Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (4. Zivilkammer) - 4 O 446/11

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verordnung nicht passgerechter orthopädischer Schuhe auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld, auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

2

In den Jahren 2001 bis 2005 befand sich die Klägerin wegen eines massiven Lymphödems am rechten Bein im Ausmaß einer Elephantiasis, das die Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen erforderlich machte, in der Behandlung des Beklagten. Dieser verordnete ihr in diesem Zeitraum insgesamt sechs Paar Schuhe (Halbschuhe, Hausschuhe und Stiefel). Wegen der Einzelheiten wird auf den diesbezüglichen Vortrag der Parteien und die Krankenunterlagen des Beklagten verwiesen. Auch wegen mehrmaliger Änderungsanordnungen des Beklagten wird auf den diesbezüglichen Parteivortrag und die Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

3

Daneben befand sich die Klägerin im Zeitraum seit Juli 2002 in der Behandlung der Zeugin A, einer Fachärztin für Hautkrankheiten, Venerologie und Allergologie, die mehrfach offene, nässende Wunden, Rötungen, eine Mykose und ein rezidivierendes Erysipel diagnostizierte und die Klägerin fortlaufend behandelte. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 3 (Bl. 15 ff. d.A.) zur Akte gereichten Behandlungsunterlagen verwiesen.

4

Im Jahre 2005 wechselte die Klägerin dann in die Behandlung des Zeugen B, Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Schmerz-Akupunktur. Parallel hierzu befand sie sich nach wie vor in hautärztlicher Behandlung der Zeugin A.

5

Ein wegen der Probleme der Klägerin mit ihrem Schuhwerk erstelltes Gutachten des MDK vom 14.9.2005 (Anlage K 11, Bl. 42 d.A.) kam u.a. zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nur mit einem Halbschuh zu versorgen sei.

6

Am 6.3.2007 erhob die Klägerin vor dem Landgericht Landau Klage gegen die C GmbH & Co. KG, die sämtliche beklagtenseits verordneten Schuhe hergestellt hatte (Az. 2 O 82/07). Das in diesem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten ergab die mangelfreie handwerkliche Anfertigung der verordneten Maßschuhe, woraufhin die Klage abgewiesen wurde. Die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung wurde mit Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10.3.2009 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

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Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.10.2010 (Anlage K 18, Bl. 60 f. d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 84.738,33 € auf.

8

Die Klägerin behauptet,
die Verordnungen des Beklagten seien sämtlich fehlerhaft gewesen. Die Schuhe hätten gedrückt und gerieben; dies habe Entzündungen mit Eiterungen und Streptokokkenbildungen sowie ständige Hautdefekte verursacht. Auch die seit 2002 aufgetretenen rezidivierenden bakteriellen und mykotischen Infektionen sowie Erysipel beruhten auf diesen nicht passgerecht verordneten Schuhen.

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Sie betreibe in selbstständiger Tätigkeit eine Gaststätte. Wegen der Folgen der Behandlungsfehler des Beklagten habe sie diese nicht mehr alleine bewirtschaften können, da sie nicht über längere Zeit habe stehen können. Deshalb habe sie den Zeugen D anstellen müssen. Dadurch seien ihr Lohnkosten in Höhe von 53.463,04 € entstanden. Zudem sei sie in ihrer Fähigkeit zur Haushaltsführung zu 50% eingeschränkt gewesen (vgl. im Einzelnen Seite 9 f. der Klageschrift), woraus ein Schaden in Höhe von 25.730,28 € resultiere. Sie habe sich permanent physiotherapeutisch behandeln lassen müssen; zuvor sei dies nur einmal wöchentlich erforderlich gewesen. Für die erlittenen Beeinträchtigungen und Beschwerden sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 € angemessen.

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Ihr drohten weitere Schäden, da auch in der Zukunft noch Behandlungen erforderlich seien und weiterer Verdienstausfallschaden zu erwarten sei. Soweit das für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten berechnete Honorar in Höhe von 2.165,80 € durch ihre Rechtsschutzversicherung beglichen worden sei, habe die Versicherung ihre Ersatzansprüche mit Erklärung vom 8.7.2011 – was der Beklagte im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt hat (Bl. 218 d.A.) – an sie abgetreten (Bl. 211 d.A.).

