Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (9. Zivilkammer) - 9 O 55/19

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger für Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung 578,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer gekündigten Genussrechtsbeteiligung.

2

Mit Datum vom 27.05.2008 zeichnete der Kläger bei der in Wien ansässigen A Investments AG Genussrechte über 10.000 € (Zeichnungsschein Bl. 7 d. A., Vertragsnummer VAG ...). Rechtsnachfolgerin der A Investments AG wurde die – gleichfalls in Österreich ansässige – A Investments GmbH, deren Rechtsnachfolgerin in der Folge die in Großbritannien ansässige Beklagte wurde.

3

Der Zeichnung lagen die Genussrechtsbedingungen der A Investments AG zugrunde (Bl. 27 ff.), deren § 6 Abs. 4 lautet:

4

„Die Rückzahlung der Genussrechte erfolgt zu 100 % des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gemäß § 5 dieser Bedingungen (Rückzahlungsbetrag). Der Rückzahlungsanspruch ist drei Monate nach dem Laufzeitende fällig. [...]“

5

In § 5 Abs. 4 wiederum heißt es:

6

„Die Rückzahlungsansprüche der Genussrechtsinhaber gemäß § 6 Abs. 4 dieser Bedingungen reduzieren sich entsprechend der Höhe des etwaigen Verlustanteils gemäß Abs. 1 und 2, wenn die Verlustanteile der Genussrechte während der Laufzeit nicht gemäß Abs. 3 wieder aufgefüllt worden sind.“

7

Eine Bestandsschutzregelung (§ 8) besagt:

8

„1. Der Bestand der Genussrechte wird vorbehaltlich § 5 dieser Bedingungen im Falle der Beteiligung der Gesellschaft an einem Umwandlungsprozess oder Bestandsübertragung der Gesellschaft nicht berührt.

9

2. Im Falle einer Maßnahme nach Abs. 1 sind den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte an dem neuen/übernehmenden Rechtsträger einzuräumen.“

10

Außerdem findet sich in § 13 Abs. 2 folgende Regelung:

11

„Erfüllungsort ist Sitz der Gesellschaft. Gerichtsstand ist – soweit gesetzlich zulässig – ebenfalls Sitz der Gesellschaft. Die Gerichtsstandsvereinbarung beschränkt nicht das Recht eines Genussrechtsinhabers, Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen. [...]“

12

Zum 31.12.2018 hat der Kläger die Anlage gekündigt.

13

Mit Schreiben vom Februar 2019 (Bl. 10 f. d. A.) wurde dem Beklagten unter einem auf „A Anlegerverwaltung, Strasse, Ort“ lautenden Briefkopf, dessen Fußzeile jedoch Firma und Anschrift der Beklagten enthält, mitgeteilt, dass sich der Rückzahlungsbetrag zum 31.12.2018 auf 0 € belaufe. Zum Zwecke der Neustrukturierung habe man die „Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechtsinhaber zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum“ abgewertet. Jedoch bestehe ein deutliches Aufwertungspotenzial, so dass man dem Kläger anbiete, von seiner Kündigung zurückzutreten, um von diesem Potential zu profitieren. Dem Schreiben war zudem eine „Anlegerinformation“ (Bl. 12 d. A.) beigefügt, die u. a. eine Benennung des Anlagebetrags mit 10.000 € und des rechnerischen Wertes der Genussrechte per 31.12.2018 mit 6.863,51 € enthielt.

14

Ein Betrag in Höhe von 6.863,51 € war dem Kläger auch bereits in einer „Transaktionsübersicht“ vom 19.12.2016 für den Buchungstag 31.12.2015 mitgeteilt worden (Bl. 13 d. A.).

15

Der Kläger ist der Auffassung,
er habe nach wirksamer Kündigung der Anlage einen Anspruch auf Rückzahlung der Zeichnungssumme.

16

Nachdem die Klage im Hauptantrag zunächst auf Zahlung von 6.863 € gerichtet war, beantragt der Kläger zuletzt,

17

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 10.000 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen;

18

hilfsweise

19

a) die Beklagte zu verurteilen, die Genussrechtsbeteiligung des Klägers zu Nr. VAG ... auf den 31.12.2018 abzurechnen;

20

b) die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, das abgerechnete Auseinandersetzungsguthaben an den Kläger zur Auszahlung zu bringen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

21

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn den verbleibenden Rest der entstandenen außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 578,04 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Sie ist der Auffassung,
das angerufene Gericht wie überhaupt die deutsche Gerichtsbarkeit seien nicht zuständig. Die Klage sei im Übrigen nicht wirksam zugestellt worden.

