Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (1. Kammer) - 1 Sa 86/19
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14.03.2019 – 4 Ca 1067 c/18 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung.
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Die Klägerin ist die Witwe des am ….1942 geborenen und am ...03.2018 verstorbenen K... M.... Die Eheschließung erfolgte am ...02.2018. Herr M... hatte seit seinem Ausscheiden als Arbeitnehmer bei der Beklagten im Mai 2005 von dieser eine Betriebsrente in Höhe von zuletzt auf EUR 416,50 brutto monatlich bezogen.
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Ausweislich der Versorgungsordnung für die Beklagte vom 31.12.1982, die nach der Präambel und den Unterschriften von der Beklagten mit ihrem Betriebsrat geschlossen worden ist, gilt auszugsweise Folgendes:
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VI. Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrente
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1. Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Anwärters mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und daß bereits am letzten 1. September vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen war als auch die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.
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2. Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt auch die hinterlassene Ehefrau eines früheren Arbeitnehmers, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Ruhegeld hatte (nachfolgend: „Ruhegeldempfänger“ genannt). Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Ruhegeldempfänger die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres und vor dem Erwerb des Anspruchs auf Ruhegeld (V) geschlossen hatte und daß bereits am letzten 1. September vor seinem Tode die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.
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Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf, dass die Voraussetzungen der Ziffer VI.2 der Versorgungsordnung nicht vorlägen, ab.
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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente weiter.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Beschränkungen des Anspruchs auf Witwenrente in Ziffer VI.2 Satz 2 der Versorgungsordnung seien rechtsunwirksam, und insoweit auf aus ihrer Sicht diese Rechtsauffassung bestätigende Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts verwiesen.
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Die Beklagte hat ebenfalls unter Hinweis auf verschiedene Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts die Rechtswirksamkeit ihrer Versorgungsordnung verteidigt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, warum die in der Versorgungsordnung vorgesehene Mindestehedauer von einem Jahr unwirksam sein solle. Eine Mindestehezeit sei in jedem Fall angemessen, um den Aufwand in der Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen. Die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann habe nicht ein Jahr gedauert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 01.04.2019 zugestellte Urteil hat die Klägern am 17.04.2019 Berufung eingelegt und diese am 27.05.2019 begründet.
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Sie führt aus: Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sehe die Versorgungsordnung nicht allein eine Mindestehedauer von einem Jahr vor, sondern enthalte zusätzlich einen Stichtag, so dass - je nach Zeitpunkt des Todes des Versorgungsempfängers - die Ehe bis zu einem Jahr und 364 Tage bestanden haben müsse. Unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19.02.2019 - 3 AZR 150/18 – aufgestellten Grundsätze sei hierin eine unangemessene Benachteiligung der Versorgungsempfänger im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB zu sehen.
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Die Verordnung sei wegen eines Verstoßes gegen die §§ 1, 3 Absatz 1 Satz 1 AGG auch unwirksam, soweit sie einen Anspruch auf Witwenrente bei einer Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers ausschlösse. Hierin läge eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters. Auch die Regelung, wonach die Eheschließung vor Erwerb des Anspruchs auf Ruhegeld geschlossen sein müsse, enthalte eine nicht gerechtfertigte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters.
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Mit am 06.09.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ergänzend vorgetragen und bestritten, dass Arbeitgeber und Betriebsrat die Versorgungsordnung auf derselben Urkunde unterzeichnet hätten. Es liege daher keine wirksame Betriebsvereinbarung vor. Ferner lasse sich einem Schreiben der Beklagten vom 29.04.2004 (Anlage B1) entnehmen, dass es eine Versorgungsordnung von 1993 gebe und die im Verfahren von der Beklagten vorgelegte Versorgungsordnung nicht maßgeblich sei. Schließlich sei die Beklagte auch verpflichtet gewesen, ihrem verstorbenen Ehemann einen Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen, der einen Hinweis auf eine angebliche Betriebsvereinbarung hätte enthalten müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe sich die Beklagte schadensersatzpflichtig gemacht. Schließlich werde durch die Regelung unter VI der Versorgungsordnung von 1982 lediglich eine Einschränkung der betrieblichen Altersversorgung zu Ungunsten von Witwen und somit zulasten von Frauen vorgenommen. Dies stelle einen Verstoß gegen die Regelungen in den §§ 1 und 3 Absatz 1 Satz 1 AGG wegen des Geschlechts dar.
