Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (6. Zivilkammer) - 6 O 492/13

1. Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß Beschluss vom 22. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungsansprüche.

2

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der Urheberrechte an den u.a. durch die von ihr betriebenen Pay-TV-Kanäle "… Sport" und "… Bundesliga" ausgestrahlten, von ihr produzierten Sendungen und (Sport-)Berichterstattungen. In dieser Eigenschaft vergibt sie die Rechte, diese Sendungen öffentlich wahrnehmbar zu machen, wobei die öffentliche Wiedergabe nur nach Abschluss eines entsprechenden Lizenzierungsvertrages (sog. Abonnement-Vertrag) zulässig ist. Ein derartiger Vertrag existiert zwischen den Parteien nicht.

3

Im Auftrag der Verfügungsklägerin suchte der Kontrolleur W. am 20. Oktober 2013 gegen 14.32 Uhr die vom Beklagten betriebene Gaststätte "Pizzeria T." in W. auf. Dabei konnte er die Ausstrahlung der Begegnung der 2. Bundesliga zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem Karlsruher SC wahrnehmen und hat hiervon eine Videoaufzeichnung gefertigt. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, zu der der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 neben einer ausgesprochenen Abmahnung und der Zahlung von pauschaliertem Schadensersatz in Höhe von mindestens 4.632,40 € sowie außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 1.044,40 € aufgefordert wurde, gab der Verfügungsbeklagte nicht ab.

4

Die Klägerin ist der Ansicht,

dass das urheberrechtlich geschützte Werk (Berichterstattung über die Partie der 2. Bundesliga zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem Karlsruher SC) durch den Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt öffentlich wahrnehmbar gemacht wurde.

5

Mit Beschluss vom 22. November 2013 hat die Kammer ohne mündliche Verhandlung die begehrte Unterlassungsverfügung antragsgemäß erlassen, welche die Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten am 10. Dezember 2013 zugestellt hat.

6

Mit Schriftsatz vom 14. März 2014 hat der Verfügungsbeklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch eingelegt.

7

Die Verfügungsklägerin beantragt,

8

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 22.11.2013 aufrecht zu erhalten.

9

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

10

unter Aufhebung des Beschlusses vom 22.11.2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

11

Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung,

dass keine öffentliche Wiedergabe stattgefunden habe. So sei die Gastwirtschaft zwischen 14.30 und 17.00 Uhr geschlossen und es hätten sich dort auch keine Gäste aufgehalten. Zudem sei erst auf ausdrückliche Bitte des ungefragt eingetretenen Kontrolleurs W. der entsprechende Sender eingeschaltet worden.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Der Widerspruch des Verfügungsbeklagten ist statthaft (§§ 924 Abs. 1, 936 ZPO) und auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

II.

14

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig, §§ 937 Abs. 1 ZPO, 23, 71 GVG, 104, 105 UrhG i.V.m. § 6 ZivilZustV-RLP.

15

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

16

Der Verfügungsklägerin steht gegen den Verfügungsbeklagten kein Anspruch auf Unterlassung aus § 97 Abs. 1 UrhG oder sonstigen Anspruchsgrundlagen zu.

17

Zwar ist die Verfügungsklägerin Inhaberin der urheberrechtlichen Ansprüche aus den von ihr produzierten Fußballsendungen. Es mangelt aber an einer widerrechtlichen Verletzung ihrer Rechte durch den Beklagten, wobei insoweit nur die Rechte der öffentlichen Aufführung aus § 19 Abs. 4 UrhG vorliegend in Betracht kommen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der öffentlichen Wahrnehmbarmachung sind nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

18

Eine Wiedergabe ist dann öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist, wobei zur Öffentlichkeit jeder gehört, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (§ 15 Abs. 3 UrhG). Die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen im hiesigen Fall nicht vor, die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass gerade keine öffentliche Wiedergabe erfolgt ist. Diese Überzeugung der Kammer stützt sich auf die als Anlage K 6 (Bl. 91 d.A.) vorgelegte Videoaufnahme des Besuchs des von der Verfügungsklägerin beauftragten Kontrolleurs W. in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten. Auf der Videoaufnahme ist zu erkennen, dass sich außer dem Videoersteller noch weitere Personen unterschiedlichen Alters in dem Gastraum aufhalten, wobei ein Schankbetrieb oder eine sonstige gastronomische Bewirtung dieser Personen nicht zu erkennen ist. Vielmehr erwecken die anwesenden Personen den Eindruck, jedenfalls durch persönliche, wenn nicht durch freundschaftliche oder familiäre Beziehung miteinander verbunden zu sein. Eine Ausstrahlung ist beim Betreten der unstreitig unverschlossenen Räumlichkeiten im Übrigen nicht erfolgt. Vielmehr dauert es geraume Zeit und mehrere vergebliche Versuche, bis auf ausdrücklichen Wunsch des Kontrolleurs W. durch einen der Anwesenden überhaupt der Fernsehkanal eingestellt werden konnte, auf welchem die Übertragung der streitgegenständliche Sendung stattfand. Bereits aus der lediglich durch das konkrete Ersuchen des Kontrolleurs erfolgten Einschaltung des Programmes wird deutlich, dass die Wiedergabe nicht für eine Mehrzahl von Personen, die entsprechend der Auffassung in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls mindestens 2 Personen als Adressaten erfordert (vgl. nur Kroitzsch/Götting in Ahlberg/Götting, BeckOK UrhG § 15 Rn. 26 m.w.N.), bestimmt war. Vielmehr sollte lediglich dem ausdrücklich nachfragenden Kontrolleur W. die Möglichkeit zur Kenntnisnahme eingeräumt werden. Dass die Übertragung einem weitergehenden Personenkreis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, vermochte die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Verfügungsklägerin weder plausibel zu machen, noch nachzuweisen. Damit mangelt es bereits an der erforderlichen Öffentlichkeit der Wahrnehmbarmachung.

19

Selbst wenn man Gegenteiliges zu Gunsten der Verfügungsklägerin unterstellen würde, scheidet ein Anspruch aus § 97 UrhG im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer wegen unzulässiger Rechtsausübung aus (§ 242 BGB). Die Treuwidrigkeit des Vorgehens ergibt sich aus dem Verhalten des W., welches der Verfügungsklägerin aufgrund dessen Eigenschaft als beauftragter Kontrolleur zuzurechnen ist. Aus der Videoaufnahme, die durch den Kontrolleur W. gefertigt wurde, ist zu erkennen, dass beim Betreten des Gastraumes durch ihn kein von der Verfügungsklägerin ausgestrahltes Fernsehprogramm auf dem Bildschirm läuft. Dieses wird vielmehr erst auf ausdrücklichen Wunsch des Kontrolleurs aktiviert. Es verstößt aber gegen Treu und Glauben, einen sich ordnungsgemäß verhaltenden Dritten durch Vorspiegelung eines tatsächlich nicht vorhandenen Interesses zu einer Rechtsverletzung zu verleiten, um diesen dann im Nachgang mit den durch das eigene Verhalten maßgeblich mitkreierten Forderungen überziehen zu können. Allein in der hier vorliegenden Abmahnung werden Schadensersatzansprüche von mindestens 4.632,40 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.044,40 € als Schadensersatzanspruch geltend gemacht, der bei Annahme einer Verletzung des Urheberrechts der Verfügungsklägerin zutreffend berechnet ist. Bestünde jedoch für die Verfügungsklägerin als Rechtsinhaberin die Möglichkeit, durch ein Verhalten der von ihr eingesetzten Kontrolleure, die gerichtsbekannt für jede (erfolgreiche) Kontrolle lediglich ein geringfügiges Entgelt im maximal zweistelligen Eurobereich erhalten (vgl. insoweit auch Anlage AS 4a, Bl. 40 d.A.), so bestünde die Möglichkeit, durch ein derartiges Verhalten hohe Gewinne zu generieren. Letztlich ist der vorliegende Fall vergleichbar mit der aus dem Strafrecht bekannten Figur des sog. "agent provocateur". Erst durch die Nachfrage des Kontrolleurs wurde beim Beklagten bzw. der in seinem Betrieb anwesenden Person der Entschluss geweckt, das urheberrechtlich geschützte Fernsehsignal der Verfügungsklägerin für einen Außenstehenden wahrnehmbar zu machen. Bis zu dem Verhalten des Kontrolleurs hatte sich der Verfügungsbeklagte nicht rechtsbrüchig verhalten. Strafrechtlich ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, einen anderen zu einer Straftat zu veranlassen, um diesen dann der Strafverfolgung zu unterwerfen, nicht ohne weiteres durch den an sich erlaubten Zweck, einen Täter zu überführen, gerechtfertigt werden kann. Selbige Ausgangslage hat im vorliegenden Fall mit der Maßgabe zu gelten, dass hier anstelle der Strafverfolgung der Schutz des urheberrechtlichen Anspruchs steht.

20

Ein derartiges Vorgehen, wie im vorliegenden Fall durch den seitens der Verfügungsklägerin beauftragten Kontrolleur an den Tag gelegt, widerspricht mithin Treu und Glauben. Es entspricht nicht dem Sinn der urheberrechtlichen Regelungen, dass Verwertungshandlungen und Verletzungen sowie daraus resultierende Ansprüche durch den Urheber selbst hervorgerufen werden. Vielmehr sollen diese Ansprüche nach dem Schutzzweck der Norm der vom Verhalten des Rechteinhabers autonomen Entschlussfassung eines Nichtberechtigten zur unberechtigten Verwertung begegnen. Dieser Schutzzweck würde konterkariert, wäre es dem Berechtigten gestattet, durch sein eigenes oder ihm zurechenbares Verhalten die Ansprüche überhaupt erst auszulösen. Dies gilt auch insoweit, als die Ansprüche verschuldensunabhängig sind.

21

Der Beschluss der Kammer vom 22. November 2013 konnte daher nicht aufrechterhalten bleiben.

III.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

23

Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.

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