Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (Kammer für Handelssachen) - 3 O 34/16

Tenor

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 24.08.2016 wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Das Urteil ist - wegen der Kosten - gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.


Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Verfügungsklägerin ist Vertragspartner von Kunden für die bundesweite Lieferung elektrischer Energie außerhalb der Grundversorgung. Die Verfügungsbeklagte ist örtlicher Grundversorger und beliefert ebenfalls Kunden mit Strom.

2

Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 16.08.2016 außergerichtlich abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Das lehnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 23.08,2016 ab.

3

Der Abmahnung lag zugrunde, dass die Verfügungsklägerin das Schreiben der Verfügungsbeklagten an den Kunden M. B. vom 07.07.2016 beanstandete. Mit diesem Schreiben teilte die Verfügungsbeklagte dem Kunden B. mit, dass sie als Grundversorger dessen Stromversorgung übernommen habe. Sie weist auf Seite 1 des Schreibens die aktuellen Brutto- und Nettoverbrauchspreise in Cent pro kWh aus und führt einen voraussichtlichen Jahresverbrauch auf. Am Ende der Seite 1 heißt es: „Unter Berücksichtigung der aktuellen Preise und Ihres voraussichtlichen Verbrauchs ergeben sich derzeit folgende Abschläge …. 79,00 €“.

4

Die Verfügungsbeklagte hat dieses Schreiben, bestehend aus drei Seiten, vorgelegt. Auf Seite 2 dieses Anschreibens befindet sich die Information darüber, dass die nächste Zählerablesung für den Zeitraum vom 25.08.2016 bis 14.09.2016 vorgesehen ist und bis zum Ablesemonat sind die Abschlagszahlungen in ihrer Fälligkeit auf den 15.07.2016, 15.08.2016 und 15.09.2016 angegeben worden.

5

Die Verfügungsklägerin meint, es liege eine geschäftliche Handlung der Verfügungsbeklagten zu Gunsten ihres eigenen Unternehmens vor. Es bestehe eine Wechselbeziehung in dem Sinne, dass die geschäftliche Handlung der Verfügungsbeklagten den eigenen Wettbewerb fördert und dadurch gleichzeitig den fremden Wettbewerb der Verfügungsklägerin beeinträchtigt, so dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliege.

6

Sie hält die Preisangabe des Abschlages für falsch und meint, es handele sich um eine irreführende geschäftliche Handlung, denn in diesem Schreiben werden dem Kunden die aktuellen Strompreise mitgeteilt, unter Berücksichtigung der aktuellen Preise und des voraussichtlichen Verbrauchs. Allerdings ergebe sich, dass die Höhe des errechneten Abschlages fast ein Drittel niedriger sei, als eine „korrekte“ Berechnung des angegebenen voraussichtlichen Jahresverbrauchs mit dem Strombruttopreis pro kWh und dem Bruttogrundpreis. Danach ergebe sich ein monatlicher Abschlagsbetrag in Höhe von 105,24 €. Der dem Kunden mitgeteilte monatliche Abschlagsbetrag weiche um 25 % von dem korrekt ermittelten Abschlagsbetrag ab, ohne dass das im Inhalt des Anschreibens deutlich und hinreichend zum Ausdruck komme. Diese Berechnung erweise sich als irreführend, weil sie unwahre, sowie zur Täuschung geeignete Angaben über den Preis und die Art und Weise seiner Berechnung beinhalte. Zugleich liege eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Unterlassen vor, weil die Verfügungsbeklagte verschweige, dass bei der Angabe des geforderten Abschlags ein rechnerischer weiter Abschlag vom tatsächlich ermittelten korrekten Abschlagsbetrag vorgenommen werde.

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Die Verfügungsklägerin beantragt,

8

im Wege einer einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), verboten,

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im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs in Schreiben an Kunden zu behaupten,

10

dass sich der dort angegebene Abschlagsbetrag unter Berücksichtigung der aktuellen Preise und des voraussichtlichen Verbrauchs ergibt, ohne darauf hinzuweisen, dass von dem tatsächlichen rechnerischen Ergebnis des Abschlagsbetrages noch etwa 25 % abgezogen werden, wenn dies geschieht wie in Anlage ASt 3.

11

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

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den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

13

Sie meint, schon aus dem gesamten an den Kunden übermittelten Schreiben ergebe sich, dass die Angaben zum Abschlagsbetrag nicht irreführend seien. Denn der Berechnungszeitraum erstrecke sich lediglich auf drei Monate, so dass die Höhe der Abschlagszahlung anteilig für diesen Zeitraum gemäß § 13 Abs. 1 StromGVV berechnet worden sei. Die Verfügungsbeklagte habe den voraussichtlichen Verbrauch bis zur vorgesehenen nächsten Ablesung und Rechnungslegung ermittelt und dabei berücksichtigt, dass in den Sommermonaten in der Regel wesentlich weniger Strom verbraucht werde als in den Herbst- und Wintermonaten. Sie habe ausgehend vom mitgeteilten Jahresverbrauch und dem einschlägigen Lastprofil für die vom Abschlagszeitraum ermittelten 78 Tage einen voraussichtlichen Verbrauch ermittelt und mit dem anteiligen Grundpreis einen Gesamtpreis in Höhe von 237,43 €, was zur monatlichen Abschlagszahlung von 79,00 € führe. Mit dieser Berechnung der Abschläge entspreche man den Anforderungen, bei Rumpfzeiträumen die Abschläge möglichst genau zu ermitteln.

14

Die Verfügungsbeklagte hält den Antrag bereits für unzulässig, weil er nicht hinreichend bestimmt sei. Ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben, aber auch ein Verfügungsanspruch bestehe nicht, es liege keine wettbewerbsrelevante Handlung mit geschäftlichem Marktbezug vor, weil die Ermittlung und Festlegung der Abschlagshöhe nicht das Ziel habe, den Stromabsatz zu fördern. Des Weiteren werde ein falscher Eindruck niedriger Preise nicht hervorgerufen. Die Berechnung sei auch nicht irreführend. Die Abschlagshöhe sei ordnungsgemäß ermittelt worden. Abzüge vom tatsächlichen Rechenergebnis würden ebenso nicht vorgenommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen.

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Ein Verfügungsanspruch liegt nicht vor, § 935 ZPO, §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 i. V. m. 3, 4 Nr. 4, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

18

Ob die Verfügungsklägerin im örtlichen Bereich der angegriffenen Handlung der Verfügungsbeklagten als Mitbewerber gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt ist, kann unentschieden bleiben. Es bestehen jedoch Zweifel, nachdem die Verfügungsklägerin nach Kündigung des Händlerrahmenvertrages keine Versorgung mit Strom in diesem Bereich mehr anbietet und die Verfügungsbeklagte als Grundversorger in die Versorgung der Kunden eingetreten ist.

1.

19

Es liegt unter keinem Gesichtspunkt ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandendes Verhalten der Verfügungsbeklagten vor.

20

a) Die Übersendung des Schreibens an den Kunden B. stellt keine wettbewerbsrechtliche Handlung mit geschäftlichem Marktbezug dar, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die nach der Übernahme der Grundversorgung erfolgte Ermittlung und Festlegung der Abschlagshöhe gegenüber einem Kunden hat nicht das Ziel, den Stromabsatz zu Gunsten der Beklagten zu fördern oder zu beeinflussen.

21

b) Das Schreiben an den Kunden B. ruft, entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin, beim Kunden nicht den falschen Eindruck niedriger Preise hervor, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Die Preise der Grundversorgung sind - nach den glaubhaft gemachten Darlegungen der Verfügungsbeklagten - im Informationsschreiben korrekt angegeben. Die ermittelte Höhe der Abschläge bezieht sich auf den mitgeteilten Abrechnungszeitraum von 3 Monaten und folgt den Vorschriften des § 13 StromGVV für die Berechnung von Abschlägen. Danach ist die Höhe der Abschlagszahlung anteilig für den Zeitraum der Abschlagszahlungen entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen. Bei verständiger Lektüre des Schreibens kann der Verbraucher nachvollziehen, dass die Berechnung der Abschlagshöhe lediglich für diesen Zeitraum von 3 Monaten erfolgte. Jeder informierte Verbraucher weiß, dass derartige Abschläge vorläufigen Charakter haben und sich die abschließende Forderung erst aus der Abrechnung des tatsächlichen Verbrauchs und unter Berücksichtigung der Abschläge ergibt, und zugleich mit einer möglichen Veränderung der Beträge für die nächste Abrechnungsperiode verbunden sein kann.

22

Die Verfügungsbeklagte hat glaubhaft gemacht, dass sie die Abschlagshöhe gemäß § 13 Abs. 1 Strom GVV ordnungsgemäß berechnet hat. Sie hat für die Berechnung den zu erwartenden Verbrauch und die für den voraussichtlichen Abrechnungszeitraum zu erwartenden Kosten ermittelt und zu Grunde gelegt. Die Grundpreise und Verbrauchspreise sind korrekt angegeben worden, ebenso der nächste voraussichtliche Ablesezeitpunkt und die Termine für die Fälligkeit der Abschlagsbeträge.

23

Die Berechnung der Verfügungsklägerin, die vom Preis und Verbrauch, bezogen auf das gesamte Jahr, ausgeht, berücksichtigt die Vorgaben des § 13 Strom GVV für die Berechnung von Abschlagsbeträgen für ein Rumpfgeschäftsjahr nicht. Aus dieser anderen Berechnungsgrundlage kann nicht abgeleitet werden, dass die Verfügungsbeklagte eine unwahre oder eine sonst zur Täuschung geeignete Angabe über den Preis oder die Art und Weise, wie dieser berechnet wird, getroffen hat.

24

Soweit die Verfügungsklägerin bestritten hat, dass das Schreiben vollständig mit allen 3 Seiten an den Kunden B. übersandt worden sei, erfolgte das ins Blaue hinein. Die Verfügungsbeklagte hat in geeigneter Weise glaubhaft gemacht, dass das Schreiben mit allen 3 Seiten übersandt wurde. An der Richtigkeit der Angaben und Erklärung der Verfügungsbeklagten bestehen keine Zweifel.

25

Ausgehend von der dargelegten und im Abrechnungsschreiben nachvollziehbaren Berechnung erklärt sich die Auffassung der Verfügungsklägerin nicht, inwieweit dadurch dem Verbraucher/Kunden durch dieses Schreiben in wettbewerbswidriger Weise zu niedrige Preise suggeriert werden.

26

c) Für die Annahme der Verfügungsklägerin, es liege eine Irreführung durch Unterlassen vor, weil gewisse Abzüge vom tatsächlichen bzw. „korrekten“ Rechenergebnis nicht mitgeteilt würden, finden sich keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte.

27

Die Verfügungsbeklagte hat - wie dargelegt - die Höhe für den Abrechnungszeitraum korrekt berechnet.

28

d) Für die Behauptung der Verfügungsklägerin, durch die Art und Weise der Abrechnung und den Inhalt des Schreibens ergebe sich eine gezielte Behinderung der Verfügungsklägerin gemäß § 4 Nr. 4 UWG wurden keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen. Eine gezielte Behinderung ist weder vorgetragen oder sonst ersichtlich.

29

e) Für die von der Verfügungsklägerin hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1, 2 BGB i. V .m. § 186 StGB, §§ 824, 826 BGB fehlt es an jeglichem Vortrag. Tatsachen, aus dem sich derartigen Ansprüche ergeben könnten werden nicht vorgetragen.

2.

30

Eine Erörterung über die Bestimmtheit des von der Verfügungsklägerin formulierten Antrages und über das Vorliegen eines Verfügungsgrundes kann dahingestellt bleiben, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht, so dass aus diesem Grund bereits der Erlass der einstweiligen Verfügung abzulehnen und der Antrag abzuweisen ist.

3.

31

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO.

32

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es lediglich hinsichtlich der Kosten. Die Entscheidung folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

5.

33

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 10.000 € geschätzt und festgesetzt.

34

Maßgeblich ist das rechtliche Interesse der Verfügungsklägerin an der Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche, das mangels konkreter Anhaltspunkte auf 10.000 € geschätzt wird.


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