11

Die Klägerin beantragt,

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1. den Beklagte zu verurteilen, an sie 79.193,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.11.2010 zu zahlen,

13

2. den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.11.2010 zu zahlen,

14

3. festzustellen, dass der Beklage verpflichtet ist, ihr sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden, letzterer soweit dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung entsteht und soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind, resultierend aus der Behandlung der Klägerin durch den Beklagten im Zeitraum von 2001 bis 2005 zu erstatten,

15

4. den Beklagten letztlich zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.165,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.1.2012 zu zahlen.

16

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat die Einrede der Verjährung mit dem Vortrag erhoben, die Klägerin habe bereits seit ihrem Wechsel im Jahr 2005 zu ihrem Nachbehandler, dem Zeugen B, spätestens aber durch das vom MDK vorgelegte Gutachten Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt, jedenfalls aber erlangen müssen. Denn aus diesem ergebe sich, dass die Schuhe handwerklich richtig hergestellt worden seien.

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Er behauptet weiter,
der von der Klägerin geschilderte Verlauf sei schicksalhaft und beruhe ausschließlich auf ihrer Grunderkrankung. Wenn sich die Klägerin bei ihm wegen Druck- und Schürfstellen oder anderen Problemen vorgestellt habe, habe es sich jeweils um krankheitsbedingte Veränderungen gehandelt und habe er darauf immer in korrekter Weise durch Anordnungen von Änderungen am Schuhwerk reagiert.

20

Die streitgegenständlichen Hauterkrankungen könnten auch auf der Tätigkeit der Klägerin in einem von Schimmelpilz befallenen Gewölbekeller beruhen. Der Zeuge D sei nicht aufgrund einer Einschränkung der Klägerin, sondern sowieso im Café angestellt gewesen.

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Zur Ergänzung des Tatbestandes und wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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Über den Zustand der Klägerin im Zeitraum von 2002 bis 2005 und danach, namentlich auch zu deren Beschwerden nach dem Wechsel des Behandlers im Jahr 2005, hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen B und E und durch Vernehmung der Zeugen A und B. Über die Frage der Fehlerhaftigkeit der Verordnungen des Beklagten hat die Kammer ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, das der Gutachter Prof. Dr. F mit Datum vom 7.9.2012 vorgelegt (Bl. 119 d.A.) und im Termin der mündlichen Verhandlung vom 22.2.2013 näher erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Zeugenaussagen, das Gutachten sowie das Terminsprotokoll verwiesen. Die Kammer hat zudem die Verfahrensakte zum Prozess vor dem Landgericht Landau (Az. 2 O 82/07) beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin vermochte den ihr obliegenden Nachweis von Behandlungsfehlern des Beklagten nicht zu führen. Ihr stehen schon deshalb gegen den Beklagten keine Ansprüche wegen einer Verletzung der Pflichten aus dem Behandlungsvertrag gemäß §§ 675 Abs. 1, 611 ff., 280 Abs. 1 BGB und/oder aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, 229 StGB zu (zu I.). Darüber hinaus ließ sich auch nicht feststellen, dass die streitgegenständlichen Beschwerden der Klägerin auf die Verordnungen des Beklagten zurückzuführen sind (zu II.). Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass die klägerseits verfolgten Ansprüche zudem verjährt wären; die dahingehende Einrede ist vom Beklagten auch erhoben worden (zu III.). Die Nebenentscheidungen haben sich hieran zu orientieren (zu IV.).

I.

24

Der Sachverständige Prof. Dr. F ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 7.9.2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten nicht festgestellt werden kann. Nach seinen Ausführungen erfolgten die Verordnungen des Beklagten jeweils fachgerecht; der Sachverständige beurteilt die Rezepturen ausdrücklich als „korrekt“.

25

1. Was die Verordnung des orthopädischen Schuhwerks anlangt, war eine solchermaßen durchgeführte Versorgung der Klägerin nach den Darlegungen des Sachverständigen indiziert. Das diesbezügliche Standardwerk von Münzenberg enthalte ausdrücklich die Empfehlung, bei einer Elephantiasis wie vorliegend bei der Klägerin wegen der Unförmigkeit des Fußes und des Unterschenkels anstelle von Konfektionsschuhen orthopädische Schuhe zu verwenden. Diese sollten gerade als Stiefel oder Halbschaftstiefel ausgebildet sein, um sich den anatomischen Besonderheiten anzupassen und ein Herausschlüpfen, aber vor allem auch die Bildung von Schnürfurchen und damit ein Abschnüren des Fußes zu verhindern. Insbesondere aber müsse mithilfe eines unbedingt notwendigen Schaftes verhindert werden, dass sich das ansonsten stützlose Gewebe des Unterschenkels, das die Form einer immensen Hautfalte bzw. eines großen Hautlappens habe, über den Schuhrand nach unten wölbe und bei Bewegungen des Patienten verletzt werde, insbesondere durch Kontakt mit dem Boden und dortiges Aufreiben. Eine solche Situation sei nämlich mit dem erheblichen Risiko von offenen Stellen und daraus entstehenden Infektionen verbunden, was angesichts der gesundheitlichen Situation der Klägerin zu einem medizinisch kaum mehr beherrschbaren Zustand hätte führen können. Denn die dann nötige chirurgische Versorgung solcher Defekte sei kaum möglich, da der Behandler in ein Lymphödem hinein schneiden müsse und eine Wundheilung in einem solchen Gewebe extrem schwierig, ja nahezu aussichtslos sei.

26

Nach den Ausführungen des Sachverständigen entspricht es auch dem ärztlichen Standard, die Schuhe mit vorderer Schnürung und aus weichem Oberleder bestehend zu verordnen. Lediglich aus kosmetischen Gründen komme statt dessen eine seitliche Schließung, diese zudem mit Reißverschluss, in Betracht. Soweit die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung einen Stiefel vorgelegt hat, der im oberen Bereich nicht in Leder gearbeitet war, kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob dieser durch den Beklagten verordnet worden ist, letztlich dahinstehen. Denn zum einen hat die Klägerin diesen Stiefel, was sie in der mündlichen Verhandlung selbst angab, nie getragen, so dass diese Verordnung keinerlei gesundheitliche Folgen oder materielle Schäden ausgelöst haben kann. Zum anderen hat der Sachverständige dargelegt, dass es sich auch insoweit nicht um einen Fehler handele. Mit dieser Modifikation der Schaftausführung habe der Beklagte, was sich aus seinen Behandlungsunterlagen ergebe, nämlich in nicht zu beanstandender Weise versucht, den vielfältigen Anpassungs- und Änderungswünschen der Klägerin nachzukommen und eine Lösung zu finden, die einerseits noch den fachlichen Vorgaben (Stiefel oder Halbstiefel) entspreche, andererseits von der Patientin toleriert werde.

27

Soweit die Klägerin nunmehr Halbschuhe trägt, verweist der Sachverständige darauf, dass Halbschuhe bei ihr gerade nicht zur Anwendung kommen sollten, da sie die Bildung von Schnürfurchen und damit von Abschnürungen des Fußes zur Folge haben könnten, vor allem aber auch mit dem bereits geschilderten Risiko von Verletzungen des infolge Stützverlusts herabhängenden Gewebes einhergingen.

28

2. Aus dem Auftreten der streitgegenständlichen Beschwerden bei der Klägerin ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ebenso wenig auf fehlerhafte Verordnungen durch den Beklagten zu schließen wie aus dem weiteren Krankheitsverlauf bei der Klägerin nach deren Wechsel im Jahr 2005 von dem Beklagten zum Zeugen B..

