Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (2. Zivilkammer) - 2 O 119/13

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 1. zu 10 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 1. zu 20 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangte ursprünglich im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der M KG von der Beklagten zu 1.) Auskunft und begehrt nunmehr nach übereinstimmender Erledigungserklärung von den Beklagten zu 1.) und 2.) noch gesamtschuldnerisch Schadensersatz wegen der behaupteten Verletzung von Aufklärungspflichten.

2

Nach dem Vortrag des Klägers, einem Zahnarzt, zeichnete dieser am 14. Dezember 2004 nach einer telefonischen Kontaktaufnahme durch R, der ihm bereits bekannt war, und einem in seiner Privatwohnung stattgehabten Beratungsgespräch mit diesem eine Kommanditeinlage an der M KG über 70.000,00 € zuzüglich 3 % Agio als Direktkommanditist (nicht als Treugeber-Kommanditist). Die Einzahlungsverpflichtung betrug 50 % der Kommanditeinlage zuzüglich Agio; die verbleibenden 50 % sollten fremdfinanziert werden. Der Kläger kam seiner Einzahlungsverpflichtung am 29. Dezember 2004 nach. Ausweislich des Zeichnungsscheins (Anlage K 1, Anlagenband I) erfolgte die Beteiligung „verbindlich auf der Grundlage des mir vollinhaltlich bekannten Prospekts der E M GmbH & Co KG III“. Unwidersprochen vom Kläger trägt die Beklagte zu 1.) vor, dass der Kläger den Prospekt rechtzeitig vor seiner Beitrittserklärung ausgehändigt und erläutert erhalten hat.

3

Im Rahmen der Beratung habe sich Herr R nach dem monatlichen Einkommen und den Ausgaben des Klägers erkundigt. Er habe ihm mitgeteilt, dass die im Auftrag der Beklagten zu 2.) durchgeführte Finanzanalyse ergeben habe, dass der Kläger eine unnötig hohe Steuerbelastung tragen würde, die über ein spezielles Beteiligungsprogramm bei der M KG, verbunden mit einer hohen Rendite, gemindert werden könne. R habe den Kläger nicht über Vertriebskosten in Höhe von mindestens 15 % der Zeichnungssumme aufgeklärt. Ferner habe er im Beratungsgespräch explizit mit einer Mindestverzinsung in Höhe von 18,81 % nach Steuern geworben; über steuerrechtliche Aspekte aber nicht aufgeklärt. Auch einen Hinweis auf ein mögliches Scheingeschäft habe R nicht gegeben. Dem Kläger sei nicht mitgeteilt worden, dass auch eine Beteiligung an Verlusten der Fondsgesellschaft möglich sei, unter bestimmten Voraussetzungen eine Nachschusspflicht bis zur Höhe der Zeichnungssumme besteht und ein Totalverlustrisiko drohe. Bezüglich des Totalverlustrisikos sei der Prospekt (Seite 57 des Prospekts, Anlagenband I) irreführend.

4

Die Beklagte zu 1.), welche damals noch als T-Steuerberatungsgesellschaft firmierte, war vom 01. März 2004 bis 31. Juli 2011 Mittelverwendungskontrolleurin der M KG. Grundlage dessen war der zwischen ihr, der M KG und den Direktkommanditisten geschlossene Treuhand- und Mittelverwendungskontrollvertrag (Seite 83 ff. des Prospekts, Anlagenband I). In diesem ist unter anderem geregelt:

5

„§ 2.2
[…] Über dieses Konto sind die Gesellschaft und der Mittelverwendungskontrolleur aufgrund einer Vereinbarung mit der kontoführenden Bank nur gemeinsam verfügungsberechtigt (Und-Konto).

§ 3.1
Der Auftragnehmer nimmt sämtliche Rechte und Pflichten des Treugebers aus dem Gesellschaftsvertrag im eigenen Namen und für fremde Rechnung und des Direktkommanditisten im fremden Namen und auf Weisung des Zeichners wahr, soweit der Zeichner diese Rechte und Pflichten nicht selbst ausübt.

§ 3.5
Der Auftragnehmer wird den Zeichner bei Bedarf in geeigneter Form über das Treuhandverhältnis betreffende Vorgänge unterrichten. Im Übrigen erteilt der Auftragnehmer auf Verlangen umfassend Auskunft über die das Treugut betreffenden Verhältnisse“.

