die Grundsicherung beantragen würden, abnehmen würde, habe sich verboten.

51

Das mit dem Personalrat der Beklagten vereinbarte Rückkehrrecht der in der Arbeitsgemeinschaft beschäftigten Mitarbeiter habe ein berechtigtes Interesse der Beklagten an einer vorübergehenden Übertragung der höherwertigen Aufgaben nicht begründet. Denn dies beinhalte, dass nach Rückkehr in die Kernverwaltung lediglich die vor der Tätigkeit bei der ARGE gewährte Vergütung zu zahlen sei. Der Beklagten hätten genug juristische erfolgversprechende Instrumentarien zur Verfügung gestanden, um die Eingruppierung einer Rückkehrerin zu korrigieren.

52

Grundsätze der Sparsamkeit hätten ein berücksichtigungsfähiges Interesse der Beklagten nicht begründen können.

53

Maßgeblich sei der erhebliche Rechtsnachteil der Klägerin. Diese verliere nach der vorliegenden Konstruktion einen erheblichen Teil der ihr bislang gezahlten Bezüge.

54

Auch das Schreiben vom 04.03.2005 der Beklagten müsse bei der Bewertung Berücksichtigung finden. Entscheidend sei, dass die Beklagte eindeutig bekundet habe, aus welchem Grunde sie die bloß vorübergehende Übertragung der Tätigkeit vorgenommen habe. Dies seien die Erprobung und Bewährung der Klägerin gewesen. Damit habe sich die Beklagte auf den dort genannten zweijährigen Zeitraum gebunden.

55

Außerdem ergebe sich aus dem Angebot der Beklagten aus dem Jahr 2009, die Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2007 rückwirkend in die Entgeltgruppe 10 TVöD-VKA einzugruppieren, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt die nunmehr geltend gemachten Gründe der nur befristeten Existenz der ARGE, der Unsicherheit über den Arbeitsanfall und keine vollendeten Tatsachen schaffen zu wollen, in der Retroperspektive nicht mehr annehmen wolle. Dies zeige ferner, dass auch die Beklagte letztendlich nicht nur von einer vorübergehenden Übertragung ausgegangen sei.

56

Darüber hinaus sei auf das Urteil des BAG vom 04.07.2012 - 4 AZR 75/10 - abzustellen. Die dort angesprochene Prognose eines Wegfalls der vorübergehend übertragenen Aufgaben habe die Beklagte nicht angestellt. Außerdem habe das BAG in der noch nicht veröffentlichen Entscheidung vom 11. 09. 2013 - 7 AZR 107/12 - festgestellt, dass eine Optionskommune nach § 6 a SGB II a. F. eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht auf diese Experimentierklausel stützen könne. Die dortigen wesentlichen Erwägungen seien auf die Bewertung des billigen Ermessens zu übertragen.

57

Die Klägerin beantragt,

58

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14.05.2012 - 3 Ca 1926/11 E - nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, wobei der Hilfsantrag nicht mehr gestellt werde.

59

Die Beklagte beantragt,

60

die Berufung zurückzuweisen.

61

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil u. a. auf der Grundlage ihrer Schriftsätze vom 08.10.2012, vom 24.10.2012 und vom 17.09.2013 sowie vom 04.10.2013.

62

Eine zeitliche Grenze für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten sei weder in § 24 BAT-O noch in § 14 TVöD-VKA enthalten.

63

Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit bis zum 31.12.2009 und danach bis zum 31.12.2010 sei nach billigem Ermessen erfolgt. Auch die Klägerin gehe davon aus, dass es billigem Ermessen entsprochen habe, ihr die anders bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. Darüber hinaus habe es billigem Ermessen entsprochen, diese Tätigkeit für die Dauer von sechs Jahren lediglich vorübergehend zu übertragen. Die lediglich vorübergehende Übertragung habe für deren Dauer zu einem finanziellen Vorteil für die Klägerin geführt. Grundlage der vorübergehenden Tätigkeit sei es auch gewesen, dass ihr die Möglichkeit einer Rückkehr zur Beklagten und einer dortigen Tätigkeit ermöglicht worden und erhalten geblieben sei. Die Rückkehrmöglichkeit beinhalte, dass die bis dahin ausgeübte Tätigkeit eben nur vorübergehend hätte übertragen werden können. Außerdem habe festgestanden, dass das System der ARGE keinen rechtlichen Bestand gehabt habe und von Beginn an verfassungswidrig und damit rechtswidrig gewesen sei. Gerade neue, nicht erprobte juristische Instrumente beinhalteten per se das Interesse, derartige Unsicherheiten zu vermeiden.

64

Aus dem Schreiben vom 04.03.2005 ergebe sich nichts Gegenteiliges. Ein konstitutiver Anspruch sei diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Das Schreiben enthalte auch keine Selbstbindung der Beklagten.

65

Verwaltungsorganisatorisch und verfassungsrechtlich sei mit der Schaffung des § 44 b SGB II a. F. ein Kompromiss gefunden worden, der eine im Ergebnis festgelegte, im Detail offene Mischverwaltung angeordnet habe. Hiermit sei Neuland betreten worden. Solche Hybridorganisationen würden in Steuerung, Finanzierung und Kontrolle zahlreiche Probleme bergen. Die Unklarheiten der Mischverwaltung, ihre fehlende Einbettung und herkömmliche Struktur seien im Ergebnis ausreichend gewesen, um lediglich eine Vorläufigkeit anzunehmen. Damit habe es nicht nur der Verantwortung, sondern auch dem Interesse der Beklagten entsprochen, unter diesen Konstellationen keine höheren Eingruppierungen unumkehrbar einzugehen und nur eine vorübergehende Übertragung mit einer Zulagenzahlung anzuordnen. Hinzugetreten sei, dass von Anfang an Zweifel an der Rechtsgrundlage des § 44 b SGB II a. F. bestanden hätten.

66

Die Entscheidung des BAG vom 11.09.2013 - 7 AZR 107/12 - sei für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig.

67

Wegen des weiteren Vorbringens wird u. a. auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

68

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, § 8 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519 und 520 ZPO. Insbesondere ist die Berufung rechtzeitig und formwahrend eingelegt worden. Der Berufungswert von mindestens 600,01 € ist erreicht.

II.

69

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

70

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe E 10 Erfahrungsstufe 5 TVöD-VKA ab dem 01.01.2011. Die weitergehende Berufung war indes kostenpflichtig zurückzuweisen.

1.

71

Die Forderung der Klägerin ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht gem. § 37 Abs. 1 TVöD-VKA verfallen bzw. nach § 195 BGB verjährt, denn es geht um behauptete Ansprüche aus 2011 und 2012, die bereits im Februar 2011 geltend gemacht und im Juli 2011 eingeklagt wurden (Zustellung am 11. 07. 2011). Auch der Feststellungsantrag für die Zeit ab 01.05.2012 ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren gegen eine Beklagte des öffentlichen Dienstes wie bei Eingruppierungsverfahren nicht zu beanstanden.

2.

72

aa.) Ziffer 2 des Schreibens der Beklagten vom 04.03.2005 stellt keine Zusage einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 10 TVöD-VKA ab dem 01.01.2007 dar. Dies behauptet die Klägerin selber nicht. Auf dieses Schreiben kann die Klägerin ihren Anspruch zwar nicht stützen.

73

bb.) Der Anspruch der Klägerin ist dennoch teilweise (E 10 Stufe 5 TVöD-VKA) begründet. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechts dem Arbeitnehmer vorübergehend höherwertige Tätigkeiten übertragen. Die Zulässigkeit der vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten hat bereits während der Geltung des § 24 BAT-O die Rechtsprechung in zahlreichen Entscheidungen beschäftigt. Bis zu der Entscheidung vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 (ZTR 2003, 76) stellte das BAG bei einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit darauf ab, ob für die vorübergehende bzw. vertretungsweise Übertragung ein sachlicher Grund vorlag. Eine vorübergehend übertragene Tätigkeit gelte als auf Dauer übertragen, wenn die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmissbräuchlich verwendet werde. Rechtsmissbrauch liege vor, wenn die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei, vgl. z.B. BAG, Entscheidung vom 16.09.1998 - 5 AZR 183/97. Fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung, sei der Angestellte vom Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer übertragen worden, vgl. BAG, Urteil vom 26.03.1997 - 4 AZR 604/95. Diese Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01- aufgegeben. Anders als bei der Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen oder des Arbeitsverhältnisses insgesamt gehe es nicht um Fragen des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und des gesetzlichen Schutzes gegenüber Beendigungs- oder Änderungskündigungen, wenn der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts zeitweise eine höherwertige Tätigkeit übertrage. Denn der Bestand des Arbeitsverhältnisses werde durch Maßnahmen, die sich im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes hielten, gerade nicht berührt. Vielmehr sei die Rechtmäßigkeit der vorübergehenden oder vertretungsweisen Übertragung einer anders bewerteten Tätigkeit an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts entsprechend § 315 Abs. 1 BGB einzuhalten habe. Die Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber habe billigem Ermessen zu entsprechen.