25

Zwar habe der Kläger die Anlage zum 31.12.2018 gekündigt, jedoch bestehe ein Auszahlungsanspruch nicht, da sich der Rückzahlungsbetrag nach der im Vertrag vorgesehenen Verlustverteilung mit 0 € errechne.

26

Zum Sitzungstermin vom 16.06.2020 war der Klägervertreter gemäß § 128a Abs. 1 ZPO aufgrund entsprechender Verfügung vom 22.01.2020 (Bl. 96 Rs. d. A.) im Wege der Bild- und Tonübertragung aus dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg zugeschaltet.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Terminsprotokoll vom 16.06.2020 (Bl. 117 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

29

Das angerufene Gericht ist örtlich und international zuständig. Die Zuständigkeit folgt aus Art 17 Abs. 1c), 18 Abs. 1 EuGVVO. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Frankenthal. Es handelt sich um eine Verbrauchersache i. S. d. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO.

30

Der Kläger – ein Rentner und ehemaliger Pädagoge, der in der Vergangenheit als Pharmareferent tätig war – hat im Rahmen seiner informatorischen Befragung unwidersprochen dargelegt, dass er zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Anlagegeschäfts arbeitslos gewesen sei und das Geld aus einer Abfindung gestammt habe. Ihm sei von einem Berater in Aussicht gestellt worden, dass er ja vielleicht auch als Finanzberater für A arbeiten könne, es dann aber gut aussähe, wenn er auch eine entsprechende Anlage zeichne. Letzteres habe er getan, zu einer Tätigkeit für A sei es dann aber nicht gekommen.

31

Im Hinblick auf die Anlage seiner Abfindung handelt es sich um ein Kapitalanlagegeschäft zur Verwaltung eigenen Kapitalvermögens. Dies lässt einen Verbraucher nicht zum Unternehmer werden (vgl. – für den Verbrauchergerichtsstand nach dem Luganer Übereinkommen, vorliegend gelten jedoch dieselben Grundsätze – BGH, Urteil vom 09.02.2017, IX ZR 103/16). Auch der Umstand, dass das Anlagegeschäft mit der vagen, nicht realisierten Hoffnung auf eine neue Arbeitsstelle verbunden war, ändert nichts an der Verbrauchereigenschaft.

32

Eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und auch der Beklagten selbst auf Deutschland im Sinne des Art. 17 Abs. 1c EuGVVO ist gegeben. Es wurden Anleger in Deutschland angeworben, auch die Beklagte – wie das Schreiben vom Februar 2019 zeigt – versendet unter einem Züricher Briefkopf mit Londoner Impressum in der Fußzeile an den Kläger in Deutschland in deutscher Sprache abgefasste Geschäftsbriefe und unterhält ein gleichfalls in diesem Schreiben angegebenes Konto bei der Frankfurter Sparkasse.

33

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nach Art. 18 EuGVVO auch nicht darauf an, ob sie selbst ihren Sitz in Deutschland hat, es genügt, dass der Kläger hier ansässig ist (vgl. Art. 18 Abs. 1, 2. Alt. EuGVVO).

34

Sollte die EuGVVO nach vollzogenem „Brexit“ nicht mehr anwendbar sein, ergäbe sich dasselbe Ergebnis aus den Regelungen des Luganer Abkommens.

35

Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit der Frage des Verbrauchergerichtsstandes mit Schriftsatz vom 03.07.2020 (Bl. 121 ff. d. A.) dahingehenden Vortrag hält, dass infolge der Verschmelzung der A Investment GmbH als übertragender Rechtsträger auf die Beklagte als übernehmender Rechtsträger die ursprüngliche Emittentin der Genussrechte „spätestens mit Wirkung zum 31.12.2018 erloschen“ sei, dem Kläger daher als Inhaber „sogenannter Sonderrechte im umwandlungsrechtlichen Sinn anlässlich der Durchführung der Verschmelzung in umwandlungsrechtlich zulässiger Art und Weise zu den Genussrechten gleichwertige Rechte in Form von B-Anteilen der Beklagten gewährt worden seien“ und sich hierdurch – so versteht das Gericht die Essenz der weiteren Ausführungen – sich sowohl die Anwendbarkeit der EuGVVO als auch die Verbrauchereigenschaft des Klägers verflüchtigt habe, ist dies ohne Belang. Denn wie beklagtenseits bereits mit Schriftsatz vom 28.08.2019 (Bl. 51 d. A.) unstreitig gestellt wurde, ist „das in Rede stehende Genussrechtsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 2018 gekündigt worden“. Sollte es also die im Schriftsatz vom 03.07.2020 (Bl. 121 ff. d. A.) dargelegten Transformationen in „B-Anteile“ gegeben und sollte dies die weiter dargelegten rechtlichen Wirkungen gehabt haben, hatte der Kläger aufgrund der zum Stichtag vollzogenen Kündigung jedenfalls keinen Anteil mehr hieran.

36

Auch die Gerichtsstandsvereinbarung in § 13 Abs. 2 der Vertragsbedingungen stünde – eine Wirksamkeit unterstellt – der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht entgegen. Zwar solle demnach der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft sein, es heißt jedoch im folgenden ausdrücklich, dass diese Vereinbarung das Recht eines Genussrechtsinhabers nicht beschränkt, „Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen“ (vgl. zur Frage der Zuständigkeit auch LG Trier, Zwischenurteil vom 07.04.2020, 11 O 255/19 [= Anl. K 9]; Landgericht Erfurt, Urteil vom 26.06.2020, 9 O 970/19, Bl. 125 ff. d. A.).

II.

37

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Klage wirksam zugestellt.

38

Die Zustellung der Klageschrift wurde nach im Juli 2019 (noch vor dem „Brexit“) nach Art. 14 EUZVO im Wege des Einschreibens mit Rückschein veranlasst (Bl. 38 Rs. d. A.) Auch ist der Rückschein in der Folge zurückgesandt worden (Bl. 38a d. A.). Zwar ist auf dem in Rücklauf gelangten Rückschein das die Auslieferung bescheinigende Feld nicht ausgefüllt und es wurde – wohl im Postbetrieb – der handschriftliche Vermerk „kein Rückschein mehr nach Großbritannien“ angebracht. Jedoch haben die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 15.08.2019 (Bl. 39 d. A.) unter Vollmachtsversicherung angezeigt, dass sich die Beklagte gegen die Klage verteidigen werde. Daher ist davon auszugehen, dass eine Zustellung spätestens zum 15.08.2019 erfolgt war. Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Klageschrift in deutscher Sprache abgefasst war. Die Beklagte – der Name des „Directors“ lautet i. Ü. B – kommuniziert (siehe etwa das bereits erwähnte Schreiben vom Februar 2019) mit dem Kläger selbst in deutscher Sprache.

39

Selbst wenn man zunächst von einer Fehlerhaftigkeit der Zustellung ausgehen sollte, wäre der Mangel nach § 189 ZPO geheilt, denn die Bevollmächtigten der Beklagten haben die Klage erhalten. Die Regelung des § 189 ZPO ist auch bei Auslandszustellungen anwendbar (vgl. Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 189 Rn. 3; Zöller-Geimer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 183, Rn. 26; OLG Celle, Beschluss vom 23.08.2018, 13 U 71/18, Rn. 10, str.).

III.

40

Einer Verurteilung der Beklagten steht auch nicht entgehen, dass der Klägervertreter zum Verhandlungstermin vor dem Landgericht Frankenthal im Wege der Bild- und Tonübertragung aus dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg zugeschaltet war.

41

Diese Möglichkeit sieht § 128a Abs. 1 ZPO ausdrücklich vor.

42

Zwar legte der Beklagtenvertreter – nachdem er weder auf den entsprechenden Antrag des Klägervertreters vom 14.01.2020 (Bl. 85 d. A.) noch auf die diesbezügliche Anordnung des Gerichts vom 22.01.2020 (Bl. 96 Rs. d. A.) noch zu Beginn der Verhandlung irgendwelche Bedenken geäußert hätte – Wert darauf, am Ende der Verhandlung darauf hinzuweisen, dass ein Vorgehen nach § 128a Abs. 1 ZPO während der Güteverhandlung nicht zulässig gewesen wäre und auch zu beanstanden sei, dass ihm – auch dies sei nicht ordnungsgemäß – mit gerichtlichem Schreiben die Möglichkeit eröffnet worden sei, sich gleichfalls vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg im Wege der Videoschaltung zuschalten zu lassen.

43

Vorliegend wurde im Rahmen des Termins vom 16.06.2020 sowohl (erfolglos) versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen, als auch zur Hauptsache verhandelt. Es mag dahinstehen, ob § 128a Abs. 1 ZPO auch im Rahmen einer Güteverhandlung anwendbar ist. Da jedoch selbst das komplette Unterlassen der vom Gesetz vorgeschriebenen Güteverhandlung letztlich im Hinblick auf die Wirksamkeit der Sachentscheidung unschädlich wäre (vgl. Zöller-Greger, aaO, § 278 Rn. 23), wäre der insoweit beklagtenseits beanstandete Fehler (erst Recht) unschädlich. Was für das vorliegende Verfahren aus dem Umstand folgen sollte, dass auch der Beklagtenvertreter ein Schreiben bekommen habe, wonach er von Berlin-Schöneberg aus an der Verhandlung teilnehmen könne, erschließt sich nicht. Der Beklagtenvertreter hat sich jedenfalls ordnungsgemäß und pünktlich im Sitzungssaal des Landgerichts Frankenthal eingefunden.

IV.

44

Die Klage ist in voller Höhe begründet.

45

Der Anspruch folgt aus § 241 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 4 der Vertragsbedingungen, wonach die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gemäß § 5 dieser Bedingungen erfolge.

46

Unstreitig wurde die Beteiligung gekündigt. Unstreitig belief sich der Nennbetrag auf 10.000 €. Zwar kommt grundsätzlich der Abzug eines Verlustanteils in Betracht, der nach Maßgabe des § 5 Abs. 4 der Vertragsbedingungen zu berechnen wäre.

47

Dort heißt es: „Die Rückzahlungsansprüche der Genussrechtsinhaber gemäß § 6 Abs. 4 dieser Bedingungen reduzieren sich entsprechend der Höhe des etwaigen Verlustanteils gemäß Abs. 1 und 2, wenn die Verlustanteile der Genussrechte während der Laufzeit nicht gemäß Abs. 3 wieder aufgefüllt worden sind.

48

Die hier in Bezug genommenen Absätze 1 und 2 lauten:

49

„(1) Die Genussrechte nehmen bis zum Laufzeitende (§ 6 Abs. 1) nach Maßgabe des Abs. 2 an einem etwaigen zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres auszuweisenden Jahresfehlbetrag der Gesellschaft teil, soweit der Verlust nur durch gebundenes Eigenkapital (bilanziell ausgewiesenes Grundkapital und Kapitalrücklage) und/oder dem gebundenen Eigenkapital bei der Verlustteilnahme gleichgestellter Finanzierungstitel gedeckt werden könnte und/oder kraft vertraglicher Regelungen nicht anderes freies (Eigen-)Kapital vorrangig herabzusetzen ist. Maßgeblich für die Berechnung des Verlustanteils pro Genussrecht gem. Abs. 2 ist der in der nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr auszuweisende Jahresfehlbetrag. An einem etwaigen Verlustvortrag nehmen die Genussrechte nicht teil.

50

(2) Der Verlustanteil pro Genussrecht an dem etwaigen Jahresfehlbetrag berechnet sich nach dem Verhältnis des Nennbetrages von EUR 1,- zu der Summe aus dem Nennbetrag der begebenen Genussrechte dieser Tranche und dem bilanzierten anderen verlusttragungsfähigen Kapital der Gesellschaft (anderer Finanzierungstitel mit Verlustbeteiligung, die gleichrangig mit Genussrechten dieser Tranche sind). Die Höhe der Verlustteilnahme pro Genussrecht ist insgesamt auf die Höhe des Nennbetrages begrenzt. Soweit Verluste nicht gem. Abs. 3 ausgeglichen worden sind, tritt an Stelle des Nennbetrages der Buchwert des Genussrechtes und der Buchwert der Genussrechte dieser Tranche.“

51

Hinsichtlich der Berechnung des Verlustabzugs nach Maßgabe des § 4 der Bedingungen als einen den grundsätzlich auf den Nennbetrag gerichteten Rückzahlungsanspruch reduzierenden Umstand liegt die Vortrags- und Beweislast auf Beklagtenseite. Der diesbezügliche Vortrag ist insoweit nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte verweist hier lediglich darauf, dass ihre Rechtsvorgängerin ausweislich des Jahresabschlusses „zum Stichtag 31. Dezember 2017 [...] im Geschäftsjahr 2017 einen Verlust erwirtschaftet [habe], der in Höhe von 5.514.061,14 € durch Erträge aus Herabsetzung des Genussrechtskapitals ausgeglichen worden“ sei. Der bilanzielle Saldo des nachrangigen Genusskapitals betrage „zum Stichtag 31. Dezember 2017 Euro 0,00“. Da in 2018 keine Gewinne erwirtschaftet worden seien, betrage der Rückzahlungsbetrag zum Stichtag der Kündigung, dem 31.12.2018, ebenfalls 0 €. Dieser Vortrag genügt jedoch den eigenen Vertragsbedingungen ebensowenig, wie der Hinweis auf einen nach den gesetzlichen Bestimmungen der Republik Österreich offengelegten Jahresabschluss (vgl. Schriftsatz vom 03.07.2020, Bl. 121 f. d. A., zum Jahresabschluss siehe auch Bl. 49 f. d. A.).

52

Es mag sein, dass der Jahresabschluss eventuell – siehe o. g. § 5 Abs. 1 S. 2 – als ggfls. „nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr“ bzw. der dort ausgewiesene Jahresfehlbetrag „maßgeblich“ sein könnte. Zum einen ist jedoch vorliegend nicht der Jahresabschluss 2017 relevant, da zum 31.12.2018 gekündigt wurde. Der lapidare Hinweis darauf, dass in 2018 kein Gewinn erwirtschaftet worden sei, so das dasselbe wie für den 31.12.2017 gelte, ersetzt nicht eine „nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr“. Im Übrigen erscheint dies schon vor dem Hintergrund nicht recht nachvollziehbar, als in der dem Kläger zur Verfügung gestellten Anlegerinformation (Bl. 12 d. A.) von einem rechnerischen Wert des Anteils des Klägers zum 31.12.2018 von immerhin 6.863,51 € die Rede ist.

53

Des Weiteren genügte nach den eigenen Vertragsbedingungen der bloße Hinweis auf einen Jahresabschluss – läge er denn auch für 2018 vor – nicht. Denn die Bedingungen benennen weitere Parameter der Berechnung bzw. Aspekte, wann es überhaupt zu einem Abzug kommen solle – wie etwa den Umstand, dass „der Verlust nur durch gebundenes Eigenkapital (bilanziell ausgewiesenes Grundkapital und Kapitalrücklage) und/oder dem gebundenen Eigenkapital bei der Verlustteilnahme gleichgestellter Finanzierungstitel gedeckt werden könnte und/oder kraft vertraglicher Regelungen nicht anderes freies (Eigen-)Kapital vorrangig herabzusetzen“ sei. Auch solle es zu einem Verlustabzug nur dann kommen, wenn die „Verlustanteile der Genussrechte während der Laufzeit nicht gemäß Abs. 3 wieder aufgefüllt worden“ seien (so Abs. 4).

54

Zu diesen Aspekten verhält sich der Beklagtenvortrag überhaupt nicht.

55

Mangels hinreichend substantiiertem Vortrag zu einem Verlustabzug besteht somit – entsprechend dem vertraglichen Grundsatz – ein Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages.

56

Der Anspruch war ausweislich § 6 Abs. 4 der Bedingungen fällig drei Monate nach Laufzeitende – an Stelle des Laufzeitendes tritt vorliegend die Kündigung. Die genannten drei Monate sind seit dem 31.12.2018 abgelaufen.

57

Sollte man sich auf den Standpunkt stellen, dass – siehe § 13 Abs. 1 der Vertragsbedingungen – eine wirksame Rechtswahl für österreichisches Recht getroffen worden sein sollte, würde im Ergebnis nichts Anderes gelten – denn der Anspruch des Klägers ergibt sich – wie dargelegt – bereits zwanglos aus den Vertragsbedingungen. Davon, dass auch im österreichischen Recht der Grundsatz „pacta sunt servanda“ gilt, geht das Gericht aus, ohne dass es der Einholung eines Rechtsgutachtens bedürfte.

58

Da die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs – siehe oben – im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB kalendermäßig bestimmbar war, trat zum 01.04.2019 Verzug ein, ohne dass es einer besonderen Mahnung bedurft hätte, so dass – wie beantragt – ein Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zuzusprechen war.

59

Unter Verzugsschadensgesichtspunkten besteht auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in beantragter Höhe. Der diesbezügliche Verzinsungsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Von Rechtshängigkeit ist (spätestens) seit dem 15.08.2019 auszugehen (Datum der Verteidigungsanzeige, siehe oben).

60

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

61

Beschluss

62

Der Streitwert wird festgesetzt wie folgt: bis 27.10.2019 auf 6.863,00 €, ab 28.10.2019 auf 10.000 €.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen