Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 2b O 152/17
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.657.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. September 2017 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist eine Kunstgalerie mit Sitz in B. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma D Kunstberatung GmbH i.L. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Im Besitz der Insolvenzschuldnerin befanden sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 1. Oktober 2014 diverse von dem Künstler Prof. E entworfene X-Skulpturen in Bronze. Die Klägerin berühmte sich des Eigentums an diesen Skulpturen. Die Parteien schlossen unter dem 16. Juni 2015 und 16. September 2015 die als Anlagen K1 und K2 vorgelegten Vereinbarungen, in der sie sich darauf einigten, bestimmte Skulpturen im Rahmen von Auktionen zu versteigern. Die Erlöse sollten abzüglich Gebühren, Steuern und Kosten vom Beklagten bis zur Klärung streitiger Eigentumsfragen an den Werken treuhänderisch verwaltet werden. Sofern die Parteien einvernehmlich das Eigentum der Klägerin an den streitgegenständlichen Werken feststellen würden, sollte der Reinerlös im Verhältnis 25% zugunsten der Masse und 75% zugunsten der Klägerin geteilt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarungen Anlagen K1 und K2 Bezug genommen. Insgesamt 73 Skulpturen waren zu Versteigerungen im Juni und September 2015 vorgesehen, davon wurden für 70 Stück Erlöse in Höhe von insgesamt 1.651.600,00 € erzielt (Anlage K3). Daneben leistete das Auktionshaus eine Zuzahlung in Höhe von 61.000,00 €. Der Gesamtbetrag wurde an den Beklagten ausgezahlt. Eine einvernehmliche Klärung der Eigentumsfrage erfolgte nicht.
3Es existieren für einen Teil der Skulpturen die als Anlage B5 vorgelegten Rechnungen der Klägerin an die Insolvenzschuldnerin aus den Jahren 2010/2011. Die sich aus diesen Rechnungen ergebenden Beträge meldete die Klägerin in einer Gesamthöhe von rund 900.000,00 € zur Insolvenztabelle an und berief sich im Anschluss auf ein Aussonderungsrecht an den X-Skulpturen.
4Die Klägerin erhob zunächst Teilklage gegen den Beklagten auf Auskehr der für zwei der versteigerte X vereinnahmten Erlöse in Höhe von 55.000,00 €. Das Verfahren war vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 2b O 12/16 (LG Düsseldorf / I-11 U 10/17 OLG Düsseldorf) anhängig. Die Forderung wurde der Klägerin zugesprochen.
5Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin der streitgegenständlichen Skulpturen. Sie sei aufgrund von vertraglicher Vereinbarungen vom 25. Februar 2003 (Anlage K4) und 10. Mai 2007 (Anlage K5) Lizenznehmerin des Künstlers Prof. E und habe die Firma F GmbH & Co. KG mit dem Guss der Skulpturen beauftragt. Die Gießerei habe die Beauftragung bestätigt, so beispielhaft mit Auftragsbestätigungen vom 7. Februar 2006 (Anlage K6) und 2. August 2006 (Anlage K7). Im Anschluss habe sie die Skulpturen gegossen und abgerechnet (Anlagen K8-K11). Sodann habe sie die Skulpturen an die Insolvenzschuldnerin geliefert. Dabei seien die Skulpturen jedoch Kommissionsware der Klägerin gewesen. Dementsprechend habe die Insolvenzschuldnerin der Klägerin Bericht über die Bestände erstattet, so z.B. zum 31. Dezember 2008. Die vorliegenden Rechnungen aus den Jahren 2010/2011 seien nur zur Beendigung einer Auseinandersetzung mit dem Finanzamt erstellt worden. Ein Verkauf der Skulpturen und eine Übereignung an die Insolvenzschuldnerin seien weder gewollt gewesen noch erfolgt.
6Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 hat die Streithelferin ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin erklärt. Das Gericht hatte den im Verfahren 2b O 12/16 gleichermaßen erklärten Beitritt im Hinblick auf der Streithelferin zugesprochene Schadensersatzansprüche im Falle der Nichterweislichkeit der Eigentümerstellung gegenüber der Klägerin (12 O 88/16 LG Düsseldorf) für zulässig erachtet.
7Die Klägerin und die Streithelferin beantragen,
8den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.657.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2015 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
10Der Beklagte ist der Ansicht, der Rechtsstreit falle in die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen. Er ist ferner der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da die Klageschrift keine ladungsfähige Anschrift der Klägerin enthalte. Hierzu behauptet er, bei der genannten Firmenanschrift handele es sich um ein Mehrparteienhaus, das keinen Briefkasten und kein Klingelschild der Klägerin aufweise. Es handele sich daher bei der Klägerin um eine Scheingesellschaft. Diese werde von dem Zeugen G kontrolliert. Als Scheingesellschaft sei sie auch nicht parteifähig. Hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den X-Skulpturen beruft sich der Beklagte auf die Vermutung des § 1006 BGB. Ihm lägen keine Unterlagen über eine etwaige Kommissionsvereinbarung vor. Vielmehr deuteten die Rechnungen darauf hin, dass die Insolvenzschuldnerin die streitgegenständlichen X-Skulpturen zu Eigentum erworben habe. Bei der Insolvenzschuldnerin habe er zudem die als Anlage B10 vorgelegte Bestandsliste gefunden, die die X-Skulpturen ausdrücklich nicht als Kommissionsware ausweise. Hilfsweise sei zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin jedenfalls ein Provisionsanspruch in Höhe von 33% der erzielten Erlöse zu verrechnen.
11Die Akte 2b O 12/16 lag vor.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
13Entscheidungsgründe
14I. Keine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen
15Der Rechtsstreit fällt nicht in die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen. Nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG wäre Voraussetzung, dass die Klage gegen einen Kaufmann gerichtet ist. Bei Klagen gegen den Insolvenzverwalter ist die Eintragung des Schuldners maßgeblich, wenn er – der Schuldner – das Geschäft geschlossen hat (Zöller, ZPO, § 95 GVG Rn. 3). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich um ein Verwertungsgeschäft, dass der Insolvenzverwalter selbst abgeschlossen hat. Den zugrundeliegende Lebenssachverhalt – Veräußerung der Skulpturen im Rahmen einer Versteigerung, Verteilung des Erlöses – hat der Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter selbst geschaffen. Er resultiert nicht aus der Sphäre der Insolvenzschuldnerin vor ihrer Insolvenzeröffnung.
16II. Zulässigkeit der Klage
17Die Klage ist zulässig.
18Die Klägerin ist parteifähig. Soweit der Beklagte ausführt, es handele sich um eine Scheingesellschaft, folgt das Gericht dem nicht. Bei dem Begriff der Scheingesellschaft handelt es sich um eine juristische Fachbezeichnung. Sie setzt voraus, dass entweder ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden ist, dieser aber die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts erfüllt oder aber gar kein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen, sondern lediglich nach außen der Rechtsschein einer Gesellschaft erweckt wird (Münchener Kommentar, BGB, § 705 Rn. 377 f). Der Sachvortrag des Beklagten verhält sich zu den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen nicht. Allein aus der behaupteten Tatsache, dass die Gesellschaft an ihrem genannten Sitz keine Räumlichkeiten unterhalte und die unternehmerischen Entscheidungen durch einen Dritten getroffen würden, ergeben sich keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft. Die Klägerin ist im Handelsregister eingetragen und trat und tritt im Rechtsverkehr auf. Bedenken gegen die Wirksamkeit der mit ihr abgeschlossenen Verträge trägt der Beklagte auch selbst nicht vor.
19Es liegt auch eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügende Parteibezeichnung der Klägerin vor. Kläger und Beklagte sind so genau zu bezeichnen, dass kein Zweifel an ihrer Person besteht. Die Angabe der Anschriften schreibt § 253 ZPO nicht ausdrücklich vor. Nach der Rechtsprechung ist sie jedoch für beide Parteien zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, sofern sie ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (Zöller, ZPO, § 253 Rn. 8). Die Bezeichnung dient zum einen der Individualisierung, die Verwechslungen und Unklarheiten ausschließt und zum anderen der Erreichbarkeit und somit des Kontakts im privaten wie im geschäftlichen Verkehr (VGH Kassel, NJW 1990, 138). Gegebenenfalls kann allerdings den prozessualen Notwendigkeiten auf andere Weise Rechnung getragen werden, z.B. durch Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten und Anordnung von Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (Zöller, ZPO, § 253 Rn. 8). Die Klägerin hat ihre im Handelsregister aufgeführte Firmenanschrift genannt. Sie ist als juristische Person – anders als bei natürlichen Personen – nicht zwingend auf Räumlichkeiten angewiesen. In der Vergangenheit hat es offenbar niemals Schwierigkeiten in der Erreichbarkeit gegeben, zumindest sind solche nicht dargelegt. Bedenken hinsichtlich einer etwaigen Vollstreckung der Prozesskosten sind ebenfalls nicht dargelegt, ihnen könnte ggf. durch Anordnung von Sicherheitsleistung abgeholfen werden (OLG Düsseldorf I-2 U 29/10 Teilurteil, juris).
20III. Begründetheit der Klage
21Die Klage ist auch begründet.
22Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auszahlung des im Rahmen der Versteigerung der streitgegenständlichen Affenskulpturen vereinnahmten Betrages zu. Nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Parallelverfahren 2b O 12/16 (I- 11 U 10/17) ergibt sich der Anspruch dem Grunde nach unmittelbar aus den zwischen den Parteien am 16. Juni 2015 und 16. September 2015 getroffenen Vereinbarungen (Anlagen K1, K2). Die vom Gericht aufgeklärte Eigentumsfrage setze sich am Versteigerungserlös fort. Dies ergebe sich auf Ziffer 6. der Vereinbarung vom 16. September 2015. Soweit der Beklagte einwendet, die Vereinbarung sehe lediglich einen Zahlungsanspruch nach einvernehmlicher Klärung der Eigentumsfrage vor, folgt das Gericht dem nicht. Bei diesem Verständnis ergäbe sich, dass die Klägerin durch den Abschluss der Vereinbarungen vom 16. Juni 2015 / 16. September 2015 konkludent auf die ihr ursprünglich zustehenden Herausgabe- bzw. Erlösansprüche verzichtet hätte. Dies erscheint lebensfremd. Sie zunächst auf die Erhebung einer Klage auf Zustimmung zu ihrer Eigentümerstellung zu verweisen, erscheint nicht sachgerecht. Selbst wenn man in Ziffer 6. der Vereinbarung vom 16. September 2015 keinen ausdrücklichen Anspruch auf Erlösauskehr an den Eigentümer sehen wollte, ergäbe sich dieser daher im Wege ergänzender Vertragsauslegung und hilfsweise aus § 667 BGB.
23Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin Eigentümerin der veräußerten Skulpturen gewesen ist. Das Bestreiten des Beklagten unter Berufung auf die Vermutung des § 1006 BGB erscheint dem Gericht in Anbetracht der bereits aus dem Parallelverfahren bekannten Umstände unzureichend.
24Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat insoweit in seinem am 9. Mai 2018 verkündeten Urteil (I-11 U 10/17) ausgeführt, derjenige, der sich auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB stützen könne, müsse seinen unmittelbaren Besitz nachweisen und darüber hinaus die Rechtsbehauptung aufstellen, Eigentümer der Sache zu sein. In persönlicher Hinsicht gelte § 1006 BGB nur zugunsten des Eigenbesitzers. Der Vortrag des Beklagten zum Eigenbesitzerwerb sei vor dem Hintergrund der Vortragsdichte der Klägerin zu dem üblichen Procedere zwischen der Klägerin und der Schuldnerin hinsichtlich der Vermittlung eines behaupteten Fremdbesitzes jedenfalls so qualifiziert, dass ein fehlender Eigenbesitzerwerb der Schuldnerin zumindest wahrscheinlich sei, so dass den Beklagten vorliegend selbst nach der engsten Ansicht eine sekundäre Darlegungslast zu den Umständen seines Eigentumserwerbs treffe. Dementsprechend wäre es vertretbar gewesen, die von dem Beklagten benannten Voraussetzungen des § 1006 BGB, die zu seinen Gunsten die Vermutungswirkung auslösten, jedenfalls durch den Vortrag der Klägerin und die Beweisaufnahme als widerlegt anzusehen. Danach streite § 1006 BGB nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mehr für den Beklagten. Hinsichtlich der Skulptur 2 existiere bereits keine entsprechende „Rechnung“, die für den Vortrag des Beklagten als Indiz für einen Verkauf und eine Übereignung an die Schuldnerin gewertet werden könne. Jedenfalls sprächen im Rahmen der Gesamtumstände die Buchführung, der Jahresabschluss und die Bilanz der Schuldnerin als Indizien für die Feststellung des Landgerichts Düsseldorf. Die Schuldnerin habe die streitgegenständlichen Skulpturen in Buchführung, Jahresabschluss und Bilanz nicht in der Spalte Eigentum geführt. Vielmehr habe sie der Klägerin auf Anforderung Bericht über die jeweiligen Bestände erstattet. Jedenfalls sei der Beklagte diesem Vortrag der Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten.
25Daraus ergibt sich folgendes:
26Unstreitig hatte die Insolvenzschuldnerin eine Vielzahl von Kunstgegenständen im Besitz, bei denen es sich offenbar teilweise um eigene Ware und teilweise um Fremdware handelte. Insoweit kann aus der schlichten Tatsache des Besitzes der Insolvenzschuldnerin zunächst kein Rückschluss auf Fremd- oder Eigenbesitz gezogen werden. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass sich auch der Fremdbesitzer auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen könne (SS v. 24. Mai 2018, Bl. 142 GA), führt der Bundesgerichtshof eindeutig aus, dass dies nur im Verhältnis zu Dritten gilt (BGHZ 54, 319 „nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nicht nur der durch die Vermutung begünstigte Besitzer selbst, sondern - im Verhältnis zu Dritten - jeder berufen, der sein Recht von dem Besitzer ableitet“). Dies gilt nicht im Verhältnis zu demjenigen, von dem der Fremdbesitzer sein Besitzrecht ableitet. Die qualifizierte Behauptung von Eigenbesitz kann daher vorliegend nur hinsichtlich derjenigen Skulpturen, hinsichtlich derer der Beklagte einen Eigentumserwerb durch die Insolvenzschuldnerin konkret behauptet, mithin derjenigen Skulpturen, für die Rechnungen vorliegen, aufgestellt werden. Diese betreffen nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien bereits nicht alle versteigerten Skulpturen. Auch hinsichtlich dieser Rechnungen ist dem Gericht allerdings aus dem Vorverfahren bekannt, dass diese nach dem Vortrag der Klägerin – bestätigt durch die Aussagen der Zeugen – nur zum Schein ausgestellt worden sind. Zwar mögen insoweit Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen G bestehen, aus welchem Grund die Zeugin H jedoch die Unwahrheit gesagt haben sollte, wird auch im vorliegenden Verfahren nicht dargelegt. Die vom Oberlandesgericht genannten Gesamtumstände (Buchführung, Jahresabschluss, Bilanz) sprechen gleichermaßen nach wie vor für die klägerische Darstellung. Soweit der Beklagte nunmehr erstmals die Bestandsliste Anlage B10 vorlegt, ergeben sich hieraus keine hinreichenden gegenteiligen Anhaltspunkte. Der Beklagte führt auf Seite 16 seines Schriftsatzes vom 24. Mai 2018 selbst aus, dass der Beweiswert einer selbst erstellten Privaturkunde gering sein dürfte. Soweit er dies gegenüber der Klägerin rügt, hat diese sich allerdings auf von der Gegenseite erstellte Dokumente berufen. Die vorgelegte Anlage B10 stellt auch kein hinreichendes Indiz dar um von einem Eigenbesitz der Insolvenzschuldnerin auszugehen. Es ist nicht klar wer die Liste geführt und wann aktualisiert hat. Sie steht offenkundig im Widerspruch zu Bilanz und Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin, die den behaupteten Eigenbestand nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin nicht ausweisen. Zudem ist unerklärlich, aus welchem Grund die Insolvenzschuldnerin der Klägerin überhaupt Bestandsübersichten hätte übermitteln sollen, wenn sie sich als Eigentümerin der Skulpturen ansah.
27Nach vorstehenden Ausführungen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (I-11 U 10/17) geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte seiner Darlegungslast auch hinsichtlich der Voraussetzungen des § 1006 BGB nicht genügt hat. Das Gericht verkennt nicht, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf im Vorverfahren die Voraussetzungen des § 1006 BGB noch als gegeben angesehen hat. Nach Dafürhalten des erkennenden Gerichts können in der Betrachtung des jetzt vorliegenden Falles jedoch die Erkenntnisse des Vorverfahrens nicht außer Betracht bleiben. Die darin bekannt gewordenen Gesamtumstände lassen die bereits damals recht rudimentären Ausführungen des Beklagten zu den Voraussetzungen des § 1006 BGB nicht mehr ausreichend erscheinen.
28Zwar ist umstritten, ob Erkenntnisse des erkennenden Gerichts aus einem Parallelverfahren gemäß § 415 ZPO verwertet werden können. In der Rechtsprechung wird ausgeführt, die urkundliche Verwertung eines in einem anderen Verfahren erhobenen Beweisergebnisses sei auch dann zulässig, wenn der Beweisgegner widerspreche. Vielmehr sei der Widerspruch erst dann beachtlich, wenn er sich entweder in qualifizierter Weise mit dem Beweisergebnis auseinandersetze und darlege, in welchen Punkten das Beweisergebnis zu beanstanden sei, oder der Widerspruch mit dem Antrag verbunden sei, die in dem anderen Verfahren vernommenen Zeugen unmittelbar zu hören. Im erstgenannten Fall werde das Gericht den Einwendungen im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO nachgehen und kritisch prüfen, ob es allein auf der Grundlage der urkundlichen Beweise die erforderliche subjektive Überzeugung von der Wahrheit der Beweistatsache gewinnen könne. Im letztgenannten Fall dürfe sich das Gericht einer unmittelbaren Beweisaufnahme durch Vernehmung der benannten Zeugen nicht deshalb entziehen, weil die Mitglieder des Prozessgerichts die Kenntnisse aus dem anderen Verfahren in ihrer richterlichen Eigenschaft erlangt haben (OLG Saarbrücken 4 U 45/11 juris Rn. 91 unter Hinweis auf Rspr. und Lit.). Das Gericht hat diesen Erfordernissen Rechnung getragen. Die erkennende Einzelrichterin hatte seine Kenntnisse nicht nur zufällig aufgrund der Tätigkeit in einem Parallelverfahren erlangt, sondern gerade in einem zwischen denselben Parteien betriebenen Vorprozess, der nach dem Geschäftsverteilungsplan gerade die Zuständigkeit der Einzelrichterin für die Folgesache begründete. Das Gericht hat die Einwände gegen die Beweiswürdigung kritisch geprüft. Zudem berücksichtigt das Gericht die Erkenntnisse des Vorfahrens nur als substantiierten Klägervortrag, dem der Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten ist. Das OLG Düsseldorf hat im Vorverfahren deutlich ausgeführt, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB auch durch qualifizierten Vortrag widerlegt werden kann.
29Soweit der Beklagte sich auf den Einwand widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin durch die Anmeldung einer Forderung über rund 900.000,00 € einerseits und die Geltendmachung eines Aussonderungsrechts andererseits beruft, haben das erkennende Gericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits im Parallelverfahren ausgeführt, dass in der vorbehaltlosen Anmeldung einer Forderung nicht zugleich ein Verzicht auf die abgesonderte Befriedigung liegt und die Klägerin plausible Beweggründe geschildert hat.
30Dem Beklagten steht gegenüber dem Anspruch auf Erlösauskehr auch kein Anspruch auf eine Provision zu. Insoweit hat das Oberlandesgericht im Parallelverfahren bereits dezidiert ausgeführt, dass eine etwaige Provisionsvereinbarung zugunsten der Insolvenzschuldnerin nur für den Fall des erfolgreichen Verkaufs durch die Insolvenzschuldnerin Geltung gehabt hätte und nicht erkennbar ist, dass diese auf eine Versteigerung im Insolvenzverfahren anwendbar wäre. Zudem wäre eine etwaige Provisionsabrede durch die speziellere Vereinbarung vom 16. September 2015 als überholt anzusehen.
31Soweit der Beklagte erneut Zweifel an den im Parallelverfahren verwendeten Angaben des Zeugen G aufwirft, war eine ergänzende Beweisaufnahme nicht veranlasst. Hinsichtlich der benannten Zeugin K (Bl. 54 GA) fehlt es an der Angabe konkreter Beweistatsachen, zu denen die Vernehmung beantragt wird. Bei der Aussage, dass die Klägerin dem Zeugen G „gehöre“ handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern offenkundig einen Rückschluss. Hinsichtlich der benannten Zeugin T sind die genannten Beweisfragen nicht substantiiert genug. Die behauptete Tatsache, dass die Zeugin „den entsprechenden Treuhandvertrag“ kopiert habe, sagt nichts über dessen Inhalt aus. Eine Vernehmung beider Zeuginnen liefe daher auf Ausforschung hinaus.
32Auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 21. Dezember 2018 war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst. Im Wesentlichen enthält er Rechtsausführungen, die nach Auffassung des Gerichts keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung bieten. Soweit er etwa auf Seite 8 neuen Vortrag zu der Bestandsliste enthält, ist dieser als verspätet zurückzuweisen, § 296a ZPO. Auch insoweit sieht das Gericht allerdings zudem keinen erheblichen neuen Vortrag, der die vorstehenden Ausführungen zur Bestandsliste ändern würde.
33IV. Nebenforderungen
34Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB. Einen Verzug zum 30. September 2015 vermag das Gericht nicht festzustellen. In der Vereinbarung vom 16. September 2015 haben sich die Parteien auf eine treuhänderische Verwahrung bis zur Klärung der Eigentumsfrage geeinigt (Ziffer 3.). Ein Zinsanspruch ist nicht geregelt. Die Schreiben Anlagen K14, K15 stellen keine verzugsbegründenden Mahnungen dar. Vielmehr bleibt darin ausdrücklich unklar, ob die ursprünglich gesetzte Einigungsfrist über dem 30. September 2015 hinaus verlängert werden soll. Eine Mahnung war auch nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Parteien standen beständig in Vergleichsverhandlungen. Nach dem Verständnis des Gerichts gingen die Parteien davon aus, durch die ursprüngliche Teilklage (2b O 12/16) noch eine Gesamteinigung erzielen zu können. Im dortigen Verfahren hat die Klägerin auch lediglich Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht. Damit, dass die Klägerin nunmehr auch die der Höhe nach erheblichen Verzugszinsen bei weiterer Weigerungshaltung des Beklagten geltend machen wird, musste der Beklagte – jedenfalls nach der in den Akten dokumentierten Konversation – erst seit Zustellung der Klageerweiterung vom 25. April 2018 ausgehen.
35V. Nebenentscheidungen
36Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101, 709 Satz 1 ZPO.
37Streitwert: 1.657.600,00 €
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Referenzen
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