74

Das BAG führt dabei eine doppelte Billigkeitsprüfung durch: Im ersten Schritt kommt es darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur für vorübergehend, zu übertragen. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeiten nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der (dauerhaften) Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und - falls damit verbunden - auch der besseren Bezahlung überwiegt. Entspricht die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem Ermessen, erfolgt die Bestimmung der richtigen billigen Entscheidung entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB im Streitfall durch eine richterliche Entscheidung. Sie kann - je nach dem, auf welcher Stufe der Prüfung die Unbilligkeit festgestellt wird - in einer Übertragung der Tätigkeit auf Dauer liegen oder darin, dass die zeitliche Dauer (länger) bestimmt wird. Die Beweislast dafür, dass die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt - wie stets - derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt, also der Arbeitgeber.

75

Es kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls in den Fällen, die das BAG nach der früheren Rechtsprechung als sachlichen Grund für die vorübergehende Übertragung anerkannt hat, auch künftig billiges Ermessen im Sinne der jetzigen Rechtsprechung gewahrt ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die wahrzunehmende Tätigkeit keine Daueraufgabe darstellt, sondern in absehbarer Zeit entfällt. Solange billiges Ermessen gewahrt ist, ist die vorübergehende Übertragung zulässig. Die Dauer muss nicht nochmals gesondert sachlich gerechtfertigt werden. Bei der Anwendung des § 14 TVöD besteht keine zeitliche Grenze, BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01. Wird dem Arbeitnehmer allerdings dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander übertragen, unterliegt jede Übertragung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB, auch wenn der Arbeitnehmer keinen Vorbehalt hinsichtlich der Wirksamkeit jeder einzelnen vorübergehenden Übertragung erklärt hat. Ist bei einer vorübergehenden Übertragung billiges Ermessen nicht gewahrt, kann der Arbeitgeber also sein Interesse an der lediglich vorübergehenden Übertragung nicht hinreichend darlegen, so kann das Arbeitsgericht entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB entscheiden, ob diese Übertragung als auf Dauer erfolgt anzusehen ist.

76

cc.) Das LAG Köln hat in dem Urteil vom 17.07.2003 - 5(3) Sa 401/03 (ZTR 204, 155) das Vorliegen billigen Ermessens verneint, wenn eine Angestellte über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren ununterbrochen auf wechselnden höherwertigen Arbeitsplätzen ihrer Abteilung beschäftigt wird. Der Leitsatz der Entscheidung lautet: „Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit mit Hilfe von Haushaltsmitteln, welche durch die Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung anderer Mitarbeiter freiwerden, entspricht billigem Ermessen nur dann, wenn im Zeitpunkt der Übertragung damit zu rechnen ist, dass die Haushaltsmittel nach Ablauf des Übertragungszeitraums nicht mehr zur Verfügung stehen.“

77

Im Rahmen seiner Rechtsprechung zu § 24 BAT hat das BAG aber auch entschieden, dass die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit des einzigen Mitarbeiters einer Ratsfraktion einer Stadt auf einen Verwaltungsangestellten grundsätzlich auch dann wirksam sei, wenn diese Tätigkeit in der Folgezeit über mehrere Wahlperioden ausgeübt werde, BAG, Urteil vom 14.12.2005 - 4 AZR 474/04 - ZPR 2006, 497. Die Übertragung entspreche billigem Ermessen. Es liege in der Natur der Sache, einem Verwaltungsangestellten die Tätigkeit des Fraktionsmitarbeiters nicht auf Dauer zu übertragen. Denn es hänge vom jeweiligen Ergebnis der Kommunalwahl ab, ob die Partei im Rat der Kommune wieder vertreten sei. Zudem sei eine Auflösung der Fraktion während der Wahlperiode nicht ausgeschlossen.

78

In der Entscheidung vom 20.04.2005 - 10 AZR 512/04, ZTR 2005, 529 - hat sich das BAG mit der Parallelregelung zu § 24 BAT im Tarifvertrag zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O vom 14.05.1991 (TV Lohngruppenverzeichnis) befasst und festgestellt, das eine regelmäßig wiederkehrende Heranziehung eines Arbeiters zu höher zu bewertenden Tätigkeiten eine vorübergehende Übertragung nicht ausschließe. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Zulagenregelung für eine vorübergehende Tätigkeitsübertragung sei es ohne Bedeutung, ob die Gründe für eine zeitweilige Übertragung der höher zu bewertenden Tätigkeit vorhersehbar gewesen seien. Auch auf einen Willen des Arbeitgebers, die Übertragung der höher zu bewertenden Tätigkeiten nicht zu wiederholen, komme es nicht an. Eine solche Absicht des Arbeitgebers werde in den für die vorübergehende Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit typischen Fällen regelmäßig nicht vorliegen. Ebenso wie einem Angestellten könne der Arbeitgeber einem Arbeiter dieselbe oder eine gleichermaßen höher zu bewertende Tätigkeit mehrmals nacheinander übertragen.

79

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es grundsätzlich hinzunehmen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die nur vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten mit haushaltsrechtlichen Überlegungen begründet, BAG, Urteil vom 02.05.1979 - 4 AZR 515/77; LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.01.1994 - 13 Sa 799/93. Stehen dem Arbeitgeber auf Dauer keine Stellen zur Verfügung, muss ihm die Möglichkeit bleiben, vorhandene Stellen, die zeitweise ganz oder teilweise nicht besetzt sind, vorübergehend zu besetzen.

80

Auch eine geplante Organisationsänderung stellt eine Begründung für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 Abs. 1 BAT dar. Das BAG hat in diesen Fällen (nach der früheren Rechtsprechung) einen sachlichen Grund angenommen, BAG, Urteil vom 15.02.1984 - 4 AZR 595/82. Auch mit Rücksicht auf zu erwartende Umstrukturierungen kann die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit billigem Ermessen entsprechen. Dies sei zulässig, wenn die Prognose es rechtfertige, dass nach einer Umsetzung Leitungspositionen einer Organisationseinheit nicht mehr ihrem vormaligen Zuschnitt entsprechen werden und der Arbeitgeber sich die endgültige Besetzung nach dem zukünftigen Anforderungsprofil freihalten wolle.

81

Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit bedarf einer entsprechenden Willenserklärung des Arbeitgebers, LAG München, Urteil vom 19.01.1990 - 2 Sa 529/89. Eine bestimmte Form der Übertragung ist nicht vorgeschrieben. Auf jeden Fall muss bei der Übertragung der Tätigkeit für den Arbeitnehmer deutlich erkennbar sein, dass die Tätigkeit nur vorübergehend ausgeübt werden soll.

3.

82

Die Klägerin hat danach ab dem 01. 01. 2011 einen tariflichen Anspruch auf Zahlung der begehrten Vergütung nach der Entgeltgruppe E 10 Stufe 5 TVöD-VKA. Der für die Zeit von Januar 2011 - April 2012 sich ergebende Nachzahlungsbetrag beträgt 5.641,44 € brutto.

83

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Tätigkeit der Klägerin ab dem 01. 01. 2011 der Entgeltgruppe E 10 TVöD-VKA entspricht. Denn die Tätigkeit der Klägerin entsprach ab dem 01. 01. 2011 der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT-O. Nach der Anlage 1 zum TVÜ-VKA ist diese Tätigkeit jedenfalls der Entgeltgruppe 10 zugeordnet. Dies wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt.