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Die Klägerin beantragt,
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auf die Berufung der Klägerin vom 17.04.2019 das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14.03.2019 (Az. 4 Ca 1067 c/18 abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum vom 01.04.2018 bis zum 31.01.2019 eine Witwenrente nach Maßgabe der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten vom 31.12.1982 in Höhe von insgesamt EUR 2.465,-- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.05.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.06.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.07.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.08.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.09.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.10.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.11.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.12.2018, auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.01.2019 sowie auf EUR 246,50 brutto ab dem 01.02.2019 zu zahlen
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Und
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Witwenrente nach Maßgabe der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten vom 31.12.1982 in Höhe von monatlich EUR 246,50 brutto, beginnend mit dem 01.02.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erwidert: Unstreitig erfülle die Klägerin keine der nach Ziffer VI 2 Satz 2 kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der Versorgungsordnung. Sämtliche Voraussetzungen seien auch wirksam aufgestellt. Durch die Spätehenklausel begrenze sie erkennbar ihre Leistungspflicht auf Risiken, die vor dem Zeitpunkt des Beginns des Ruhegelbezugs bereits angelegt gewesen seien. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Altersgrenze 60 Jahre bestehe nicht, vielmehr werde allein an den Eintritt des Versorgungsfalles angeknüpft. Auch die Klausel über die Mindestehedauer sei wirksam, auch wenn deren Dauer faktisch bis zu zwei Jahren betragen könne. Eine AGB-Kontrolle der Klausel erfolge nicht, da die Versorgungsordnung in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 64 Absatz 2 lit. b ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung abgewiesen. Sie ist unbegründet.
A.
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Die Klage ist mit beiden Anträgen zulässig. Der Antrag zu 2. ist gemäß § 258 ZPO zulässig, da er auf wiederkehrende Leistungen, nämlich auf Rentenzahlungen gerichtet ist.
B.
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Die Klage ist unbegründet.
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I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Witwenrente gemäß VI Nr. 2 der Versorgungsordnung der Beklagten vom 31.12.1982 zu.
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1. Der geltend gemachte Erfüllungsanspruch der Klägerin richtet sich nach der Versorgungsordnung der Beklagten vom 31.12.1982. Eine diese abändernde Versorgungsordnung aus dem Jahr 1993 gibt es nicht. Das ist durch Einsichtnahme in die entsprechenden Regelungen im Berufungstermin durch die Kammer zweifelsfrei festgestellt worden. Zwar ist im Jahr 1993 die Versorgungsordnung von 1982 in einem hier nicht von Bedeutung seienden Punkt geändert worden. Im Übrigen galt jedoch die Versorgungsordnung vom 31.12.1982 weiter. Das ergibt sich aus der dem Gericht vorgelegten Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Beklagter aus dem Jahr 1993. Einwendungen hiergegen sind von der Klägerin dann auch nicht weiter erhoben worden.
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Maßgeblich ist VI Nr. 2 der Versorgungsordnung, da die Klägerin die Witwe eines Arbeitnehmers ist, der bis zu seinem Tod einen eigenen Anspruch auf Ruhegeld gegen die Beklagte hatte.
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2. Die Klägerin erfüllt jedoch die Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente nicht. Nach VI Nr. 2 Satz 2 der Versorgungsordnung steht der Bezug einer Witwenrente unter drei Bedingungen:
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- Der Ruhegeldempfänger muss die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen haben,
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- er muss sie vor dem Erwerb des Anspruchs auf Ruhegeld geschlossen haben und
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- die Ehe muss bereits am letzten 1. September vor dem Tod des Ruhegeldempfängers mindestens ein Jahr bestanden haben.
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Jedenfalls die wirksam aufgestellte dritte Voraussetzung für den Bezug auf Witwenrente erfüllt die Klägerin nicht.
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a) Die Ehe zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Arbeitnehmer der Beklagten wurde am ...02.2018 und damit knapp sechs Wochen vor dessen Tod geschlossen. Die Ehe hat damit nicht die vorgesehene Dauer von mindestens einem Jahr vor dem 1. September 2017 bestanden.
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b) Die Voraussetzung einer Mindestehedauer ist auch von der Beklagten wirksam aufgestellt.
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aa) Diese Voraussetzung verstößt nicht gegen die §§ 1, 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Hierzu gehört auch das Alter. Nach § 7 Abs. 2 sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, unwirksam.
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Die Mindesteheklausel in der Versorgungsordnung der Beklagten enthält aber keine unzulässige Altersdiskriminierung.