29

Der Sachverständige hat, worauf sogleich noch detailliert eingegangen wird (zu II.), dargestellt, dass die erhebliche Erkrankung der Klägerin – bezogen auf das ausgeprägte Lymphödem sowie rezidivierende bakterielle und mykotische Infektionen, namentlich mit Erysipelbildungen und nässenden Lympfzysten – bereits deutlich vor dem Behandlungsbeginn des Beklagten im Jahr 2002 vorhanden gewesen ist. Dieser Zustand hat sich auch im Laufe der Behandlung durch den Beklagten nicht signifikant verschlechtert.

30

Dass sich der Zustand der Klägerin nach ihrem Wechsel Ende 2005/Anfang 2006 zu einem anderen Behandler gebessert hat, vermochte der Zeuge E nicht zu bestätigen. Im Gegenteil ergibt sich aus den von ihm vorgelegten Behandlungsunterlagen, dass die Klägerin auch ab dem Jahr 2006 mit massiven gesundheitlichen Problemen der streitgegenständlichen Art, namentlichen auch entzündlichen Prozessen, zu kämpfen hatte (Bl. 240 ff., 319 ff. d.A.). Der Zeuge B hat mitgeteilt, dass sich die Klägerin lediglich Ende 2005 bei ihm in Behandlung befunden hat; im August 2005 sind dabei auch entzündliche Herde festgestellt worden (Bl. 287 f. d.A.). Eine nächste Untersuchung hat dann erst wieder im Februar 2012 stattgefunden; hier haben sich erneut rezidivierende Erysipele am rechten Bein gezeigt (Bl. 289 d.A.). Soweit letztlich aber die Zeugin A von einer Befundverbesserung bei der Klägerin ab dem Jahr 2006 berichtet hat, hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die von der Zeugin A beschriebene Verbesserung des Zustandes der Klägerin – im Hinblick auf Erysipelbildungen ab dem Jahr 2006 - wohl auf deren antibiotische Therapie zur Erysipel-Prophylaxe zurückzuführen ist. Während die Medikation seit dem Beginn der Behandlung der Klägerin durch die Zeugin A zunächst mehrfach wechselte und unstetig blieb, wurde dann erst im November 2005 eine neue Therapie mit einem Langzeitantibiotikum begonnen, die dann auch beibehalten wurde. Hierin sieht der Sachverständige die maßgebliche Ursache für das Eintreten und Anhalten einer Beschwerdebesserung (dazu noch nachstehend zu II.).

31

3. Keine Pflichtverletzung vermochte der Sachverständige in dem Umstand zu erkennen, dass möglicherweise in einem der vom Beklagten verordneten Schuhe eine Naht in tastbarer Weise hervorstand. Dieser zwischen den Parteien umstritten gebliebene Umstand ist von der Zeugin A in ihren Behandlungsunterlagen so vermerkt worden, konnte aber von ihr bei ihrer Vernehmung schon nicht (mehr) bestätigt werden. Das alles kann indes dahingestellt bleiben. Denn der Sachverständige hat ausgeführt, dass eine solche Naht, ihr Vorhandensein zugunsten der Klägerin unterstellt, nicht zu den streitgegenständlichen Beschwerden geführt haben kann. Hierzu hat er sich nicht nur ganz generell auf die Unsicherheiten betreffend einen Kausalzusammenhang der streitgegenständlichen Behandlung des Beklagten mit dem Krankheitsbild der Klägerin bezogen (s. zu II.), sondern auch darauf hingewiesen, dass die verordneten Schuhe mit einem Stützstrumpf zu tragen waren, der so eng am Fuß anliegt, dass ein Scheuern einer ggfl. vorhandenen Schuhnaht auf der Haut ausgeschlossen ist. Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass die vom Beklagten verordneten Schuhe der Klägerin im vorausgegangen Verfahren vor dem Landgericht Landau vom gerichtlich bestellten Sachverständigen begutachtet und für mängelfrei befunden worden sind.

32

Der Sachverständige hat letztlich darauf hingewiesen, dass der Beklagte seinerseits nicht zur Verordnung einer antibiotischen Therapie zur Prophylaxe gegen die bei der Klägerin rezidivierend auftretenden Erysipele verpflichtet gewesen sei. Die Klägerin sei vielmehr zeitlich parallel von der Zeugin A – einer Fachärztin für Hautkrankheiten, Venerologie und Allergologie – behandelt worden, was dem Beklagten unstreitig auch bekannt war. Diese sei umfassend mit der Therapie der Klägerin befasst gewesen, so dass daneben nicht auch eine Pflicht des Beklagten zur Ergreifung von im hautärztlichen Fachbereich anzusiedelnden Maßnahmen zur Behandlung und Vorbeugung von Erysipelen bestanden habe. Dem schließt sich die Kammer maßgeblich vor dem Hintergrund der unstreitigen Tatsachen an, dass der Beklagte lediglich eine Facharztpraxis für Orthopädie betreibt und die Klägerin sich wegen der streitgegenständlichen Entzündungen fortlaufend in der fachärztlichen Behandlung der Zeugin A befand.

33

Auf der Basis dieser gutachterlichen Feststellungen und Bewertungen, denen die Kammer insofern folgt, als keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Richtigkeit dieser Ausführungen und/oder die fachliche Qualifikation des Gutachters in Zweifel zu ziehen, vermag die Kammer keine Überzeugung von den behaupteten Behandlungsfehlern zu gewinnen.

II.

34

Nach den weiteren Ausführungen und Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. F steht ganz unabhängig davon, ob dem Beklagten Behandlungsfehler unterlaufen sind, zudem nicht fest, dass die streitgegenständlichen Beschwerden auf den durch den Beklagten verordneten orthopädischen Schuhen beruhen. Damit ermangelt es auch am hinreichenden Nachweis eines haftungsbegründenden Zusammenhangs.

35

Der Sachverständige hat mithilfe der Behandlungsunterlagen der G-Klinik, in der die Klägerin bereits in den 1990er Jahren mehrfach behandelt worden ist, eingehend dargelegt, dass die streitgegenständlichen Beschwerden der Klägerin keinesfalls erst mit der Behandlung des Beklagen aufgetreten sind, sondern vielmehr bereits deutlich vor dem Jahr 2002 bestanden. Die Klägerin leidet seit einer Operation eines Unterleibskarzinoms im Jahr 1984 unter anderem an einem ausgeprägten Lymphödem im Bereich der unteren Rumpfquadranten und am rechten Bein. In der G-Klinik wurden bereits 1992 seit mehreren Monaten vorliegende und sich ständig verschlechternde Wundroseinfektionen behandelt. Im den Jahren 1999 und 2000 wurden – nach einem 1997 erlittenen Arbeitsunfall und daraus resultierenden weiteren Verletzungen des rechten Beins (Distorsionstrauma, Bruch) – vielfältige Komplikationen des massiven Ödemleidens festgestellt, namentlich dessen Ausdehnung bis in den rechten Fuß hinein, Stoffwechselstörungen, eine Erysipelinfektion und nässende Lympfzysten. Im Jahr 2000 folgten weitere Behandlungen wegen erheblicher Befundverschlechterungen bei wiederum aufgetretenen Erysipelinfekten.

36

Auch aus dem klägerseits als Anlage K 7 vorgelegten Arztbericht des Gefäßmediziners H ergibt sich, dass die Klägerin seit ihrer beruflichen Tätigkeiten in den Jahren 1995 bis 2001 mit einer kontinuierlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, dies gerade verbunden mit rezidivierenden Erysipelen, zu kämpfen hatte (Bl. 38 d.A.). Das alles hat die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Termin der mündlichen Verhandlung vom 22.2.2013 letztlich auch nicht (mehr) in Abrede gestellt, sich vielmehr dahingehend eingelassen, keine Erinnerungen mehr an die lange zurückliegende Zeit zu haben.

37

Eine signifikante Verschlechterung dieses Befundes während der Behandlung durch den Beklagten vermochte der Sachverständige nicht festzustellen. Vielmehr hat sich der Krankheitszustand der Klägerin im streitgegenständlichen Umfang – auch in Form rezidivierender bakterieller und mykotischer Infektionen – bereits vor dem Jahr 2000 ergeben. Insbesondere Erysibelbildungen sind bei der Klägerin schon in den 1990er Jahren aufgetreten und in den G-Kliniken behandelt worden. Dass diese vermehrt im Laufe der Behandlung durch den Beklagten aufgetreten wären, hat sich nicht erwiesen. Zwar beinhalten die Krankenunterlagen der Zeugin A mehrfache Eintragungen zu Erysipelen bei der Klägerin im Zeitraum von 2002 bis 2005. Der Sachverständige hat allerdings darauf hingewiesen, dass es sich insoweit lediglich um Verdachtsmomente der Zeugin gehandelt habe, die nicht auf hierzu notwendigen Untersuchungen – namentlich der Messung von Fieber und Laboruntersuchungen des Blutes der Klägerin – beruhten, sondern lediglich, wie durch die Zeugin auch bestätigt, auf Sicht- und Tastprüfungen.

38

Zudem hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die gesundheitliche Situation der Klägerin nicht nur durch die vorgeschilderten Umstände, sondern maßgeblich auch durch deren Tätigkeiten im von ihr betriebenen Gastronomiebetrieb und den damit einhergehenden starken Steh- und Gehbelastungen verursacht und aufrechterhalten worden ist; dies vor allem auch wegen des Schimmelpilzbefalls im Gewölbekeller, in dem die Berufstätigkeit ausgeübt worden ist, und der bei der Klägerin bekannten diesbezüglichen Allergie. Einen dahingehenden Ursachenzusammenhang hat der Sachverständige höchst nachvollziehbar gerade mit der von ihm erhobenen Anamnese begründet, dass sich die gesundheitliche Situation bei der Klägerin grundlegend erst dann geändert habe, als diese ihre bisherige anstrengende Tätigkeit in den zudem mit Schimmelpilz belasteten Räumlichkeiten aufgegeben habe.

39

Diese Faktoren können daher völlig unabhängig von der Schuhversorgung bei der Klägerin zur Persistenz des vorbestehenden Zustandes, möglicherweise auch zu dessen Verschlechterung geführt haben.

40

Der Sachverständige hat schließlich auch darauf hingewiesen, dass sich aus der Dokumentation des Beklagten ein extremes Bemühen um die Bewältigung der äußerst schwierigen Versorgungssituation bei deutlicher Incompliance der Klägerin in Bezug auf notwendige Änderungen des Schuhwerks ergebe.

41

Die dann ab 2005 eingetretene Verbesserung sieht der Sachverständige maßgeblich als Folge der durch die Zeugin A im November 2005 begonnenen und konsequent fortgeführten Erysipel-Prophylaxe mittels Antibiose, in der er neben der zumindest vorübergehenden Reduzierung der Arbeits- und Schimmelpilzbelastung der Klägerin den Hauptgrund für die anhaltende Besserung des Zustandes ihres Beines erachtet.

III.

42

Der Beklagte hat zudem zutreffend die Einrede der Verjährung erhoben, so dass – insoweit zugunsten der Klägerin unterstellte – Ansprüche jedenfalls nicht mehr durchsetzbar wären (§ 214 Abs. 1 BGB). Vertragliche Ansprüche wegen Pflichtverletzung des Behandlungsvertrages unterliegen ebenso wie deliktische Ansprüche aus rechtswidrigem Eingriff in die körperliche Integrität eines Menschen gemäß § 195 BGB der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist. Diese Frist war bei Klageerhebung mit Schriftsatz vom 29.12.2011 und Eingang bei Gericht am 30.12.2011 hinsichtlich des Vorwurfs, der Beklagte habe ihr in fehlerhafter Weise orthopädische Schuhe verordnet, bereits abgelaufen. Zu einer Hemmung der Verjährung führende Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen.

43

Die behaupteten Pflichtverletzungen des Beklagten sollen während der Behandlung der Klägerin im Zeitraum vom 2002 bis 2005 erfolgt sein. Die Person des vermeintlichen Ersatzpflichtigen war der Klägerin daher seit dieser Zeit bekannt. Spätestens mit dem Vorliegen des MDK-Gutachtens waren der Klägerin zudem die vermeintliche Ersatzansprüche begründenden Umstände im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bekannt. Denn das Gutachten setzt sich nicht nur mit handwerklichen Fehlern bei der Herstellung der seinerzeit der Klägerin verordneten Schuhe – was diese zu ihrer ersten Klage im Jahr 2007 gegen das C vor dem Landgericht Landau veranlasst hat – auseinander, sondern benennt gerade auch ausdrücklich den Umstand, den die Klägerin in diesem Verfahren dem Beklagten vorwirft, nämlich das Verordnen „falscher Schuhe“. Wörtlich lautet es im MDK-Gutachten wie folgt: „Eine Versorgung mit einem orthopädischen Schuh ist hier sehr sehr schwierig. Meiner Ansicht nach ist [die Klägerin] nur mit einem Halbschuh zu versorgen…“ (Bl. 42 d.A.).

44

Der Klägerin war indes positiv bekannt, vom Beklagten vornehmlich halbhohe Schuhe und Stiefel verordnet bekommen zu haben. Mit der Vorlage des MDK-Gutachtens begann daher die Verjährungsfrist zu laufen. Insoweit entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass die i.S.v. § 199 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis dann vorliegt, wenn dem Berechtigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, möglich und zumutbar ist (BGH, NJW 2008, 2578). Dabei ist weder notwendig, dass der Berechtigte alle für die Beurteilung möglicherweise bedeutsamen Einzelumstände kennt, noch, dass er über hinreichend sichere Beweismittel zur Führung eines im Wesentlichen risikolosen Rechtsstreits verfügt, eine zutreffende rechtliche Würdigung des Geschehens vornimmt oder aber den Eintritt eines Schadens und dessen Höhe einigermaßen sicher zu überblicken vermag. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Berechtigte Tatsachen kennt, die den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners nahelegen, d.h. für den Bereich der Arzthaftung die Kenntnis vom negativen Ausgang und von der Unzulänglichkeit der ärztlichen Bemühungen erlangt (BGH, NJW-RR 2010, 681).

45

Das MDK-Gutachten stammt, wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat und sich auch aus den beigezogenen Verfahrensunterlagen zum Prozess vor dem Landgericht Landau (Az. 2 O 82/07) ergibt, bereits vom 14.9.2005 (nicht aber, wie beklagtenseits angegeben, erst vom 18.4.2007). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der betreffende Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Damit war Verjährung bereits mit Ablauf des Jahres 2008 eingetreten; spätestens aber mit Ablauf des Jahres 2010, denn auch im vor dem Landgericht Landau geführten Prozess gegen das C sind zwischen den Parteien alle auch hier maßgeblichen Umstände zur (fehlerhaften) Verordnung von orthopädischen Schuhen an die Klägerin diskutiert worden. Nur beispielhaft kann insoweit auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007 verwiesen werden, das die Klägerin als Anlage K 5 vorgelegt hat und aus dem sich mit großer Deutlichkeit ergibt, dass der hiesige Beklagte, im seinerzeitigen Verfahren gegen das Sanitätshaus als Zeuge vernommen, von einer letzten Anprobe der von ihm verordneten Schuhe im Juli 2005 berichtet hat, bei der es zu einer Eskalation der Situation und dem ausdrücklichen Vorwurf der Klägerin an ihn gekommen sein soll, die Behandlung durch ihn sei insgesamt fehlerhaft gewesen; diese wurde daraufhin durch ihn auch aufgekündigt.

IV.

46

Damit stellt sich die Klage als vollumfänglich abweisungsreif dar, so dass die weiteren Streitfragen, maßgeblich zu den klägerseits behaupteten Schäden, dahinstehen können.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.

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