Urteil vom Landgericht Hamburg (2. Zivilkammer) - 302 O 220/15
Tenor
1. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 12.353,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 66 % und der Beklagte zu 1 zu 34 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 tragen die Klägerin zu 33 % und der Beklagte zu 1 zu 67%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin und den Beklagten zu 2 jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten zu 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 18.441,82 € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin, ein gewerbliches Mietwagenunternehmen, begehrt von den Beklagten Schadensersatz nach Beschädigung eines ihrer Fahrzeuge.
- 2
Mit Vertrag vom 03.09.2014 (Anlage K 1) mietete der Beklagte zu 2 einen Mercedes Benz E 200 Cabriolet mit dem amtlichen Kennzeichen …-...-... Es wurde eine vertragliche Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 800 € pro Schadensfall vereinbart. Der Beklagte zu 1 wurde als berechtigter Fahrer eingetragen.
- 3
Dem Mietvertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin zugrunde (Anlage K 2).
- 4
Dort heißt es unter C.4:
- 5
„Der Mieter hat das Handeln des Fahrers wie eigenes zu vertreten.“
- 6
I.2:
- 7
„Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen. Eine solche vertragliche Haftungsfreistellung entspricht dem Leitbild einer Vollkaskoversicherung. In diesem Fall haften der Mieter sowie der in den Schutzbereich der vertraglichen Haftungsbefreiung einbezogene Fahrer für Schäden bis zu einem Betrag in Höhe des vereinbarten Selbstbehalts; ein Anspruch auf eine vertragliche Haftungsfreistellung besteht nicht, wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt wurde. Wurde der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt, ist die Vermieterin berechtigt, ihre Leistungsverpflichtung zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. …“
- 8
Wegen der Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Vermietbedingungen (Anlage K 2) Bezug genommen.
- 9
Am 04.09.2014 gegen 23.30 Uhr befuhr der Beklagte zu 1 den M. D. stadtauswärts. Er bog sodann hinter der Kreuzung mit dem W. Weg am U-Bahnhof M. nach rechts auf den Busfahrstreifen in Richtung L... Feld ein. Dieser ist in großen weißen Lettern mit „BUS“ gekennzeichnet. Neben diesem Busfahrstreifen befindet sich lediglich ein weiterer Busfahrstreifen in die Gegenrichtung, der normale Autoverkehr darf an dieser Stelle nicht rechts abbiegen.
- 10
Der Beklagte zu 1 passierte eine Bushaltestelle, unterquerte die U-Bahnbrücke und fuhr, obwohl die für die Busse geltende Lichtzeichenampel den oberen Querbalken, also „rot“, zeigte, in die Kreuzung ein, wo es zur Kollision mit einem Fahrzeug des von rechts kommenden Querverkehrs kam.
- 11
Am Fahrzeug der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin entstand ein erheblicher Sachschaden, ferner entstanden ihr Abschleppkosten in Höhe von 123,31 €.
- 12
Die Klägerin behauptet, ihr sei folgender Schaden entstanden:
- 13
- Reparaturkosten: 24.517,54 € netto
- Wertminderung: 1600 €
- Sachverständigenkosten: 54,62 € brutto
- Pauschale: 50 €
- 14
Insgesamt sei ihr ein Schaden in Höhe von 26.345,47 € entstanden.
- 15
Die Klägerin ist der Ansicht, dem Beklagten zu 1 sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen und meint, unter Zugrundelegung einer dem Verschulden angemessenen Quote von 70% 18.441,82 € erstattet verlangen zu können.
- 16
Die Klägerin hat zunächst Mahnbescheide gegen beide Beklagte beantragt und nach Eingang der Widersprüche mit am 24.07.2015 beim Amtsgericht Coburg, Mahngericht eingegangenem Schriftsatz unter Angabe der Aktenzeichen der beiden gegen die Beklagten geführten Mahnverfahren die Abgabe an das Streitgericht beantragt und hinsichtlich beider Beklagten den weiteren Gerichtskostenvorschuss eingezahlt.