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(1) Versorgungszusagen können rechtswirksam vorsehen, dass betriebliche Hinterbliebenenleistungen an Ehegatten nur dann gewährt werden, wenn die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalles eine bestimmte Mindestdauer bestanden hat. Mindestfristen von einem Jahr oder von zwei Jahren sind von der Rechtsprechung ohne weiteres gebilligt worden. Es dürften aber auch keine Bedenken dagegen bestehen, eine längere Mindestehedauer, etwa fünf Jahre, vorzusehen (Schlewing, Henssler, Schipp, Schnitker, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt, Teil 9 C, Rn. 100). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Versorgungsordnung rechtswirksam vorsehen, dass Hinterbliebenenversorgung nur geleistet wird, wenn die Ehe des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers zur Zeit seines Todes mindestens zwei Jahre bestanden hat (BAG, Urteil vom 11.08.1987 – 3 AZR 6/86). Mindestehedauerklauseln sollen unter anderem vermeiden, dass Ehen bewusst im Hinblick auf den angegriffenen Gesundheitszustand des Berechtigten geschlossen werden, um eine Versorgung sicherzustellen. Aber auch die Tatsache, dass man allgemein nur Ehen von gewisser Dauer begünstigen will, ist ein hinreichender Grund. Bei Mindestehedauerklauseln stellt sich die Frage ihrer Billigung durch das AGG grundsätzlich nicht. § 1 AGG spricht den Tatbestand der Mindest-ehedauer weder direkt noch indirekt an. Es bedarf daher nicht des Rückgriffs auf den § 10 AGG, der gewisse Benachteiligungen wegen des Alters bei Alters- und Invaliditätsleistungen gestattet (Höfer, Betriebsrentenrecht, Teil I, Loseblatt, Kapitel 6, Rn. 114 und 115).
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(2) Auch nach Einschätzung der Berufungskammer verstößt eine Mindestehedauer nicht gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Verbot der Altersdiskriminierung.
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(a) Eine unmittelbare Diskriminierung (§ 3 Abs. 1 AGG) wegen des Alters erfolgt nicht. Die Versorgungsordnung knüpft hinsichtlich der Mindestehedauerklausel nicht unmittelbar an das Alter an. Eine nur kurze Ehedauer schließt den Anspruch der Witwe auf eine Witwenrente sowohl bei älteren als auch bei jüngeren Arbeitnehmern unterschiedslos aus. Im noch laufenden Arbeitsverhältnis folgt das aus VI Nr. 1 der Versorgungsordnung, die die Witwenrente für Ehefrauen von Anwärtern regelt. Für die Witwenrente von Witwen für Ruhegeldbezieher folgt dies aus VI Ziffer 2 der Versorgungsordnung.
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(b) Die Versorgungsordnung enthält auch keine mittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG). Eine solche mittelbare Benachteiligung liegt dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
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Zwar dürfte bei Versorgungsempfängern eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass eine von ihnen geschlossene Ehe nicht die in der Mindestehedauerklausel vorgesehene Zeit fortbestehen wird, als bei Anwärtern oder anderen jüngeren Arbeitnehmern der Beklagten. Das ist schon dem höheren Lebensalter der Versorgungsempfänger und damit der statistischen höheren Wahrscheinlichkeit eines Ablebens vor Ablauf der Mindestehedauerzeit geschuldet. Wenn man hierin eine mittelbare Diskriminierung sehen wollte, wäre diese Mindestehedauer jedoch jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und auch zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich.
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Als solches Ziel ist von der Rechtsprechung der Schutz vor Versorgungsehen, also Ehen, die geschlossen wurden, um dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen, anerkannt. Hinzu kommt der ebenfalls als rechtmäßiges Ziel anerkannte Grundsatz, dass nur Ehen begünstigt werden sollen, die eine bestimmte Dauer gedauert haben. Beides dient dem legitimen Ziel des Arbeitgebers, seine Versorgungsschulden zu begrenzen und eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Dass letzteres das Ziel der Versorgungsordnung war, ergibt sich auch aus deren Präambel. In dieser wird herausgestellt, dass die Dynamik der bisherigen Versorgungsregelung – also der vor 1982 geltenden – angesichts der errechneten Belastung aus wirtschaftlichen Gründen neu geregelt werden musste.
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Zur Erreichung dieses Ziels ist die Mindestehedauerklausel angemessen und erforderlich. Im Ergebnis führt diese Voraussetzung dazu, dass eine Ehe mindestens ein Jahr bis zu einem Jahr und 364 Tage bestanden haben muss. Eine Mindestehedauer von bis zu zwei Jahren ist als einschränkende Voraussetzung zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens angemessen und erforderlich. Die Betriebspartner sind bei der Festlegung der erforderlichen Ehedauer vor Eintritt des Versorgungsdauerfalls nicht an gesetzliche Vorgaben, insbesondere nicht an § 46 Abs. 2 a SGB VI gebunden. Maßgeblich für den Umfang des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Kapitals sind ihre wirtschaftlichen Daten, nicht die der Rentenkasse. Dementsprechend kann eine Versorgungsordnung auch zur dauerhaften Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Altersversorgung längere Mindestehedauern vorsehen.
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(c) Selbst wenn man dies anders sehen würde, wäre allenfalls die Stichtagsklausel in VI Nr. 2 Satz 2 der Versorgungsordnung wirksam. Dies würde jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Anspruchseinschränkung insgesamt führen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist bei Betriebsvereinbarungen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig davon auszugehen, dass diese bei Teilunwirksamkeit grundsätzlich wirksam bleiben, sofern der verbleibende Teil noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (ständige Rechtsprechung, z.B. BAG vom 05.05.2015 – 1 AZR 435/13 – Juris, Rn 20).
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Streicht man die Stichtagsregelung, verbleibt es immer noch bei einer Mindestehedauer von einem Jahr. Dies entspricht der gesetzlichen Vorschrift in § 46 Abs. 2 a SGB VI, deren Wirksamkeit auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird. Auch diese Voraussetzung erfüllt die Ehe der Klägerin nicht.
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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält die Versorgungsordnung in Ziffer VI Nr. 2 auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Klägerin hatte insoweit darauf hingewiesen, dass die den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen ausschließlich für Witwen gelten und nicht für Witwer.
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Dieser Umstand begründet aber keine Geschlechtsdiskriminierung. Die Versorgungsordnung regelt insgesamt - und damit geschlechtsdiskriminierend – nur die Zahlung einer Witwenrente und nicht die Zahlung einer Witwerrente. Wegen der darin enthaltenen Diskriminierung wegen des Geschlechts ist aber die Beschränkung auf Witwen unzulässig. Vielmehr ist die Versorgungsordnung dahingehend anzupassen, dass sie sowohl die Zahlung einer Witwenrente wie auch die einer Witwerrente vorsieht. Auch die Witwerrente wird aber nur unter den einschränkenden in VI 2 der Versorgungsordnung genannten Voraussetzungen gewährt, mit anderen Worten: Auch der Witwer einer verstorbenen Arbeitnehmerin der Beklagten erhält nur dann eine Witwerrente, wenn seine Ehe mit der Arbeitnehmerin mindestens ein Jahr bestanden hat.
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c) Die Klausel über die Mindestehedauer stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB dar.
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Die Versorgungsordnung ist in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossen worden und unterliegt daher gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keiner AGB-Kontrolle.
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Dass die Versorgungsordnung von 1982 wirksam als Betriebsvereinbarung geschlossen wurde, hat das Gericht im Berufungstermin durch Einsichtnahme in das vorgelegte Original der Betriebsvereinbarung festgestellt. Dies ist entgegen der von der Klägerin ins Blaue aufgestellten Behauptung von beiden Betriebsparteien im Original unterschrieben worden. Unterschrieben haben der Vater des jetzigen Komplementärgeschäftsführers der Beklagten sowie der damalige Betriebsratsvorsitzender G. . Auch aus der Präambel, in der es heißt, dass sich die „Geschäftsleitung und der Betriebsrat“ gezwungen sehen, die betriebliche Altersversorgung für die Zukunft neu zu regeln, ergibt sich, dass die Versorgungsordnung in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossen wurde.
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3. Ob die weiteren einschränkenden Voraussetzungen der Versorgungsordnung, die die Klägerin ebenfalls nicht erfüllt, wirksam aufgestellt worden sind, bedarf daher keiner weiteren Entscheidung.
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II. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht als Schadensersatzanspruch wegen des fehlenden Nachweises über den Inhalt der Versorgungsordnung begründet.
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1. Dadurch, dass die Klägerin mit ihrem letzten Schriftsatz ihren Anspruch zusätzlich auch auf einen Schadensersatzanspruch gestützt hat, hat sie ihre Klage in der zweiten Instanz erweitert. Dies ist gemäß § 533 ZPO zulässig, da die Klageerweiterung sachdienlich ist und auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht ohnehin der Entscheidung zugrunde zu legen hat. Die Klagerweiterung ist sachdienlich, weil damit die Berechtigung der Ansprüche der Klägerin auf Witwenrente endgültig und abschließend geklärt werden kann. Der Feststellung neuer Tatsachen bedarf es nicht.
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2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB besteht nicht. Jedenfalls wäre die unterlassene Aushändigung der Betriebsvereinbarung oder die Inkenntnissetzung des Ehemanns der Klägerin über den Inhalt nicht kausal dafür, dass der Klägerin kein Anspruch auf Witwenrente zusteht. Auch bei Kenntnis der maßgeblichen Versorgungsordnung wäre die Klage ohne Erfolg geblieben. Allenfalls hätte die Klägerin sie nicht erhoben. Der darin liegende Schaden bestünde jedoch dann in den vergeblich aufgewandten Prozesskosten, würde aber nicht die Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe einer monatlichen Witwenrente begründen können.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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