84

Allerdings ist die Klägerin ab dem 01. 01. 2011 nicht in die Erfahrungsstufe 4, sondern bereits in die Erfahrungsstufe 5 einzureihen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits 4 Jahre in der Erfahrungsstufe 4 gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 TVöD-VKA zurückgelegt. Denn die Klägerin ist nicht erst mit Wirkung vom 01. 01. 2011 in die Entgeltgruppe E 10 höhergruppiert gewesen, sondern bereits mit Wirkung vom 01. 01. 2007. Die Stufenlaufzeit von 4 Jahren in der Stufe 4 begann somit am 01. 01. 2007 und endete am 31. 12. 2010, so dass mit Wirkung vom 01. 01. 2011 die Stufe 5 erreicht war.

85

Die lediglich vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ab 2007 war nach Auffassung der Kammer nicht mehr billigenswert. Die Klägerin war daher gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB ab diesem Zeitpunkt in die Entgeltgruppe E 10 TVöD-VKA höhergruppiert.

86

Ab dem 01. 01. 2007 übertrafen die Interessen der Klägerin an einer dauerhaften Überragung der höherwertigen Tätigkeit die Interessen der Beklagten an der bloß vorübergehenden Beauftragung.

87

Mit Urteil vom 11. 09. 2013 - 7 AZR 107/12 - hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. eine Befristung von Arbeitsverträgen nicht rechtfertigen kann. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses müsse mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe. Hierüber habe der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine entsprechende Prognose zu erstellen. Diese sei auch dann nicht begründet, wenn dem Arbeitgeber dauerhaft anfallende sozialstaatliche Aufgaben nur zeitweise übertragen seien. Es reiche nicht aus, dass eine Aufgabe beim Arbeitgeber möglicherweise entfalle. Die zunächst bestehende Unsicherheit über die Fortführung des Optionsmodells rechtfertige keine Befristung eines Arbeitsverhältnisses.

88

Unter Berücksichtigung dieser (neueren) Maßgaben stellt sich die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit einer Fallmanagerin der Vergütungsgruppe IV a BAT-O in der Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 noch als gerechtfertigt dar. Insoweit kann von einer Erprobungs- bzw. „Bewährungsphase“ ausgegangen werden. Ab dem 01. 01. 2007 war diese Phase jedoch beendet, wie die Beklagte auch in ihrem Schreiben vom 04. 03. 2005 zum Ausdruck gebracht hat. Ab diesem Zeitpunkt entspricht die nur vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nicht mehr billigem Ermessen. Entspricht die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem Ermessen, erfolgt die Bestimmung der „Leistung“ entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch richterliche Entscheidung. Sie kann darin bestehen, dass die Übertragung der Tätigkeit nicht nur als vorübergehend, sondern als auf Dauer vorgenommen erklärt oder die zeitliche Dauer anders bestimmt wird. Eine solche Bestimmung kann im Eingruppierungsrechtsstreit inzident vorgenommen werden. Nach der Regelung des § 22 BAT-O stellt die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf Dauer den Regelfall dar, wohingegen die vorübergehende Übertragung nach § 24 BAT-0 und § 14 TVöD die Ausnahme ist und deshalb eines ausreichenden Grundes bedarf, um billigen Ermessen zu entsprechen, BAG, Urteil vom 17. 04. 2002 - 4 AZR 174/01 -. Allein die mögliche Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten reicht nicht aus. Die Regelung des § 14 TVöD kann nicht dafür herangezogen werden, die Ungewissheit für die Dauer der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer zu verlagern. Neue gesetzliche Herausforderungen fallen im Übrigen in die Risikosphäre der Arbeitgeberin. Auch Rechtmäßigkeitszweifel an der Wirksamkeit der Behördenstruktur lassen einen Wegfall der Aufgaben nicht prognostizieren, sondern allenfalls eine Änderung der Aufgabenzuständigkeit.

89

Vorliegend bestand keine gesicherte Prognose dahingehend, dass die übertragene höherwertige Tätigkeit nicht dauerhaft möglich sein werde.

90

Zwar war die ARGE, an der die Beklagte nach § 44 b SGB II a. F. beteiligt war, für die Dauer von 6 Jahren entsprechend der Vereinbarung aus dem Jahr 2004 errichtet worden. Allerdings sind die Aufgaben nach § 44 b SGB II a. F. entgegen den Strukturmodellen nach § 6 a SGB II a. F. zeitlich nicht befristet gewesen. Der Unbefristetheit des Strukturmodells nach § 44 b SGB II a. F. (Arbeitsverwaltung im Modell der ARGE) steht zwar § 15 Abs. 2 des entsprechenden Vertrages über die ARGE entgegen. Es mag nachvollziehbar sein, dass für die Beklagte daraufhin die übertragenen Aufgaben in Form der ARGE zunächst auf 6 Jahre befristet waren. Allerdings sieht die Vereinbarung der ARGE auch eine Verlängerungsoption für weitere Jahre vor. Die Befristung der vertraglichen Vereinbarung über die Richtung der ARGE, die Kündbarkeit des Vertrages gemäß § 15 Abs. 3 und die Möglichkeit von Teilkündigungen nach § 15 Abs. 4 sowie die Veränderlichkeit der Finanzplanung der ARGE gemäß § 9 S. 6 der Vereinbarung stehen der dauerhaften Übertragung von höherwertigen Tätigkeiten auf die Klägerin nicht entgegen. Eine hierauf gestützte Prognose der Beklagten bietet keine hinreichenden Tatsachen, dass eine dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit den übertragenen Höherwertigkeiten nicht möglich gewesen war. Dies ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die beklagte Stadt gemäß § 4 Abs. 5 der Errichtungsvereinbarung 50 % des Personals der ARGE zu stellen hatte und es sich hierbei um eine erhebliche Planungsunsicherheit für die Zukunft handeln könnte, wenn alle diese Beschäftigten auf die beklagte Stadt zurückfielen. Denn die beklagte Stadt hatte auch mit dem Personalrat eine Rückkehroption vereinbart und dort festgehalten, dass die Tätigkeit nach der Rückkehr nicht auf Dauer in der höherwertigen Entgeltgruppe vollzogen werden müsse. Auch die rechtlichen Bedenken wegen der fehlenden Dienstherreneigenschaft der Arge und wegen der nicht geregelten Verteilung der Verantwortung der beiden Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 6 SGB II a. F. konnte zum Zeitpunkt 01. 01. 2005 die Prognose, in eine dauerhafte Beschäftigung leider nicht möglich sein, nicht rechtfertigen.

91

Die Interessen der Klägerin überwogen die Interessen der Beklagten. Die erkennende Kammer lässt sich bei ihrer Einschätzung auch davon leiten, dass nach der Regelung des § 22 BAT-O die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf Dauer den Regelfall darstellt, wohingegen die vorübergehende Übertragung nach § 24 BAT-O bzw. § 14 TVöD die Ausnahme ist und deshalb eines ausreichenden Grundes bedarf, um billigem Ermessen zu entsprechen. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 04. 07. 2012 - 4 AZR 759/10 - bereits ausgeführt, dass allein die Möglichkeit der Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten nicht ausreichend sei, um einen solchen ausreichenden Grund, der billigem Ermessen entsprechen soll, annehmen zu können. Denn - so das BAG in der zitierten Entscheidung - die Regelung des § 14 TVöD könne nicht dafür herangezogen werden, die Ungewissheit über die Dauer der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer zu verlagern.

92

Zwar mögen die Gründe der Beklagten für die lediglich vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten auch über den 31. 12. 2006 hinaus bis zum 31. 12. 2010 von gewissem Gewicht sein. Auch haben diese Gründe die erkennende Kammer in den Entscheidungen vom 23. 07. 2013 (vgl. 2 Sa 361/12 und 2 Sa 362/12) zu der Annahme veranlasst, dass die Interessen der Beklagten an der lediglich vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten die Interessen der Klägerin überwogen haben. Hieran hält die erkennende Kammer im Lichte der seinerzeit noch nicht bekannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. 09. 2013 - 7 AZR 107/12 - nicht mehr fest. In dieser Entscheidung führt das BAG deutlich aus, das es - sogar für eine Befristung - nicht ausreichend sei, dass eine Aufgabe beim Arbeitgeber möglicherweise entfällt. Die zunächst bestehende Ungewissheit über die Fortführung des Optionsmodells rechtfertige daher keine Befristung eines Arbeitsvertrages. Offensichtlich ist das Bundesarbeitsgericht aus der Entscheidung vom 11. 09. 2013 - bisher liegt lediglich die Pressemitteilung vom selben Tage Nr. 53/13 vor - der Auffassung, dass auch eine gesetzliche befristete Aufgabenübertragung - dies ist bei § 6 a SGB II a. F. der Fall gewesen - allein nicht ausreichend sei, um eine Befristung eines Arbeitsvertrages vorzunehmen. Auch diese gesetzlich angeordnete befristete Aufgabenübertragung sei kein Grund, wonach mit hinreichender Sicherheit bei Vertragsabschluss zu erwarten sei, dass nach dem Vertragsende kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe.