- 17
Der Beklagte zu 1 hat einen Betrag in Höhe von 800 € anerkannt. Am 02.03.2016 ist ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil ergangen. Nach entsprechendem Hinweis des Gerichts hat die Klägerin ihre Klage in Höhe von 38,72 € zurückgenommen und macht nunmehr Sachverständigenkosten in Höhe von 45,90 € netto sowie eine Kostenpauschale von 20 € geltend.
- 18
Die Klägerin beantragt,
- 19
die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an sie 18.403,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.02.2015 zu zahlen.
- 20
Die Beklagten beantragen,
- 21
die Klage abzuweisen.
- 22
Die Beklagten sind der Ansicht, der Beklagte zu 1 habe nicht grob fahrlässig gehandelt, vielmehr liege ein Augenblicksversagen vor.
- 23
Der Beklagte zu 1 behauptet, durch das Navigationssystem des Autos fehlgeleitet worden zu sein und in der Dunkelheit die Fahrbahnmarkierung mit dem Hinweis „BUS“ nicht gesehen zu haben. Die Busampel habe er wegen ihrer Abweichung von einer normalen Ampel nicht als Ampel erkannt.
- 24
Der Beklagte zu 2 ist der Ansicht, die Klausel Ziff. I.2 der AGB der Klägerin sei als überraschende Klausel unwirksam, da er, der Beklagte zu 2, nicht mit einer weiteren Ausnahme von der Haftungsbeschränkung habe rechnen müssen. Eine gesamtschuldnerische Haftung ergebe sich nicht weder aus den AGB noch aus dem Vertrag.
- 25
Der Beklagte zu 2 erhebt die Einrede der Verjährung.
- 26
Das Gericht hat die beiden Beklagten persönlich nach § 141 ZPO angehört, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 (Bl. 64 ff. d.A.) wird verwiesen.
- 27
Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 28
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
- 29
1. Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1 aus § 823 Abs. 1 BGB neben den bereits im Wege des Teil-Anerkenntnisurteils tenorierten 800 € weitere 12.353,38 € erstattet verlangen.
- 30
Der der Klägerin in Höhe von 26.306,75 € entstandene Schaden ist von dem Beklagten zu 1 in Höhe von 50% zu ersetzen. Der Haftung des Beklagten zu 1 steht eine etwaige Unwirksamkeit der in Ziffer I.2 der Bedingungen getroffenen Regelung nicht entgegen (a). Der Beklagte zu 1 hat das im Eigentum der Klägerin stehende Mietfahrzeug bei dem Unfall am 04.09.2014 grob fahrlässig beschädigt. (b). Gemäß Ziff. I.2 der AGB war der Schaden mit einer Quote von 50 % zu teilen (c).
- 31
a) Hinsichtlich des Beklagten zu 1 kann dahinstehen, ob die in Ziffer I.2 der Bedingungen der Klägerin getroffene Regelung gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Zwar gilt gemäß Ziffer I.7 diese Regelung auch für ihn als berechtigten Fahrer. Eine Unwirksamkeit der Klausel hätte indes nicht zur Folge, dass der berechtigte Fahrer im Falle grober Fahrlässigkeit nicht haftet.
- 32
Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (BGH, Urt. v. 11.10.2011, VI ZR 46/10, m.w.N.). Der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung orientiert sich am Leitbild der Kaskoversicherung. Mit § 81 VVG steht für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her. Ihre Anwendung verstößt auch nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BGH, Urt. v. 11.10.2011, VI ZR 46/10 und Urt. v. 15.07.2014, VI ZR 452/13, jew. zit. nach juris).
- 33
b) Der Beklagten zu 1 handelte bei der Fahrt auf der Busspur und dem Ignorieren das Haltesignal anzeigenden Busampel grob fahrlässig.
- 34
Grobe Fahrlässigkeit setzt eine besonders schwerwiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Die Annahme von grober Fahrlässigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das nicht beachtet wird, was jedem einleuchten musste, weil einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Dabei ist auch subjektiven Umständen in der Weise Rechnung zu tragen, dass dem Handelnden nur ein besonders schweres Verschulden anzulasten ist. Notwendig ist daher objektiv ein besonders grober, über das gewöhnliche Maß hinausgehender Verstoß gegen Sorgfalts- und Verkehrspflichten und subjektiv ein in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen gegen die zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt (OLG Karlsruhe, Urteil v. 29.07.2004, Az.: 19 U 94/04, zit. nach juris).
- 35
Nach diesen Maßstäben war das Fahrmanöver des Beklagten zu 1 grob fahrlässig. Der Beklagte zu 1 ist trotz der auf dem Boden deutlich erkennbaren Kennzeichnung der Busspur in diese eingefahren und hat seinen Weg fortgesetzt, obwohl die auf beiden Seiten der Fahrbahn angebrachten Bushaltestellen erneuten deutlichen Hinweis darauf darstellten, sich in einer Busspur zu befinden. Die mittels Querbalken „rot“ zeigende Busampel war auch nicht etwa verdeckt oder sonst schlecht erkennbar. Spätestens als der Beklagte zu 1 diese wahrgenommen hat, hätte er anhalten und sich orientieren müssen, wie er ohne eigene Gefährdung oder die Gefährdung anderer die Busspur wieder verlassen könnte. Stattdessen ist der Beklagte zu 1 ohne auf den von rechts kommenden Querverkehr zu achten weitergefahren.
- 36
Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt nicht nur objektiv, sondern auch in subjektiver Hinsicht ein in besonders hohem Maße vorwerfbares Verhalten des Beklagten zu 1 vor. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er aufgrund der rechts neben der Busspur vorhandenen Bushaltestelle erkannt, sich auf einer Busspur zu befinden. Anstatt anzuhalten und sich zu orientieren, setzte der Beklagte zu 1, wenn auch langsam, seine Fahrt fort. Selbst wenn er die Lichtzeichenanlage für Busse erst bemerkt haben sollte, als er sich bereits unmittelbar vor ihr befand und sich gar keine Gedanken über ihre Bedeutung gemacht haben sollte, so ist eben dieses „sich keine Gedanken machen“ bereits subjektiv ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten, wenn es, wie hier, damit einhergeht, weder auf weitere Verkehrszeichen wie die Haltelinie noch auf den auf den Querverkehr zu achten und seine Fahrt fortzusetzen. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte zu 1 nach seinem Bekunden nicht zu dem von rechts kommenden Querverkehr, sondern nur nach links geblickt hat, weil sein Navigationsgerät ihn nach links geleitet habe und er sich gefragt habe, wo er hinfahre solle. Es liegt auf der Hand, dass ein Autofahrer nicht den Angaben eines Navigationsgeräts folgen darf, ohne vorher auf den übrigen Verkehr zu achten.
- 37
Die Schuld der Beklagten zu 1 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Augenblicksversagens nicht, schon gar nicht aber entscheidend, gemindert. Die Schuld wird zwar dann gemindert, wenn einem Verkehrsteilnehmer sein Fehlverhalten bei einer seine Konzentration erfordernden Dauertätigkeit aus einem Augenblicksversagen heraus gleichsam als "Ausrutscher" unterläuft, also dann, wenn es sich bei dem Fehlverhalten um ein bei der menschlichen Unzulänglichkeit typisches einmaliges Versagen handelt (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor: Dem Beklagten zu 1 ist nicht nur eine, sondern ihm sind die bereits dargestellten mehreren Fehlleistungen vorzuwerfen, deren Zusammenspiel ein Augenblicksversagen ausschließt.
- 38
c) Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1 50 % des entstandenen Schadens ersetzt verlangen. Das Gericht beurteilt die Höhe des Verschuldens als nicht so schwerwiegend wie die Klägerin, die 70 % für angemessen erachtet. Die grobe Fahrlässigkeit ordnet das Gericht im mittleren Bereich zwischen leichter Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz ein und berücksichtigt, dass es sich bei der Unfallörtlichkeit um eine etwas unübersichtliche Kreuzung handelt und der Beklagte zu 1 nicht rücksichtslos oder leichtsinnig gefahren ist.
- 39
Der Beklagte zu 1 ist der Schadensberechnung der Klägerin trotz entsprechendem Hinweis des Gerichts nicht substantiiert entgegen getreten. Nachdem der Beklagte zu 1 bereits 800 €, den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt, anerkannt hat, kann die Klägerin weitere 12.353,38 € erstattet verlangen.
- 40
Die Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB; unstreitig ist der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 12.02.2015 (Anlage K 8) gemahnt worden.
- 41
2. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage ist unbegründet. Die Ziffer I.2 der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin knüpft mit ihrer Formulierung:
- 42
“Ein Anspruch auf eine vertragliche Haftungsfreistellung besteht nicht, wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt wurde. Wurde der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt, ist die Vermieterin berechtigt, ihre Leistungsverpflichtung zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.“
- 43
nicht an die Verursachung durch eine bestimmte Person an, sondern erfasst im Zusammenhang mit der Regelung in Ziffer C.4
- 44
„Der Mieter hat Handeln des Fahrers wie eigenes zu vertreten.“
- 45
auch den Fall, dass ein berechtigter Fahrer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Eine solche Regelung ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
- 46
Auch wenn zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2 kein Vollkaskoversicherungsvertrag geschlossen wurde, muss sich die Klausel am gesetzlichen Leitbild der Vollkaskoversicherung messen lassen, da sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2 zu einer Haftungsfreistellung entsprechend den "Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" verpflichtet hat (siehe BGH, Urt. v. 19.01.2005, XII ZR 94/07; zitiert nach juris).
- 47
Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, so darf dieser - gleichsam als Quasi-Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeuges und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 20.05.2009, XII ZR 94/07 m.w.N., zit. nach juris).
- 48
Gemäß § 81 VVG kommt in der Kraftfahrzeugvollversicherung indes eine Haftung des Versicherungsnehmers für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fahrers, dem er das Fahrzeug überlassen hat, nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung ist der Versicherer von seinen Leistungspflichten nur frei, wenn der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Damit schließt bereits der Wortlaut des Gesetzes jede Zurechnung eines Drittverschuldens zu Lasten des Versicherungsnehmers aus. Nach herrschender Meinung ist im Rahmen des § 61 VVG a.F. bzw. § 81 VVG für die Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsnorm für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen, § 278 BGB, kein Raum. Begründet wird dies damit, dass § 61 VVG a.F. keine Schadensersatzpflicht statuiert, sondern einen subjektiven Risikoausschluss beinhaltet und anderenfalls die Gefahr bestünde, den Versicherungsschutz in einer Weise einzuschränken, der mit dem Zweck der Versicherung nicht mehr verträglich wäre (BGHZ 11, 120, 123).
- 49
Eine Zurechnung ist indes nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie setzt aber voraus, dass der Dritte gleichsam an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, ihn gleichsam repräsentiert. Auf diesem Gedanken beruht die bereits auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGZ 135, 370) zurückgehende, besonders für das Versicherungsrecht entwickelte "Repräsentantenhaftung". Dem liegen Billigkeitserwägungen zugrunde; dem Versicherungsnehmer, der das versicherte Risiko aus der Hand gibt und sich der Obhut über die Sache gänzlich entledigt, soll es verwehrt werden, die Lage des Versicherers nach Belieben zu verschlechtern mit der Folge, dass dieser auch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Repräsentanten leistungspflichtig wäre, während er frei wäre, wenn die "Risikoverwaltung" beim Versicherungsnehmer persönlich gegeben und dieser in gleicher Weise gehandelt hätte. Danach wird der Versicherer nur dann von der Leistungspflicht frei, wenn der Dritte Repräsentant des Versicherungsnehmers ist und in dieser Rolle den Versicherungsfall grob fahrlässig oder gar vorsätzlich vorbeiführt (BGH Urt. v. 20.05.2009, XII ZR 94/07).
- 50
Der BGH führt dazu weiter aus:
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„Diese Grundsätze der Kaskoversicherung gelten auch für den Mieter gelten, der sich gegen besonderes Entgelt eine Reduzierung seiner Haftung gegenüber dem Vermieter "erkauft". Es ist nämlich kein hinreichender Grund ersichtlich, die Prinzipien der Repräsentantenhaftung auf den quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieter nicht anzuwenden. Die aus § 61 VVG a.F. hergeleitete, auf den Repräsentanten des Kraftfahrzeugmieters eingeschränkte Haftung hat bei vereinbarter Haftungsreduzierung in der gewerblichen Kraftfahrzeugmiete die gleiche Berechtigung, wie die unmittelbar aus § 61 VVG a.F. hergeleitete Repräsentantenhaftung im Versicherungsrecht. Es wäre inkonsequent, vom gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter zu fordern, seine Vertragsbedingungen nach dem Leitbild der Fahrzeugvollversicherung zu gestalten, diese Forderung dann aber bei der wesentlichen Frage nach der Dritthaftung aufzugeben. Die Interessenlage des quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieters und des Versicherungsnehmers sind identisch. Beide wollen sich vor Risiken schützen, die der versicherten Sache von dritter Seite drohen. Beider Interesse geht dahin, das mit dem Risikoeintritt verbundene Ausfallrisiko zu versichern, letztlich also das Insolvenzrisiko des Schädigers auf den Quasi-Versicherer zu verlagern. Dafür bezahlt der Versicherungsnehmer die Versicherungsprämie und der Kraftfahrzeugmieter über die Miete hinaus das Zusatzentgelt an den gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter, der als "Quasi-Versicherer" auftritt.“
- 52
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an.
- 53
Im vorliegenden Fall ist der Beklagte zu 1 nicht als Repräsentant des Beklagten zu 2 anzusehen. Repräsentant ist nur, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertrags - oder ähnlichen Verhältnisses - an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGHZ 107, 229, 230 f.). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dabei nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGHZ aaO). Vielmehr muss ein Repräsentant unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles befugt sein, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrnehmen (Risikoverwaltung). Repräsentant in der Kaskoversicherung ist etwa, wem das Fahrzeug nicht nur längerfristig zur alleinigen Obhut überlassen worden ist, wer es geschäftlich und privat nutzen darf, sondern wer darüber hinaus für die betriebs- und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs zu sorgen hat (Durchführung der vorgeschriebenen Inspektionen, erforderlichen Reparaturen, TÜV-Vorführungen etc.) unabhängig davon, wer diese letztlich bezahlt (BGH VersR 96, 1229, 1230, 1231). Dass diese Voraussetzungen bei dem Beklagten zu 1 gegeben gewesen seien, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das bloße Interesse des Kfz-Vermieters, trotz der gegen besonderes Entgelt vereinbarten Haftungsreduzierung neben dem schädigenden Dritten mit dem Mieter einen weiteren Schuldner zu erhalten, ist nicht geeignet, den Dritten zum Repräsentanten seines Kunden zu machen (LG Hamburg, Urt. v. 17.02.2006, 306 O 52/05, zit. nach juris).
II.
- 54
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO. Die Beklagtenvertreter haben der teilweisen Klagrücknahme in Höhe von 38,72 € nicht zugestimmt, mangels eines Hinweises im Sinne des § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO kann ihre Zustimmung auch nicht unterstellt werden.
- 55
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711, 709 ZPO.
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Referenzen
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- § 81 VVG 3x (nicht zugeordnet)
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- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
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- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
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