Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 004 KLs-40 Js 7656/13-28/13
Tenor
Der Angeklagte wird wegen tateinheitlicher gemeinschaftlicher Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Computerbetruges in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 152a Abs. 1 Nr. 1, 152b Abs. 1, 263 Abs. 3 Nr. 2, 263a Abs. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB
1
G r ü n d e :
3(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
4I.
5Der heute 47jährige Angeklagte wurde am 07.01.1967 in Athen/Griechenland geboren. Hier lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern, bis er im Alter von rund drei Jahren mit seiner Familie auf die Insel Kos zog. Hier besuchte der Angeklagte bis zum 12. Lebensjahr eine Grundschule. Mit 14 Jahren zog der Angeklagte zurück nach Athen, um dort eine weiterführende Schule zu besuchen. Er lebte bei einer Tante, seine Eltern waren auf Kos geblieben. Die Schule brach der Angeklagte nach eineinhalb Jahren ab und nahm eine Tätigkeit im Hafen von Piräus auf. Nach wechselnden Tätigkeiten und der Ableistung des Militärdienstes siedelte der Angeklagte 1990 nach London über. Hier lebte er dann im Wechsel mit Aufenthalten in Griechenland und er ging unterschiedlichen Tätigkeiten, u.a. als LKW-Fahrer, nach.
6Im Jahre 1994 heiratete er eine Engländerin, mit der einen Sohn hat. Die Ehe wurde 2002 geschieden. Der heute 17jährige Sohn, zu dem der Angeklagte regelmäßigen Kontakt hat, lebt bei seiner Mutter in England.
7Im Sommer 2005 lernte der Angeklagte auf Kos eine Niederländerin kennen und zog in die Niederlande. Hier arbeitete er von Anfang 2008 bis Ende 2012 über eine Zeitarbeitsfirma als LKW-Fahrer für verschiedene Firmen. Nachdem der Angeklagte im Frühjahr 2012 einen komplizierten Beinbruch erlitten hatte und er deswegen 8 Monate nicht arbeiten konnte, erfolgte die Kündigung. Seit knapp fünf Jahren lebt der Angeklagte mit seiner heutigen niederländischen Lebensgefährtin in Den Haag/Niederlanden. Er arbeitete zuletzt als Aushilfsfahrer ohne festen Arbeitsvertrag.
8Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
9II.
101.
11In der Nacht vom 19.02. auf den 20.02.2013 wurde weltweit in 22 Ländern durch Verwendung sogenannter X1 (im Folgenden auch: X1, gefälschte Kreditkarten, X1 oder Karten) rund 39 Millionen USD, mithin knapp 29,3 Millionen EUR, abgehoben. Auf diesen Karten waren Daten der C1 im Oman gespeichert, die durch einen Hacking-Angriff auf deren Sicherheitssystem erlangt wurden; zugleich wurden die Limits der zugehörigen Konten im Rahmen des Angriffs aufgehoben oder erhöht und Kontrollmechanismen (z.B. Plausibilitätsprüfungen) außer Kraft gesetzt.
12Im Zuge dessen wurden auch in mehreren deutschen Städten Abhebungen an Bankautomaten verschiedener Banken vorgenommen. Betroffen waren die Städte Düsseldorf, Frankfurt, Dortmund, Mannheim, Koblenz, Hamburg, Duisburg, Bremen und Essen. Nach den bisherigen Ermittlungen handelt es sich bei der in Bremen neben dem Angeklagten tätig gewordenen Mittäterin um die gesondert verfolgte P1, bei den in Düsseldorf und Essen tätig gewordenen Tätern um die gesondert verfolgten U1 und H2 sowie den gesondert verfolgten T1 und in Düsseldorf um die erstinstanzlich verurteilten A2 und A3, bei dem Frankfurter Täter um den gesondert verfolgten L1 und bei einem Täter aus Duisburg um den gesondert verfolgten W1. Der Gesamtschaden der durch die in Deutschland erfolgten Abhebungen beläuft sich auf 1.784.070,- EUR.
13Hintergrund des Geschehens war Folgendes:
14Die C1 aus dem Oman hatte die Verarbeitung der Daten sowie die Verwaltung der Infrastruktur für das Geschäft mit Prepaid-Karten an die Firma F1, ein Unternehmen, das Abwicklungsleistungen für den Zahlungsverkehr anbietet, ausgegliedert. Nachdem die Firma F1 in dem Zeitraum zwischen dem 31.01.2013 und dem 14.01.2013 das Verwaltungstool K1 auf dem gemeinsamen Server aktiviert hatte, wurde sie Ziel mehrerer Angriffsversuche durch unbekannte Täter, im Zuge derer es zu einer Verletzung der Datensicherheit kam, die zur Beeinträchtigung von zwölf Q2 der C1 führte.
15Bei den Angriffen konnten am 14.02.2013 der oder die unbekannten Täter (im Folgenden einheitlich als „der unbekannte Täter“) die Anmeldeanforderungen auf dem gemeinsam genutzten Server umgehen, um mehrere sogenannte „Web-Hintertüren“ einzuschleusen und das System (Q3) zu infiltrieren. Diese Hintertüren erlaubten es dem unbekannten Täter, die Daten auf dem Server einschließlich der Sicherungs-, Konfigurationsdateien sowie sonstiger wertvoller Daten zu erfassen. Unter Verwendung der gewonnenen Informationen aus diesen Dateien oder durch Nutzung vertraulicher Zugangsdaten griff der Angreifer verschlüsselte Daten wie persönliche Kontonummern, Kartenprüfwerte und Ablaufdaten aus den Datenbanken der C1 ab. Anschließend rief der unbekannte Täter Befehlskonsolen (D1) auf, um mit dem I1 zu interagieren, das die aus den Datenbanken abgegriffenen Daten entschlüsselte. Der unbekannte Täter veränderte auch die Datenbankparameter wie Abbuchungsbeschränkungen, maximale Beträge für das Abheben von Barbeträgen sowie Zahlungsinformationen, die der C1 gehörten. Die im Rahmen dieses Hacking-Angriffs erlangten Daten zweier Kreditkartenkonten der C1 mit den Nummern 00000 und 00000 wurden im Folgenden auf weißen Kartendoubletten, sog. X1, gespeichert und unter anderem an die in Deutschland eingesetzten Teams verteilt.
162.
17Die in Deutschland für die Abhebungen zuständigen Täter wurden von den Niederlanden aus tätig. Kopf dieser von dort aus agierenden, für die Auswahl, Organisation und Ausstattung zuständigen Gruppe war T1 (im Folgenden auch: T1), dem seit einem Unfall mit Feuerwerkskörpern die rechte Hand ab dem Handgelenk fehlt. Dieser war dem Angeklagten als tatsächlicher Inhaber des in seiner Nachbarschaft gelegenen H3 auf der N1-Str. in Den Haag bekannt. Offizieller Inhaber des H3 ist W1 (im Folgenden auch: W1). Der Angeklagte kannte W1 und T1 zunächst vom Sehen, später lernte er sie jedoch näher kennen. W1 und T1 war bekannt, dass der Angeklagte vor dem Tatzeitraum nur drei Tage in der Woche als LKW-Fahrer arbeitete.
18An einem nicht näher bestimmten Tag im Dezember 2013 fragte T1 den Angeklagten, ob er schnelles Geld verdienen wolle, was der Angeklagte bejahte. T1 fragte den Angeklagten auch, ob er ein gutes Auto habe, woraufhin der Angeklagte auf das Auto seiner Lebensgefährtin verwies, welches im Folgenden auch zur Tatausführung benutzt wurde. Im Übrigen wurde ihm mitgeteilt, dass er zu einem späteren Zeitpunkt über die Einzelheiten informiert werden würde. Bis Januar hörte der Angeklagte nichts von T1. Daraufhin fragte der Angeklagte im Januar nach, ob der Arbeitsauftrag noch erfolgen werde oder nicht. Am Tattag, dem 19.02.2013, erhielt er einen Anruf von T1, der ihn aufforderte, bei ihm in der Wohnung in der Nähe des A4 vorbeizukommen, da er gebraucht werde. Er solle nach Deutschland fahren. T1 versicherte dem Angeklagten auf dessen Nachfrage, dass seine Aufgabe nichts mit dem Schmuggeln von Drogen zu tun habe.
19Der Angeklagte begab sich zur Wohnung des T1, wo sich neben ihm noch ca. sechs bis sieben weitere Personen aufhielten, die ihm – außer ein „A5“ bzw. „A5“, der ihm als rechte Hand des T1 aus dessen gelegentlichen Besuchen im H3 bekannt war und bei dem es sich nach bisherigem Ermittlungsstand vermutlich um A5 handelt – sämtlich unbekannt waren. Dort lernte der Angeklagte auch die gesondert verfolgte P1 kennen, mit welcher er im Folgenden gemeinsam nach Bremen fuhr und die ihm als „P1“ oder „P1“ vorgestellt wurde.
20T1 sprach in der Wohnung mit verschiedenen Personen, u.a. auch mit dem Angeklagten und der gesondert verfolgten P1, welche sich gemeinsam in der Küche der Wohnung befanden. Die übrigen Anwesenden hielten sich in dem Wohnzimmer auf. T1 teilte dem Angeklagten mit, dass man mit Karten Geld abholen solle. Die Mittäterin P1, welche die Karten bei sich habe, werde ihm alles Weitere erklären. T1 übergab dieser einen DIN A4-Zettel, auf dem eine Vielzahl von Adressen stand, 300,- EUR Benzingeld sowie ein PrePaid-Handy und mehrere X1.
21Sodann verließen die beiden die Wohnung und begaben sich zum Auto der Lebensgefährtin des Angeklagten, das als Transportmittel dienen sollte. Hier informierte die Mittäterin den Angeklagten, dass es nach Bremen gehen werde und sie dort die Karten einsetzen würden, um Geld abzuheben. Von dem Geld sollten beide dann 25 % erhalten. Auf das Handy werde die Geheimzahl gesendet, wenn man in Bremen angekommen sei. Dem Angeklagten war zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass es sich bei den geplanten Abhebungen nicht um legale Geldbeschaffung handelte. Er hielt ungeachtet dessen an dem Vorhaben fest. Frau P1 gab die Zieladresse in Bremen in das Navigationsgerät ein und die beiden begannen ihre Fahrt nach Deutschland.
22Sie fuhren dann nach 20:00 Uhr auf der Autobahn A30 Richtung Osnabrück. Hierbei erlitten sie kurz vor dem Autobahnkreuz Lotte kurz vor 21:00 Uhr eine Autopanne mit starkem Ölverlust und mussten ihre Fahrt zwecks Reparatur des Fahrzeugs kurzzeitig unterbrechen. Die Mittäterin P1 bat den Angeklagten, mit seinem Handy einen Anruf bei T1 tätigen zu können, da sie auf ihrem Handy nur noch 5,- EUR Guthaben habe. Der Angeklagte stimmte zu. Nach dem Telefonat stellte er fest, dass die Mittäterin T1 unter einer anderen Nummer angerufen hatte, als ihm bekannt war. Auf Nachfrage des Angeklagten teilte die Mittäterin P1 mit, dass sie mit jemand anderem als T1 gesprochen habe. Während beide am Rastplatz Brockbachtal standen, sprach die Mittäterin P1 mit zwei Männern und einer Frau, die sie in deren schwarzen BMW angehalten hatte. Diese fragte sie auf Englisch unter anderem nach ihrem Standort. Sodann riefen der Angeklagte und die gesondert Verfolgte den Pannenservice an. Der Zeuge T2, der gegen 21:30 Uhr an dem Rastplatz eintraf, stellte austretendes Öl am Fahrzeug fest. Der Angeklagte und Frau P1 wurden mit ihrem Fahrzeug zur Werkstatt des Zeugen T2 verbracht, wo das Fahrzeug repariert werden konnte. Beide setzten ihre Fahrt gegen 22.30 Uhr fort und fuhren über die A1 nach Bremen. Dort wurden sie von der Polizei kontrolliert. Das Fahrzeug wurde untersucht und die Pässe kontrolliert. Da die Polizei keine Auffälligkeiten feststellen konnte, durften der Angeklagte und seine Begleiterin ihre Fahrt fortsetzen.
23Die Mittäterin P1 erhielt bei Ankunft in Bremen über das mitgeführte PrePaid-Mobiltelefon, welches alleine sie benutzte, eine Nachricht von T1. Diese enthielt den als Telefonnummer verschlüsselten PIN-Code, der für die Abhebung mit den X1 benötigt wurde. Hierbei stellten die nach einer 0900er-Vorwahl angegebenen vier Ziffern die Geheimzahl für die Karten dar. Nach Erhalt dieser Nachricht führte die Mittäterin P1, begleitet von dem Angeklagten, eine nicht ermittelbare Testabhebung an einem außerhalb einer Bank gelegenen Automaten an einem großen Platz in Bremen durch. Nachdem diese erfolgreich war, führten der Angeklagte und die Mittäterin P1 folgende weitere Abhebungen durch:
24An einem Geldautomaten der E2 auf der Q4-Str. hoben sie zwischen 01:12 Uhr und 01:18 Uhr durch 14 Abhebungen zu je 2.000,- EUR insgesamt 28.000,- EUR ab. An einem Geldautomaten der T3 auf der Q4-Str. hoben sie zwischen 01:22 Uhr und 02:30 Uhr durch 85 Abhebungen (hiervon 84 zu je 1.600,- EUR und eine zu 3.200,- EUR) insgesamt 137.600,- EUR ab. Während der Abhebungen übergab der Angeklagte seiner Mittäterin die von ihm abgehobenen Geldbeträge, da er diese in seiner Jacke nicht mehr verstauen konnte.
25Anschließend begaben sie sich auf die Rückfahrt nach Holland, von wo aus sich die Begleiterin P1 von der unter „C3“ im Handy der gesondert verfolgten A3 abgespeicherten Nummer 00000 gegen 05:53 Uhr per SMS meldete: „Alle gut dort, ich in nl“.
26Die gesondert verfolgten A2/A3 tauschten mit der Mittäterin P1 neben der vorstehenden Nachricht in der Tatnacht im Einzelnen folgende SMS-Kurznachrichten aus: Am 19.02.2013 schrieb sie um 20:13 Uhr an A3: „Bereich ist oké“, gegen 20:20 Uhr: „Öltank leck können nicht mehr weiter schon über die Grenze“, gegen 21:55 Uhr: „Unterwegs zu Werkstatt sobald gemacht ist wieder gut weiter unterwegs ok“, gegen 22:25 Uhr: „Ok“ und gegen 02:26 Uhr: „Ja! Super“. Die Angeklagten schrieben ihrerseits an „C3“ um 02:27 Uhr die Kurznachricht: „Geht es gut“ und um 02:28 Uhr: „Gut so“. Die Inhalte sämtlicher Kurznachrichten waren dem Angeklagten nicht bekannt.
27In Den Haag angekommen übergab der Angeklagte gemeinsam mit seiner Mittäterin T1 das abgehobene Geld. T1 sicherte ihm zu, seinen Anteil am nächsten Tag nach Zählung zu erhalten. Dazu kam es aber nicht, weil T1 ihm, als er ihn am nächsten Tag aufsuchte, mitteilte, dass in der Nacht sein D2 (holländisch: „O1“) – mutmaßlich A2 – verhaftet worden sei. Ein Umstand, der zu dieser Zeit öffentlich noch gar nicht bekannt war. Der Angeklagte erhielt auch im Folgenden keine Bezahlung mehr.
28III.
291.
30Die Entscheidung beruht nicht auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO.
312.
32Die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen sowie den Vorstrafen des Angeklagten (oben I.) beruhen auf den insoweit erfolgten Einlassungen des Angeklagten sowie dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 02.01.2014 und der Auskunft aus dem niederländischen Strafregister vom 06.02.2014.
33Die Feststellungen zur Sache (oben II.) beruhen auf den glaubhaften Geständnis des Angeklagten – soweit die Kammer dem zu folgen vermochte – und den sonstigen ausweislich des Sitzungsprotokolls erhobenen Beweisen.
34Der Angeklagte hat die Tat im Wesentlichen eingeräumt. Wenngleich sich der Angeklagte im Hinblick auf seinen eigenen Tatbeitrag teilweise beschönigend und widersprüchlich eingelassen hat, hält die Kammer seine ausführlichen Angaben zum Ablauf der Tat im Vorfeld und in Bremen selbst – wie auch die erfolgreichen von ihm angestoßenen Ermittlungen zeigen – grundsätzlich für glaubhaft. Der Angeklagte hat – unter Erläuterung der Videoaufzeichnungen/Bildmitschnitte – die Tat im Einzelnen dargelegt wie festgestellt.
35Die Einlassung des Angeklagten im Hinblick auf seinen eigenen Kenntnisstand über etwaige andere Mittäter lässt sich nicht widerlegen. Seinen Angaben zufolge hatte er in der Tatnacht keine Kenntnisse über weitere in Deutschland agierende Täterteams. Davon, dass T1 auch in Deutschland gewesen sei, habe er von der Mittäterin P1 erst nach Rückkehr in den Niederlanden erfahren. Bereits auf dem Hinweg habe er sie gefragt, ob T1 ebenfalls fahren werde, dies hätten sie aber nicht sicher gewusst. Darüber hinaus habe er das Mobiltelefon, von dem aus während der Tatausführung die Kurznachrichten geschrieben worden seien, nicht benutzt. Es sei vielmehr Frau P1 gewesen, die allein über das Telefon zur Rufnummer 00000 verfügt habe. Zudem habe ihn diese auch nicht über die geführte Kommunikation unterrichtet. Diese Einlassung lässt sich nicht widerlegen. Auch wenn die Tat in Planung und Auswahl der Personen sorgfältig und professionell organisiert war und auch grundsätzlich so ablaufen sollte, dass sich die an verschiedenen Tatorten eingesetzten Teams gegenseitig unterstützen sollten, ist nicht auszuschließen, dass nicht alle Personen vollumfänglich in den Tatplan eingeweiht waren.
36Weitere Ausführungen unterbleiben gemäß § 267 Abs. 4 StPO.
37IV.
38Der Angeklagte hat sich damit wegen tateinheitlicher gemeinschaftlicher Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Computerbetruges in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 152a Abs. 1, 152b Abs. 1, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, 263a Abs. 1 und 2, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
39Es handelt sich bei den X1 um Kreditkarten und damit um Zahlungskarten mit Garantiefunktion im Sinne des § 152b Abs. 4 StGB. Der Angeklagte und seine Mittäterin haben diese Karten zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht und damit den Tatbestand des § 152a Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt.
40Durch dieselbe Handlung (§ 52 StGB) haben sie einen Computerbetrug in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 263a Abs. 1 und 2, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB erfüllt, denn mit Abheben der Geldbeträge mit gefälschten Kreditkarten mit der Absicht der Erlangung hoher Geldbeträge für sich und/oder einen Dritten haben sie unrichtige Daten verwendet und damit das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst und dadurch das Vermögen der C1 im Oman beschädigt. Durch die Abhebung von Bargeldbeträgen von mehr als 50.000,- EUR haben der Angeklagte und seine Mittäterin zudem einen Vermögensverlust großen Ausmaßes im Sinne des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB bei der Geschädigten herbeigeführt.
41Der Angeklagte war als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zu bestrafen. Insbesondere folgt aus einer wertenden Gesamtbetrachtung, dass eine bloße Teilnahme des Angeklagten an der Tat ausscheidet. In Abgrenzung zur Teilnahme liegt Mittäterschaft vor, wenn ein an der Tat Beteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern wenn dieser Beitrag Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat haben will, ist nach den gesamten Umständen, die von der Vorstellung des Täters umfasst werden, im Wege einer abwägenden Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung können im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zu dieser liegen. Mittäterschaft in diesem Sinne setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass mehrere Beteiligte aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses arbeitsteilig den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen mit der Folge, dass jeder Beteiligte sich nicht nur die von ihm selbst verwirklichten, sondern auch die von den übrigen Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in die Tat umgesetzten Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zurechnen lassen muss.
42Nach den Feststellungen bestand ein gemeinsamer Tatplan des Angeklagten jedenfalls mit der weiteren Mittäterin P1 sowie dem Organisator T1, in der Tatnacht gemeinsam mit der P1 aus den Niederlanden nach Deutschland zu reisen, um mithilfe manipulierter Kreditkarten von den Konten der C1 innerhalb des bestehenden Zeitfensters so viel Geld wie möglich abzuheben, um so ein möglichst hohe eigene Beute – nämlich 25 % vom Gesamtbetrag – zu erzielen.
43Der Angeklagte war über P1 – und auch T1 – über Art und Umfang der geplanten Tat sowie über die jeweiligen Tatbeiträge zumindest in Bremen im Wesentlichen unterrichtet. Dass es sich hierbei nicht um einen legalen Vorgang handeln würde, war dem Angeklagten angesichts des Aufbaus der Karte klar und er war mit deren Nutzung – auch derjenigen der Mittäterin – einverstanden. Soweit der Angeklagte sich anderweitig eingelassen hat, war dies als Schutzbehauptung zu werten. So konnte der Angeklagte nach den Gesamtumständen der Tat nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Abhebungen um legale Geldbeschaffung handelte. Denn der weißen Karte mit dem schwarzen Magnetstreifen fehlte jegliche Identitätszuweisung. Der Angeklagte und seine Mittäterin leisteten einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag, da ohne sie die Tat nicht möglich gewesen wäre.
44Die Taten geschahen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
45Die Einzelaktivitäten der Angeklagten und ihrer Mittäter sind konkurrenzrechtlich als eine Betrugstat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zu bewerten.
46V.
471.
48Ausgangspunkt der Strafzumessung war gemäß § 52 Abs. 2 StGB grundsätzlich der Strafrahmen des § 152b StGB. Die Kammer hat im Hinblick auf die geleistete Aufklärungshilfe des Angeklagten unter Gesamtwürdigung der genannten Tatumstände von der Möglichkeit der Strafmilderung gemäß §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB mit der Folge Gebrauch gemacht, dass sich der Strafrahmen des § 152b StGB zugunsten des Angeklagten verschob und nunmehr statt einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren lediglich Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 7 Jahre 6 Monate vorsieht.
49Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
50Für den Angeklagten sprach, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Zudem war er bei der Planung und Vorbereitung der Kraft nicht die treibende Kraft. Zulasten des Angeklagten war demgegenüber zu berücksichtigen, dass die Tatausführung unter Einsatz einiger krimineller Energie erfolgte und der eingetretene Schaden mit 165.600,- EUR sehr hoch war. Wiederum zu seinen Gunsten lässt sich die seit Juli 2013 erlittene U-Haft anführen, welche ihn als Ausländer – in einem fremden Land, entfernt von Familie und Freunden – besonders hart trifft. Davor befand sich der Angeklagte bereits seit April 2013 in den Niederlanden in Auslieferungshaft.
51Entscheidend für den Angeklagten spricht vorliegend jedoch, dass er die ihm zur Last gelegte Tat noch vor Beginn der Hauptverhandlung im Rahmen eines offenen, verfahrensverkürzenden Geständnisses eingeräumt und dabei auch mehrere bis dahin unbekannte Mittäter namhaft gemacht hat, die ohne seine Angaben unerkannt geblieben wären, da die bisherigen polizeilichen Ermittlungsergebnisse keine Hinweise auf ihre Identität ergeben hatten. Dies gilt insbesondere für die Mittäter und mutmaßlichen Hintermänner der Tatausführung in Deutschland, T1 und W1 sowie den weiteren, im Rahmen der Hauptverhandlung benannten A5.
52Hierin sieht die Kammer nicht nur einen allgemeinen strafmildernden Gesichtspunkt, sondern – im Hinblick auf die vor Eröffnung des Hauptverfahrens angestoßenen Ermittlungen – den nach § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 StGB vertypten Strafmilderungsgrund. Denn der Angeklagte hat im Rahmen seiner dort erfolgten geständigen Einlassung nicht nur seinen eigenen Tatbeitrag eingeräumt, sondern aus freien Stücken darüber hinaus auch die Mittäter P1, T1 und W1 benannt und damit durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens zur Aufklärung der Tat beigetragen. Diese Aufklärungshilfe war auch wesentlich, denn die übrigen Tatbeteiligten hätten ohne die Angaben des Angeklagten nicht ermittelt werden können. Zudem bezog sie sich auf eine Straftat von erheblichem Gewicht, denn bei dem namhaft gemachten T1 handelt es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand um den Organisator und Drahtzieher der Tatausführung in Deutschland, welche zu einem Gesamtschaden von rund 1,7 Millionen EUR geführt hat. Die Kammer hat daher von dem ihr insoweit eingeräumten pflichtgemäßen Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie die Vorschrift des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB zugunsten des Angeklagten angewendet hat.
53Ein minder schwerer Fall gemäß § 152b Abs. 3 StGB (Strafrahmen: 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe) ist demgegenüber nicht gegeben. Ein solcher liegt regelmäßig nur dann vor, wenn das gesamte Tatbild – einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit – vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens gerechtfertigt erscheint. Bei dieser Beurteilung ist eine Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände erforderlich, unabhängig davon, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nach diesen Maßstäben kann ein minder schwerer Fall vorliegend nicht angenommen werden, denn bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild stellt die Tat einen überdurchschnittlichen Fall dar; es ist zu einem hohen Schaden von 165.600,- EUR entstanden, zudem war die Tatausführung komplex und mit einiger krimineller Energie verbunden. Der Angeklagte führte die Tat – auch nach seinem unwiderlegten Kenntnisstand – gemeinsam mit der gesondert verfolgten Mittäterin P1 und dem mutmaßlichen Hintermann T1 durch. Hierbei war ihm bekannt, dass die Tat im Vorhinein im Einzelnen geplant und durchorganisiert war. Es kann daher weder nach dem objektiven Tatbild, noch nach den zu berücksichtigenden subjektiven Gesichtspunkten von einer Abweichung von einem durchschnittlichen Fall ausgegangen werden.
54Die gebotene Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht eine Freiheitsstrafe von
552 Jahren,
56deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, für tat- und schuldangemessen.
57Die verhängte Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass sich der Verurteilte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Die Sozialprognose des bislang nicht vorbestraften Angeklagten ist günstig. So hat der Angeklagte im Rahmen des Verfahrens erstmals (Untersuchungs-)Hafterfahrung gesammelt, die ihn sichtlich beeindruckt hat. Er lebt in geregelten privaten Verhältnissen gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin und hat damit soziale Bindungen, die ein zukünftiges straffreies Leben ermöglichen. Im Hinblick auf sein umfassendes Geständnis und seiner Mithilfe bei den Ermittlungen liegen auch besondere Umstände i. S. des § 56 Abs. 2 StGB vor. Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) vorliegend nicht die Strafvollstreckung. Für das allgemeine Rechtsempfinden ist es nicht unverständlich und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts wird nicht erschüttert, wenn ein bislang nicht Vorbestrafter zwar für einen hohen Gesamtschaden verantwortlich ist, er aber in vollem Umfange geständig ist und die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten entscheidende Hilfe leistet.
58VI.
59Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.
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