Urteil vom Landgericht Hamburg (11. Zivilkammer) - 311 O 394/11

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf € 1.000.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe einer Tassensammlung.

2

Die Beklagte ist die Witwe und Alleinerbin des am 5.2.2006 in H. verstorbenen Kunstsammlers und ehemaligen Präsidenten der H. Hochschule für bildende Künste, Prof. Dr. C. V.. Die Beklagte und ihr Ehemann errichteten im Laufe der Jahre eine gemeinsame Sammlung zahlreicher Kunstgegenstände, die sog. Sammlung C+C V.. Es handelte sich dabei in erster Linie um zeitgenössische Grafiken verschiedener Künstler, aber auch Aquarelle, Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen und andere Kunstobjekte.

3

Im Jahr 1991 wurden in den Deichtorhallen ca. 10.000 Exponate aus der Sammlung C+C V. ausgestellt. Außerdem wurden in P./ R. ab 1996 große Teile der Sammlung C+C V. ausgestellt. Diese Bestandteile der Sammlung C+C V. wurden nach Beendigung der Ausstellungen in einem Lagerhaus verwahrt.

4

Vor seinem Tode am 5.2.2006 korrespondierte der Ehemann der Beklagten mit dem Zeugen W.- D. W., dem alleinigen Gesellschafter der Klägerin, über das weitere Schicksal der Sammlung C+C V.. So heißt in einem Brief vom 25.1.2005 (Anlage K4) auszugsweise:

5

„Diese Sammlung wird Dir hiermit übereignet, zum Zwecke einer Zustiftung zugunsten einer von Dir zu benennenden gemeinnützigen Institution. Diese Institution wird sich verpflichten, eine angemessene und dauerhafte öffentliche Präsentation so bald als möglich zu realisieren und zu unterhalten. Sie wird die Kosten für deren Einrichtung tragen. Deren inhaltliche Seite, sowie die wissenschaftliche Betreuung werden Aufgabe der Sammler sein. Die begünstigte Institution darf die Sammlung nicht verkaufen, auch nicht teilweise, im Einvernehmen zwischen beiden Partnern könnten jedoch Teilverkäufe zum Zwecke der Ausgestaltung der Sammlung getätigt werden. Dass Du die betreffende Institution auf die genannten Bedingungen verpflichtest, ist die Voraussetzung der Übereignung an Dich.“

6

Der Zeuge W. nahm die in diesem Schreiben erklärte Übereignung nicht an. Wegen der weiteren Korrespondenz wischen Prof. C. V. und dem Zeugen W. zum weiteren Schicksal der Sammlung wird auf die weiteren als Anlage B1 zur Akte gereichten Briefe Bezug genommen.

7

Nach dem Versterben des Ehemannes der Beklagten am 5.2.2006 wurde zwischen dem Zeugen W., dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Klägerin, Rechtsanwalt W. L., dem Zeugen Prof. Dr. R. und dem Steuerberater B. – überwiegend brieflich – erörtert, in welcher Weise eine Übertragung der Sammlung C+C V. auf die Klägerin bzw. eine von ihr zu gründende Stiftung erfolgen könnte. Insoweit wird auf die als Anlagen K4 bis K13 zur Akte gereichte Korrespondenz Bezug genommen. Schließlich erklärte sich das zuständige Finanzamt bereit, das Schreiben des verstorbenen Ehemanns der Beklagten vom 25.1.2005 als „Vermächtnis“ des Verstorbenen zugunsten der Klägerin steuerlich anzuerkennen, sofern die Beklagte den ererbten Teil der Sammlung C+C V. auf die Klägerin übertragen würde.

8

Die Parteien schlossen sodann am 31.5.2006 vor dem Zeugen Prof. Dr. R. einen als „Vermächtniserfüllungs- und Schenkungsvertrag“ bezeichneten notariellen Vertrag (Anlage K1). Danach überlässt und schenkt die Beklagte der Klägerin die „gesamte Sammlung C + C V.“, wobei sich die Parteien darüber einig waren, dass zu dieser Sammlung auch die „Bibliothek C + C V., belegen in der W. Str. ..., ...“ gehört. Im Vertrag heißt es sodann weiter: „Überdies schenkt [die Beklagte] ihre Tassensammlung, die ebenfalls in der W. Str. ..., ... belegen ist, der Klägerin]“. Im weiteren heißt es dazu: „Soweit Bestandteile der Sammlung zunächst in der W. Str. ..., ..., verbleiben (Bibliothek/Tassensammlung), erklärt [die Beklagte], dass sie den Besitz künftig für die [Klägerin] ausübt.“ Nähere Regelungen dazu, ob die Sammlung oder Teile von ihr auszustellen sind oder ob die Klägerin dazu berechtigt sein soll, die Sammlung ganz oder teilweise zu veräußern, enthält der Vertrag nicht.

9

Die Klägerin nahm im Anschluss die ehemals in P. bzw. in den Deichtorhallen ausgestellten und in einer Lagerhalle aufbewahrten Kunstgegenstände in Besitz, hierunter insbesondere Fotoblätter und Fotografien des Künstlers Sigmar Polke, die sie im Herbst 2011 über das Auktionshaus L. versteigern ließ. Die Bibliothek und die Tassensammlung verblieben in den Räumlichkeiten der Beklagten in der W. Str. ...

10

Die Klägerin veräußerte mit Vertrag vom 20.11.2009 (Anlage B19) an die I. K. GmbH diejenigen Gegenstände der Sammlung C+C V., die „nicht zum zukünftigen Kernbestand der Sammlung V.“ gehören sollten, wobei die Bestimmung des Kernbestandes dem Auktionshaus L. obliegen sollte. Das Auktionshaus L. stellte nachfolgend einen entsprechenden „Verwertungsplan“ zusammen (Anlage B20).

11

Die Beklagte wandte sich im Jahr 2008 an den Rechtsanwalt v. d. R. und erörterte mit diesem ein mögliches Vorgehen gegen die Klägerin, insbesondere ab dem 19.5.2008 und bis in den November 2008.

12

Die Beklagte erlitt Anfang 2009 einen Schlaganfall. Mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 11.2.2009 wurde für die Beklagte eine gesetzliche Betreuung eingerichtet und Frau U. R. zur Betreuerin bestellt. Mit Beschluss vom 23.11.2009 wurde vom Amtsgericht Frau Rechtsanwältin A. U. zur Kontrollbetreuerin bestellt. Mit Datum vom 27.11.2009 erstattete die von der Betreuerin der Beklagten beauftragte Rechtsanwältin G.- S. Strafanzeige gegen den Alleingesellschafter der Klägerin, W.- D. W. (Anlage B27). Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn W., Herrn L. und die jetzige Geschäftsführerin der Klägerin, M. V., wurde zum Aktenzeichen... durchgeführt. Mit Verfügung vom 28.6.2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Die von der Beklagten gegen die Einstellung eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos.

13

Mit Schreiben vom 26.3.2010 (Anlage B53) erklärte die Bevollmächtigte der Beklagten den Widerruf der Schenkung vom 31.5.2006.

14

Die Betreuerin der Beklagten bemühte sich im Jahr 2010, eine weitere von der Klägerin beim Auktionshaus L. in Auftrag gegebene Versteigerung von Werken aus der Sammlung C+C V. zu verhindern. Das Landgericht Hamburg lehnte indes mit Urteil vom 20.5.2010 (Az. 318 O 120/10) den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Die I. K. GmbH wurde durch Gesellschafterbeschluss vom 20.4.2011 aufgelöst. Auch im Jahr 2011 wurden noch Werke aus der Sammlung C+C V. über die Auktionshäuser L. bzw. V. & H. veräußert (Anlage B25).

15

Mit Beschluss vom 27.8.2010 wurde Prof. M. R. zum gesetzlichen Betreuer der Beklagten bestellt. Die Betreuung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 12.2.2013 (Bl. 261 d.A.) wieder aufgehoben, nachdem die Beklagte nach S. übergesiedelt ist.

16

Die Klägerin beruft sich auf den notariellen Vertrag vom 31.5.2006. Sie hält den Vertrag für wirksam. Die Beklagte sei nicht geschäftsunfähig gewesen. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in der behaupteten schlechten Verfassung gewesen. Der Zeuge W. und die Geschäftsführerin der Klägerin hätten die Beklagte vielmehr als geistig wendige, interessierte und niemals betrunkene Gesprächspartnerin erlebt. Diese Erfahrung hätten auch der Zeugen L. und seine Büroangestellten, die Zeuginnen W.- A. und G.- H., gemacht, desgleichen die Zeugen H. und G. und der beurkundende Notar Prof. R., der im Beurkundungstermin keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beklagten gehabt habe. Auch der Arzt Dr. C., der die Beklagte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum wegen Bluthockdrucks behandelt und in diesem Rahmen eine Blutuntersuchung vorgenommen habe, habe bei der Beklagten keine Anzeichen für einen Alkoholismus oder für eine ggf. darauf beruhende Folgeerkrankung wahrgenommen. Die Klägerin hat insoweit eine Reihe von schriftlichen Aussagen zur Akte gereicht, in denen Zeugen über ihre persönlichen Kontakte mit der Beklagten aus dem in Rede stehenden Zeitraum berichten. Insoweit wird auf die zum Parallelverfahren 311 O 32/11 als Anlagen B34 bis B36 zur Akte gereichten Aussagen Bezug genommen.

17

Die Klägerin meint des weiteren, eine Anfechtung der Vereinbarung vom 31.5.2006 komme in Ermangelung eines Anfechtungsgrundes nicht in Betracht. Sie behauptet hierzu, der Wunsch des verstorbenen Ehemannes der Beklagte nach Schaffung eines eigenen Museums für die gesamte Sammlung C+C V. habe sich noch zu seinen Lebzeiten als nicht realisierbar erwiesen, weil niemand die Last der riesigen und völlig chaotischen Sammlung habe tragen wollen. Auch der Alleingesellschafter der Klägerin, der Zeuge W., habe im Kontakt mit dem verstorbenen Ehemann der Beklagten deutlich gemacht, dass er nicht bereit gewesen sei, eine Schenkung der Sammlung anzunehmen, wenn nicht gestattet wäre, die Kosten der Bewahrung durch Teilverkäufe zu decken. Die Bewahrung, Inventarisierung und Präsentation für die Öffentlichkeit sei von vornherein nicht denkbar gewesen, wenn nicht ein Kernbestand der Sammlung definiert und die restlichen Werke verkauft würden. Ebenso wenig sei angesichts der Vielgestaltigkeit der Sammlung die Gründung eines statischen Museums realistisch gewesen. Noch im Jahr 2005 habe sich deshalb beim Ehemann der Beklagten ein Sinneswandel dergestalt vollzogen, dass er auf Auflagen und Bedingungen für die Übereignung der Kunstsammlung verzichtet habe. Auch der Beklagten sei bei Abschluss der Vereinbarung vom 31.5.2006 klar gewesen, dass es zu Teilverkäufen aus der Sammlung kommen würde, zumal der Notar ihr erläutert habe, dass sie nach der Beurkundung keine Rechte mehr an der Sammlung habe und die Klägerin ohne irgendwelche Bedingungen oder Auflagen über die Sammlung verfügen könne. Die Beklagte habe dies bewusst zur Kenntnis genommen und akzeptiert. Sie sei auch nicht etwa der Ansicht gewesen, mit der notariellen Urkunde eine gemeinnützige Stiftung zu gründen.

18

Im Übrigen sei eine etwaige Anfechtung verfristet. Die Beklagte habe jedenfalls im Mai 2008 bereits die entsprechende Kenntnis gehabt, als nämlich die Polke-Blätter versteigert worden seien. Diese seien stets Bestandteil der Sammlung C+C V. gewesen, wie sich aus einem Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten an das Kunsthaus V. & H. ergebe. Eine etwaige Hemmung der Anfechtungsfrist aufgrund des Schlaganfalls sei durch die Anordnung der gesetzlichen Betreuung beseitigt worden.

19

Die Klägerin meint schließlich, die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf lägen nicht vor. Die Beklagte verfüge über ein gut bemessenes Einkommen aus ihrer eigenen Versorgung und als Witwe. Überdies sei ein Teil der Sammlung, nämlich die Werke von Horst Janssen, zu einem Preis von 1,5 Mio DM verkauft worden.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin herauszugeben:

22

1. die „Tassensammlung C. V.“, bestehend aus:

23

a) 645 nummerierten [und im Schriftsatz vom 21.3.2013, Bl. 244 ff. d.A., unter Verweis auf Anlagen näher beschriebenen] Tassen;

24

b) sowie 42 unnummerierter Tassen, und zwar - unter Bezugnahme auf die dem Klagantrag anliegenden Fotos:

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- 1 Silbertasse, künstlerisch gestaltete Kanne gemäß Foto 79.jpg
- 1 innen vergoldeter Becher gemäß Foto 80.jpg
- 4 Tassen gemäß Foto 84.jpg
- 3 Tassen gemäß Foto 85.jpg
- 2 Tassen gemäß Foto 149.jpg (untere Bordreihe, rechts)
- 4 Tassen gemäß Foto 150.jpg (untere Bordreihe)
- 8 Tassen gemäß Foto 205.jpg
- 9 Tassen, eine kleine Kanne, eine Zuckerdose gemäß Foto 206.jpg
- 1 Tasse mit „N“-Dekor gemäß Foto 540.jpg
- 4 Tassen und ein Kännchen gemäß Foto 754.jpg
- 2 Tassen gemäß Fotos 755.jpg und 756.jpg, links unten und rechts oben im Bild

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2. die [im Schriftsatz vom 21.3.2013, Bl. 244 ff. d.A., unter Verweis auf Anlagen näher beschriebene] „Bibliothek C + C V.“.

27

hilfsweise,

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1. festzustellen, dass die im Hauptantrag aufgeführten Gegenstände, bei denen das Gericht infolge eines bestehenden Leihverhältnisses ein Recht der Beklagten zum Besitz annimmt, im Eigentum der Klägerin stehen,

29

2. festzustellen, dass das Leihverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten bzgl. der im Hauptantrag aufgeführten Gegenstände jedenfalls mit dem Tod der Beklagten automatisch endet;

30

3. die Beklagte zu verurteilen,

31

a) der Klägerin unverzüglich sowie zukünftig in angemessenen Abständen (mindestens einmal jährlich) die vollständige Sammlung der im Hauptantrag genannten Gegenstände zu zeigen,

32

b) der Klägerin Gelegenheit zur Inventarisierung der Sammlung zu geben und

33

c) der Klägerin stets den (die) jeweiligen Aufbewahrungsorte der Sammlung sowie jeden Wechsel des Aufbewahrungsortes (auch von Sammlungsteilen) unaufgefordert mitzuteilen.

34

4. die Beklagte zu verurteilen, bei Beendigung des Leihverhältnisses die im Hauptantrag aufgeführten Gegenstände an die Klägerin herauszugeben.

35

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

37

Die Beklagte ist der Auffassung, der notarielle Vermächtniserfüllungs- und Schenkungsvertrag sei nichtig. Dies folge bereits daraus, dass der Vertrag eine hinreichend präzise Bestimmung der zu verschenkenden Kunstgegenstände vermissen lasse. Viel zu ungenau sei insbesondere die Bestimmung der Urkunde, wonach Kunstgegenstände auf dem Ausstellungsgelände P. übertragen würden, wobei es sich „insbesondere, aber nicht ausschließlich“ um Werke handele, die in zwei Ausstellungskatalogen aufgelistet seien. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die Ausstellung in P. auch Kunstgegenstände umfasst habe, die dem Ehepaar V. leihweise von befreundeten Künstlern zur Verfügung gestellt worden seien. Ferner sei auch die pauschale Bestimmung, wonach „sämtliche als Bestandteile der Sammlung C+C V. gekennzeichneten Exponate in den H. Deichtorhallen“ übertragen würden, zu unbestimmt. Die Exponate aus der Ausstellung seien gerade nicht unmissverständlich als Bestandteile der Sammlung C+C V. gekennzeichnet; es existiere auch keine Liste der entsprechenden Werke. Eine Kennzeichnung als Bestandteil der Sammlung sei erst durch die Klägerin im Auktionshaus L. mittels eines eigenen Stempels der Beklagten erfolgt.

38

Die Beklagte ist zudem der Auffassung, der Vertrag sei nichtig, weil sie seinerzeit geschäftsunfähig gewesen sei. Sie behauptet hierzu, sie habe sich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Urkunde vom 31.5.2006 in einem derartigen krankhaften Zustand befunden, dass ihre freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen sei. Sie habe nämlich zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren am Korsakowsyndrom gelitten, welches durch ihren langjährigen Alkoholkonsum verursacht worden sei. Nach dem Tod ihres Ehemannes sei sie nicht in der Lage gewesen, sich um ihre eigenen Belange angemessen zu kümmern. Es sei für die Verantwortlichen der Klägerin daher ein Leichtes gewesen, die Beklagte zu beeinflussen. Diese hätten ihr bei gemeinsamen Besuchen auch immer Alkohol zu trinken gegeben. Zur Untermauerung ihres diesbezüglichen Vortrags hat die Beklagte eine Reihe schriftlicher Aussagen von Personen zur Akte gereicht, die mit ihr in dem hier in Rede stehenden Zeitraum persönlichen Kontakt hatten und aus denen sich die oben beschriebene Verfassung der Beklagten ergebe. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Aussagen Bezug genommen, die als Anlagen BU4 bis BU9 und B64 zur Akte gereicht wurden.

39

Die Beklagte meint ferner, sie habe die Vereinbarung vom 31.5.2006 jedenfalls wirksam angefochten. Sie sei beim Abschluss dieser Vereinbarung arglistig getäuscht worden bzw. einem beachtlichen Motivirrtum unterlegen. Die Beklagte behauptet hierzu, sie habe die notarielle Urkunde am 31.5.2006 in der irrigen Annahme unterzeichnet, die Sammlung C+C V. in einem statischen Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein solches eigenes Museum für die Sammlung sei im letzten Lebensjahrzehnt des Ehemanns der Beklagten der zentrale Wunsch beider Eheleute gewesen. Außerdem sei die Beklagte bei der Unterzeichnung der Urkunde fälschlich davon ausgegangen, dass es eine echte Stiftung mit einem Stiftungsrat geben würde, so dass die Klägerin keinen uneingeschränkten Zugriff auf alle Gegenstände der Sammlung C+C V. erlangen würde. Die Verantwortlichen der Klägerin hätten lediglich darauf abgezielt, die Kunstgegenstände aus der Sammlung C+C V. zu versilbern. In der Vereinbarung vom 31.5.2006 hätten sie die Frage, ob Teile der Sammlung verkauft werden dürften, bewusst offen gelassen. Die I. K. GmbH sei nur ein Instrument gewesen, um alle Gegenstände von Wert aus der Sammlung vordergründig „gutgläubig wegzuerwerben“. Sechs Jahre nach der Übertragung der Sammlung sei von einer öffentlichen Präsentation der Sammlung keine Rede mehr. Die Beklagte ist der Auffassung, die Anfechtungserklärung sei in der Strafanzeige der Beklagten vom 27.11.2009 zu erblicken. Sie sei unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgt. Noch am 13.11.2008 sei die Beklagte davon ausgegangen, sie habe zur Gründung einer Stiftung beigetragen. Die Kenntnis von dem Verkauf der Polke-Objekte im Mai 2008 habe die Anfechtungsfrist nicht zum Laufen gebracht, da die Beklagte nicht davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Bestandteil der Sammlung C+C V. handelte. Mit dem Schlaganfall der Beklagten sei die Anfechtungsfrist unterbrochen gewesen.

40

Die Beklagte ist schließlich der Auffassung, die Vereinbarung vom 31.5.2006 sei wegen Ausnutzung der Schwäche der Beklagte gemäß § 138 BGB unwirksam. Ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages ergebe sich jedenfalls nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverletzung, weil die Klägerin das besondere Vertrauen der Beklagten in Anspruch genommen hätte und die ihnen aus diesem Grund obliegenden Aufklärungspflichten gegenüber der Beklagte verletzt hätten. Jedenfalls sei der Vertrag wegen Störung der Geschäftsgrundlage aufzuheben.

41

Die Beklagte macht schließlich geltend, das durch die Schenkung Erlangte sei gemäß § 528 Abs.1 BGB zurück zu gewähren. Sie trägt hierzu vor, sie befinde sich seit ihrem Schlaganfall im Jahr 2009 im Pflegeheim. Sie habe mittlerweile alle ihre Ersparnisse aufgebraucht und sei hoch verschuldet. Insbesondere sei der Verkauf der Werke von Horst Janssen bereits in den Jahren 1991/1992 erfolgt. Ihre Pensionsbezüge, so die Beklagte, deckten gerade einmal die Heimkosten. Auf der anderen Seite habe die Beklagte vor dem Tod ihres Mannes und vor Weggabe der Sammlung ein äußerst komfortables aufwändiges Leben geführt.

42

Wegen des weiteren Sachvortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

43

Die Beklagte hat zur Klärung ihrer Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 31.5.2006 ein selbständiges Beweisverfahren unter der Geschäftsnummer 311 OH 2/10 angestrengt. Das in diesem Verfahren erstellte schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 13.5.2011 ist gemäß § 411a ZPO in das hiesige Verfahren eingeführt worden. Das Gericht hat über die Behauptung der Beklagten, sie sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 31.5.2006 geschäftsunfähig gewesen, zudem weiter Beweis erhoben, und zwar zum einen durch Vernehmung der nachfolgend aufgeführten Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Zeugenbeweisaufnahme, die ab dem 18.11.2013 in Anwesenheit des Sachverständigen Prof. Dr. med. M. durchgeführt wurde, wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 6.11.2012 (Bl. 177 ff.: Zeugen M., Prof. S., Prof. Dr. R., Dr. C.), vom 18.11.2013 (Bl. 378 ff.: Zeugen I., Prof. R., M., Prof. S., D.- K., R., Prof. W., Prof. M., M., B., S., R., D.), vom 19.11.2013 (Bl. 415 ff.: Zeugen H., W.) und vom 9.12.2013 (Bl. 432 ff.: Zeugen L., G.- H., W.- A., G.). Zudem hat das Gericht die sachverständige Begutachtung über die Frage der Geschäftsfähigkeit fortgesetzt. Insoweit wird auf die schriftlichen gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Prof. Dr. med. M. vom 21.6.2013 (311 O 322/11, Bl. 382 ff.), 7.2.2014 (Bl. 464 ff.) und 28.7.2014 (Bl. 609 ff.) sowie auf die Ergebnisse der mündlichen Anhörungen vom 15.4.2013 (Bl. 276 ff.) und 9.12.2014 (Bl. 683 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

44

Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache weder hinsichtlich der Haupt- noch hinsichtlich der Hilfsanträge Erfolg.

I.

45

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Herausgabe der „Bibliothek C + C V.“ sowie der „Tassensammlung C. V.“ zu, denn der „Vermächtniserfüllungs- und Schenkungsvertrag“ vom 31.5.2006, aus dem ein solcher Anspruch allein folgen könnte, ist nichtig. Dies folgt aus den §§ 104 Nr. 2, 105 BGB; die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit.

46

Die Kammer ist aufgrund der Aussagen der am 18.11.2013 vernommenen Zeugen und aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M. davon überzeugt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an einer alkoholbedingten Enzephalopathie bzw. an einer alkoholbedingten Demenz litt, und dass die damit einhergehenden Störungen des Gedächtnisses und des Denkvermögens dazu geführt haben, dass die Beklagte am 31.5.2006 nicht mehr über die Fähigkeit zu vernünftigem Urteilen und über die Möglichkeit zur freien Willensbestimmung verfügt hat. Zu diesem Ergebnis kommt das abschließende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M.. Er hat in seinem abschließenden Gutachten vom 7.2.2014 festgestellt, dass bei der Beklagten zum relevanten Zeitpunkt eine organisch begründete psychische Störung vorlag, bei der es sich unter Berücksichtigung von typischer Symptomatik, Lebensalter, langjährigem Alkoholismus und fehlenden Hinweisen auf andere neurologische oder psychiatrische Störungen um eine Alkoholenzephalopathie bzw. um eine Alkoholdemenz handelte. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Begutachtung diejenigen Beobachtungen von körperlichen und geistigen Ausfallerscheinungen der Beklagten zugrunde gelegt werden können, von denen die am 18.11.2013 vernommenen, klägerseitig benannten Zeugen in ihren Aussagen berichtet haben; hingegen könne eine entsprechende Diagnose nicht gestellt werden, wenn die – damit medizinisch unvereinbaren – Aussagen der am 19.11. und 9.12.2013 vernommenen, klägerseitig benannten Zeugen als zutreffend zugrunde gelegt werden müssten. Der Sachverständige hat die Entscheidung, welche der Aussagen als glaubhaft zugrunde zu legen sind, dabei (zutreffend) der Kammer überlassen. Wie unten noch im Einzelnen aufzuzeigen sein wird, ist die Kammer indes davon überzeugt, dass die Beobachtungen der am 18.11.2013 vernommenen, beklagtenseitig benannten Zeugen zutreffen, und dass dieses Beweisergebnis auch nicht durch die Aussagen der klägerseitig benannten, am 19.11. und 9.12.2013 vernommenen Zeugen oder durch die Aussagen der Zeugen Prof. R. und Dr. C. erschüttert wird.

47

1. Die Diagnose des Sachverständigen Prof. M. beruht auf den fachlich anerkannten Kriterienkatalog für die hier in Rede stehende Gesundheitsstörung einer kognitiven Störung infolge eines chronischen Alkoholismus, als da sind Auffassungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen, Orientierungsstörungen situativer, personeller, zeitlicher oder örtlicher Art, Beeinträchtigungen des Denkvermögen, Alkoholismus und Verwahrlosungszeichen (vgl. S. 3 des Gutachtens vom 7.2.2014). Er ist insoweit nach Vernehmung der Zeugen vom 18.11., 19.11. und 9.12., an der er selbst – auch aktiv als weitere Vernehmungsperson – teilgenommen hat, zu dem aus Sicht der Kammer nachvollziehbaren und zutreffenden Schluss gekommen, dass diese Kriterien dann, wenn man die Aussagen der Zeugen vom 18.11.2013 zugrunde legt, erfüllt sind und eindeutig und ohne vernünftige Zweifel bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein psychopathologisches Syndrom der Beklagten ergeben, welches durch Störungen von Merkfähigkeit und Gedächtnis und Beeinträchtigungen des Denkvermögens in mittelgradig bis schwerer Ausprägung charakterisiert ist.

48

a) Bei den am 18.11.2013 vernommenen Zeugen handelte es sich durchgehend um Personen, die im fraglichen Zeitraum näheren persönlichen Kontakt mit der Beklagten hatten, sei es als ihre Nachbarn (Zeugen M., Prof. S., S.), als Steuerberater (M.), als persönliche Freunde der Beklagten (Zeugen B., D.- K., R.), aus dem Kollegen- und Bekanntenkreis ihres verstorbenen Mannes (Zeugen Prof. W., Prof. M., R., D., Prof. R.) oder in der Funktion als Friedhofsgärtner (Zeuge I.).