93

Diese Überlegungen können auf die Überlegungen zur Bestimmung des billigen Ermessens, das hier anzustellen ist, übertragen werden. Denn das billige Ermessen bedarf auch der Annahme eines ausreichenden Grundes für die lediglich vorübergehende - und damit in der Sache auch befristete - Übertragung höherwertiger Tätigkeiten. Beide Sachlagen - die lediglich vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit und die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers für befristete Aufgaben - sind hinsichtlich der Motivation des Arbeitgebers identisch. In beiden Fällen muss eine Prognose angestellt werden, ob die dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten bzw. mit der lediglich befristeten Aufgabe nach Beendigung der jeweiligen Fristen wieder entfällt. Diese Interessenlage darf jedoch in beiden Fällen nicht dazu führen, dass die Ungewissheit über die Dauer der zeitweiligen Beschäftigungsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer verlagert wird. Dieser Grundgedanke ist in beiden Fällen identisch. Wenn jedoch bereits eine Befristung aufgrund einer Experimentierklausel des Gesetzgebers eine befristete Übertragung von Tätigkeiten nicht möglich ist, muss dies auch bei der Frage gelten, ob aufgrund eines Vertrages, der gewisse Aufgaben lediglich befristet überträgt, eine solche befristete Übertragung höherwertiger Aufgaben nur vorübergehend möglich ist. Auch im vorliegenden Fall war somit die Ungewissheit gegeben, ob der Vertrag nach Zeitablauf weiter verlängert werden würde, ob von der Verlängerungsoption Gebrauch gemacht werden würde oder ob der Vertrag aufgehoben bzw. ohne Verlängerung auslaufen sollte. Diese Prognose konnte die beklagte Stadt letztendlich nicht mit Sicherheit treffen. Denn die Verlängerung des Vertrages war denkbar und möglich. Wenn jedoch aufgrund einer gesetzlich befristeten Aufgabenzuweisung nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nicht möglich ist, dann muss dies auch für die Befristung höherwertiger Aufgaben aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages mit Verlängerungsoption gelten. Im Ergebnis stellt sich daher die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten an die Klägerin ab dem 01. 01. 2007 als Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf die Klägerin dar, was in beiden Fällen unzulässig ist. Die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ab dem 01. 01. 2007 entsprach somit nicht mehr billigem Ermessen. Sie war ab diesem Zeitpunkt dauerhaft übertragen.

94

Da eine Rückkehroption besteht, und diese eine Tätigkeit in der vorhergehenden - niedrigeren - Vergütungsgruppe/Entgeltgruppe vorsieht, wird die Beklagte - auch wenn sie nunmehr eine Änderungskündigung aussprechen müsste - nicht über Maß beschwert.

95

Die übertariflichen Zahlungen der Zulage nach § 24 BAT-O bzw. § 14 TVöD ab dem 01. 10. 2007 führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Klägerin handelt nicht treuwidrig, weil die Beklagte die Gespräche zur Höhergruppierung ebenfalls nicht bis zum Ende fortgeführt hat.

96

Die Eingruppierung der Klägerin ab dem 01. 01. 2007 richtet sich nach § 17 Abs. 4 TVöD-VKA. Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2.

