Urteil vom Landgericht Hamburg (30. Zivilkammer) - 330 O 479/16
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.767,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2016 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
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Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage gegen die Beklagte einen gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch geltend.
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Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten, die ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft ist. Die Beklagte hält seit dem 02.09.1993 eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Deren Ankauf und die Errichtung dieser Immobilie durch die Beklagte wurden durch ein Darlehen der Rechtsvorgängerin der S. AG finanziert. Das Objekt S.str. ... in B. war bis zum 30.09.2003 vermietet, ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten führte. Daher konnte ein bei der Hauptgläubigerin, der S. Bank AG aufgenommenes Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden.
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Um den Bestand des Fonds zu sichern und ggf. eine geregelte Liquidation durchzuführen, führte die Beklagte im Jahre 2008 mit der S. Bank AG Gespräche. Die Verhandlungen mündeten in ein Angebot der S. Bank AG an die Kommanditisten, in welchem den Kommanditisten vorgeschlagen wurde, dass sie insgesamt einen Anteil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen, die das Geld sodann an die S. Bank AG weiterleitete, und im Gegenzug die S. Bank AG gegenüber den Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichtet.
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Der Kläger hat sich seinerzeit nicht dazu entschlossen, die seitens der Beklagten angebotenen Freistellungsvereinbarungen zu unterzeichnen. In der Folge wurde er durch die S. Bank AG außergerichtlich auf Grundlage des § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen, nämlich des Klagebetrages von 17.767,39 €, in Anspruch genommen, woraufhin der Kläger auch Zahlungen leistete.
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Die S. Bank AG stundet der Beklagten derzeit die Darlehensrückzahlung und hat lediglich einen Teil der Zinsen fälliggestellt. Eine geordnete Liquidation der Beklagten haben ihre Gesellschafter bislang nicht beschlossen; vielmehr blieb eine Abstimmung hierüber am 29.11.2009 ohne die erforderliche Mehrheit.
- 6
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Erstattung der geleisteten Zahlung aus § 110 Abs. 1 HGB zu. Weiterhin bestehe ein Anspruch wegen der angefallenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.100,51 €, nachdem die Beklagte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.10.2016 unter Fristsetzung zum 03.11.2016 zur Rückzahlung aufgefordert wurde.
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Der Kläger stellt folgende Klaganträge:
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I. Die beklagte Partei wird verurteilt, an den Kläger 17.767,39 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.11.2016 zu bezahlen.
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II. Die beklagte Partei wird verurteilt, an den Kläger 1.100,51 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte macht geltend:
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Die vom Kläger erbrachte Zahlung sei keine Aufwendung in Gesellschaftsangelegenheiten. Ein etwaiger Anspruch sei zudem auch nicht fällig. Die Geltendmachung des Anspruchs sei ferner treuwidrig.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und - abgesehen von einer geringfügigen Einschränkung beim Zinsanspruch sowie hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten - auch der Sache nach begründet.
1.
- 16
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm geleisteten Zahlung in Höhe von 17.767,39 € aus § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 110 Abs. 1 HGB.
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Nach der - gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch auf die Kommanditgesellschaft anwendbaren - Vorschrift des § 110 Abs. 1 HGB ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz von Aufwendungen verpflichtet, die er in den Gesellschaftsangelegenheiten macht und den Umständen nach für erforderlich halten darf.
a)
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Die Zahlung des Klägers an die S. Bank AG betraf eine Gesellschaftsangelegenheit, weil der Kläger hierdurch - jedenfalls auch - eine Verbindlichkeit der Beklagten bediente.
- 19
Zudem war die Zahlung eine Aufwendung i.S.d. § 110 Abs. 1 HGB, nämlich ein freiwilliges Vermögensopfer des Klägers. Da der Gesellschaftsvertrag der Parteien (Anlage B 1) keine Pflicht zur Erstattung erhaltener Ausschüttungen vorsieht, war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet, die Forderung der S. Bank AG zu erfüllen. Allein auf dieses Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft kommt es für die Freiwilligkeitsbewertung an (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 13.08.2015, 11 U 25/15, BeckRS 2016, 10161).
- 20
Deshalb ist es unerheblich, dass den Kläger gegenüber der S. Bank AG aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts Köln vom 28.12.2012 (Anlage K 2) sehr wohl eine Zahlungspflicht traf und er deshalb im Verhältnis zu ihr nicht freiwillig leistete.
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Ferner durfte der Kläger die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit auch im Sinne des § 110 Abs. 1 HGB für erforderlich halten, nachdem ihm zuvor sogar vorgeschlagen worden war, zur Überwindung der Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen freiwillig zurückzuzahlen.
b)
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch aus § 110 Abs. 1 HGB zudem fällig und seine Geltendmachung verstößt nicht gegen Treu und Glauben.
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Gemäß § 271 BGB ist eine Forderung grundsätzlich sofort fällig. Abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Ferner ist nicht zu erkennen, dass der Kläger mit der Verfolgung des Aufwendungsersatzanspruchs gegen eine gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahmepflicht verstößt oder sich aus sonstigen Gründen treuwidrig gegenüber der Beklagten verhält.
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Schon angesichts der Höhe der Klageforderung ist es fernliegend, dass die begehrte Zahlung die wirtschaftliche Existenz der Beklagten gefährden würde. Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Kläger ihre geordnete Abwicklung nicht gefährden dürfe, legt sie schon nicht nachvollziehbar dar, dass bei Erfüllung der Klageforderung die fällig gestellten Zinsforderungen der S. Bank AG nicht mehr bedient werden könnten oder die S. Bank AG dann nicht mehr zu einer weiteren Stundung bereit wäre.
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Ungeachtet dessen stünde das Ziel einer geordneten Abwicklung der Beklagten der Durchsetzung des streitgegenständlichen Zahlungsbegehrens aber ohnehin nur entgegen, wenn eine Liquidation der Beklagten nach § 8 Abs. 4 lit. c) des Gesellschaftsvertrages (Anlage B 2) beschlossen worden wäre. Dies ist gerade nicht der Fall. Erst im Stadium der Liquidation greift eine sog. Durchsetzungssperre ein mit der Folge, dass die Gesellschafter ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft grundsätzlich nicht mehr selbständig geltend machen können (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, § 145 RdNr. 6, § 149 RdNr. 5).
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In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschl. v. 13.08.2015, 11 U 25/15, BeckRS 2016, 10161) hält es das erkennende Gericht für unzulässig, die Gesellschafter unter Berufung auf Treuepflichten so zu stellen, wie sie sonst nur bei ordnungsgemäßer Anordnung einer Liquidation stünden.
- 28
Das Erstattungsbegehren ist ferner nicht deshalb treuwidrig, weil der Kläger dem Verkauf der von der Beklagten gehaltenen Immobilie nicht zugestimmt hat. Mit seiner Einschätzung, dass ein solcher Verkauf momentan nicht angezeigt sei und stattdessen andere Sanierungsmaßnahmen erwogen werden sollten, setzt er sich nicht in Widerspruch zu seinem Zahlungsverlangen.
- 29
Schließlich besteht auch kein Anlass, dem Kläger die Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs wegen der von der Beklagten angeführten Gefahr eines „Zahlungs-Karussells“ zu verwehren. Es trifft zwar zu, dass durch die begehrte Erstattung die Haftung des Klägers gegenüber der S. Bank AG nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB wieder aufleben würde und infolgedessen ein solches „Karussell“ entstehen könnte. Allerdings ist schon gar nicht sicher, ob die S. Bank AG den Kläger tatsächlich erneut in Anspruch nehmen würde. Zudem betrifft dieses Risiko einer abermaligen Inanspruchnahme primär ihn als den Adressaten der Haftung nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB und erst nachrangig die Beklagte. Darüber hinaus hätte die Sichtweise der Beklagten zur Folge, dass der Kläger seinen Anspruch aus § 110 Abs. 1 HGB erst durchsetzen dürfte, wenn die Beklagte keine Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern mehr hat. Dies erscheint zu weitgehend, weil § 110 Abs. 1 HGB eine so tiefgreifende Beschränkung des Aufwendungsersatzanspruchs nicht zu entnehmen ist.
2.
- 30
Der dem Kläger zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB. Verzug besteht nach Ablauf der bis zum 03.11.2016 gesetzten Zahlungsfrist seit dem 04.11.2016.
- 31
Unbegründet ist die Klage hingegen, soweit der Kläger Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt. Ein hierauf gerichteter Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Der Kläger trägt nicht schlüssig vor, dass die Beklagte bereits in Verzug gewesen sei, als sein Prozessbevollmächtigter das Aufforderungsschreiben vom 21.10.2016 (Anlage K 2) entwarf und versandte. Die Kosten einer den Verzug erst begründenden Mahnung sind nach allgemeiner Ansicht nicht als Verzugsschaden ersatzfähig.
3.
- 32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 S. 2 ZPO.
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Referenzen
- 11 U 25/15 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- HGB § 161 2x
- HGB § 110 8x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 271 Leistungszeit 1x
- HGB § 171 3x
- HGB § 172 4x