6

Die Widerrufsbelehrung sei unwirksam, sodass die Beklagte zu 1.) entgegen ihrer Pflicht aus § 7.2 des Mittelverwendungskontrollvertrages (MVKV) das Kapital vor Ablauf der Widerrufspflicht weitergeleitet habe.

7

Ausweislich des in dem Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrages (Seite 71 des Prospekts, Anlagenband I) war Gründungskommanditist S. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sollte als weiterer Kommanditist im Geschäftsjahr 2004 oder in einem folgenden Geschäftsjahr eingetragen werden können (§ 4 Nr. 1 Buchst. b)). Ausweislich des als Anlage A 20 vorgelegten Handelsregisterauszuges (Anlagenband II) wurde die Beklagte zu 1.) am 29. September 2004 als Kommanditistin eingetragen.

8

Mit Schreiben vom 7. September 2012 bat der Kläger die Beklagte zu 1.) um Auskunft bezüglich der Erfüllung der Pflichten aus dem MVKV (Anlage K 6, Anlagen Band I). Die Beklagte lehnte am 18. Oktober 2012 eine Auskunft ab, weil dem Kläger ein eigenes Auskunftsrecht nicht zustehe (Anlage K 7, Anlagenband I).

9

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1.) habe die E GmbH damit betraut, Treugeber und Direktkommanditisten für die Fondsbeteiligung zu gewinnen. Hiermit sei die Ermächtigung verbunden gewesen, Unteraufträge zu erteilen. Die E GmbH habe die E V GmbH mit der Anwerbung von Beteiligungskapital beauftragt und die Ermächtigung zur Erteilung von Unteraufträgen weitergegeben. Die E V GmbH habe schließlich die Beklagte zu 2.) (unter-)beauftragt, was schließlich dazu geführt habe, dass die Beklagte zu 2.) R damit betraut habe, den Vertragsabschluss mit dem Kläger herbeizuführen.

10

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund ihrer Stellung als Treuhandkommanditistin der E GmbH & Co. KG III dem Kläger aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung schadenersatzpflichtig. Insoweit müsse sie sich Pflichtverletzungen des R zurechnen lassen, weil sie sich eines von ihr beauftragten Vertriebes und der von diesem Vertrieb eingeschalteten Untervermittler bedient habe.

11

Die Beklagte habe gegen Pflichten des Mittelverwendungsvertrages verstoßen. Die Einräumung der gemeinsamen Verfügungsbefugnis und das Bestehen des Und-Kontos sei nicht ausreichend sichergestellt gewesen. Die Mittelverwendungskontrolle habe schon bei dem Vorgänger bezüglich des Filmprojekts „Elvis has left the building“ nicht funktioniert.

12

Der Kläger verlangt seine Zahlung an den Fonds, entgangenen Gewinn sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten inklusive Selbstbehalt als Schaden ersetzt.

13

Der Kläger beantragt zuletzt:

14

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 45.822,78 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach folgender Staffel zu zahlen:

15

aus 35.000,00 € seit dem 22. September 2012,

16

auf 10.822,78 € seit Rechtshängigkeit.

17

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die D AG € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 150,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Kläger von sämtlichen Verpflichtungen freizustellen, die diesem durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung an der E GmbH & Co. KG III vom 14. Dezember/29. Dezember 2004 entstanden sind und noch entstehen werden.

20

5. Die Verurteilung zu den Ziffern 2)-4) erfolgt Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der E GmbH & Co. KG III vom 14. Dezember/29. Dezember 2004.

21

6. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1.) mit der Annahme der in Ziffer 5) bezeichneten Beteiligung seit dem 22. September 2012 in Annahmeverzug befindet.

22

7. Es wird festgestellt dass sich die Beklagte zu 2.) mit der Annahme der in Ziffer 5 bezeichneten Beteiligung seit dem 8. Dezember 2012 in Annahmeverzug befindet.

23

Die Beklagten beantragen,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte zu 1.) vertrat die Auffassung, dem Kläger stünde ein eigener Auskunftsanspruch nicht zu. Jedenfalls habe sie einen solchen bereits durch ihre mündlichen und schriftlichen Berichte in jeder jährlichen Gesellschafterversammlung erfüllt. Aufgrund ihres Ausscheidens als Mittelverwendungskontrolleurin zum 31. Juli 2011 habe sie sämtliche Unterlagen an die neue Kontrolleurin herausgegeben, so dass ihr weitere Auskünfte nicht möglich seien. Etwaige Ansprüche seien verjährt.

26

Mit Schreiben vom 06. März 2014 (Anlage A 8, Anlagenband IV) hat die Beklagte zu 1.) die begehrte Auskunft erteilt und mit Schreiben vom 30. April 2014 erklärt, dass die erteilte Auskunft für alle Mandanten des Klägervertreters schuldbefreiende Wirkung haben soll. Der Kläger und die Beklagte zu 1.) haben daraufhin den Rechtsstreit insofern für erledigt erklärt.

27

Ein etwaiger Schadensersatzanspruch sei nicht schlüssig dargelegt. Eine Haftung aus dem Treuhandvertrag scheide bereits aus, weil der Kläger als Direktkommanditist beigetreten ist. Insofern habe der Kläger sich bewusst gegen die vertragliche Gestaltung mit der Beklagten zu 1.) als Treuhandkommanditistin entschieden. Die Beklagte zu 1.) habe keinerlei Einfluss auf die rechtliche Gestaltung des Fonds sowie die Beauftragung der weiteren Funktionen, wie Vertrieb, gehabt. Der Beitritt sei auf der Basis des fertig gestellten Prospekts und der ausgefertigten und im Prospekt abgebildeten Verträge ohne Möglichkeit der Einflussnahme erfolgt. Die namentliche Nennung im Prospekt sei erfolgt, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Verträge noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Der Vertrieb sei nicht von der Beklagten zu 1.) beauftragt worden.

28

Die Beklagte zu 2.) behauptet, durch sie sei keine Anlageberatung oder Anlagevermittlung erfolgt. Sie erbringe lediglich Dienstleistungen für zahlreiche Anlagevermittler geschlossener Fonds. Unwidersprochen vom Kläger trägt sie vor, der auf dem Zeichnungsschein aufgebrachte Stempel sei erst nach Unterschrift des Klägers aufgebracht worden als Zeichen erfolgreich geprüfter Plausibilität des Zeichnungsscheins. Selbst wenn R behauptet habe, er trete als Vertreter der Beklagten zu 2.) auf, sei dies unerheblich, da kein zurechenbarer Rechtsschein gesetzt worden sei. Vorsorglich erhebt sie die Einrede der Verjährung.

29

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

30

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2015 (Bd. II Bl. 117-120 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

31

Die Klage ist nicht begründet.

32

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz.

33

Ein solcher folgt bezüglich der Beklagten zu 1.) weder aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, noch aus deliktischer Haftung; bezüglich der Beklagten zu 2.) folgt ein solcher Anspruch nicht aus § 280 BGB.

34

Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1.) aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB scheiden bereits deshalb aus, weil die Beklagte zu 1.) unstreitig nicht Gründungsgesellschafterin ist und auch nicht wie eine Gründungsgesellschafterin zu behandeln ist.

35

Letzteres folgt aus den detaillierten, anschaulichen und deshalb glaubhaften Bekundungen des Zeugen L.

36

Danach hatte die damals unter anderem Namen firmierende Beklagte zu 1.) tatsächlich keinen Einfluss auf die rechtliche Gestaltung des Fonds sowie die Beauftragung der weiteren Funktionen (Vertrieb etc.).

37

Denn die Verträge sowie der Prospekt waren bereits fertiggestellt, als die Beklagte zu 1.) im Zeitraum Januar bzw. Februar 2004 in die Gesellschaft eingetreten ist.

38

Eine Möglichkeit der Einflussnahme durch die Beklagte zu 1.) habe insoweit nicht bestanden (vgl. Bd. II Bl. 118 d. A.).

39

Die Bekundungen des Zeugen L sind glaubhaft, denn sie waren ersichtlich auf eine wahrheitsgetreue Weitergabe des eigenen Kenntnisstandes an das Gericht ausgerichtet.

40

Insgesamt stechen die Bekundungen des Zeugen L durch eine geschlossene, nachvollziehbare und anschauliche Schilderung hervor, was nachhaltig für ihre Glaubhaftigkeit spricht.

41

Im Ergebnis folgt aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen L, dass die Beklagte zu 1.) keinen Einfluss auf die rechtliche Gestaltung des Fonds hatte und deshalb nicht wie eine Gründungsgesellschafterin zu behandeln ist.

42

Deshalb und aufgrund der mangelnden Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens - die namentliche Nennung im Prospekt reicht hierzu nicht aus - trafen die Beklagte zu 1.) keine Auskunftspflichten, die auf die richtige und vollständige Aufklärung über alle für den Kläger wesentlichen Umstände gerichtet waren (vgl. auch eingehend OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.06.2013, 16 U 156/12, Anlage A 9, S. 5, 6).

43

Darüber hinaus scheidet eine schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zu 1.) auch deshalb aus, weil der Kläger unstreitig den die in Rede stehende Kapitalanlage betreffenden Prospekt erhalten hat und in diesem Prospekt eine ausreichende, nicht zu beanstandende Information über die Risiken der betreffenden Kapitalanlage enthalten ist.

44

Insoweit kann es als Mittel der Aufklärung - wie hier - ausreichend sein, wenn dem Anlageinteressenten ein Prospekt über die Kapitalanlagen überreicht wird, in dem die richtigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich vermittelt werden (vgl. BGH, NZG 2005, 472).

45

So liegt es hier.

46

Insbesondere weist der Prospekt dezidiert auf die Risiken der vorliegenden Beteiligung hin.

47

So wird auf S. 54-56 des Prospekts der Sache nach bereits auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen, indem die Risiken der vorliegenden Anlage - Akzeptanz beim Publikum, Produktions- und Erlösrisiken - dargestellt werden.

48

Sodann wird auf S. 57 unter der Rubrik „Insolvenz“ das Totalverlustrisiko benannt.

49

Soweit der Kläger vorträgt, die einfließenden Betriebskosten würden sich auf mindestens 13,1 % zuzüglich Agio in Höhe von 3 % belaufen, ist insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten zu 1.) nicht zu erkennen.

50

Jedenfalls fehlt es an einem Verschulden der Beklagten zu 1.). Erstmals im Jahr 2009 hat der BGH (vgl. BGH, NJW 2009, 1416) für Kapitalanlagen außerhalb des Geltungsbereichs des WpHG, insbesondere einem Vertrieb von M durch eine Bank, die Pflicht des Anlageberaters postuliert, unter dem Gesichtspunkt eines bestehenden Interessenkonflikts den Anlageinteressenten über zu erwartende vereinbarte Rückvergütungen ungefragt aufzuklären. Entscheidend ist, unabhängig von der konkreten Bezeichnung, allein, ob der dem Anlageinteressenten als unabhängig gegenübertretende Berater von eigenen Provisionsinteressen geleitet werden konnte. Diese Offenbarungspflicht, so man sie vorliegend bejahenderweise der Beklagten, die keine Bank ist, unterstellen würde, konnte die Beklagte zu 1.) allerdings bei Abschluss der vorliegenden Beteiligung 2004 nicht erkennen, weil sie die vom BGH in der vorbezeichneten Entscheidung erstmals für die Sachverhaltskonstellation des Vertriebs einer Kapitalanlage außerhalb des Geltungsbereichs des WpHG angenommene Offenbarungspflicht zum Zeitpunkt der Beratung des Klägers weder erkannt hat noch erkennen konnte und sich deshalb in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befand (so explizit OLG Dresden, NZG 2009, 1069). Denn für einen solchen hat der Schuldner nur dann einzustehen, wenn er die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können. Ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verschweigen von erhaltenen Rückvergütungen setzt deshalb die Kenntnis der Rechtspflicht zur Offenbarung voraus (OLG Dresden, a.a.O.). Das war aber jedenfalls im Jahr 2004 bei Zeichnung der hiesigen Anlage nicht der Fall.

51

Soweit für die zur Entscheidung berufene Kammer erkennbar, gab es keine Hinweise darauf, dass ein Anlageberater beim Vertrieb von Kapitalanlagen außerhalb des Geltungsbereichs des WpHG den Anlageinteressenten ohne Hinzutreten besonderer Umstände ungefragt über die von ihm bezogene Vertriebsprovision dem Grunde und der Höhe nach aufzuklären hatte (vgl. OLG Dresden, a.a.O.). Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass unabhängig von den Fragen, ob überhaupt im vorliegenden Fall seitens der Beklagten eine Aufklärungspflicht bestand oder diese sich das Verhalten des Anlageberaters zurechnen lassen muss, die Beklagte zum Zeitpunkt des hiesigen Vertragsschlusses eine Aufklärungspflicht bekannt gewesen ist oder eine solche überhaupt nicht für möglich gehalten hat.

52

Die Verletzung einer Aufklärungspflicht bezüglich einer etwaigen Nachschussverpflichtung liegt nicht vor.

53

Der Prospekt klärt über die diesbezüglichen Umstände auf, und zwar insbesondere auch auf S. 56 unter der Rubrik „Haftung“.

54

Der Beklagten zu 1.) ist ebenfalls keine Aufklärungspflichtverletzung bezüglich steuerrechtlicher Aspekte vorzuwerfen, insbesondere soweit kein Hinweis auf die Verlusttragung nach § 2 b EStG erfolgt sei und es sich um ein mutmaßliches steuerrechtliches Scheingeschäft handele.

55

Anlageberatung ist keine Steuerberatung.

56

Deshalb ist auch die zur Haftung von Steuerberatern und Rechtsanwälten im Zusammenhang mit Anlageberatung ergangene Rechtsprechung grundsätzlich nicht auf die Anlageberatung übertragbar.

57

Es bestand vorliegend schon keine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 1.) über die eingangs bezeichneten Punkte.

58

Darüber hinaus ergeben sich die mit der Beteiligung verbundenen steuerlichen Risiken hinreichend aus dem Prospekt, vgl. S. 57 des Prospekts.

59

Soweit der Kläger die auf der Beitrittserklärung erteilte Widerrufsbelehrung als unwirksam rügt, so kann die Kammer einerseits nicht erkennen, dass die Widerrufsbelehrung nicht korrekt ist; der Kläger hätte dann, sofern er an seiner Ansicht festhält, den Widerruf erklären können. Die Kammer erachtet es ohnehin nicht als durchgreifend, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf eine (unterstellte) unwirksame Widerrufsbelehrung hinzuweisen. Eine solche Pflicht existiert nicht.

60

Darüber hinaus stellt sich eine unzulässige konkrete Rechtsberatung dar i.S.d. Art. 1 § 1 RBerG a.F. Eine Beratung hinsichtlich der Widerrufsbelehrung unterfällt auch nicht mehr dem Steuerberaterprivileg des Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG a.F. Die Beklagte kann aber zu nichts verpflichtet sein, was gesetzlich verboten ist.

61

Ohnehin fehlt es aber, unterstellt die Beklagte zu 1.) wäre insoweit überhaupt haftbar zu machen, jedenfalls an einem Verschulden.

62

Die vom Bundegerichtshof in der Entscheidung vom 10. März 2009 aufgestellten Anforderungen an die Deutlichkeit einer Widerrufsbelehrung zu den Voraussetzungen des Fristbeginns für den Widerruf sind Ausdruck eines gegenüber der vorangegangenen Rechtsprechung deutlich weiter verfeinerten Verständnisses für die Belange der Verbraucher. Dieses Verständnis musste die Beklagte nicht vorhersehen, denn es entsprach keiner zuvor bereits in der Rechtsprechung oder Literatur verbreitet vertretenen Auffassung. Auch kann die vom Bundesgerichtshof vertretene Ansicht nicht als derart selbstverständlich angesehen werden, dass die Beklagte die Klägerin allein auf der Grundlage eigener Subsumtion in ihrem Sinne beraten musste, ohne durch eine entsprechende Äußerung aus Rechtsprechung oder Literatur in diese Richtung gewiesen zu sein (so ausdrücklich auch nachfolgende Ausführungen, OLG Naumburg, Urteil vom 12.10.2011 - 5 U 144/11, BeckRS 2011, 27426).

63

Die im Übrigen von dem Kläger angeführten Urteile zum Beginn der Widerrufsfrist betreffen nur eben selbige, verhalten sich aber nicht zu den Anforderungen an den Inhalt einer dazu zu erteilenden Belehrung. So ergab sich weder aus dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung noch aus den dadurch abgelösten Vorschriften, die ein verbraucherschutzrechtliches Widerrufsrecht eingeräumt hatten, ausdrücklich, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt werden konnte, bevor der Verbraucher seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Erklärung abgegeben hatte. In der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur wurde dies jedoch angenommen. In engem Zusammenhang damit steht die Frage des Zeitpunktes der Erteilung der Widerrufsbelehrung. Geht man entsprechend dem seinerzeit überwiegend und heute einhellig vertretenen Verständnis davon aus, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor der Verbraucher die auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung abgegeben hat, so liegt die Forderung nahe, dass die Widerrufsbelehrung wirksam nicht erteilt werden kann, bevor der Verbraucher seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung abgegeben hat. Vielmehr setzte auch nach der im Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagte zu 1.) vorherrschenden Rechtsauffassung die Wirksamkeit der Belehrung voraus, dass der Verbraucher seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung vor oder zumindest gleichzeitig mit der Belehrung abgab. Daraus ergibt sich jedoch nicht, welchen Inhalt die Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns haben muss, um wirksam zu sein (so ausdrücklich OLG Naumburg, Urteil vom 12.10.2011 - 5 U 144/11, BeckRS 2011, 27426); die Norm enthält gleichfalls keine ausdrückliche Bestimmung dazu, in welcher Weise der Beginn der Widerrufsfrist beschrieben sein muss, um dem Verbraucher den Umfang seines Widerrufsrechts hinreichend deutlich vor Augen zu führen.

64

Die konkreten Anforderungen, die der BGH heute stellt, waren zum Zeitpunkt der Beratung durch den Beklagten weder durch veröffentlichte Rechtsprechung noch erkennbar in der Kommentarliteratur vertreten worden. Auch die BGB-InfoV hat eine entsprechende Formulierung nicht vorgesehen.

65

Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2.) aus § 280 Abs. 1 BGB wegen einer fehlerhaften Anlageberatung besteht nicht.

66

Der Kläger wurde über die Risiken der in Rede stehenden Kapitalanlage durch den Prospekt ordnungsgemäß aufgeklärt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

67

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte zu 2.) ein Verhalten von Herrn R zurechnen lassen muss. Ein Rechtsschein dahingehend, dass Herr R in Vertretung für die Beklagte zu 2.) tätig war, wurde nicht gesetzt. Der auf dem Zeichnungsschein aufgebrachte Stempel wurde erst nach Unterschrift des Klägers aufgebracht. Aus dem handschriftlichen Zusatz ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2.) den Stempel aufgebracht hat.

68

Im Ergebnis war die Klage abzuweisen.

69

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 92 I, 91 a ZPO.

70

Hierbei war nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass der ursprünglich geltend gemachte - und später erfüllte - Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu 1.) begründet gewesen ist, so dass die insoweit anfallenden Kosten zu verteilen waren, und zwar nach den Grundsätzen der Baumbach'schen Kostenformel.

71

Die Beklagte zu 1.) ist als Mittelverwendungskontrolleurin zur Auskunft über die Mittelverwendungskontrolle bezüglich des von ihr (mit-)verwalteten Kontos gemäß §§ 675, 666 BGB in Verbindung mit dem MVKV verpflichtet. Dabei folgt die Pflicht direkt aus dem Vertrag, weil der Kläger als Direktkommanditist Vertragspartner der Beklagten war. Der Kläger ist der M KG als Direktkommanditist beigetreten, so dass die Beklagte gemäß § 3.1 MVKV ohnehin auf Weisung des Klägers handelte. Aufgrund des abgeschlossenen Vertrages hat der Kläger ebenso wie die anderen Direktkommanditisten das Recht erworben, den vertraglichen Anspruch geltend zu machen (BGH NJW 2006, 1434). Dazu gehört neben einem eventuellen Schadensersatzanspruch (BGH WM 2010, 25; 2009, 2363) auch der vertragliche Auskunftsanspruch (BGH NJW 1982, 1807 für Auskunftsanspruch aus § 242 BGB).

72

Der Mittelverwendungskontrollvertrag hat eine Geschäftsbesorgung im Sinne von § 650 Abs. 1 BGB zum Gegenstand. Geschäftsbesorgung ist jede selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (vgl. z. B. BGH NJW-RR 2004, 989). Eine solche hat die Beklagte hier übernommen. Sie sollte gemäß § 7 MVKV die Verwendung des Gesellschaftskapitals für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft kontrollieren. Aus § 675 BGB in Verbindung mit § 666 BGB ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten zu 1.), den Anlegern als ihren Auftraggebern auf Verlangen Auskunft über die Ausführung ihrer Mittelverwendungskontrolltätigkeit zu geben. Der Kläger hat auch einen umfassenden Anspruch geltend gemacht. Dieser ist auf die Erstellung und Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben gerichtet (BGH NJW 1982, 573; NJW 1985, 2699; Palandt/Sprau, 73. A., § 666 BGB Rz. 4; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1504).

73

Der Auskunftsanspruch hängt nicht davon ab, dass dem Kläger als Geschäftsherrn ein Zahlungsanspruch gegen den Beauftragten zusteht oder dass der Geschäftsherr wenigstens einen Pflichtenverstoß nachweist. Vielmehr dient er dazu, dem Geschäftsherrn die notwendige Übersicht zu verschaffen und ihm gegebenenfalls den Nachweis eines Pflichtenverstoßes zu ermöglichen oder zu erleichtern (BGHZ 41, 318). Hieraus ergibt sich, dass der Kläger gemäß § 666 letzte Variante in Verbindung mit § 675 Abs. 1 BGB von der Beklagten nach Ausführung des Auftrags bzw. Beendigung des Vertragsverhältnisses, welches zum 31. Juli 2011 erfolgte, Rechenschaft verlangen kann.

74

Der Kläger verlangt mit der Klage Auskunft über das Konto, auf das sich der Mittelverwendungskontrollvertrag bezieht.

75

Der Umfang der Auskunftspflicht ist in § 259 BGB geregelt. Danach erschöpft sich der Anspruch des Geschäftsherrn nicht in einer Rechnungslegung. Vielmehr ist der Geschäftsbesorger nach § 259 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB grundsätzlich auch verpflichtet, Belege vorzulegen, damit die Ausführung des Geschäfts umfassend nachprüfbar ist.

76

Die vom Kläger begehrte Auskunft entspricht dem Zweck des Mittelverwendungskontrollvertrags und dem Umfang der Auskunftspflicht der Beklagten gemäß § 259 BGB. Konkret bestand die Funktion der Beklagten zu 1.) darin (§ 2 Nr. 2 MVKV), die Anleger durch das Erfordernis ihrer Mitzeichnung davor zu schützen, dass Zahlungen von dem Sonderkonto gemäß § 2.2 MVKV geleistet wurden, ohne dass die in § 7 Nr. 2 lit. a-e) MVKV genannten Voraussetzungen (insbesondere die Verwendung zu den gesellschaftsvertraglichen Zwecken) vorlagen.

77

Ob sie diesen Verpflichtungen nachgekommen ist, kann seitens der Anleger nur überprüft werden, wenn sie über die Verfügungen, die sie über dieses Konto getätigt oder die sie zumindest gebilligt hat, Auskunft erteilt. Die Beklagte zu 1.) traf nach dem Vertrag über die Mittelverwendungskontrolle gegenüber den Anlegern unter anderem die Verpflichtung zu überprüfen, ob die Konditionen des Sonderkontos mit den in § 2 Abs. 2 und § 7 MVKV genannten Kriterien übereinstimmten. Hierauf beziehen sich die Klageanträge.

78

Die sich aus § 666 BGB ergebende Auskunftspflicht ist in dem Mittelverwendungskontrollvertrag nicht abweichend geregelt. Ihre Grenzen ergeben sich aus den Grundsätzen der Zumutbarkeit, d.h. nach einer sinnvollen Relation zwischen dem Arbeits- und Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Auskunftsberechtigten andererseits (vgl. z.B. BGH NJW 1982, 574).

79

Die Erteilung der begehrten Auskunft ist nicht unzumutbar. Die verlangten Daten ergeben sich aus einer von der Beklagten sowieso zu führenden ordnungsgemäßen Buchhaltung. Entgegen der Argumentation der Beklagten zu 1.) ist für die vertragliche Auskunftspflicht auch unerheblich, dass sie seit dem 01. August 2011 nicht mehr Mittelverwendungskontrolleurin ist. Sie hat sich die erforderlichen Auskünfte gegebenenfalls von der aktuellen Mittelverwendungskontrolleurin oder der M KG zu beschaffen, sofern sie nicht ohnehin noch über die erforderlichen Unterlagen verfügt. Dass die Beklagte über keine sonstigen Unterlagen mehr verfügt, hat sie behauptet. Sie wäre daher in diesem Fall zunächst gehalten, sich erforderliche Informationen und Unterlagen bei Dritten, gegebenenfalls der aktuellen Mittelverwendungskontrolleurin der M KG, wiederzubeschaffen. Nichts deutet derzeit darauf hin, dass ihr dies nicht möglich ist.

80

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

81

Streitwert: 88.025,00 €.


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