Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (3. Kammer) - 3 Sa 339/17

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.06.2017 - 3 Ca 685/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wege einer Feststellungsklage über die Verbindlichkeit des im Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots.

2

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Dezember 2007 bis zum 30.06.2017 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er war im Bereich Einkauf für Gemüse- und Sauerkonserven sowie Olivenprodukte zuständig. Im Bereich Verkauf war der Kläger für das gesamte Sortiment der Beklagten tätig. Er bezog ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt iHv. EUR 5.500,00.

3

Seit dem 01.07.2017 arbeitet der Kläger bei einem direkten Konkurrenten der Beklagten.

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Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält folgende Klausel:

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„§ 8

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Wettbewerbsverbot

7

1. …

8

2. Die Parteien vereinbaren ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Fall, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt sowie für den weiteren Fall, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung zu beenden. In diesen beiden Fällen gilt folgendes:

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a. Herr L. verpflichtet sich, für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder ein Arbeitsverhältnis zu einem mit der Firma in Wettbewerb stehenden Unternehmen einzugehen, ein Wettbewerbsunternehmen zu gründen oder sich an einem solchen - weder mittelbar noch unmittelbar - zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich auf nachfolgende Geschäftsbereiche bzw. Geschäftstätigkeiten:

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Geschäftsbereiche: Obst-, Gemüse-, Fleisch-, Fisch und Saftkonserven, Fruchtkonzentrate und Fruchtpürees, Honigprodukte, Tiefkühlprodukte, getrocknete Früchte und Schalenobst, Feinkosterzeugnisse

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Geschäftstätigkeiten: Jegliche Vermittlung von Geschäften in obigem Bereich als Agent, Makler oder Handelsvertreter bzw. jeder Eigenhandel im Einzugsgebiet der Firma.

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b. Die Firma verpflichtet sich, Herrn L. für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der von Herrn L. zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Die Berechnung der Entschädigung erfolgt gemäß § 74 bHGB.

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4. Es besteht Einvernehmen, dass dieses nachträgliche Wettbewerbsverbot nicht gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet.“

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Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist mit Schreiben vom 22. März 2017 zum 30. Juni 2017 gekündigt. Er bat die Beklagte, aus der Wettbewerbsabrede keine Rechte herzuleiten. Dies lehnte die Beklagte durch ihren Geschäftsführer ab.

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Der Kläger hat u.a. stets die Auffassung vertreten, die Klage sei auch als Feststellungsklage zulässig. Das Wettbewerbsverbot sei unverbindlich, da es einseitig bei ordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber entfalle. Dem Kläger sei der Arbeitsvertrag vorgelegt worden. Über die Wettbewerbsklausel sei nicht verhandelt worden. Schon gar nicht sei sie auf Wunsch des Klägers aufgenommen worden. Das über die Warengruppe, für die der Kläger zuständig sei, hinausgehende Verbot sei zudem zu weit gefasst und auch deshalb unverhältnismäßig.

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Der Kläger hat beantragt,

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festzustellen, dass das in § 8 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 28. Oktober 2007 festgelegte Wettbewerbsverbot unverbindlich ist.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat gemeint, der Antrag sei bereits unzulässig. Das Wettbewerbsverbot sei jedenfalls nicht unverhältnismäßig. Rechtsfolge des § 74a HGB sei im Übrigen, dass das Wettbewerbsverbot bei Überschreitung auf die gesetzlichen Grenzen und das damit einhergehende erlaubte Maß zurückzuführen wäre. Das einseitig nur bei durch den Kläger veranlasster Kündigung bestehende Wettbewerbsverbot verstoße auch nicht gegen § 75 d HGB. Insbesondere sei Rechtsfolge eines etwaigen Verstoßes lediglich die - unverbindliche - Ausweitung des Wettbewerbsverbotes auf solche Fälle, die eigentlich vertraglich vom Wettbewerbsverbot ausgenommen wären. Keinesfalls sei Rechtsfolge, dass das Wettbewerbsverbot für die Bereiche, in denen zulässigerweise ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden könne, lediglich unverbindlich gelte. Die Klausel beruhe auf einem Wunsch des Klägers. In einem Gespräch im Vorfeld des Abschlusses des Arbeitsvertrages hätten die Herren R. und A. W. dem Kläger erklärt, dass das ursprünglich von der Beklagten verwendete Arbeitsvertragsmuster ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorgesehen hätte, welches auch im Falle einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte gelte. Der vorliegende Entwurf des Arbeitsvertrages mit dem Kläger enthalte nunmehr eine Klausel, um die ein anderer Mitarbeiter im Rahmen seiner Vertragsverhandlungen gebeten habe. Dem Kläger sei erklärt worden, dass die Beklagte bereit gewesen sei, dem Kläger ebenfalls einen möglicherweise dahin bestehenden Wunsch zu erfüllen. Daraufhin habe sich der Kläger mit dem vertraglich angebotenen Wettbewerbsverbot einverstanden erklärt. Die Beklagte habe die Beschränkung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes auf eine Beendigung durch den Arbeitnehmer stets von einem dahingehenden Wunsch der betroffenen Mitarbeiter abhängig gemacht. Zumindest sei das Verhalten des Klägers treuwidrig.

22

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.06.2017 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe verwiesen.

23

Gegen dieses der Beklagten am 05.07.2017 zugestellte Urteil hat sie am 03.08.2017 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung innerhalb der Frist am 05.10.2017 begründet wurde.

24

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

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Sie beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.06.2017, Az. 3 Ca 685/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

29

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

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B. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht der Feststellungsklage stattgegeben und insbesondere darauf abgestellt, das Wettbewerbsverbot verstoße gegen § 75d HGB, mit der Folge, dass sich der Kläger trotz Eigenkündigung von ihm lossagen könne. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Urteilsbegründung verwiesen (§ 69 Abs. II ArbGG). Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

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I. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

34

1. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO im Rahmen der §§ 74ff HBG erforderliche Feststellungsinteresse ist - jedenfalls jetzt - zweifelsfrei gegeben.

35

Der Arbeitnehmer kann spätestens bei Beginn des Verbotszeitraums auf Feststellung klagen, in welchem Umfang das Wettbewerbsverbot verbindlich ist (LAG Hamm vom 14.04.2003 - NZA-RR 203, 315; Erf.-Kom. - Oetker, 17.Aufl. Rz. 6 zu § 74b HGB).

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2. Der Kläger steht unstreitig seit dem 01.07.2017 in einem Arbeitsverhältnis zu einem direkten Konkurrenten der Beklagten. Er hat mithin ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung der Unverbindlichkeit bzw. der Rechtsunwirksamkeit der Wettbewerbsvereinbarung.

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3. Des Weiteren steht hier die Frage der Unverbindlichkeit als Folge eines Rechtsverstoßes nach § 75d HGB im Raum, die angesichts der ausgesprochenen Kündigung und des Beginns eines neuen Vertragsverhältnisses der Klärung bedarf. Auch aus diesem Grund ist das Feststellungsbegehren zulässig.

38

II. Das Feststellungsbegehren ist begründet. Das in § 8 des Arbeitsvertrages geregelte Wettbewerbsverbot ist für den Kläger unverbindlich. Es ist unbeachtlich, dass er das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hat.

39

1. Das in § 8 des Arbeitsvertrages geregelte Wettbewerbsverbot verstößt gegen § 75d HGB. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.

40

a) Eine Abrede in einem Anstellungsvertrag, wonach ein Wettbewerbsverbot nur nach einer vom Kläger "ausgelösten Beendigung des Dienstvertrages" gelten soll, ist unzulässig. Die §§ 74 ff HGB sind unabdingbar; von ihnen darf gem. § 75d S. 1 HGB nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden (BAG vom 07.09.2004 - 9 AZR 612/03 - LS 1 und Rz. 20).

41

b) Nach § 75 Abs. 2 HGB ist der Arbeitnehmer bei einer vom Arbeitgeber veranlassten ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen. Wird ihm dieses Recht durch eine wie hier vorliegende Vertragsgestaltung genommen, ist das Wettbewerbsverbot gegenüber dem Arbeitnehmer unverbindlich. Eine solche Abrede stellt einen Verstoß gegen § 75d HGB dar (BAG vom 07.09.2004 - 9 AZR 612/03 - LS 1 und Rz. 20). Sie ist wegen Umgehung der Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2 HGB) gemäß § 75d Satz 2 HGB unwirksam (zu dieser Rechtsfolge BAG vom 11.12.2013 - 10 AUR 286/13 - Rz. 20).

42

c) Der Arbeitnehmer kann entsprechend § 75 HGB zwischen Lossagung vom Wettbewerbsverbot und entschädigungspflichtiger Karenzeinhaltung wählen (ständige Rechtsprechung des BAG seit 14. Juli 1981 - 3 AZR 515/78 - BAGE 37, 26).

43

2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass hier nicht die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, vielmehr der Kläger selbst.

44

a) Liegt eine rechtswidrige Vereinbarung vor, ist für den Verwender einer solchen Vereinbarung kraft Gesetzes keine geltungserhaltende Reduktion vorgesehen. Es kommt nicht darauf an, ob der Verwender das rechtswidrig vereinbarte Recht in Anspruch genommen hat oder nicht.

45

b) Der Arbeitnehmer kann es bei dem Wettbewerbsverbot belassen und die Karenzentschädigung in Anspruch nehmen. Er kann sich aber auch unter Verlust der Karenzentschädigung davon lösen (Erf.-Kom.- Oetker, Rz. 2 zu § 75d HGB). Der Arbeitgeber kann sich auf eine Vereinbarung, die von §§ 74 bis 75c HGB abweicht, nicht berufen (Erf.-Kom.-Oetker, Rz. 5 zu § 74b HGB). Im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

46

3. Der Kläger hat diese Rechtslage in seinem Geltendmachungsschreiben vom 22.03.2017 zutreffend dargestellt (Anlage K 3, Bl. 10 d. A.). In diesem Schreiben hat er sich von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot losgesagt.

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4. Auf die Frage der Anwendbarkeit der allgemeinen AGB-Kontrolle kommt es vorliegend nicht mehr an.

48

5. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Klausel auch inhaltlich zu weit im Sinne des § 74a HGB gefasst ist.

49

6. Die Berufung des Klägers auf die Unwirksamkeit des in § 8 des Arbeitsvertrages vereinbarten Wettbewerbsverbots ist nicht treuwidrig. Die Beklagte verwendet diese von ihr gestellte Abrede mit dem gegen § 75 Abs. 2 HGB zu Lasten des Arbeitnehmers verstoßenden Inhalt und hat sich damit ein gesetzwidriges Recht zur einseitigen Lossagung von der Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung gegenüber dem Kläger eingeräumt und einräumen lassen. Sie hat den Text formuliert. Selbst wenn es zu dem unsubstantiiert dargelegten, im Übrigen streitigen Gespräch über den Inhalt der Wettbewerbsabrede gekommen sein sollte, ist festzuhalten, dass die Beklagte den Kläger auch nach eigenem Vorbringen nicht darauf hingewiesen hat, dass eine solche einseitige Abrede gegen das Gesetz verstößt. Abgesehen davon ist auch nicht ansatzweise vorgetragen, vor welchem tatsächlichen Hintergrund von einem „Wunsch“ des Klägers nach einer ihn belastenden Abrede ausgegangen werden soll. In Bezug auf die Darlegungs- und Substantiierungslast zum Vorliegen eines Wunsches des Arbeitnehmers wird auf BAG vom 18.01.2017 - 7 AZR 236/15 verwiesen.

50

7.  Aus den genannten Gründen war der Berufung der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

52

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung. Die Rechtsfragen sind geklärt.


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