Urteil vom Landgericht Hamburg (1. Zivilkammer) - 301 O 214/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.767,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht Erstattungsansprüche gemäß § 110 HGB geltend.

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Die Klägerin ist Kommanditistin der Beklagten, die ein Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft ist. Die Beklagte hält seit dem 2. September 1993 eine Geschäftsimmobilie in der S.str. ... in B.. Ankauf und Errichtung wurden durch ein Darlehen der mit der Beklagten verbundenen S. Bank AG finanziert. Nachdem nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. September 2003 ein unmittelbarer Nachfolgemieter nicht gefunden werden konnte, traten bei der Beklagten wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, so dass das Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden konnte. Es wurden daraufhin zwischen der Beklagten und der kreditgebenden Bank im Jahr 2008 Gespräche über eine etwaige geregelte Liquidation geführt. Es ging auch um einen Verkauf der Immobilie, der aber nicht zustande kam. Erneute Verhandlungen führten zu einem Angebot der S. Bank AG an die Kommanditisten, wonach diese bisher erhaltene Ausschüttungen in einer Höhe von (nur) 23,25 % an die Beklagte zurückzahlen sollten, die das Geld ihrerseits an die S. Bank AG weiterleiten sollte, die dafür auf weitergehende Ansprüche aus den §§ 171, 172 HGB verzichten wollte. Der Gesellschaftsvertrag sieht keine Verpflichtung der Kommanditisten zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor. Die Klägerin unterzeichnete die angebotene Freistellungsvereinbarung mit der Beklagten nicht. Sie wurde außergerichtlich mit anwaltlichem Schreiben vom 14. August 2013 von der S. Bank AG in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen entsprechend dem Klagbetrag in Anspruch genommen (Anlage K 1) und zahlte daraufhin zur Abwendung eines Rechtsstreits (an die Bank).

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. September 2016 (Anlage K 2) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung auf.

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Eine geordnete Liquidation ist (noch) nicht beschlossen worden.

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Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte den Betrag zu erstatten habe. Eine rechtliche Verpflichtung habe der Zahlung an die Beklagte nicht zugrunde gelegen, so dass der Betrag zurückzuerstatten sei. Seit 2012 habe es keine Gesellschafterversammlungen noch Informationen über den Vertrag mit der N. V. gegeben. Die Teilfälligstellung der Zinsen diene lediglich dem Zweck, nicht freiwillig zahlende Kommanditisten zu verklagen. Die Beklagte sei in der Lage, die fällig gestellten Zinsen selbst auszugleichen. Für Baumaßnahmen habe es eine Finanzierungszusage der S. Bank gegeben. Die finanzielle Situation der Beklagten sei geordnet. Die geplante Durchführung eines freihändigen Verkaufs sei rechtswidrig. Der Freistellungsvereinbarung sei die Geschäftsgrundlage entzogen, weil der Verkauf gescheitert sei, die Kommanditisten nicht mehr informiert würden, so dass entweder die S. Bank oder die Beklagte die eingezogenen Gelder zurückzahlen müssten. Die S. Bank habe maßgeblichen Einfluss auf den Fonds. Die Fondsgeschäftsführung handele in deren Interesse und nicht im Interesse der Kommanditisten. Die Beklagte wolle die Insolvenz so lange hinauszögern, wie sie noch Zahlungen von den vertragstreuen Gesellschaftern erhalten könne. Die S. Bank stelle gerade nur soviel fällig, dass die Liquiditätsreserven der Beklagten noch ausreichen, ohne dass diese bereit sei, die Forderung auszugleichen, um die Insolvenz so lange wie möglich hinauszuzögern und die Inanspruchnahme von Kommanditisten zu ermöglichen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen an sie 17.767,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2016 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt u.a. vor:

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Der Gesellschaftsvertrag schließe nicht aus, Ausschüttungen zurückzuzahlen. Die Klägerin habe nur gezahlt, um einer Klage der S. Bank gegen sie die Grundlage zu entziehen und nicht im Interessenkreis der Gesellschaft. Hinter dem Eigeninteresse der Klägerin trete das der Gesellschaft zurück. Die Klägerin habe die Zahlung an die S. Bank in Verbindung mit dem Verlangen der sofortigen Erstattung nicht für erforderlich halten dürfen. Der Anspruch sei nicht fällig, die gesellschaftliche Treuepflicht gebiete ein Zuwarten. Aufgrund der Inanspruchnahme durch die Kommanditisten werde die geordnete Abwicklung gefährdet.

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Dafür sei es erforderlich, dass die S. Bank nur einen Teil der Zinsen fällig stellt und dass die fälligen Forderungen der S. Bank mit den Mietüberschüssen ausgeglichen werden, so dass der Entzug dieser Mittel durch die Kommanditisten die geordnete Abwicklung verhindern würde. Das seit dem 15. November 2013 endfällige Darlehen sei bis auf Zinsen in Höhe von wiederkehrend 400.000 € gestundet mit der Maßgabe, dass die Pachteinnahmen nach Abzug der Objektkosten insgesamt zur Tilgung der Hauptforderung verwendet werden (Anlage B 2). Der Kaufvertrag vom 20. Dezember 2013 werde wegen Weigerung der Käuferin nicht durchgeführt, die Beklagte könne aus finanziellen Gründen keinen Rechtsstreit führen. Es solle im Wege des Bieterverfahrens ein neuer Kaufvertrag geschlossen werden. In der Gesellschafterversammlung vom 4. September 2015 sei mehrheitlich ein Auftrag erteilt worden, Verhandlungen mit Interessenten zu führen und zum Abschluss zu bringen. Die Klägerin handele auch deshalb treuwidrig, weil sie gegen diesen Verkauf gestimmt habe. Der Zahlung an die Klägerin stehe auch entgegen, dass dadurch ein Haftungskarussel entstehe, weil ihre Haftung wieder auflebe.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 17.767,39 € zu.

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Gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB hat die Klägerin als Gesellschafterin einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft. Denn sie hat in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen getätigt, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

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Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer des Gesellschafters. Ob der Gesellschafter freiwillig handelt, richtet sich allein nach seinem Verhältnis zu der Gesellschaft, in deren Interesse er das Vermögensopfer erbringt. Um ein freiwilliges Vermögensopfer handelt es sich auch dann, wenn der Gesellschafter - auch auf Veranlassung eines Gläubigers der Gesellschaft - deren Schulden tilgt (Bergmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 110 Rn. 9, 10, 12).

18

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.6.2005, II ZR 252/03 (juris) hierzu folgendes ausgeführt: „Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die Kommanditgesellschaft zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, dass sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden können.“

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Vorliegend hat die Klägerin die erhaltenen Ausschüttungen zurückgezahlt, ohne dazu im Innenverhältnis zur Beklagten verpflichtet gewesen zu sein. Der Gesellschaftsvertrag (Anlage B 1) enthält keine Vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Gesellschaft vorsieht. Dies trifft auch für die direkt an die S. Bank geleisteten Zahlungen zu (vgl. Entscheidung des HansOLG vom 4.4.2014, 11 U 257/13). Andererseits: Dass die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen ist, ist demgegenüber unerheblich.

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Bei den Zahlungen der Klägerin hat es sich um Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten gehandelt. Der Gesellschafter muss objektiv in Gesellschaftsangelegenheiten gehandelt und subjektiv dies gewollt haben. Dass der Gesellschafter zugleich eine eigene Pflicht erfüllt, steht nicht entgegen (Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, § 110 Rn. 8). Da es nach der BGH-Rechtsprechung nicht darauf ankommen soll, dass der Gesellschafter eine Inanspruchnahme in einem Insolvenzverfahren verhindern will, kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Klägerin vorliegend durch die Zahlung einem Rechtsstreit und einer etwaigen Verurteilung hat zuvorkommen wollen. Jedenfalls ergeben sich allein daraus keine die Gesellschaftsinteressen zurückdrängenden (alleinigen) Interessen der Klägerin als Kommanditistin.

21

Ein sorgfältiger Gesellschafter durfte die Aufwendungen ex ante für erforderlich halten.

22

Gründe, die der sofortigen Fälligkeit der Forderung entgegenstehen, sind nicht dargetan oder ersichtlich. Der Klägerin kann auch kein Verstoß gegen ihre gesellschaftlichen Treupflichten entgegengehalten werden.

23

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegenstehen könnte. Eine solche ist nicht beschlossen worden, so dass sie der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden kann (vgl. HansOLG vom 13.8.2015, 11 U 25/15). Es ist bereits entschieden worden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 3.11.2016, 11 U 105/16). Die Gesellschaft fordert in Umgehung der Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter gemäß § 8 Abs. 4 c des Gesellschaftsvertrages für Maßnahmen, die auf einseitigen Maßnahmen der Geschäftsführung beruhen, eine Treuepflicht, die lediglich unter den Voraussetzungen eines Beschlusses gemäß § 8 Abs. 4 c anzunehmen wären (HansOLG vom 13.8.2015, 11 U 25/15). Dem schließt sich der Einzelrichter an, zumal die Geschicke der Gesellschaft ersichtlich einseitig durch die Geschäftsführung in Abstimmung mit der Bank gesteuert werden, ohne dass für die Gesellschafter Inhalt und Folgen der wirtschaftlichen Entscheidungen transparent gemacht werden.

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Das Verlangen des Klägerin widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.6.2005, II ZR 252/03, der ausgeführt hat:“ Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluss vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks, nicht erreicht werden konnte.“

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Abgesehen davon, dass die hiesige Klägerin keineswegs „sofort“ Erstattung begehrt hat: Die zitierte Entscheidung ist schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen, weil sich die Gesellschafter dort auf der Grundlage eines Beschlusses, der der Insolvenzreife der Gesellschaft Rechnung getragen hat, für eine freiwillige Leistung entschieden, so dass sich unter diesen Umständen die sofortige Rückforderung auch als widersprüchliches Verhalten darstellen konnte. Diese Konstellation besteht hier aber gerade nicht, so dass dem - auch nach der vorgenannten Entscheidung grundsätzlich gerade bestehenden - Anspruch kein Einwand der Treuwidrigkeit entgegengehalten werden kann.

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Es ist für den klägerischen Anspruch auch ohne Bedeutung, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung der Klägerin wieder aufleben würde. Dieses Risiko hat allein die Klägerin zu tragen, ohne dass der Beklagten deshalb ein Grund zur Zahlungsverweigerung erwachsen könnte. Das gilt ebenso für die Gefahr, vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen zu werden. Dass dies unmittelbar drohen könnte, ist ohnehin nicht vorgetragen.

27

Eine Treuwidrigkeit folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin dem Verkauf der Immobilie nicht zugestimmt hat. Ihre Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihm eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht ihrem Zahlungsverlangen.

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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26. September 2016 (Anlage K 2) in Verzug geraten.

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Nebenentscheidungen: §§ 91, 709 ZPO.

30

Berichtigungsbeschluss vom 10. April 2017

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Das Endurteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 1 - vom 09.03.2017 wird im Tatbestand wie folgt berichtigt:

32

Es muss auf Seite 3, vorletzter Absatz, richtig heißen:

33

„In der Gesellschafterversammlung vom 4. September 2016 sei mehrheitlich ...“

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Gründe

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Es liegt ein offensichtliches Diktat- oder Schreibversehen vor, § 319 ZPO.

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