Urteil vom Landgericht Hamburg - 307 O 415/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.437,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.5.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 12.437,17 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus §§ 110 i.V.m. 161 Abs. 2 HGB geltend.

2

Der Kläger ist mit einer Einlage in Höhe von 70.000 DM als Kommanditist an der Beklagten, einem geschlossenen Immobilienfonds, beteiligt.

3

In dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Anlage B2) heißt es unter § 3 Nr. 7:

4

„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zzgl. Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall einer Liquidation. Der vertragliche Abschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171ff. HGB unberührt.“

5

Die Beklagte hielt seit dem 2.9.1993 eine Immobilie in der S.str. Nrn. in B.. Das Objekt war bis zum 30.9.2003 vermietet. Ein unmittelbarer Nachmieter fand sich nicht. Da dies zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten führte, konnte ein bei der S. AG aufgenommenes Darlehen, Hauptgläubigerin der Beklagten, nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden.

6

Verhandlungen der Beklagten mit der S. AG führten zu einem Rückzahlungsmodell, nach dem das rückständige Darlehen einerseits durch den Verkauf der Fondsimmobilie, andererseits durch Zahlungen der Kommanditisten zurückgezahlt werden sollte.

7

So unterbreitete die S. AG den Kommanditisten der Beklagten das Angebot, insgesamt einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzuzahlen, damit diese die Beträge an die S. AG weiterleiten könne; im Gegenzug würde die S. AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche aus §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichten.

8

Der Kläger nahm das Angebot der S. AG nicht an und unterzeichnete eine entsprechende Freihaltungs- bzw. Verpflichtungserklärung gegenüber der Beklagten nicht. In der Folgezeit nahm die S. AG den Kläger aus § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch. Mit Urteil vom 5.9.2013, Az. I-27 U 70/12 (Anlage K1), verurteilte das OLG Hamm den Kläger zur Zahlung von 12.437,17 Euro. Nach Rechtskraft des Urteils leistete der Kläger den Betrag an die S. AG.

9

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.4.2014 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des an die S. AG geleisteten Betrages bis zum 7.5.2014 auf; die Frist verstrich ohne Zahlung.

10

Nach Klagerhebung durch Schriftsatz vom 19.12.2017 gelang der Verkauf der Fondsimmobilie; hierdurch erlöste die Beklagte einen Kaufpreis in Höhe von 36,8 Mio. Euro, sodass die AG vollständig befriedigt wurde.

11

Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich bei seiner Zahlung an die S. AG um eine Aufwendung i.S.d. §§ 161 Abs.2, 110 HGB. Diese Zahlung sei als „freiwillige Aufwendung“ zu qualifizieren, da der maßgebliche Gesellschaftsvertrag eine Nachschusspflicht der Kommanditisten ausschließe.

12

Nachdem der Kläger die Klage hinsichtlich der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zurückgenommen hat, beantragt er nunmehr,

13

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.437,17 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8.5.2014 zu bezahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte ist der Auffassung, die durch den Kläger geleistete Zahlung an die S. AG sei keine Aufwendung i.S.d. § 110 HGB, da es sich nicht um eine freiwillige Leistung in Gesellschaftsangelegenheiten gehandelt habe, weil der Kläger lediglich auf Grund der Verurteilung durch das OLG Hamm geleistet habe. Jedenfalls trete ein etwaiges Gesellschafterinteresse vor dem Eigeninteresse des Klägers zurück.

17

Ferner sei der Anspruch jedenfalls nicht fällig, da es geboten sei, auf die wirtschaftliche Situation der Beklagten Rücksicht zu nehmen. Ohne Inanspruchnahme der Kommanditisten durch die S. AG sei die geordnete Abwicklung der Beklagten nicht möglich. Gestattete man den Kommanditisten einen Rückgriff gegen die Beklagte, werde diese nicht entlastet, da sie sich weiterhin Forderungen in gleicher Höhe - nunmehr gegenüber den Kommanditisten - ausgesetzt sähe. Ferner sei aus diesem Grund die Geltendmachung des Anspruchs aus § 110 HGB auch treuwidrig und rechtsmissbräuchlich. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass im Falle des Ersatzes zu Gunsten des Klägers ein „Zahlungskarussel“ drohe, da der Kläger nach Erstattung durch die Beklagte erneut einer Inanspruchnahme durch die S. AG ausgesetzt wäre.

18

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

I.

20

Dem Kläger steht ein Erstattungsanspruch aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB in Höhe von 12.437,17 Euro zu.

21

1. Bei der Zahlung des Klägers an die S. AG handelte es sich um eine Aufwendung i.S.d. § 110 HGB, für die er von der Beklagten Ersatz verlangen kann.

22

„Aufwendungen“ in diesem Sinne sind im Innenverhältnis freiwillige Vermögensopfer des Gesellschafters im Interesse der Gesellschaft (vgl. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage 2016, § 110 Rn. 7). Um eine solche Aufwendung handelte es sich hier.

23

a) Der Kläger war im - allein maßgeblichen (vgl. Roth, a.a.O.; BGH, Urteil vom 29.9.2015, Az. II ZR 403/13; HansOLG, Urteil vom 16.12.2016, Az. 11 U 196/16 - jew. m.w.N.) - Innenverhältnis zwischen ihm und der Beklagten nicht zur Leistung an die S. AG verpflichtet.

24

aa) Eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag der Beklagten gab es nicht (vgl. HansOLG. Urteil vom 18.7.2014, Az. 11 U 35/14). Der vorgeschlagenen Freistellungsvereinbarung stimmte er nicht zu.

25

bb) Dass der Beklagte auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung seine Leistung an die S. AG erbrachte, steht der Einordnung als freiwilliges Vermögensopfer zu Gunsten der Beklagten i.S.d. § 110 HGB nicht entgegen, denn der Begriff der „Freiwilligkeit“ bezieht sich allein auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Somit ist die „Freiwilligkeit“ in diesem Verhältnis nicht ausgeschlossen, wenn ein Gesellschafter auf Grund einer ihn treffenden Pflicht gegenüber Dritten leistet (vgl. BGH, Urteil vom 29.9.2015, Az. II ZR 403/13 m.w.N.). Auf ein umgangssprachliches Verständnis der Freiwilligkeit im Sinne einer Leistung ohne jeden äußeren Zwang kommt es nicht an (vgl. HansOLG, Urteil vom 16.12.2016, Az. 11 U 196/16 m.w.N.).

26

b) Es handelte sich ferner um eine Aufwendung in Gesellschaftsangelegenheiten. Dieses Merkmal ist gegeben, wenn der Gesellschafter objektiv im Geschäftskreis der Gesellschaft handelt und dabei zumindest auch die Vorstellung verfolgt, deren Angelegenheiten zu betreiben (vgl. Ebenroth u.a., HGB, § 110 Rn. 14). Die Aufwendung entlastete die Gesellschaft von den Verbindlichkeiten gegenüber der S. AG. Dies war dem Kläger auch subjektiv bewusst. Er handelte nicht etwa in der Vorstellung, allein seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Die Tilgung einer eigenen Schuld des Gesellschafters schließt die Annahme einer (auch) geschäftsbezogenen Aufwendung und damit den Regress nach § 110 HGB nicht aus, da es lediglich auf das Bewusstsein von der Berührung des Geschäftskreises der Gesellschaft ankommt. Eine überwiegend altruistische Motivation ist nicht erforderlich.

27

2. Der Anspruch gegenüber der Beklagten ist auch bereits fällig. Soweit der Beklagte zunächst vorgetragen hat, dass die Pflicht der Gesellschafter zur Rücksichtnahme auf die Situation der Gesellschaft dazu führe, dass ein etwaiger Anspruch aus § 110 HGB nicht geltend gemacht werden könne, da dies eine geordnete Liquidation der Gesellschaft durch Verkauf der Fondsimmobilie behindere und die Beklagte darauf angewiesen sei, dass die S. AG mit einem wesentlichen Teil ihrer Forderung stillhalte, dringt sie damit jedenfalls nach der Veräußerung des Objekts und der vollständigen Befriedigung der S. AG nicht durch.

28

3. Die Inanspruchnahme der Beklagten ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte kann nicht geltend machen, dass es nicht hinzunehmen sei, wenn der Kläger „seinen eigenen Beitrag zur bestmöglichen Veräußerung der Fondsimmobilie“ hinausverlange, während es andere Gesellschafter bei ihren Beiträgen zur Veräußerung beließen. Der Regressanspruch des Gesellschafters entspricht der gesetzlichen Konzeption und beruht auf der Erwägung eines Sonderopfers, zu dem der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft nicht verpflichtet war. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger nicht bereit war, sich gegenüber der Gesellschaft zur Zahlung (und dadurch mittelbaren Leistung an die S. AG) zu verpflichten, ist der Regress auch nicht widersprüchlich, sondern konsequent - gerade im Hinblick darauf, dass der Kläger auch der Veräußerung der Immobilie nicht zustimmte. Damit brachte er zum Ausdruck, dem gewählten Abwicklungsmodell nicht zuzustimmen. Dass demgegenüber Gesellschafter, die sich für das angebotene Modell der Darlehensrückzahlung entschieden und sich durch Unterzeichnung der Freistellungsvereinbarung zur Zahlung verpflichteten, nunmehr nicht aus § 110 HGB Ersatz verlangen können, ist ebenfalls nicht widersinnig, sondern Ergebnis der privatautonomen Entscheidung der Gesellschafter zur Unterstützung dieses Abwicklungsmodells, das darüber hinaus diese Gesellschafter vor der unmittelbaren Inanspruchnahme der S. AG geschützt hat.

29

4. Der Anspruch scheitert nicht an dem von der Beklagten vorgetragenen, drohenden „Inanspruchnahme-Karussell“. Das etwaige Wiederaufleben einer Außenhaftung des Gesellschafters nach Durchsetzung seines Anspruchs gegen die Gesellschaft ist das Risiko des Gesellschafters (HansOLG, Beschluss vom 13.8.2015, Az. 11 U 25/15). Auch diese Gefahr ist darüber hinaus nach Befriedigung der S. AG insoweit gebannt. Ein Anlass, den gesetzlichen Aufwendungsersatz zu verwehren, besteht vor dem Hintergrund von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daher nicht.

II.

30

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.4.2014 und erfolgloser Nachfristsetzung bis zum 7.5.2014 in Verzug geraten.

III.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709 i.V.m. 708 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen