Urteil vom Landgericht Hamburg - 307 O 142/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 22.313,77 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens.

2

Die Klägerin ist ein überregionales Kreditinstitut für Privatkunden. Sie schloss - damals noch als C. Bank Privatkunden AG & Co., KGaA, firmierend - als Darlehensgeberin mit der Beklagten seit 1997 insgesamt 8 aufeinander folgende Kreditverträge (Anlagen B 1 - B 7 sowie K 1 = B10), für die jeweils Restschuldversicherung abgeschlossen wurden und jeweils neue Bearbeitungsgebühren anfielen; überwiegend wurde mit dem jeweiligen „Neukredit“ der jeweils zuvor gewährte „Altkredit“ abgelöst. Zuletzt schloss die Klägerin mit der Beklagten, die zum damaligen Zeitpunkt 66 Jahre alt war, unter dem 17.08.2009 einen Kreditvertrag (Anlage K 1 = B 10) über ein Darlehen von € 30.856,91 (Nettokreditsumme von € 24.480,91 sowie Restschuldversicherungsbeitrag von € 6.376,00), zuzüglich Bearbeitungsgebühr von 1,57 % (€ 483,72) und Zinsen von nominal 11,99 % p.a., mit einer Laufzeit von 84 Monaten (7 Jahren) und einer monatlichen Tilgungsrate von € 561,10. Der Kreditvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung, hinsichtlich deren Inhalts auf die Anlage K 1 Bezug genommen wird. Von der Nettodarlehenssumme wurden der Beklagten € 2.418,60 ausgezahlt; mit dem Rest wurde der bei der Klägerin aufgenommene „Altkredit“ Nr. ... vom 15.09.2008 abgelöst, den die Beklagte nebst damaliger Restschuldversicherung zeitgleich mit Abschluss des Neukredits kündigte (Anlage B 9); auf jenen „Altkredit“ war der Beklagten eine Bearbeitungsgebühr von € 641,49 berechnet worden, auf die in der Kreditabrechnung bis zum 16.08.2009 Zinsen in Höhe von € 40,83 entfielen.

3

Im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss vom 17.08.2009 fand in den Geschäftsräumen der Klägerin ein Gespräch zwischen dem Mitarbeiter L. und der Beklagten statt, über das der Mitarbeiter die „individuelle Finanzplanung der C. Bank“ nebst Zusammenfassung (Anlage B 8) fertigte, in der zur Absicherung des neuen Ratenkredits eine Kreditlebensversicherung empfohlen wurde.

4

Die Beklagte zahlte die vereinbarten Raten bis April 2010 pünktlich, anschließend nur noch unregelmäßig, zuletzt erfolgte am 30.06.2011 eine Ratenzahlung. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit einem dem Musteranschreiben Anlage K 2 entsprechenden Schreiben vom 08.08.2011 und sprach am 01.09.2011 bei einem Rückstand von wenigstens 4 Raten über insgesamt € 2.244,40 mit einem inhaltlich der Anlage K 3 entsprechenden Schreiben die Kündigung des Kreditvertrages aus. Unter dem 07.10.2011 erstellte die Klägerin die Kontoabrechnung Anlage K 4, die mit einem Saldo zugunsten der Klägerin von € 28.313,77 endet.

5

Ein Teilbetrag von € 6.000,00 daraus wurde auf die entsprechende Teilklage der Klägerin mit Versäumnisurteil des Landgerichts H. vom 22.02.2012, Az. ..., tituliert; der Betrag wurde nebst festgesetzter Kosten im Wege der Pfändung beglichen.

6

Die Klägerin kündigte die letzte Restschuldversicherung und schrieb dem Kreditkonto am 22.02.2012 einen Betrag von € 2.624,70 gut (Anlage B 11).

7

Mit Schreiben vom 16.08.2016 (Anlage B 12) erklärte die Beklagte den Widerruf ihrer auf Abschluss der Darlehensverträge vom 10.04.2002, 07.11.2002, 05.07.2007, 15.09.2008 und 17.08.2009 gerichteten Willenserklärungen.

8

Nachdem die Beklagte mit der Klagerwiderung zunächst Zugang und Wirksamkeit von Mahnung und Kündigung aus dem Jahre 2011 bestritt - von diesem Bestreiten ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.06.2017, Bl. 97 d.A., abgerückt - mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 19.09.2016 (Anlage K 11) unter Beifügung einer neuen Kontoabrechnung, die einen Saldo zugunsten der Klägerin von € 33.306,77 ausweist, erneut einen Ratenrückstand, nunmehr in Höhe von € 30.154,72 nebst Zinsen in Höhe von € 3.152,05 gegenüber der Beklagten an; mit Schreiben vom 07.10.2016 (Anlage K 12) sprach die Klägerin erneut die Kündigung aus.

9

Die Klägerin trägt vor,
der Beklagten seien bei jeder Ablösung deren Folgen nicht nur durch die Hinweise im Ablösungsauftrag, sondern auch im Kreditgespräch vor Augen geführt worden. Der Beklagten sei bei der letzten Ablösung ein nicht verbrauchter Beitrag von € 3.985,40 aus der zuvor abgeschlossenen Kreditlebensversicherung vergütet worden (Anlage B 9). Der Kündigungssaldo habe am 01.09.2011 € 28.313,77 betragen, die Berechnung Anlage K 4 sei zutreffend; diese Forderung habe sich bis zur Kündigung vom 07.10.2016 (Anlage K 12) auf € 33.365,59 erhöht. Sie macht geltend, ein Beratungsvertrag habe mit der Beklagten nicht bestanden. Die Bedienung der Raten über 7 Monate stehe einer Überforderung der Beklagten durch die Ratenhöhe entgegen. Die Beklagte habe den Restschuldversicherungsvertrag (Anlage K 9) zum Darlehensvertrag vom 17.08.2009 freiwillig abgeschlossen. Der Versicherungsvertrag sei wegen des hohen Alters der Beklagten und des Verzichts auf eine Gesundheitsprüfung nicht mit einer klassischen Risikolebensversicherung vergleichbar. Die Widerrufsbelehrung des streitgegenständlichen Kreditvertrages sei wirksam, sie weise auf die Verbundenheit mit dem Versicherungsvertrag hin; der Widerruf sei hinsichtlich der vorangegangenen Verträge jedenfalls verwirkt. Selbst bei wirksamem Widerruf sei ein pauschaler Nutzungsersatz nicht mehr mit 5 % über dem Basiszinssatz zu vermuten und die Rechtschuldversicherungsprämie nicht vollständig zu erstatten, weil bis zum Widerruf Versicherungsschutz bestanden habe.

10

In Bezug auf Rückforderungsansprüche der Beklagten wegen Bearbeitungsentgelten wendet die Klägerin Verjährung ein.

11

Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht, es sei § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht nur auf Ratenrückstände sondern auch auf den Kündigungssaldo anwendbar, in den Kündigungsschreiben Anlage K 3 und Anlage K 12 sei die verzugsbegründende Mahnung enthalten.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 22.313,77 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.09.2011 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Sie trägt vor, sie leide an spastischer Kinderlähmung und sei seit ca. 20 Jahren Frührentnerin, außerdem sei sie an Krebs erkrankt und pflegebedürftig. Sie habe keine Erben. Wegen Umzuges in eine andere Wohnung, der für drei Monate doppelte Mieten zur Folge gehabt habe, habe sie im August 2009 einen geringen zusätzlichen Kreditbedarf gehabt und den Mitarbeiter der Klägerin L. eine Woche vor der Kreditaufnahme gebeten, ihren Dispositionskredit auf dem Girokonto um 400,00 zu erhöhen. Am 17.08.2009 habe Herr L. dann ein Beratungsgespräch mit ihr geführt, in dessen Verlauf er die Erhöhung des Dispositionskredits abgelehnt und stattdessen als einzige Möglichkeit einen neuen Ratenkredit als umschuldenden Aufstockungskredit mit neuer Restschuldversicherung empfohlen habe. Die Beklagte ist der Ansicht, sämtliche Widerrufsbelehrungen der Umschuldungskredite vom 10.04.2002, 07.11.2002, 05.07.2007 und 15.09.2008 seien fehlerhaft, weil sie trotz Mitfinanzierung der Restschuldversicherung keinen Bezug zum verbundenen Geschäft enthielten. Die Widerrufsbelehrung im Vertrag vom 17.08.2009 sei nach Schriftbild und Zeilenabstand kaum lesbar, eine Fax-Nr. fehle; durch die darunter stehende, fett gedruckte weitere Belehrung sei sie mehrdeutig und weiche sie vom Muster aus Anl. 2 zu § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV a.F. ab, die Gesetzlichkeitsfiktion entfalle.

17

Die Klagforderung sei in Höhe der Bearbeitungsgebühr von € 483,72 nebst darauf berechneter Zinsen unschlüssig. Die Bearbeitungsentgelte für sämtliche Kreditverträge seien unzulässig und nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zu erstatten in Höhe von € 4.670,71.

18

Die wechselseitigen Herausgabe- und Wertersatzansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf ergäben einen Saldo zugunsten der Klägerin in Höhe von nur € 12.218,93 (Berechnung Anlage B 13), dem ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung der gesamten Prämien für die Restschuldversicherungen zuzüglich Zinsen, insgesamt € 15.877,26 (Berechnung Anlage B 14) gegenüberstehe.

19

Der Beklagten stehe außerdem ein Schadensersatz wegen fehlerhafter Finanzierungsberatung gegen die Klägerin dahingehend zu, so gestellt zu werden, als hätte sie die Darlehens- und Restschuldversicherungsverträge nicht abgeschlossen. Bei Abschluss des Darlehensvertrages vom 17.08.2009 sei bereits absehbar gewesen, dass die Beklagte mit der Ratenzahlung überfordert sein werde, und dass aufgrund des Gesundheitszustandes, der hohen monatlichen Rate und der langen Laufzeit voraussichtlich nicht würde zurückgeführt werden können. Die Empfehlung von Darlehensverträgen mit Restschuldversicherung für den Todesfall sei pflichtwidrig gewesen, weil diese Kombination für die Beklagte mangels Erben unwirtschaftlich gewesen sei und das Todesfallrisiko bereits durch eine Lebensversicherung Nr. ... abgedeckt gewesen sei, die ebenfalls bei der Klägerin abgeschlossenen worden sei. Die Umschuldung bringe Verluste bei Bearbeitungsgebühr und Restschuldversicherung mit sich, über die nicht aufgeklärt worden sei.

20

Außerdem stehe der Beklagten ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zu. Die Umschuldung sei sittenwidrig gewesen. Der Berater habe die Kreditgewährung jeweils von der Restschuldversicherung abhängig gemacht. Bei hälftiger Berücksichtigung der Restschuldversicherungsprämie ergebe sich ein effektiver Jahreszins von 17,81 %; der Marktzins habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 17.08.2009 bei 8,24 % gelegen. Auch sei die Restschuldversicherung zu einer Prämie von € 6.376,00 bei einer Kreditsumme von € 24.480,91 wucherisch: Eine klassische Risikolebensversicherung mit einer Versicherungssumme von € 24.480,00 koste bei einer Laufzeit von 7 Jahren nur € 1.532,25. Die für die Restschuldversicherung anfallenden Innenprovisionen hätten über 80 % gelegen. Die Beklagte habe sich am 17.08.2009 in einer wirtschaftlichen und gesundheitlichen Zwangslage befunden. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich auch aus einer Gesamtschau der Konstruktion.

21

Schließlich stehe der Klagforderung auch ein Bereicherungsanspruch der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB iVm. §§ 492 Abs. 2, 494 Abs. 3 BGB entgegen: Der effektive Jahreszins sei falsch angegeben, weil es sich um Schuldabänderungen gehandelt habe, bei denen die Restschuld des vorangegangenen Vertrages jeweils um die Bearbeitungsgebühr und die Restschuldversicherungsprämie hätte reduziert werden müssen, statt dessen seien diese jeweils wieder mit der Umschuldung mitfinanziert worden; damit sei die Darlehensvaluta nicht vollständig ausgezahlt worden und die Abrechnung der Klägerin Anlage K 4 falsch. Mit diesen Gegenansprüchen erklärt die Beklagte die Aufrechnung.

22

Zu Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die im Laufe des Rechtsstreits gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle vom 20.04.2017 und 24.08.2017 und den Hinweisbeschluss des Gerichts vom 20.06.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

24

Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig am 17.08.2009 ein Verbraucherdarlehen in Form eines Teilzahlungsdarlehens vereinbart worden, das durch Ablösung eines Altdarlehens und Auszahlung von € 2.418,60 an die Klägerin valutiert und anschließend nur zum Teil zurückgeführt worden ist. Es kann offen bleiben, ob dieser Darlehensvertrag wegen Sittenwidrigkeit oder Verstoßes gegen § 492 Abs. 2, 494 Abs. 3 BGB nichtig ist, ob er von der Beklagten wirksam widerrufen worden ist und ob ihr aufrechenbare Gegenansprüche auf Schadensersatz wegen Beratungsfehlern oder aus Bereicherungsrecht zustehen. Denn die Klägerin kann den mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag vom 17.08.2009 nicht mehr durchsetzen, weil der Anspruch verjährt ist und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat.

1.

25

Mit der Klägerin von der Wirksamkeit des Darlehensvertrages ausgehend, stand ihr gemäß § 488 Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Darlehens zu. Für den Darlehensrückzahlungsanspruch gilt die Verjährungsfrist von drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, d.h. fällig geworden ist, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Zunächst war ratenweise Rückzahlung dergestalt vereinbart, dass monatliche Raten zu je € 561,00 gezahlt werden sollten; davon abweichend ist jedoch mit Zugang der Kündigung vom 07.10.2011 der gesamte Darlehensrückzahlungsanspruch fällig geworden.

26

Die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 01.09.2011 war wirksam.

27

a) Auf die Kündigung anzuwenden ist nach Art. 22 Abs.2 EGBGB § 498 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 12.08.2008. Danach kann der Darlehensgeber bei einem in Teilzahlungen zu tilgenden Verbraucherdarlehen wegen Zahlungsverzuges des Darlehensnehmers nur kündigen, wenn 1. der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und - bei mindestens drei Jahren Laufzeit - mindestens mit 5 % der Nettodarlehenssumme im Verzug ist und 2. dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt worden ist, dass der Darlehensgeber bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange.

28

b) Eine Mahnung im Sinne des § 498 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. ist erfolgt. Der Beklagten ist - wie unstreitig gestellt worden ist - die Mahnung vom 08.08.2011 mit einem dem Muster Anlage K 2 entsprechenden Text zugegangen. Ebenso unstreitig bestand zu diesem Zeitpunkt ein Rückstand mit mindestens vier Raten zu je € 561,10, insgesamt also € 2.244,40 und damit von mehr als 5 % der Darlehenssumme ohne Zinsen. Dabei ist der Vortrag der Klägerin so zu verstehen, dass dieser Gesamtrückstand in die Lücke des Mustertextes K 2 eingefügt war. Das hat auch die Beklagte so verstanden, die dementsprechend mit Schriftsatz vom 07.06.2017 (Bl. 97 d.A.) die Mahnung als „wirksam bzw. ausreichend“ bezeichnet hat. Die Mahnung enthält eine Zahlungsfrist von zwei Wochen ebenso wie die Mitteilung, dass die Klägerin bei Nichtbegleichung des Gesamtrückstandes den Kreditvertrag kündigen und die gesamte Restschuld fällig stellen werde.

29

c) Zum Zeitpunkt der Kündigung am 01.09.2011 bestand der o.g. Ratenrückstand von mehr als 5 % des Darlehensnennbetrages fort. Aufgrund der vertraglich vereinbarten Datumsfälligkeit der Raten jeweils zum Ersten eines Monats bestand auch zugleich Verzug mit diesen rückständigen Raten, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Diese Kündigung ist der Beklagten unstreitig zugegangen. Damit war der gesamte Restbetrag des Darlehens, den die Klägerin mit € 28.313,77 errechnet hat (die weitere Rückstandsberechnung der Klägerin zur Mahnung vom 19.09.2016 (Anlage K 11), die Raten bis September 2016 einbezieht, und die darauf gestützte Kündigung vom 07.10.2016 (Anlage K 12) gehen wegen der wirksamen Kündigung vom 01.09.2011 ins Leere), noch in 2011 fällig geworden.

2.

30

Die regelmäßige Verjährungsfrist endete damit mit Ablauf des 31.12.2014. Der Lauf dieser Frist ist hinsichtlich des hier noch (nach Abzug eines titulierten Teilbetrages von € 6.000,00) geltend gemachten Restbetrages nicht gehemmt worden. § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB, nach dem die Verjährung der Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Zinsen vom Eintritt des Verzuges nach Abs. 1 an, jedoch nicht länger als 10 Jahre von ihrer Entstehung an gehemmt ist, findet keine Anwendung.

31

a) Nach Auffassung der hier zur Entscheidung berufenen Einzelrichterin betrifft diese Vorschrift nur den Verzug mit vertragsgemäßen Raten nebst Vertragszinsen und Verzugszinsen(BGH, Urteil vom 05.04.2011, NJW 2011, 1870, 1871,Tz 21,22 Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl., § 497 Rn10), also allein den aufgelaufenen Ratenrückstand, nicht aber den durch die Kündigung entstanden Anspruch auf Zahlung der gesamten Restschuld (einschließlich der vertraglich erst für die Zukunft vereinbarten Tilgung). Bei dieser gesamten Restschuld dürfte es sich zwar um eine „Zahlung, die der Darlehensnehmer aufgrund des Verbraucherdarlehensvertrages schuldet“ im Sinne von § 497 Abs. 1 BGB handeln. Der Umstand, dass in der Regelung des Absatzes 3 Satz 3 auf den Verzug nach Abs. 1 Bezug genommen wird, bedeutet aber nicht, dass die in beiden Regelungen erfassten Zahlungsansprüche deckungsgleich sind. Vielmehr spricht die unterschiedliche Formulierung (in Abs. 1: „Zahlungen, die der Darlehensnehmer aufgrund des Verbraucherdarlehensvertrages schuldet“, in Abs. 3 Satz 3 dagegen: „Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Zinsen“) dafür, dass auch keine identischen Zahlungsverpflichtungen gemeint sind. Die vom Gesetzgeber mit § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB verfolgten Absichten sprechen vielmehr dafür, dass in dieser Vorschrift nur die im Vertrag vereinbarten Tilgungsraten nebst Zinsen angesprochen sind. Die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte Norm des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB hatte vor dem Hintergrund der nunmehrigen kurzen Regelverjährung nur den Zweck zu vermeiden, dass der Gläubiger trotz eingehender Zahlungen des Schuldners allein zur Verhinderung des Verjährungseintritts die Titulierung der Forderung betreibt und dadurch weitere Kosten zu Lasten des Schuldners verursacht (vgl. BGH aaO., Tz 14) und damit auch die Gerichte belastet werden (BT-Drucks. 14/6857, S. 34, siehe Anlage K 17). Diese Problematik ergab sich in erster Linie beim ungekündigten Ratendarlehen: Hier werden Tilgungsraten und Zinsen sukzessive - in der Regel monatlich - fällig, so dass der Gläubiger - ohne den eingefügten § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB - auch entsprechende vielfache schrittweise Titulierung vornehmen müsste zur Verhinderung der Verjährung. Beim gekündigten Darlehen dagegen besteht nur noch ein einheitlich mit der Kündigung fällig gewordener Anspruch auf Restbetragszahlung aus dem Darlehen, so dass es nur einer einzigen Titulierung bedarf, um eine neue dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu erhalten.

32

b) Soweit in dem gesamten Restbetrag vier offene Tilgungsraten von insgesamt € 2.244,40 enthalten sind, handelt es sich nach der Kündigung nur noch um unselbständige Rechnungsposten innerhalb des neuen Anspruches auf Gesamtrückzahlung, die nicht mehr gesondert dem Verzug unterliegen. Im Übrigen sind diese bereits durch die anderweitige Titulierung von € 6.000,00 erfasst, denn der dort titulierte Teilanspruch ist nicht auf einen letztrangigen Teilbetrag beschränkt worden. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 366 Abs. 2 BGB ist dann die „älteste (Raten-) Schuld“ als getilgt anzusehen.

33

c) Aber selbst, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass die „Darlehensrückzahlung“ nach § 497 Abs. 3 BGB auch den Anspruch auf den gesamten Restbetrag nach Kündigung gemäß § 498 Abs. 1 BGB erfasst, kommt die Vorschrift hier nicht zum Tragen, weil der danach erforderliche Verzug nicht gegeben war.

34

Verzug bestand bei der Kündigung vom 01.09.2011 nur mit den bis dahin aufgelaufenen rückständigen vier Tilgungsraten. Durch die Kündigung ist aber ein neuer Anspruch entstanden. Während nach dem Vertrag das Darlehen sukzessive zurückzuführen war und für die danach vorgesehene Tilgungszeit Vertragszinsen zu zahlen waren, wurde das Schuldverhältnis durch die Kündigung dahingehend umgestaltet, dass nunmehr Vertragszinsen der noch nicht getilgte Darlehensnennbetrag sofort fällig und Vertragszinsen nur noch bis zum Kündigungszeitpunkt zu zahlen waren. Hinsichtlich dieses umgestalteten Anspruchs fehlt es an einer für den Verzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB erforderlichen Mahnung nach Fälligkeit.

35

Eine Mahnung ist eine eindeutige Aufforderung an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen. Zwar enthält das Kündigungsschreiben vom 01.09.2011 die Mitteilung, dass der Gesamtbetrag zur sofortigen Zahlung fällig sei und die Klägerin auf diesen Betrag zukünftig Verzugszinsen berechnen werde. Darin dürfte eine Mahnung liegen. Erforderlich ist aber nach § 286 Abs. 1 BGB, dass die Mahnung nach Fälligkeit erfolgt. Vorliegend ist die Aufforderung zur Leistung dagegen zugleich mit der fälligkeitsbegründenden Kündigung ausgesprochen worden. Zwar kann nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 13.07.2010, XI ZR 27/10) ausnahmsweise die Mahnung mit der fälligkeitsbegründenden Handlung des Gläubigers verbunden werden. Einen solchen Ausnahmefall vermag das Gericht hier aber nicht zu erkennen. Die Mahnung nach Fälligkeit als Erfordernis für den Verzugseintritt gibt dem Schuldner bis zur Mahnung die Gelegenheit, sich auf die Situation einzustellen, die Forderung zu prüfen und nach einer Lösung zu suchen. Dieses Bedürfnis nach einer Überlegungsfrist ist im Falle einer Fälligkeit durch Kündigung ebenso gegeben. Würde der Gesetzgeber in Fällen der Fälligkeitsbegründung durch Kündigung, insbesondere im Darlehensrecht zur Stärkung der Rechte des Darlehensgebers, diese Überlegungsfrist für verzichtbar halten, hätte es nahegelegen, insoweit die Möglichkeit der Verbindung von Mahnung und Kündigung gesetzlich zu regeln. Der Umstand, dass der Gesetzgeber diese von der Rechtsprechung vorgezeichnete Möglichkeit noch immer nicht in Gesetzesform gegossen hat, spricht dafür, dass auf die Mahnung nach Fälligkeit zur Verzugsbegründung nicht ohne wirklichen Ausnahmefall, der sich nur aus Besonderheiten des Einzelfalles begründen lässt, verzichtet werden kann. Ein solcher Einzelfall ist hier nicht ersichtlich, insbesondere nicht darin, dass es um ein gekündigtes Verbraucherdarlehen geht.

II.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 709 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen