Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 346/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 205.049,90€ sowie Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsleistungen geltend.
3Die Beklagte bietet unter der Geschäftsbezeichnung K2 u.a. Flurförderfahrzeuge zur Miete an. Bei der Streithelferin handelt es sich um ein renommiertes Maklerunternehmen.
4Im Zeitraum vom 01.05.2011 bis 25.07.2012 unterhielt die Beklagte eine Maschinenversicherung bei der B AG. Dieser Vertrag wurde von dem Zeugen T, einem damals bei der Streithelferin beschäftigten Versicherungsmakler, vermittelt. Für das Jahr 2011 wurden in acht Monaten drei Schäden mit einer Reserve von 36.690,00 € gemeldet. Daraus ergibt sich eine Schadensquote von fast 100%, was unstreitig branchenüblich nicht als gute Schadensquote anzusehen ist (wobei jedoch zwischen den Parteien streitig ist, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen branchenüblich von einer guten Schadensquote zu sprechen ist). Die B AG regulierte während des Vertragsverhältnisses insgesamt 70 Schäden mit einer Summe von 273.000,67 €. Die B AG beendete den Vertrag im Rahmen einer Schadensfallkündigung, wobei sie jedoch der Beklagten ein Sanierungsangebot unterbreitete.
5Mit E-Mail vom 08.03.2012 wandte sich Herr T in seiner Eigenschaft als Versicherungsmakler der Streithelferin an die Klägerin. Er fragte für die Beklagte bei der Klägerin an, ob diese ihm ein passendes Deckungsangebot für die Beklagte machen könne.
6Die E-Mail enthält u.a. folgenden Wortlaut:
7„Eine Geräteliste ist beigefügt. Der Kunde ist neu für uns und nach Aussage der VN besteht seither ein guter Schadenverlauf. Der Gerätepark soll noch aufgestockt werden.“
8Die beigefügte Geräteliste enthielt eine Staplerflotte von acht Fahrzeugen (vgl. Anlage BLD 1 zur Klageschrift). Diese Fahrzeuge hatte die Beklagte zuvor nicht bei der B AG versichert. Der Zeuge T teilte nicht mit, dass die Beklagte den anderen Teil ihrer Fahrzeugflotte bei der B AG versicherte.
9Der bei der Klägerin beschäftigte Zeuge M machte mit E-Mail vom 09.03.2012 ein entsprechendes Angebot auf Abschluss eines Maschinen- und Kaskoversicherungsvertrags mit der Beklagten. Der Zeuge M fügte hinzu, dass das Angebot der Klägerin „vorbehaltlich dem Nachweise einer positiven Vorschadenquote“ gelte. Wegen der Einzelheiten wird auf die E-Mail vom 09.03.2012 (Anlage BLD 9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.04.2015) Bezug genommen.
10Mit E-Mail vom 14.03.2012 äußerte sich Herr T dazu wie folgt:
11„Nach Rücksprache mit der VN würden wir gern die Staplerflotte rückwirkend zum 01.03.2012 – frei von bekannten Schäden und vorbehaltlich endgültiger Prämieneinigung – in Deckung geben.“
12Herr T bat darum, die angebotenen Prämiensätze zu überprüfen, woraufhin der Zeuge M eine Eindeckung zu reduzierten Prämiensätzen anbot. Mit E-Mail vom 23.03.2012 aktualisierte er sein Angebot hinsichtlich der Beiträge (Anlage BLD 10 zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.04.2015). Die E-Mail enthält folgenden Wortlaut: „[…] Gerne erwarten wir die Entscheidung des VN bzgl. SB und würden uns über den Deckungsauftrag freuen.“
13Mit weiterer E-Mail vom 23.03.2012 (Anlage BLD 11 zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.04.2015) bestätigte der Zeuge M den Deckungsschutz mit folgendem Wortlaut: „[…] vielen Dank für den erteilten Deckungsauftrag. Gerne bestätigen wir Ihnen den gewünschten Deckungsschutz gem. anliegender E-Mail. […]“
14Unter dem 06.06.2012 erklärte sich die Klägerin mit dem durch den Zeugen T übersendeten Vertragsentwurf einverstanden und unterzeichnete diesen am 21.06.2012. Ein Nachweis hinsichtlich der Vorschadensquote übermittelte der Zeuge T nicht.
15Der Versicherungsvertrag kam rückwirkend zum 01.03.2012 zustande (Nr.:########). Dem Vertrag liegen die N-Bedingungen für die Maschinen- und Kaskoversicherung für fahrbare und transportable Geräte (Stand: Oktober 2008) zugrunde (Anlage BLD 16 zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.04.2015). Der Vertrag sah – wie bei der Klägerin üblich – vor, dass eine Erweiterung des Deckungsumfangs jederzeit möglich sei.
16Die zunächst vereinbarte Gesamtversicherungssumme in Höhe von 184.500,00 € wurde ab 01.06.2012 auf 217.000,00 € und ab 25.07.2012, also zeitgleich mit Beendigung des Versicherungsverhältnis mit der B AG, auf 7.089.145,00 € erhöht.
17Die Klägerin erbrachte innerhalb der Vertragslaufzeit für 76 gemeldete Schäden der Beklagten Versicherungsleistungen in einem Gesamtumfang von 205.049,90 €, wobei nur eines der durch den Zeugen T mit E-Mail vom 08.03.2012 angegebenen Fahrzeugen während der Vertragslaufzeit einen Schadensfall erlitt. Innerhalb der Vertragslaufzeit erbrachte die Beklagte Prämien in Höhe von 99.932,00 €. Wegen des hohen Schadenaufkommens kündigte die Klägerin den Vertrag zum 22.10.2013. Nach der Kündigung brachte die Klägerin in Erfahrung, dass die Beklagte bereits zuvor bei der B AG versichert gewesen war und dieser Vertrag ebenfalls im Rahmen einer Schadensfallkündigung beendet worden war.
18Mit Schreiben vom 04.03.2014 erklärten die Zeugen N und X für die Klägerin gegenüber der Beklagten die Anfechtung des Versicherungsvertrags (Anlage BLD 3 zur Klageschrift). Sie stützte die Anfechtung auf eine arglistige Täuschung durch den Zeugen T. Zudem forderte die Klägerin die Beklagte auf, die bereits geleisteten Entschädigungszahlungen unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 21.03.2014 an sie zurückzuerstatten. Die Beklagte verweigerte mit anwaltlichem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2014, der Klägerin zugegangen am 21.03.2014, eine Rückzahlung.
19Die Klägerin behauptet, dass Sie den Versicherungsvertrag bei Kenntnis des Vorschadensverlaufs nicht abgeschlossen hätte. Die Klägerin behauptet, dass sie sich vor Zeichnung des Versicherungsvertrages eine Aufstellung des Schadensverlaufs bei der B hätte vorlegen lassen, wenn sie Kenntnis von dem Umstand gehabt hätte, dass die Beklagte und deren verbundene Unternehmen, deren Interessen mitversichert werden sollten, dem Zeugen T bekannt gewesen waren.
20Die Klägerin behauptet, dass die Zeugen N und X bei der Abgabe der Anfechtungserklärung zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren.
21Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass sie auch wegen arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten gemäß § 11 Nr. 1 c der N Bedingungen für die Maschinen- und Kaskoversicherung und Täuschung über Umstände, die für Grund und Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, getäuscht worden sei. Sie behauptet, dass es im Rahmen der Schadensabwicklung zu einem vorgetäuschten Versicherungsfall seitens der Beklagten gekommen sei.
22Die Klägerin beantragt,
23die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 205.049,90€ sowie Zinsen in Höhe von 9% über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2014 zu zahlen;
24die Beklagte zu verurteilen, die Beklagte von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
25Mit Schriftsatz vom 22.01.2015, eingegangen bei Gericht am 22.01.2015, hat die Beklagte der Streihelferin den Streit verkündet. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2015 ist die Streithelferin auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.
26Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
27die Klage abzuweisen.
28Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Anfechtung wirkungslos sei, da der Vertrag zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits durch wirksame Kündigung erledigt war.
29Sie bestreitet zudem, dass eine Täuschung durch den Zeugen T kausal für den Vertragsschluss gewesen wäre. Auch enthalte der Begriff des Schadensverlaufes retrospektive als auch prognostische Elemente. Deshalb sei der Begriff des Schadensverlaufes, bei der Frage, ob ein Versicherungsvertrag abgeschlossen werden soll, nur von begrenzten Wert.
30Die Streithelferin vertritt zudem die Auffassung, dass der Versicherer nach § 19 Abs. 1 VVG die Möglichkeit habe, die Gefahrumstände in Textform abzufragen. Eine darüber hinaus gehende Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers bestehe nicht. Zudem sei unklar, auf welche Willenserklärung sich die Anfechtungserklärung richte.
31Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
32Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.09.2016 (Bl. 350 ff. GA) verwiesen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34I.
35Die Klage ist teilweise zulässig und begründet.
361. Hinsichtlich des mit Antrag zu 1) geltend gemachten Klageanspruchs ist die zulässige Klage begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 205.049,90 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB.
37a) Die Klägerin hat an die Beklagte Entschädigungsleistungen in Höhe von 205.049,90 € geleistet.
38b) Die Leistungen erfolgten auf der Grundlage des zwischen den Parteien am 21.06.2012 geschlossenen Maschinen- und Kaskoversicherungsvertrags. Dieser ist durch Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig geworden.
39aa) Eine Anfechtung war auch noch möglich, nachdem bereits zuvor die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärt wurde. Neben dem Anfechtungsrecht gemäß §§ 123, 124 können auch ein Rücktrittsrecht sowie bei Dauerschuldverhältnissen ein ordentliches oder außerordentliches Kündigungsrecht bestehen. Das Anfechtungsrecht wird nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt; vielmehr bestehen beide Möglichkeiten wahlweise nebeneinander, wobei allerdings wegen der stärkeren, das Schuldverhältnis vernichtenden Wirkung der Anfechtung über diese vorrangig zu entscheiden ist (MüKoBGB/Armbrüster, 7. Auflage 2015, § 123 Rn. 86).
40bb) Die Klägerin hat auch die Anfechtung erklärt, § 143 Abs. 1 BGB. Die Zeugen N und X erklärten für die Klägerin die Anfechtung mit Schreiben vom 04.03.2014. Soweit bestritten wird, dass die Unterzeichner der Erklärung zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren, kann dies dahinstehen, da die Beklagte bei Abgabe der Anfechtungserklärung die Vertretungsmacht entgegen § 180 S. 1 BGB nicht beanstandet hat und durch die Klageerhebung eine Genehmigung der Klägerin nach §§ 180 S. 2, 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB erfolgte.
41cc) Die Klägerin war gemäß § 21 VVG i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung zur Anfechtung berechtigt.
42(1) Die Klägerin wurde durch den Zeugen T arglistig getäuscht. Der Zeuge T gab unstreitig wahrheitswidrig bei seiner Anfrage vom 08.03.2012 an, dass es sich bei der Beklagten um einen neuen Kunden handele, obwohl er die Beklagte bereits bei dem Abschluss des Versicherungsvertrag mit der B AG betreut hatte. Zudem erklärte er, dass nach Aussage der Beklagten ein guter Schadensverlauf vorliege. Er gab aber dagegen nicht an, dass es sich bei den in der E-Mail vom 08.03.2012 aufgeführten Fahrzeugen nur um einen kleinen Teil des Fuhrparks der Beklagten handele und die anderen Fahrzeuge bei der B AG versichert waren und dort eine Schadensquote von fast 100% aufwiesen. Vor dem Hintergrund, dass der Maschinen- und Kaskoversicherungsvertrag – wie bei der Klägerin üblich – die Möglichkeit vorsah, eine nachträgliche Erweiterung der versicherten Fahrzeuge ohne erneute Prüfung vorzunehmen, und die Beklagte dann kurz nach Abschluss des Vertrages die Versicherungssumme von 184.500,00 € zunächst auf 217.000,00 € und ab 25.07.2012, also zeitgleich mit Beendigung des Versicherungsverhältnis mit der B AG, auf 7.089.145,00 € und die Anzahl der versicherten Fahrzeuge entsprechend erhöhte, ist die Täuschung des Zeugen als arglistig zu qualifizieren.
43Entgegen der Ansicht der Streithelferin steht einer arglistigen Täuschung auch nicht entgegen, dass sich die unterlassenen Angaben des Zeugen T nicht auf Fragen bezogen, die die Klägerin in Textform nach § 19 Abs. 1 VVG gestellt hatte, da der Anwendungsbereich der Anfechtung nach § 21 VVG i.V.m. § 123 BGB nicht hierauf beschränkt ist (Prölss/Martin/Armbrüster VVG, 29. Auflage 2015, § 22 Rn. 3). Vielmehr besteht eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers unabhängig von den durch den Versicherer in Textform gestellten Fragen jedenfalls hinsichtlich solcher Umstände, die auch nach Einschätzung des Versicherungsnehmers bzw. seines Vertreters gefahrerheblich sind. Vor dem Hintergrund, dass nur ein Teil des Fuhrparks der Beklagten versichert werden sollte, aber die Möglichkeit bestand, später ohne weitere Prüfung die Versicherungssumme zu erhöhen, waren die Beklagte bzw. der Zeuge T verpflichtet, den Umstand, dass der übrige Fuhrpark bei der B AG versichert war und dort keine gute Schadensquote bestand, zu offenbaren.
44(2) Der Zeuge T steht als Makler im Lager der Beklagten und ist daher Nicht-Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Seine arglistige Täuschung ist der Beklagten zuzurechnen, § 166 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2008 – IV ZR 330/06 –, juris).
45(3) Die Täuschung war auch für den Abschluss des Maschinen- und Kaskoversicherungsvertrag kausal, da die Klägerin den Versicherungsvertrag bei Kenntnis über die Vorschadenquote nicht oder nicht mit diesen Konditionen abgeschlossen hätte. Für diese – durch die Beklagte bestrittene - Behauptung hat die Klägerin Beweis erbracht. Ein Beweis ist erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der Behauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind.
46Das Gericht ist nach Vernehmung des Zeugen M der Überzeugung, dass die Täuschung des Zeugen T kausal für den Abschluss des Vertrages war. Der Zeuge M bekundete im Termin vom 30.09.2016 glaubhaft, dass er den Maschinen- und Kaskoversicherungsvertrag nicht oder nur zu anderen - an die Vorschadensquote angepassten - Konditionen abgeschlossen hätte, wenn er durch den Zeugen T informiert worden wäre, dass ein Teil des Fuhrparks bei der B AG versichert war und dort eine negative Schadensquote bestand. So hätte er die Konditionen der Vorschadensquote entsprechend kalkuliert oder einen Selbstbehalt in den Vertrag aufgenommen.
47Diese Versicherungsverträge sähen üblicherweise die Möglichkeit vor, nach Vertragsschluss eine Erhöhung der Versicherungssumme ohne neue Prüfung vorzunehmen. Es sei in der Praxis aber absolut unüblich, dass sich die Anfrage auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags – wie im vorliegenden Fall - nur auf eine kleine Anzahl von Fahrzeugen beziehen und dann nach Vertragsschluss die Anzahl der versicherten Fahrzeuge in so großem Umfang erweitert würde. Der Zeuge führte aus, dass er eine „Rosinenpickerei“, also einen Vertrag, der nur einen kleinen Teil des Fuhrparks der Beklagten zum Gegenstand habe, während die anderen Fahrzeuge durch einen anderen Versicherer versichert seien, nicht abgeschlossen hätte.
48Er erläuterte, dass ein großes Maklerhaus wie die Streithelferin üblicherweise im Vorfeld des Vertragsschlusses die Vorschadensquote des Versicherungsnehmers in tabellarischer Form übermitteln würde. Dies sei aber nicht üblich, wenn es sich um einen neuen Kunden des Maklerhauses handeln würde, da es für den Makler in diesem Fall schwierig sei, Informationen zu dem Vorschadensverlauf zu beschaffen. Vielmehr müsse dann der Makler die entsprechenden Informationen von dem Versicherungsnehmer einholen und an die Versicherung weitergeben. Der Zeuge erklärte für das Gericht nachvollziehbar, dass er sich auf die Aussage des Zeugen T, dass es sich um einen neuen Kunden handele, verlassen habe, da es sich bei der Streithelferin um eines der Maklerhäuser handele, mit dem die Klägerin am meisten zusammenarbeite. Seine Tätigkeit lasse es nicht zu, selbst Nachfragen und Recherchen vorzunehmen, so dass er sich auch in der Vergangenheit auf die Angaben der Streithelferin verlassen habe. Eine direkte Anfrage der Versicherung bei dem Kunden des Maklers, um die Vorschadensquote weiter zu ermitteln, sei nicht zulässig gewesen.
49Der Zeuge erklärte, dass er in seine E-Mail vom 09.03.2012 dennoch den Vorbehalt einer positiven Vorschadensquote aufgenommen habe, da er sich nicht sicher gewesen sei, ob der Zeuge T noch ergänzende Informationen liefern würde. Dies habe er insbesondere aus der E-Mail des Zeugen T vom 08.03.2012 geschlossen, da aus der E-Mail-Kette ersichtlich wurde, dass für die Beklagte eine I in die Anfrage involviert war. Nachdem er aber keine weiteren Informationen von dem Zeugen T erhalten habe, habe er den Vertrag dann ohne Nachweis der Vorschadensquote abgeschlossen.
50Da der Zeuge der Kammer auch uneingeschränkt glaubwürdig erschien, bestehen an der Richtigkeit seiner Angaben insgesamt keine Zweifel, weshalb die Kammer diese ihrer Entscheidung zugrunde legt.
51(4) Es ist nicht ersichtlich, dass die Anfechtungserklärung nach Ablauf der in § 124 Abs. 1 BGB geregelten Anfechtungsfrist erfolgte. Insoweit trägt – entgegen der Ansicht der Streithelferin - die Anfechtungsgegnerin die Darlegungs- und Beweislast, dass die Klägerin bereits länger als ein Jahr vor der Anfechtungserklärung Kenntnis von der Täuschung hatte (BGH, Urteil vom 11. März 1992 – VIII ZR 291/90 –, juris). Entsprechender Vortrag fehlt.
52c) Die Beklagte ist verpflichtet, die Bereicherung in Form der Entschädigungsleistungen in Höhe von 205.049,90 € herauszugeben. Dabei sind die durch die Beklagte erbrachten Versicherungsprämien nicht in Abzug zu bringen, da gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VVG für den Fall, dass das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 VVG oder durch Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung beendet wird, dem Versicherer die Prämien bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zustehen.
532. Der Zinsanspruch ergibt sich in zuerkannter Höhe aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 a.F. BGB, Art. 229 § 34 EGBGB. Die Beklagte befand sich seit dem 22.03.2014 hinsichtlich ihrer Verpflichtung in Verzug, weil sie durch anwaltliches Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2014, der Klägerin zugegangen am 21.03.2014, eine Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigerte.
543. Hinsichtlich des mit Antrag zu 2) geltend gemachten Anspruchs auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Klage nicht zulässig, da der Antrag entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht beziffert wurde. Die Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 erfordert bei Zahlungsanträgen grundsätzlich die Angabe des begehrten Betrags. Zwar kann in bestimmten Ausnahmefällen eine genaue Bezifferung des Antrags unterbleiben, wobei nach dem Bestimmtheitsgebot auch in diesen Fällen erforderlich ist, dass die Klägerin nicht nur den anspruchsbegründenden Sachverhalts hinreichend genau darlegt, sondern auch wenigstens die ungefähre Größenordnung des verlangten Betrages angibt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 – VI ZR 162/80 –, juris). Eine solche Angabe der Klägerin, beispielsweise in Form eines Mindestbetrags oder einer Angabe des Streitwerts, erfolgte vorliegend nicht.
55II.
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da aus dem unbezifferten und damit unzulässigen Antrag zu 2) sowie dem überhöhten Zinsfuß ergeben sich keine höheren Kosten.
57Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
58Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Streithelferin der Beklagten vom 19.10.2016 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
59III.
60Streitwert: 205.049,90 €
61Dr. G |
Richterin am LG L hat an der Schlussberatung teilgenommen, ist jedoch wegen urlaubsbedingter Abwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert Dr. G |
K |
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Referenzen
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