97

Das bisherige Entgelt der Klägerin betrug am 31. 12. 2006 entsprechend der Berechnungen der Beklagten (vgl. Bl. 100 d. A.) in der Entgeltgruppe 9 Stufe 4+ der Vergütungsgruppe V b BAT-O (E 9 TVöD-VKA) 2.692,01 € brutto. Die Zulage nach § 24 BAT-O i. H. v. 471,57 € brutto war nicht hinzuzurechnen, da es sich hierbei nicht um das Tabellenentgelt handelt. Das Entgelt von 2.692,01 € brutto der Entgeltgruppe 9 Stufe 4+ entsprach in der Entgeltgruppe 10 ebenfalls der Stufe 4, weil sie dort mit 2.865,00 € brutto mindestens das bisherige Entgelt der darunter liegenden Entgeltgruppe erhalten hätte. Das Entgelt der Stufe 3 der Entgeltstufe 10 wäre mit 2.674,00 € brutto niedriger als das bisherige Entgelt der Stufe 4 in der Entgeltgruppe 9. Die Klägerin war somit ab dem 01. 01. 2007 in der Entgeltgruppe 10 Stufe 4 eingruppiert. Diese Vergleichsberechnung wird von der Beklagten auch nicht beanstandet, denn aus Blatt 165 d. A. (Anlage B 22) ergibt sich aus der rechten Spalte ebenfalls eine fiktive Eingruppierung in die Stufe 4 der Entgeltstufe 10 per 01. 01. 2007. Auch hieraus vollzieht die Beklagte - die fiktive Eingruppierung ab dem 01. 01. 2007 unterstellt - eine höhere Stufe, nämlich die Stufe 5 - ab dem 01. 01. 2011. Denn die Stufenlaufzeit beträgt bei einer erstmaligen Übertragung der Stufe 4 ab dem 01. 01. 2007 gemäß § 16 Abs. 3 TVöD-VKA i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 1 HS 2 TVÜ-VKA vier Jahre. Die Stufe 5 ist somit ab dem 01. 01. 2011 erreicht. Danach ergibt sich folgende Differenzberechnung:

98

 Monat

 Entgelt erhalten br.
E 10 Stufe 4

 Anspruch E 10
Stufe 5 VKA

 Diff.

 01 - 07/11

 3.349,44 €

 3.701,04 €

 351,60 € x 7 = 2.461,20 €

 08/11 - 02/12

 3.366,19 €

 3.719,55 €

 353,36 € x 7 = 2.473,52 €

 03 - 04/12

 nicht dargelegt

 3.849,73 €

 mind. 353,36 € x 2  = 706,72 €

99

Insgesamt ergibt sich somit ein Differenzbetrag i. H. v. 5.641,44 € brutto.

100

Für die Zeit von März bis April 2012 errechnet sich lediglich ein Differenzbetrag von 353,36 € brutto monatlich. Einen höheren Differenzbetrag hat die Klägerin nicht dargelegt, weil sie nicht angegeben hat, welches Einkommen sie nach der Gehaltssteigerung ab März 2012 tatsächlich bezogen hat. Daher war die bisherige Differenz, die geringer sein muss als die Differenz nach der Gehaltssteigerung ab März 2012 auch für diese beiden Monate fortzuschreiben. Die Differenz bzgl. der Sonderzahlung 2011 (= 266,78 € br.) ist im Schriftsatz vom 07 05. 2012 (Bl. 185 f. d. A.) nicht schlüssig vorgerechnet worden, weil dort u. a. nicht mitgeteilt wird, welchen Betrag die Klägerin insoweit erhalten hat.

101

e.) Aus alledem ergibt sich auch, dass die Voraussetzungen für die Stufe 6 der Entgeltgruppe E 10 TVöD-VKA (noch) nicht gegeben sind.

102

f.) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

III.

103

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, 46 ArbGG.

IV.

104

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht ersichtlich. Zwar weicht die vorliegende Entscheidung von den Entscheidungen der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 23. 07. 2013 - 2 Sa 361/12 und 2 Sa 362/12 (= 6 AZN 1070/13 bzw. 6 AZN 1087/13) - ab. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine Abweichung von den Entscheidungen eines anderen obersten Bundesgerichtes oder des Bundesverfassungsgerichtes. Die vorliegende Entscheidung weicht auch nicht von einer anderen Kammer eines anderen Landesarbeitsgerichts bzw. desselben Landesarbeitsgerichtes ab, denn die insoweit abweichenden Entscheidungen des vorliegenden Verfahrens zu den Entscheidungen zu 2 Sa 361/12. und 2 Sa 362/12 waren von derselben Kammer getroffen worden.


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