49

Praktisch sämtliche Zeugen berichteten über Vorgänge, aus denen geschlossen werden muss, dass die Beklagte unter ganz erheblichen Störungen der Merkfähigkeit bzw. des Gedächtnisses und – z.T. daraus folgend – unter Auffassungsstörungen und Beeinträchtigungen des Denkvermögens litt. Diese betrafen durchaus unterschiedliche Lebensbereiche, äußerten sich aber recht ähnlich, nämlich vor allem darin, dass die Beklagte im persönlichen Gespräch mit den Zeugen oder in Telefonaten nicht oder allenfalls sehr eingeschränkt in der Lage war, den „roten Faden“ zu halten, bzw. darin, dass sich die Beklagte innerhalb desselben Gesprächs auffällig häufig wiederholte, ohne dies selbst zu bemerken – dies einhergehend mit der fehlenden Fähigkeit, mit einem Mindestmaß an Konzentration bei einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Frage zu bleiben und sie einer Lösung zuzuführen. Exemplarisch mag insoweit die Aussage des Zeugen I. herangezogen werden, der der Beklagten gerade in dem hier relevanten Zeitraum Frühjahr 2006 ca. alle 2 Tage auf dem Friedhof begegnet ist und der die Aufgabe hatte, mit der Beklagten die Grabgestaltung zu besprechen und durchzuführen. Er hat geschildert, dass es ihm praktisch nicht möglich gewesen sei, die Grabgestaltung mit der Beklagten zu planen und durchzuführen, weil die Beklagte das, was er dazu mit ihr besprochen habe, nach kurzer Zeit immer wieder vergessen habe, so dass er immer wieder von neuem habe anfangen müssen. So sei es hinsichtlich der Frage der Bepflanzung des Grabes mit Bodendeckern gegangen, bei der Frage, welche Größe die Grabplatte haben sollte, auf der eine Stele montiert werden sollte, und ebenso bei der Frage, wie das Grab hinter der Stele bepflanzt werden soll. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Beklagten dies zu viel gewesen sei und dass sie ihm dies überlassen wolle.

50

Von sehr ähnlichen Gedächtnis- und Auffassungsstörungen und Beeinträchtigungen des Denkvermögens berichten neben dem Zeugen I. auch die Zeugen M. (dort: bei der gemeinsamen Abwicklung des Steuermandats), Prof. S. („Desorientierung“ i.S.v. „am Thema vorbeireden“), D.- K. (Wiederholungstendenzen, keine klaren Strukturen, Sprünge), R. (ständige Wiederholungen), Prof. W. (Verlieren des Fadens, schnelles vergessen des eigentlichen Gesprächsthemas, Wiederholungen), Prof. M. (thematisches Abgleiten, problemorientiertes Gespräch – Auffinden der Mappe – nicht möglich), B. (häufige Wiederholungen), S. (häufige Wiederholungen, Erinnerungsschwierigkeiten bei der Abwicklung von Getränkebesorgungen), R. (Unfähigkeit, im Telefonat den Faden zu halten, „Sprünge“), D. (ständige Wiederholungen; inhaltliche Sprünge; häufige Suche nach der Handtasche, die sich aber immer an derselben Stelle befand; kein vernünftiges Gespräch möglich; wirkte auf die Zeugin „dement“ und „irgendwie dämlich“). Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die aus Sicht der Kammer zutreffende fachliche Analyse des Sachverständigen Prof. M. auf S. 5 bis 26 seines Gutachtens vom 7.2.2014 Bezug genommen.

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Aus mehreren Zeugenaussagen ergibt sich zudem, dass die Beklagte unter örtlichen und zeitlichen Orientierungsstörungen litt. Dies gilt namentlich für die Aussage des Zeugen M. (Beklagte wusste nicht, vor welcher Wohnungstür sie gerade stand; Unfähigkeit, die einzige Zimmertür im Raum als Ausgang wahrzunehmen), des Zeugen I. (Unfähigkeit, trotz mehrfachen Zeigens das Grab der Schwiegereltern bzw. das Grab des verstorbenen Mannes zu finden), sowie aus der Aussage der Zeugin R. (Beklagte kommt mit den Wochentagen durcheinander, hält Termine nicht ein).

52

Zudem ergeben sich aus einigen, wenngleich wenigen Zeugenaussagen eindeutige Zeichen für eine Verwahrlosungstendenz bei der Beklagten. So beschrieb insbesondere der Zeuge S., der nach dem Tode von Prof. C. V. ca. einmal pro Woche Begegnungen mit der Beklagten im Treppenhaus hatte, dass die Beklagte „förmlich verfiel“. Sie sei Alkoholikerin gewesen, habe immer eine Fahne gehabt, wusch sich nicht mehr richtig, und man habe es ihr auch „im Gesicht angesehen“ er habe mit ihr nicht mehr im Fahrstuhl fahren wollen, weil sie Körpergerüche entwickelt habe, „bei denen man lieber nicht gemeinsam im Fahrstuhl steht“. Die Beklagte habe immer denselben Mantel getragen, die Haare seien nach und nach verfettet und sie habe einen hochroten Kopf gehabt. All dies habe sich unmittelbar nach dem Tod von C. V. so entwickelt. Dem Zeugen S., ebenfalls Nachbar der Beklagten, fiel auch auf, dass die Beklagte ungepflegt wirkte, wenn er sie draußen gesehen hatte. Auch dem Zeuge I. war aufgefallen, dass die Beklagte bei ihren Besuchen auf dem Friedhof immer dieselbe Kleidung trug.

53

Schließlich ergibt sich aus den Zeugenaussagen auch praktisch durchgehend, dass die Beklagte schon seit längerem einen Alkoholkonsum gehabt hat, der i.S.d. der o.g. genannten Kriterien des Sachverständigen „als übermäßig und nicht mehr sozial angemessen“ gelten kann, wenngleich sich keine Hinweise auf eine Alkoholabhängigkeit ergeben haben. Der Zeuge Prof. R. hat hierzu ausgesagt, dass er im Jahre 2003 von C. V. ins Vertrauen gezogen worden sei, weil er einen größeren Anlauf unternehmen wollte, das Alkoholproblem seiner Frau in Angriff zu nehmen; das Problem habe darin bestanden, dass sich seine Frau immer dann, wenn sie alleine zuhause war, weil er sich auf Reisen befand, in ihrem Frust besoffen habe. In diesem Gespräch habe C. V. auf den entsprechenden Einwand des Zeugen dann auch eingesehen, dass er wohl selber Schuld daran sei, weil dies etwas mit ihm und seinem Lebenswandel zu tun habe, der seine Frau überfordere. Der Zeuge Prof. R. konnte zudem genauere Hinweise auf die Alkohol-Einkaufsgewohnheiten der Beklagte geben. Demzufolge hat die Beklagte ihre Alkoholika regelmäßig u.a. bei Jacques Weindepot bezogen. Insoweit liegt der Kammer die in der Aussage des Zeugen Prof. R. erwähnte Liste der Alkoholika vor, die die Beklagte unter ihrem Kundenkonto im Zeitraum 16.6.2006 bis 29.10.2006 (Behandlungszeitraum Dr. C.) bezogen hat; daraus ergibt sich, dass die allein lebende Beklagte im vorgenannten Zeitraum insgesamt 23 Flaschen Grappa und 37 Flaschen Rotwein allein über Jacques‘ Weindepot bezogen hat. Bestätigungen dafür, dass die Beklagte ein erhebliches Alkoholproblem hatte, finden sich auch in den meisten anderen Zeugenaussagen vom 19.11.2013. Dies gilt etwa für die oben bereits erwähnten Aussage des Zeugen Prof. S., der regelmäßig eine Alkoholfahne und zudem erheblich Verwahrlosungserscheinungen bei der Beklagten berichtet hat. Auch die Zeugin D.- K. bestätigte, dass die Beklagte schon vor dem Tode C. V.s „ein heftiges Alkoholproblem hatte“. Dies habe sie z.B. gemerkt, wenn die Beklagte bei ihr eingeladen gewesen sei; die Beklagte sei dann nach 2 bis 3 Gläsern Wein sturzbetrunken, lallend und habe eine versunkene Körperhaltung eingenommen. Entsprechende Beobachtungen hat auch der Zeuge R. gemacht; er hat zudem seit den 80er Jahren von einem steigendem Alkoholkonsum der Beklagten berichtet. Der Zeuge S. – ein Nachbar der Beklagten - hat ausgesagt, dass er die Beklagte häufiger angetrunken erlebt habe, was ihn dazu veranlasst habe, zu seiner Frau zu sagen, dass es Frau V. wohl nicht so gut gehe und dass sie zu viel trinke. Der Alkoholkonsum habe nach seinem Eindruck nach dem Tode des Ehemannes der Beklagten zugenommen. Bei einer Gelegenheit, als die Beklagte wegen eines vergessenen Schlüssels bei ihm in der Wohnung gewesen sei, sei ihm aufgefallen, dass die Beklagte innerhalb einer halben Stunde einen ½ Liter Rotwein getrunken habe; er habe sich seinerzeit über die Geschwindigkeit gewundert, mit der die Beklagte trinkt „so als wäre es Wasser“. Auch der Zeuge I. hat wahrgenommen, dass die Beklagte bei den Besuchen auf dem Friedhof, die ca. alle 2 Tage und meistens Vormittags stattfanden, fast immer nach Alkohol roch, was ihm unangenehm gewesen sei, und zudem „glasige Augen“ hatte, ohne dass sie geweint hätte. Dass die Beklagte regelmäßig übermäßig Alkohol getrunken hat, wird schließlich auch durch die Befunde gestützt, die bei der Beklagte im Rahmen der Behandlung bei der Dr. C. im Zeitraum 16.6. bis 29.10.2006 erhoben wurden. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die vergrößerte Leber sowie im Hinblick auf einen erhöhten Gamma-GT-Wert (dazu noch näher unten).

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Die Kammer hält die vorgenannten Aussagen für glaubhaft. Keine Anhaltspunkte für Zweifel ergeben sich zunächst im Hinblick auf die Aussage des Zeugen I.. Er hatte offensichtlich eine gute Erinnerung an die Beklagte. Er war in der Lage, sehr detailliert über seine Zusammenkünfte mit der Beklagten und über seine Interaktionen mit ihr zu berichten. Das erscheint nachvollziehbar, denn er hat die Beklagte eben nicht wie eine beliebige Trauernde erlebt, mit denen der Zeuge I. tagtäglich zu tun haben dürfte, sondern er hat sie - aufgrund der von ihm beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten einschließlich des fehlenden oder zumindest abweichend sich artikulierenden Trauerverhaltens – als Einzelfall in Erinnerung behalten. Anders als bei anderen Zeugen liegen im Falle des Zeugen I. auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte. Gleichzeitig kommt der Aussage des Zeugen I., worauf der Sachverständige Prof. M. zutreffend hinweist, ein besonders hoher Stellenwert zu. Denn der Zeuge hat die Beklagte gerade in dem hier unmittelbar einschlägigen Zeitraum, den Wochen vor dem Notartermin, im direkten Kontakt erlebt, und zwar ungefähr alle zwei Tage. Zudem hatte er mit der anstehenden Planung der Grabgestaltung und der anschließenden Durchführung und Abwicklung eine konkrete Aufgabe, bei der er auf die aktive Mitwirkung der Beklagten angewiesen war, so dass sich ihm etwaige Defizite der Beklagten bei den hierfür einschlägigen Kompetenzen zeigen mussten.

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Entsprechendes gilt für den Zeugen M., der die Beklagte sehr zeitnah zu dem hier in Rede stehenden Termin in einer Steuerangelegenheit betreut hat und die Beklagte zudem als entfernterer Nachbar kennt. Auch hier war eine offensichtlich gute Erinnerung an die Abläufe vorhanden, und ebenso wie im Falle des Zeugen I. hat die Aussage hohen Erkenntniswert, zumal hier ebenfalls eine Art „Testsituation“ bestand. Der Zeuge M. war nämlich zur Bearbeitung der Steuerangelegenheit auf die aktive Mitwirkung der Beklagten angewiesen, so dass etwa vorhandene Defizite der Beklagten bei den hierfür erforderlichen kognitiven Kompetenzen am ehesten auffallen würden, anders als in „Small-Talk-Situationen“ unter Nachbarn.

56

Soweit die Aussage des Zeugen Prof. R. in Rede steht, mag eine Differenzierung geboten sein. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass die Aussage des Zeugen Prof. R. nicht in jeder Hinsicht von Relevanz ist, zumal sich seine Aussage kaum auf persönliche Interaktionen mit der Beklagte im hier relevanten Zeitraum bezieht (die angesichts persönlicher Differenzen mit der Beklagte offenbar auch kaum stattgefunden haben). Was die Glaubhaftigkeit der Aussage anbelangt, ist der Kammer keineswegs verborgen geblieben, dass der Zeuge Prof. R. als der „eigentliche Betreiber“ des vorliegenden Verfahrens gelten dürfte, was sich auch daran gezeigt hat, dass er – wohl als Resultat seiner früheren Funktion als Betreuer der Beklagten – die Verhandlungstermine zunächst als deren instruierter Vertreter wahrgenommen hat. Dabei hat er diese Rolle, auch später in seiner Funktion als Zeuge, nach dem Eindruck der Kammer durchgehend offensiv interpretiert, augenscheinlich verbunden mit dem unbedingten Willen, das Lebenswerk eines verstorbenen Freundes vor dem Zugriff der aus seiner Sicht betrügerisch agierenden Klägerin zu retten. Der Zeuge Prof. R. hat, mit anderen Worten, offensichtlich ein ganz erhebliches, zumindest ideelles Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits, und die Kammer hält es durchaus für möglich, dass sich der Zeuge Prof. R. bei seiner Aussage hiervon teilweise hat beeinflussen lassen. Hiervon sind nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht die o.g. Angaben des Zeugen zu den Alkoholgepflogenheiten der Beklagten betroffen. Insoweit lag dem Zeugen nämlich ein Ausdruck des Kundenkontos der Beklagten bei Jaques‘ Weindepot vor, so dass seine Angaben auch von Dritter Seite belegt sind. Auch der Bericht des Zeugen über die Unterredung mit Prof. C. V. aus dem Jahre 2003, in der dieser seine Absicht ankündigte, das Alkoholproblem seiner Frau anzugehen, wirkte auf die Kammer wie ein authentischer Bericht eines eigenen, auch emotional besetzten Erlebnisses.

57

Die Aussagen der weiteren Zeugen – seien es Nachbarn, Freunde der Beklagten oder Personen aus dem Künstlerkollegenkreis ihres Mannes – hält die Kammer für uneingeschränkt glaubhaft. Die Zeugen waren ersichtlich um eine redliche und objektive Aussage bemüht. Dies zeigte sich z.B. daran, dass alle Zeugen einige Mühe dafür aufwanden, die richtigen Worte dafür zu finden, die kleineren oder größeren Auffälligkeiten im Verhalten der Beklagten in ihrem nicht medizinisch-psychiatrisch geschulten Laienvokabular zu beschreiben. Dies gilt namentlich, soweit die Zeugen danach befragt wurden, ob und ggf. welche Auffälligkeiten sie im Gangbild oder bei der Sprache/Aussprache der Beklagten wahrgenommen haben. Alle Zeugen konnten zudem auf nähere Nachfrage konkrete, situationsspezifische Beispiele für die Defizite der Beklagten bringen, die sie zuvor häufig nur schlagwortartig benannt hatten („desorientiert“, „nicht kommunikationsfähig“). Glaubhaft erscheinen die Berichte der Zeugen im Übrigen auch deshalb, weil sie jeweils recht genau schildern konnten, welche spontanen innerlichen oder emotionalen Reaktionen die beobachteten Verhaltensauffälligkeiten der Beklagten bei ihnen jeweils ausgelöst haben („Es war wie bei alten Leuten“ „das wirkte auf mich irgendwie dämlich“ „Ich bin dann einigermaßen ratlos gewesen“ „… war über ihren Zustand erschrocken“ „das Ganze wirkte wie ein Hilferuf auf mich“) und wie die Zeugen in dem Moment versucht haben, sich diese Auffälligkeiten zu erklären („Ich hatte den Verdacht, dass sie zu viele Medikamente nimmt“ „das wirkte auf mich wie Demenz“ „bei meiner Großmutter fing es auch so an; immerhin war C. zu diesem Zeitpunkt erst 62 Jahre alt“).

58

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es theoretisch durchaus möglich wäre, dass die Darstellungen sämtlicher Zeugen überzeichnet waren und es sich um eine z.B. vom Zeugen Prof. R. veranlasste, abgesprochene Aussage handeln könnte. Immerhin hatte der Zeuge Prof. R. die Zeugen im Laufe des Verfahrens zunächst angeschrieben und um eine schriftliche Aussage gebeten, wie sich den Eingangsworten einiger der zur Akte gereichten schriftlichen Aussagen entnehmen lässt. Dies lässt es zumindest als denkbar erscheinen, dass der Zeuge Prof. R. mit dem ihm eigenen, bereits oben beschriebenen Eifer versucht hat, die Zeugen zielgerichtet zu einer Aussage zu bewegen, die seinem Anliegen helfen könnte. Die Kammer kann indessen mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass die Zeugenaussagen das Ergebnis eines solchen sog. „Komplotts“ darstellen. In einem solchen Falle wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass sich die Zeugen auf ein vorab verabredetes Set von Verhaltensauffälligkeiten verständigt hätten, das sie in ihren Aussagen wiedergeben, während sie in Bezug auf Randaspekte oder andere mögliche Krankheitssymptome, die nicht Gegenstand der Absprache waren, vage bleiben. So liegt es aber nicht. Zum einen verhält es sich gerade nicht so, dass alle Zeugen stets dieselben Defizite wahrgenommen hätten. Insoweit mag auf die Übersicht des Sachverständigen Prof. M. auf S. 26 seines Gutachtens vom 7.2.2014 Bezug genommen werden. Aus der Übersicht ergibt sich zwar, dass einige zentrale kognitive Defizite von fast allen Zeugen wahrgenommen wurden. Dies gilt, wie dort unschwer zu erkennen ist, aber längst nicht für alle der dort genannten Kriterien. Der Sachverständige spricht daher sogar von einer „ausgesprochen divergenten Befundlage“. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen, soweit sie inhaltlich gleichgelagerte Defizite angesprochen haben, diese gerade nicht in stereotyper Weise („gemäß Vorgabe“), sondern jeweils in ihrer eigenen, situationsspezifischen Sprache beschrieben haben und diese auf Nachfrage in aller Regel auch völlig unproblematisch beschreiben oder exemplifizieren konnten. Zudem waren alle Zeugen in der Lage, Nachfragen bezüglich anderer, von den Zeugen nicht spontan erwähnter Auffälligkeiten direkt und klar zu beantworten, ohne dabei vage zu bleiben oder auszuweichen. Gegen die Annahme eines Komplotts spricht zudem, dass die Aussagen der Zeugen durchgehend keine Tendenz zu einer übermäßigen Belastung bzw. Begünstigung aufwiesen. Im Falle eines Komplotts mit dem Ziel, die Beklagte in der Beweisaufnahme als alkoholbedingt geschäftsunfähig hinzustellen, wäre davon auszugehen, dass die Zeugen zu neigen, jedes „Angebot“ des Vernehmenden anzunehmen, auf Nachfrage weitere vermeintlich alkoholbedingte Defizite zu „bestätigen“. Genau dies ist aber nicht geschehen, obwohl es dazu ausreichend Gelegenheit gegeben hätte. Sämtliche Zeugen sind nämlich – sofern sie in Betracht kommende Defizite nicht schon von sich aus angesprochen haben – vom Vorsitzenden und/oder vom Sachverständigen systematisch danach befragt worden, ob sie eventuell weitere Auffälligkeiten bei der Beklagten wahrgenommen haben – etwa im Gangbild, bei der Sprache/Aussprache (Lallen?), Hinweise auf Entzugserscheinungen oder auf eine beginnende Verwahrlosung, eine Alkoholfahne, etc. Die Reaktionen der Zeugen auf diese ergänzenden Fragen waren durchgehend überlegt, zumeist verneinend und wirkten auf die Kammer in jedem Falle authentisch – und damit selbst in den Fällen bejahender Reaktionen gerade nicht so, als wollten die Zeugen ein willkommenes, in ihrer „Zielrichtung“ liegendes Angebot schnell entgegennehmen. Im Übrigen bleibt zur Frage eines möglichen „Komplotts“ festzuhalten, dass die Kammer sich in Anbetracht der oben im einzelnen beschriebenen Authentizitätsmerkmale der einzelnen Aussagen und im Hinblick auf ihre hohe, aber nicht auf Stereotypen beruhende inhaltliche Kohärenz untereinander beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass sämtliche am 18.11.2013 vernommenen Zeugen sowohl willens als auch in der Lage gewesen sein sollten, eine schauspielerische Gesamtleistung in der dargebotenen Qualität zu erbringen.

59

b) Die Aussagen der am 19.11. und 09.12.2013 vernommenen Zeugen H., W., L., G.- H., W.- A. und G. erschüttern dieses Beweisergebnis nicht.

60

aa) Die Aussage des Zeugen H. ist im in Hinblick auf die Beurteilung der hier zur Beurteilung stehenden psychopathologischen Kategorien im Wesentlichen unergiebig. Zwar hat er angegeben, keine Defizite der in Rede stehenden Art bemerkt zu haben. Andererseits waren seine Zusammentreffen mit der Beklagten aber auch nicht so beschaffen, dass ihm etwaige Defizite hätten auffallen müssen, zumal der Zweck des Besuchs bei der Beklagte – die Reparatur eines Bücherregals ohne jede Mitwirkung der Beklagten – die kognitiven Kompetenzen der Beklagten nicht auf die Probe gestellt hat. Der Sachverständige hat insoweit an anderer Stelle ausgeführt, dass Alkoholenzephalopathie-Patienten durchaus in der Lage sind, einen Alltags-Smalltalk zu führen, ohne dass ihre Erkrankung in irgendeiner Form auffallen müsste. Gleiches gilt für vergangenheitsbezogene Gespräche, zumal die Gedächtnisausfälle praktisch ausschließlich das Kurzzeitgedächtnis betreffen.

61

Soweit der Zeuge H. im Übrigen sowohl Wahrnehmungen von kognitiven Defiziten der Beklagten als auch Anzeichen für (jeglichen) Alkoholkonsum bei der Beklagten konsequent verneint und zudem bei jeder Gelegenheit betont hat, dass die Beklagte ihm „normal“ erschien, schenkt die Kammer dem keinen Glauben. Zum einen wäre dies mit dem Ergebnis der Vernehmung der Zeugen vom 18.11.2013 unvereinbar. Zum anderen ist zu beachten, dass der Zeuge klar im Lager der Beklagten steht, zumal er nach eigenen Angaben seit 1976 bei dem Zeugen W. beschäftigt ist, der wiederum alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist. Zudem hat sich bei seiner Aussage ergeben, dass die von ihm unterzeichnete schriftliche Aussage, die die Klägerin zuvor als Anlage B35 zur Akte gereicht hatte, unter – vorsichtig ausgedrückt – maßgeblicher Mitwirkung von Frau V., der Geschäftsführerin der Klägerin und Lebensgefährtin des Zeugen W., erstellt worden ist. Der Zeuge H. hat insoweit nämlich eingeräumt, dass Frau V. ihn mündlich darum gebeten habe, eine entsprechende Stellungnahme zu verfassen; er habe daraufhin eine handschriftliche Skizze erstellt, die Frau V. dann am Computer (angeblich nur) abgeschrieben habe, während die handschriftlichen Notizen angeblich vernichtet worden seien. Bei dieser Sachlage kann die Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass die Formulierungen der schriftlichen Aussage der Anlage B35 (311 O 322/11) – insbesondere im Hinblick auf die dort getroffenen Negativaussagen über etwaige kognitive Defizite der Beklagten – letztlich aus der Feder der Klägerin bzw. ihrer Geschäftsführerin stammen und der Zeuge H. sich angesichts seiner schriftlichen Vorfestlegung in der Vernehmungssituation nicht in der Lage sah, hiervon abzurücken.

62

bb) Die Aussage des Zeugen W. ist nur teilweise ergiebig. Soweit er in seiner Vernehmung zunächst geschildert hat, dass die Beklagte beim Aufräumen der (offensichtlich chaotischen) Zustände in der Wohnung und bei der Vorsortierung der von den Zeugen H. und W. abzuholenden Kunstgegenständen eine führende Rolle übernommen hat, weil sie „insoweit Vorschläge gemacht und vorgegeben hat, was dort zu machen ist“, schien dies zwar zunächst darauf hinzudeuten, dass die Beklagte – entgegen den Aussagen der am 18.11.2013 vernommenen Zeugen – doch über kognitive Kompetenzen verfügt, die eben dies erlauben. Der Zeuge W. hat seine diesbezügliche Aussage in einem späteren Zeitpunkt der Vernehmung aber derart relativiert, dass dieser Schluss aus seiner Aussage nicht mehr gezogen werden kann. Auf nähere Nachfrage dazu, genau worin denn nun der Beitrag der Beklagten zur Vorsortierung der Bilder und Unterlagen bzw. zu einem entsprechenden „Aufräumen“ bestand, hat der Zeuge W. nämlich eingeräumt, dass die Beklagte im Hinblick auf die anstehende Vorsortierung der Bilder und Unterlagen „nur bedingt in der Lage [war], da durchzusteigen“, und dass er auch „nicht den Eindruck hatte, dass sie da eine Systematik hatte“ vielmehr hatte sie „eigentlich keinen Plan dafür“, was dann zur Folge hatte dass die Zeugen W. und H. die Kartons dann schlicht „eingeräumt und abtransportiert“ haben. - Diese (korrigierte) Ablaufschilderung ist ohne weiteres kompatibel mit den Aussagen der am 18.1.2013 vernommenen Zeugen, denn sie würde umgekehrt sogar belegen, dass die Beklagte in einem Bereich, der eigentlich ihr ureigenster ist, letztlich keinerlei Durchblick hatte und auch nicht über die kognitive Kompetenz verfügt hat, einen solchen Durchblick herzustellen - und zwar noch nicht einmal im Zusammenwirken mit bereitwilligen Helfern.

63

Soweit der Zeuge W. auf entsprechende Nachfrage jegliche Anzeichen für kognitiven Defizite der Beklagten (auffällige Wiederholungstendenzen, Verlieren des Gesprächsfadens/Sprünge) explizit verneint hat, hält die Kammer die Aussage im Übrigen nicht für glaubhaft. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, sondern erscheint sogar recht wahrscheinlich, dass der Zeuge W. insoweit ein „geschöntes“ Bild von der Verfassung der Beklagten gezeichnet hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Zeuge W. ein ganz erhebliches eigenes, zumindest ideelles Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Er ist – seit der Gründung bis heute – alleiniger Gesellschafter der Beklagten, was faktisch bedeutet, dass er derjenige ist, der ihre Geschicke lenkt; zudem sind von der Gesellschaft verfolgten Zwecke letztlich die von ihm selbst als Alleingesellschafter gesetzten Zwecke. Es liegt auf der Hand, dass der Verbleib des Millionenvermögens, das durch die Kunstsammlung C + C V. verkörpert wird, einen ganz entscheidenden Einfluss darauf hat, ob und inwieweit die Zwecke der Gesellschaft verfolgt und umgesetzt werden können. Die Kammer kann nicht ausschließen, dass sich der Zeuge bei seiner Aussage hiervon hat beeinflussen lassen. Denn schon die oben geschilderte Vernehmungshistorie zur Frage, welchen Beitrag die Beklagte zu den Sortier- und Aufräumarbeiten geleistet hat, zeigt der Kammer, dass der Zeuge W. in seiner Aussage deutliche Tendenzen hatte, ein „geschöntes“ Bild von der Verfassung der Beklagte zu zeichnen. Dies lässt es möglich und sogar wahrscheinlich erscheinen, dass der Zeuge W. auch weitere Anzeichen für kognitive Defizite entweder nicht als solche erkennen oder diese zumindest nicht offenbaren wollte. Entsprechendes gilt, soweit der Zeuge W. jegliche Anzeichen für einen auch nur geringfügigen Alkoholkonsum der Beklagten explizit verneint hat. Die empörte Reaktion, die der Zeuge auf die entsprechenden Nachfragen gezeigt hat – er finde es unverschämt und würdelos, wie man aus der Frau nachträglich eine Trinkerin machen will – stellt im Übrigen die typisches Anzeichen einer nicht wahrheitsgemäßen Aussage dar (Versuch des Zeugen, ein ihm unangenehmes Thema endgültig abzuschneiden).

64

cc) Auch die Aussagen der Zeugen L., G.- H. und W.- A. vermögen das o.g. Beweisergebnis nicht zu erschüttern.

65

Die Aussage der Zeugin W.- A. ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Fragen kaum ergiebig, da sie – wie der Sachverständige zu Recht ausführt – nur kurze Kontakte mit der Beklagten hatte, die zudem so vorstrukturiert waren, dass die Wahrscheinlichkeit, kognitive Störungen ggf. auch zu bemerken, gering war.

66

Anders verhält es sich bei dem Zeugen L.. Er hat der Sache nach ausgesagt, dass die Beklagte, die von ihm in ca. 10-15 Terminen sowohl zu erbrechtlichen Fragen als auch zu dem anstehenden Vermächtniserfüllungs- und Schenkungsvertrag beraten wurde, problemlos kooperieren konnte, alle erforderlichen Unterlagen präzise beibrachte und insgesamt einen geordneten und klaren Eindruck auf ihn gemacht habe. Seine Erklärungen zur Erbfolge habe sie verstanden, und auch bei der Erstellung des Vermögensverzeichnisses habe sie präzise kooperiert, indem sie die erforderlichen Unterlagen beigebracht habe. Insgesamt hat der Zeuge L. von der Beklagte damit das Bild einer „normal funktionierenden“, problemlos kooperierenden Mandantin gezeichnet, was sich – worauf der Sachverständige Prof. Dr. M. zutreffend hinweist – mit dem Bild, das die am 18.11.2013 vernommenen Zeugen von der Beklagten vermittelt haben, schlicht nicht vereinbaren lässt und insbesondere die medizinische Schlussfolgerung einer Alkoholenzephalopathie ausschließen würde.

67

Die Kammer hält die Aussage des Zeugen L. insoweit jedoch nicht für glaubhaft. Aus der Aussage der Zeugin G.- H. ergibt sich nämlich ein – vom Zeugen L. verschwiegener – Aspekt, der ganz erhebliche Zweifel an dem vom Zeugen L. gezeichneten Bild der problemlos kooperierenden Mandantin aufkommen lässt. Ihrer Aussage ist zu entnehmen, dass die Beklagte in der Kanzlei des Zeugen L. eine Art „persönliche Sonderbetreuung“ durch die dort als Anwaltsgehilfin tätige Zeugin G.- H. erfahren hat – eine Sonderbehandlung, die für die Kammer (ähnlich wie die Aufräum- und Sortierhilfestellung der Zeugen W. und H.) letztlich nur damit zu erklären ist, dass die Beklagte dem Zeugen L. in besonderer, den Normalmandanten deutlich übertreffender Weise hilfe- und unterstützungsbedürftig erschien. Die Zeugin G.- H. hat hierzu ausgesagt, dass sie vom Zeugen L. gebeten wurde, der Beklagten bei der Erstellung des Erbscheinsantrags und der Zusammenstellung der dafür nötigen Unterlagen zu helfen. Hierfür sei die Beklagte ungefähr sechs bis sieben Mal speziell bei ihr gewesen, wobei man neben der Erledigung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Erbscheinsantrag auch zusammengesessen und geklönt und Espresso getrunken habe; zudem habe sie mit der Beklagten hierzu telefonisch und per Fax kommuniziert. Aus Dankbarkeit dafür, dass die Zeugin G.- H. in der Erbschaftssache für sie tätig geworden sei, habe die Beklagte ihr zwei oder dreimal Blumen mitgebracht. – Dass sich die Beklagte bei der Zeugin G.- H. gleich mehrfach mit Blumen bedankte, zeigt deutlich, dass die Beklagte die Unterstützung als eine deutlich überobligatorische Unterstützung wahrgenommen hat. Gleiches gilt für die Zeugin G.- H., die der Sache nach eine Sonderbehandlung bestätigt hat, zumal sie nach eigener Aussage sonst keinen vergleichbaren persönlichen Kontakt zu Mandanten hat. Zwar hat die Zeugin die ausdrückliche Nachfrage des Sachverständigen, ob die Beklagte deswegen eine Sonderbehandlung erfahren habe, weil man sie für unterstützungsbedürftig angesehen habe, sofort verneint. Auf die anschließende Frage des Sachverständigen, was denn statt dessen der Grund für die Sonderbehandlung der Beklagte gewesen sei, hat sie zunächst eine Weile überlegt, dann mit den Achseln gezuckt und schließlich geantwortet, sie könne das nicht näher begründen. Dies hält die Kammer indes nicht für glaubhaft. Für die Kammer ist letztlich nicht erklärbar, warum die Beklagte auf Veranlassung des Zeugen L. eine so intensive Hilfestellung erfahren sollte und durch persönliche Einzelbetreuung einer Anwaltsgehilfin „an die Hand genommen wurde“, wenn nicht der Grund darin bestanden hat, dass man der Beklagten wegen der selbst wahrgenommenen oder aus Erzählungen bekannten Defizite schlicht nicht zutraute, die in diesem Zusammenhang anstehenden Aufgaben alleine und ohne „enge Führung“ von Seiten der Kanzlei zu bewältigen. Die naheliegende Erklärung, die die Zeugin – möglicherweise aus Loyalität zu ihrem Arbeitgeber, dem Zeugen L. – offensichtlich nicht zugeben wollte, besteht darin, dass die Beklagte, wie vom Zeugen M. im Zusammenhang des Steuermandats plastisch geschildert, aufgrund der genannten kognitiven Defizite nicht oder allenfalls höchst eingeschränkt in der Lage war, die für die Durchführung des Mandats erforderliche Kooperationsleistung zu erbringen.

68

Auch bei der Aussage des Zeugen L. ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass er ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Als damaliger Geschäftsführer der Klägerin und deren Treuhand-Gesellschafter stand er seinerzeit unmittelbar im Lager der Klägerin und war zugleich derjenige, der den Vermächtniserfüllungs- und Schenkungsvertrag maßgeblich in die Wege leitete. Zugleich war er derjenige, der die Beklagte – trotz seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter der Gegenseite – bei der Gestaltung dieses Vertrags anwaltlich (!) beraten hatte, und war damit neben dem Zeugen W. die Person, die von dem klägerseits explizit erhobenen Vorwurf der Ausnutzung einer geistigen Schwäche der Beklagten und den damit eng zusammenhängenden Betrugsvorwürfen im Falle eines Prozesserfolgs in erster Linie persönlich getroffen würde. Die Kammer kann, ebenso wie im Falle des Zeugen W., indessen nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass der Zeuge L. bei seiner Schilderung der kognitiven Kompetenzen der Beklagten hiervon unbeeinflusst geblieben ist. Er hat in seiner Vernehmung schon nicht erwähnt, dass er der Beklagten auf eigene Veranlassung die oben beschriebene Sonderbetreuung hat zuteil werden lassen, was der Sache nach einer beschönigenden Darstellung der Verhältnisse gleichkommt; vor diesem Hintergrund erscheint es der Kammer nicht unwahrscheinlich, zumindest aber nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge L. auch bei seinen sonstigen Angaben zur Verfassung der Beklagten deren Kompetenzen übertrieben dargestellt bzw. Defizite verschwiegen hat.

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dd) Auch die Aussage des Zeugen G. steht dem obigen Beweisergebnis nicht entgegen. Insoweit kann es dahinstehen, ob die von ihm geschilderten Interaktionen im Zusammenhang mit der Katalogisierung der Tassensammlung bei isolierter Betrachtung den Schluss zuließen, dass die Diagnose einer Alkoholenzephalopathie ausgeschlossen ist, was der Sachverständige Prof. M. vor dem Hintergrund der Vergangenheitsbezogenheit der vom Zeugen G. geschilderten Gesprächsinhalte bezweifelt. Denn wie sich im Verlaufe der Vernehmung ergab, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den vom Zeugen G. geschilderten Zusammentreffen mit der Beklagten um solche handelte, die zeitnah zum hier relevanten Zeitpunkt erfolgten (31.5.2006); der Zeuge hielt es nach Vorhalt des Schreibens der Kanzlei L. vom 22.3.2007 für gut möglich, dass seine Zusammentreffen mit der Beklagte zwecks Erfassung der Tassensammlung erst im Frühjahr 2007 stattfanden. Dies ließe nur dann einen Schluss auf die Verfassung der Beklagte zum 31.5.2006 zu, wenn eine Besserung der Symptomatik generell ausgeschlossen wäre. Das ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. im Verhandlungstermin vom 9.12.2013 aber nicht der Fall.

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c) Auch die Aussage des Zeugen Prof. R. steht dem obigen Beweisergebnis nicht entgegen. Der Zeuge Prof. R. als der beurkundende Notar hat zwar ausgesagt, dass er im Beurkundungstermin nach seinem damaligen Kenntnisstand keinen Anlass gehabt habe, an der Geschäftsfähigkeit der Beklagten zu zweifeln; er habe das Gefühl gehabt, dass die Beklagte in Raum und Zeit orientiert und zudem in einer guten und fröhlichen Stimmung gewesen sei. Während der Beurkundung habe die Beklagte nach seinem Eindruck „aufmerksam zugehört“. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dem Zeugen Prof. R. etwaige kognitiven Defizite der Beklagten hätten auffallen müssen. Seiner Aussage zufolge hatte er zuvor keinen Kontakt mit der Beklagten und auch keine Vorinformationen über ihren Gesundheitszustand. Ein Gespräch zur Vorbereitung der Beurkundung habe es nicht gegeben. Nach seiner Erinnerung habe man im Beurkundungstermin „ein paar Minuten Smalltalk gemacht und dann mit der Verlesung der Urkunde begonnen“, wobei über kompliziertere Einzelheiten, insbesondere über mögliche Alternativen bei der Rechtsform des Schenkungsempfängers und über das weitere Schicksal der Sammlungsobjekte (Veräußerung? Ausstellung?) überhaupt nicht gesprochen worden sei. Dies lässt es möglich und sogar wahrscheinlich erscheinen, dass sich die kognitiven Defizite der Beklagte im Beurkundungstermin schlicht nicht offenbart haben. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, hat der Sachverständige Prof. M. darauf hingewiesen, dass Alkoholenzephalopathiepatienten durchaus zu „Smalltalk“ in der Lage sind, so dass die Defizite in Situationen, die dem Patienten keine darüber hinausgehenden kognitiven Fähigkeiten abverlangen, ohne weiteres unentdeckt bleiben können. Gleiches gilt selbstredend, soweit mit dem vermeintlich „aufmerksamen“ Zuhören ein bloß passives Verhalten der Beklagten in Rede steht.

71

d) Auch die Aussage des Zeugen Dr. C. stellt das obige Beweisergebnis nicht in Frage. Zwar hat der Zeuge ausgesagt, dass er nach Untersuchung der Beklagten keine Anhaltspunkte für eine Alkoholerkrankung oder für ein Korsakow-Syndrom festgestellt habe, da er z.B. weder Gedächtnisstörungen noch eine fehlende Koordination bemerkt habe. Allerdings erscheint es auch hier nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge Dr. C. diese Defizite schlicht nicht bemerkt hat. Der Anlass der ärztlichen Untersuchung waren nämlich Beschwerden der Beklagten, die mit Bluthochdruck einhergehen, so dass sich seine Anamnese darauf konzentrierte. Ausweislich seiner Aussage war eine Alkoholerkrankung in der Behandlung kein Thema, und er habe auch nicht bewusst nach Anzeichen für einen Alkoholismus gesucht, wobei entsprechendes für Anzeichen einer Alkoholenzephalopathie gelten dürfte. Gleichzeitig war der Zeuge Dr. C. seiner Aussage zufolge der Meinung, die Beklagte sei zum Behandlungszeitpunkt „in Trauer“ gewesen - was ausweislich der zu 100% übereinstimmenden übrigen Zeugenaussagen so nicht stimmt, aber erklären könnte, dass der Zeuge Dr. C. etwaige Defizite nicht als solche wahrgenommen oder vorschnell einer Trauerreaktion zugeschrieben hat; insoweit schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. auf S. 33 seines Gutachtens vom 7.2.2014 an.

72

e) Auch die vom Zeugen Dr. C. relativ nah zum relevanten Beurteilungszeitpunkt erhobene internistische Befundlage steht dem obigen Beweisergebnis nicht entgegen.

73

Insofern ist zunächst festzuhalten, dass die von Dr. C. erhobenen internistischen Befunde die vom Sachverständigen Prof. M. gestellte Diagnose zum Teil ausdrücklich unterstützen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf den bei der Blutuntersuchung festgestellten, ca. 4-fach erhöhten Gamma-GT-Wert, zumal es sich hierbei anerkanntermaßen um einen Wert handelt, der bei Alkoholismus regelmäßig erhöht ist; dies stellt auch die Klägerin nicht grundsätzlich in Frage. Gleiches gilt für die vom Zeugen Dr. C. sonographisch festgestellte Vergrößerung der Leber. Soweit die Klägerin hiergegen eingewandt hat, dass sowohl die Erhöhung des Gamma-GT-Wertes als auch die Vergrößerung der Leber andere Ursachen haben können, mag dies zutreffen. Der Sachverständige Prof. M. hat insoweit aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin ins Feld geführten Alternativursachen bei der vorliegenden Gesamtbefundlage zumindest unwahrscheinlich sind, und dass die Diagnose letztlich auf der Grundlage und unter Würdigung aller Indizien zu erfolgen hat, die im Falle der Beklagten nur die von ihm gestellte Diagnose einer Alkoholenzephalopathie bzw. einer Alkoholdemenz zulassen. Insoweit wird auf die ausführlichen und aus Sicht der Kammer überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.6.2014 sowie auf die Ergebnisse der mündlichen Anhörung vom 9.12.2014 Bezug genommen.

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Soweit die Klägerin geltend macht, dass der von Dr. C. erhobene internistische Befund bei bestimmten alkoholismusrelevanten Indikatoren normwertige Befunde ergeben hat – insbesondere bei den weiteren Blutwerten (MCV-, GOT- und GOP-Wert) und bei den (hier fehlenden) Entzündungszeichen der Leber - stellt auch dieser Befund die Gesamtdiagnose nicht in Frage, zumal diese Befunde nicht zwingend mit der vom Sachverständigen gestellten Diagnose einhergehen müssen; auch dies stellt die Klägerin nicht grundsätzlich in Abrede. Auch insoweit wird auf die ausführlichen und aus Sicht der Kammer erschöpfenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten 28.7.2014 und auf dessen mündliche Erläuterungen im Termin vom 9.12.2014 Bezug genommen.

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Überzeugend ist die Begutachtung des Sachverständigen Prof. M. auch insoweit, als er Alternativursachen für einzelne, als Indiz herangezogene Befunde ausgeschlossen hat. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die als Indizien herangezogenen kognitiven Defizite, bei denen sich die Frage stellt, ob sie sich als Folge einer Trauerreaktion der Beklagten bzw. einer daraus entstandenen verselbständigten Depression, als Folge der von Dr. C. diagnostizierten Hypertonie oder als Nebenwirkung der im Hinblick darauf verschriebenen Medikamente darstellen könnten, als auch im Hinblick auf die internistische Befundlage, die sich nach Darstellung der Klägerin jeweils auf anderen Ursachen beruhen kann. Auch insoweit kann auf die ausführliche Darstellung des Sachverständigen Prof. M. in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten 28.7.2014 und auf die ergänzenden mündlichen Erläuterungen im Termin vom 9.12.2014 Bezug genommen werden.

76

2. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die vom Sachverständigen diagnostizierte Erkrankung zu einer dauerhaften oder nur zu einer vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Störung der Geistestätigkeit geführt hat, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch eine vorübergehende Störung in diesem Sinne führt nach § 105 Abs. 2 BGB nämlich zu Geschäftsunfähigkeit, so dass es allein darauf ankommt, ob diese Störung jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrags, also am 31.5.2006, vorlag. Davon ist die Kammer überzeugt. Insbesondere die Aussage des Zeugen I. erlaubt diesen zeitlichen Schluss, denn der Zeuge I., dessen Aussage in der Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. M. eine zentrale Rolle einnimmt, hat die Klägerin gerade in der hier fraglichen Zeit regelmäßig – zumindest alle 2 Tage – auf dem Friedhof getroffen, und dies über einen Zeitraum von 2-3 Wochen; er konnte dabei auch anhand seiner Gepflogenheiten zur Rechnungstellung mit Sicherheit bestätigen, dass der 31.5.2006 in dieses Zeitfenster fällt. Auch die – ähnliche aufschlussreiche – Aussage des Zeugen M. betrifft unmittelbar das hier relevante Zeitfenster, da die Gespräche mit der Klägerin über die Steuerangelegenheiten unmittelbar vor dem Tod von Prof. C. V. begonnen hatten und die Mandatierung letztlich Anfang Oktober 2006 erfolgte.

II.

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Auch die Hilfsanträge sind nicht begründet. Sie sind ersichtlich für den Fall gestellt, dass das Gericht von einem (wirksamen) Leihverhältnis ausgeht. Ein solches liegt jedoch nicht vor. Insoweit kann es dahinstehen, ob der notarielle Vertrag vom 31.5.2006 dahin zu verstehen ist, dass hinsichtlich der Bibliothek und der Tassensammlung ein (vorgeschaltetes) Leihverhältnis zwischen den Parteien begründet werden soll. Denn dieses wäre aus den o.g. Gründen ebenfalls gemäß §§ 104, 105 BGB nichtig, da die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig war. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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